Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.03.2013, Az.: 4 PA 35/13

Zustehen eines Anspruchs auf eine laufende Geldleistung nach § 23 Abs. 1 SGB VIII für eine Tagespflegeperson; Anspruch der Eltern eines von einer Tagespflegeperson betreuten Kindes auf Übernahme der Kosten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.03.2013
Aktenzeichen
4 PA 35/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 33706
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0305.4PA35.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 05.02.2013 - AZ: 4 A 127/12

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2013, 6
  • NVwZ-RR 2013, 764-765

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Anspruch auf eine laufende Geldleistung nach § 23 Abs. 1 SGB VIII steht allein der Tagespflegeperson zu.

  2. 2.

    Das SGB VIII sieht einen Anspruch der Eltern eines von einer Tagespflegeperson betreuten Kindes auf Übernahme der Kosten, die ihnen dadurch entstehen oder entstanden sind, dass sie an die Tagespflegeperson eine zivilrechtlich vereinbarte Vergütung für die Betreuung ihres Kindes zahlen oder gezahlt haben, nicht vor.

Beschluss

1

Die Beschwerde der Klägerin gegen den erstinstanzlichen Beschluss ist unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren im Ergebnis zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

2

Die Klage ist allerdings bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht schon mangels Klagebefugnis der Klägerin unzulässig. Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Kinderbetreuungskosten für ihre Kinder in Höhe von 6.795,24 EUR zu übernehmen.

3

Soweit es um die Anfechtung des o. a. Bescheides geht, ist die Klägerin selbst klagebefugt. Die Klägerin hat unter dem 16. Februar 2012 im eigenen Namen und nicht namens ihrer Kinder beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer laufenden Geldleistung zu den Kosten der Tagespflege beantragt. Dementsprechend hat der Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 12. April 2012 auch an die Klägerin selbst und nicht an deren Kinder, vertreten durch die Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin, gerichtet. Dass der Beklagte in der Begründung dieses Bescheides angeführt hat, die Kinder der Klägerin hätten nach § 24 SGB VIII Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen, ändert daran nichts. Folglich ist der Klägerin in Bezug auf den Anfechtungsantrag die Klagebefugnis nicht abzusprechen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Kinder der Klägerin wären die "richtigen Kläger" gewesen, weil sie "im Rahmen der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege nach § 24 SGB VIII Anspruchsinhaber" seien, ist ersichtlich unzutreffend. Die Klägerin ist schließlich auch klagebefugt, soweit es um den Antrag auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten geht, da die Tagespflegeperson der Klägerin und nicht ihren Kindern Betreuungskosten in Höhe von 6.795,24 EUR in Rechnung gestellt hat.

4

Die Klage erweist sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage indessen als unbegründet.

5

Der von der Klägerin gestellte Anfechtungsantrag ist nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid vom 12. April 2012, mit dem der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer laufenden Geldleistung zu den Kosten der Kindertagespflege vom 16. Februar 2012 abgelehnt worden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil diese selbst keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung einer laufenden Geldleistung zu den Kosten der Kindertagespflege hat. Der Anspruch auf eine laufende Geldleistung steht nach § 23 Abs. 1 SGB VIII vielmehr allein der Tagespflegeperson zu (vgl. Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 6. Aufl., § 23 Rn. 21 f.) und kann daher auch nur von dieser selbst gegen den Träger der Jugendhilfe mit Erfolg geltend gemacht werden. Angesichts der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Ablehnungsbescheides kann auch der von der Klägerin im Beschwerdeverfahren angekündigte "Überprüfungsantrag gemäß § 44 Abs. 2 SGB X" ihrer Klage nicht zum Erfolg verhelfen; abgesehen davon muss dieser Antrag im vorliegenden Verfahren ohnehin unberücksichtigt bleiben, weil er in dem für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags noch gar nicht gestellt war.

6

Der Klägerin steht auch der von ihr geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme von Kinderbetreuungskosten in Höhe von 6.795,24 EUR bei summarischer Prüfung nicht zu. Die Tagespflegeperson hat ihr zwar Betreuungskosten in dieser Höhe in Rechnung gestellt. Das SGB VIII sieht einen Anspruch der Eltern eines von einer Tagespflegeperson betreuten Kindes auf Übernahme der Kosten, die ihnen dadurch entstehen oder entstanden sind, dass sie an die Tagespflegeperson eine zivilrechtlich vereinbarte Vergütung für die Betreuung ihres Kindes zahlen oder gezahlt haben, aber nicht vor. Ein derartiger Anspruch auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten ergibt sich insbesondere nicht aus § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift soll zwar im Falle des § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII der Kostenbeitrag auf Antrag ganz oder teilweise erlassen oder ein Teilnahmebeitrag auf Antrag ganz oder teilweise vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden, wenn die Belastung den Eltern oder dem Kind nicht zuzumuten ist. Die Klägerin entrichtet für die Betreuung ihrer Kinder aber keinen Teilnahmebeitrag an die Tagespflegeperson. Ein Teilnahmebeitrag wird nach den Gesetzesmaterialien zu § 90 SGB VIII im Rahmen eines privatrechtlichen Nutzungsverhältnisses durch einen Träger der freien Jugendhilfe festgesetzt (BT-Drs. 16/9299 S. 18). Ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis besteht bei einer Betreuung eines Kindes durch eine Tagepflegeperson aber nicht. Diese setzt auch keinen Teilnahmebeitrag gegen die Eltern des betreuten Kindes fest. Folglich findet das Kostenübernahmeverlangen der Klägerin auch in § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII keine Grundlage. Bei summarischer Prüfung ist auch keine andere gesetzliche Bestimmung ersichtlich, die der Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch verleihen könnte.

7

Entgegen der Auffassung der Klägerin vermittelt auch die Satzung des Landkreises Uelzen zur Förderung der Kindertagespflege und zur Erhebung von Kostenbeiträgen für Kindertagespflege gemäß §§ 22 - 24 a, 90 SGB VIII vom 15. Oktober 2009 keinen Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten. Denn die Satzung enthält keine Bestimmung, der zufolge die Eltern betreuter Kinder gegen den Träger der Jugendhilfe einen eigenen Anspruch auf Übernahme der Kosten haben, die ihnen durch Leistungen an die Tagespflegeperson entstanden sind. Die Satzung geht vielmehr davon aus, dass die Tagespflegeperson selbst einen Anspruch auf laufende Geldleistungen nach § 23 Abs. 1 und 2 SGB VIII gegen den Jugendhilfeträger hat.

8

Damit hat auch die Klage auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.