Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 26.03.2014, Az.: 11 A 5010/13

Eltern; Familienschutz; gut integriert; Jugendliche; Minderjährigkeit; Verwurzelung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
26.03.2014
Aktenzeichen
11 A 5010/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42696
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Liegen die Voraussetzungen des § 25 a Abs. 2 und 3 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Eltern minderjähriger von § 25 a Abs. 1 AufenthG begünstigter Kinder nicht vor, ist mit Rücksicht auf die weitere Sonderregelung des § 60 a Abs. 2 b AufenthG kein Raum für die Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 6 GG.

Im Regelfall kann in diesen Fällen auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der Verwurzelung (Art. 8 EMRK) erteilt werden.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger sind armenische Staatsangehörige. Die Kläger zu 1) und 2) sind 1972 bzw. 1978 geboren und verheiratet, die Klägerin zu 3) ist ihre gemeinsame Tochter, die am 27. Februar 2001 zur Welt gekommen ist. Aus der Ehe sind zudem die Söhne M., geb. am 24. September 1995, und T., geb. am 18. Februar 1998, hervorgegangen.

Die Kläger zu 1) und 2) reisten mit ihren Söhnen am 22. Dezember 1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten als türkische Staatsangehörige R. und T. A. erfolglos ihre Anerkennung als Asylberechtigte (Bescheid des Bundesamtes vom 2. Februar 2000; VG Oldenburg, Urteil vom 6. Juli 2000 – 5 A 662/00 ). Seither werden die Kläger von dem Beklagten geduldet.

Der Kläger zu 1) ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten: Mit Urteil vom 5. Juni 2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Emden wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen und am 19. April 2007 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen. Die Kläger zu 1) und 2) sind zudem mit Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 12. März 2012 jeweils wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in 13 Fällen, nämlich ihren Identitätstäuschungen bei Erteilung der Duldungen, verwarnt worden. Die Festsetzung einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen wurde vorbehalten. Mit Beschlüssen vom 25. März 2014 hat das Amtsgericht Aurich festgestellt, dass es nach Ablauf der Bewährungszeit bei den Verwarnungen sein Bewenden hat.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 beantragten die Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Sie räumten gleichzeitig ihre Identitätstäuschungen ein. Sie beriefen sich darauf, auf den Rat von Verwandten gehört zu haben, erstatteten Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft und belegten ihre zutreffenden Personaldaten.

Am 5. Oktober 2011 erteilte der Beklagte dem Sohn bzw. Bruder M. erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a AufenthG, welche zuletzt bis zum 30. September 2014 verlängert worden ist. Der Sohn bzw. Bruder T. erhielt am 18. Februar 2013 eine bis zum 31. August 2014 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a AufenthG.

Mit bestandkräftigem Bescheid vom 31. Juli 2012 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 a Abs. 2 AufenthG im Hinblick auf die Straftaten und die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts ab. Die Kläger werden von dem Beklagten jedoch gemäß § 60 a Abs. 2b AufenthG geduldet.

Mit Bescheid vom 11. April 2013 lehnte der Beklagte auch den Antrag der Kläger auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Die Kläger seien im Besitz von armenischen Reisepässen, sodass eine freiwillige Ausreise möglich sei. Wegen der Straftaten lägen zudem Ausweisungsgründe vor.

Am 13. Mai 2013, einem Montag, haben die Kläger Klage erhoben.

Sie machen im Wesentlichen geltend: Der Gesetzgeber wolle langfristige Duldungen vermeiden. Wegen etwaig fehlender Regelerteilungsvoraussetzungen könne nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung, hiervon abzusehen, getroffen werden. Zwei Kinder, insbesondere auch der minderjährige Sohn T., besäßen inzwischen Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a AufenthG. Die fehlende Lebensunterhaltssicherung hätten sie nicht zu vertreten. Der Kläger zu 1) könne wegen einer orthopädischen Erkrankung derzeit nicht im ersten oder zweiten Arbeitsmarkt tätig sein. Er habe vom 1. März 2012 bis Ende März 2013 eine befristete Teilzeitbeschäftigung bei einer Autohandelsfirma gehabt. Der Arbeitgeber wolle ihn aber nur dann weiter beschäftigen, wenn er auch im Ausland tätig sein dürfe, also im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei. Die Klägerin zu 2) gehe Beschäftigungen bei der Gemeinde K. sowie bei der Reinigungsfirma P. nach. Im Falle der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis würden sie für die Kinder Kindergeld und einen Kindergeldzuschlag erhalten und könnten so ihren Lebensunterhalt sichern. Der Beklagte habe es mithin in der Hand, die Sicherung des Lebensunterhalts zu erreichen. § 25 Abs. 5 AufenthG sei neben § 25 a Abs. 2 und 3 AufenthG selbstständig anwendbar. Es handele sich nicht um eine Spezialregelung. Nach den Entscheidungen des Amtsgerichts Aurich vom 25. März 2014 seien die im Bundeszentralregister enthaltenen Einträge tilgungsreif. Sie sprächen schon fast so gut Deutsch, wie dies für eine Einbürgerung gefordert werde. Der Sohn M. besuche das Wirtschaftsgymnasium und habe 2013 den erweiterten Realschulabschluss erlangt. T. gehe in die Realschule.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 11. April 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seinen ablehnenden Bescheid.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Sie soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt die Vorschrift voraus, dass sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch eine freiwillige Ausreise des Ausländers in sein Heimatland ausscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - BVerwGE 135, 219, Rn. 12; Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - InfAuslR 2007, 4 <5 f.>).

1. Ein Ausreisehindernis ergibt sich im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht des noch minderjährigen Sohnes bzw. Bruders der Kläger T. nach § 25 a AufenthG hier nicht aus Art. 6 GG. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung folgt hieraus noch kein unmittelbarer Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Vielmehr sind die hohe Bedeutung, die dem Schutz der Familie grundgesetzlich beigemessen wird, mit gegenläufigen öffentlichen Interessen abzuwägen und in einen gerechten Ausgleich zu bringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 – 10 C 12.12. – BVerwGE 144, 141 Rn. 20; Beschluss vom 3. September 2013 – 10 B 14.13 – juris, Rn. 4 f. jeweils m.w.N.).

Im Falle der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a AufenthG an einen Minderjährigen hat der Gesetzgeber dem Schutz der Familieneinheit aus Art. 6 GG umfassend und abschließend Rechnung getragen. Er hat zum einen vorgesehen, dass unter den in Abs. 2 und 3 aufgeführten Voraussetzungen den Eltern und minderjährigen Geschwistern ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Zum anderen ist zur Gewährleistung der Familieneinheit in § 60 a Abs. 2 b AufenthG geregelt, dass bei Nichtvorliegen der Integrationsanforderungen die Abschiebung der Eltern und minderjährigen Geschwister ausgesetzt werden soll (vgl. BT-Drs. 17/5093, S. 17; Burr in: GK-AufenthG, Rn. 61 zu § 25a). Dies schließt es aus, daneben den Gesichtspunkt der Familieneinheit auch noch nach der Auffangvorschrift des § 25 Abs. 5 AufenthG ohne weiteres als Ausreisehindernis anzusehen. Dieser kann – wie die noch folgenden Ausführungen zeigen - nur im Rahmen des Schutzes des Privatlebens nach Art. 8 EMRK als einer von mehreren Abwägungsgesichtspunkten einfließen.

2. Maßgeblich ist dabei, inwieweit eine Integration des Ausländers in Deutschland gelungen ist, zum anderen ist die Möglichkeit seiner Reintegration in das Heimatland in den Blick zu nehmen. Gesichtspunkte sind dabei die Dauer des Aufenthalts in Deutschland, die deutschen Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, in einem festen Wohnsitz, einer Sicherstellung des ausreichenden Lebensunterhalts, einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, und dem Fehlen von Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Die Frage einer möglichen Reintegration im Heimatland bemisst sich nach Kriterien wie der Kenntnis der dortigen Sprache, der Existenz dort lebender Angehöriger sowie sonstiger Bindungen an das Heimatland. Geboten ist bei alledem eine familienbezogene Betrachtung. Grundlage eines Vertrauens auf Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland kann dabei in aller Regel nur ein rechtmäßiger Aufenthalt sein. Bei langjährigem rechtmäßigem Aufenthalt spricht allerdings eine mangelhafte wirtschaftliche Integration nicht zwingend gegen eine Verwurzelung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 2011 - 2 BvR 1392/10 - InfAuslR 2011, 235 <236 f.>; BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2012 – 10 B 13.12. juris, Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 1 C 18.09 - InfAuslR 2011, 92 <93 f.>; Beschluss vom 19. Januar 2010 a.a.O.; Urteil vom 30. April 2009 - 1 C 3.08 - InfAuslR 2009, 333 <335>; Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – 11 ME 275/12InfAuslR 2013, 104; Beschluss vom 9. November 2010 – 8 PA 265/10 – juris; Beschluss vom 13. Oktober 2010 - 8 PA 232/10 - <juris>; Urteil vom 17. August 2010 - 10 LC 434/08 - <juris>; Beschluss vom 12. August 2010 - 8 PA 182/10 -; Beschluss vom 19. Juli 2010 – 8 ME 163/10 – juris; Beschluss vom 7. April 2010 - 8 PA 45/10 -; Beschluss vom 3. Februar 2010 - 8 PA 17/10 -).

Soweit es um die Frage der Verwurzelung geht, findet § 25 Abs. 5 AufenthG neben § 25 a Abs. 2 und 3 AufenthG, welcher bestimmte Integrationsanforderungen stellt, in der Regel ebenfalls keine Anwendung mehr (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – 11 ME 275/12InfAuslR 2013, 104; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. März 2013 – 8 LA 13/13 – juris, Rn. 13). Allerdings handelt es sich insoweit nicht um einen absoluten Ausschlussgrund (so wohl auch BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 – 1 C 17.12 - InfAuslR 2013, 324, Rn. 10 f.), weil die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht durch nationales Recht determiniert werden kann. Das Nichtvorliegen der Regelungen des § 25 a AufenthG ist aber ein regelmäßiges Indiz dafür, dass keine hinreichende Verwurzelung vorliegt (vgl. auch VG Oldenburg, Urteil vom 23. Januar 2013 – 11 A 3709/12 -).

Bei Anwendung dieser Grundsätze lässt sich ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Kläger aus Art. 8 EMRK hier nicht feststellen.

Die Kläger leben zwar seit Ende 1999 in der Bundesrepublik Deutschland bzw. wurden hier geboren. Sie sind indes nach Abschluss ihrer Asylverfahren lediglich geduldet worden und konnten somit nicht schutzwürdig darauf vertrauen, langfristig in Deutschland verbleiben zu können.

Zu ihren Gunsten spricht allerdings insbesondere, dass ein minderjähriger und ein inzwischen volljähriger Sohn bzw. Bruder jeweils eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a AufenthG besitzen. Dabei haben insbesondere die familiären Bindungen zu dem minderjährigen Sohn erhebliches Gewicht. M. hat zudem den erweiterten Realschulabschluss erlangt und besucht derzeit erfolgreich das Wirtschaftsgymnasium. T. ist in der 10. Klasse der Realschule, wobei allerdings nach dem letzten Halbjahreszeugnis der Abschluss gefährdet ist. Die Klägerin zu 3) besucht den 7. Jahrgang einer Gesamtschule.

Ferner spricht für die Kläger, dass dem Kläger zu 1) deutsche Sprachkenntnisse der Stufe B1 bescheinigt worden sind und der Klägerin zu 2) das Niveau A 2, in Teilbereichen sogar ebenfalls die Stufe B1. Bei der Klägerin zu 3) ist davon auszugehen, dass sie die deutsche Sprache fehlerfrei beherrscht.

Auch können den Klägern zu 1) und 2) Straftaten nicht mehr entgegengehalten werden. Nachdem das Amtsgericht Aurich mit Beschlüssen vom 25. März 2014 entschieden hat, dass es wegen der Identitätstäuschungen bei den Verwarnungen vom 12. März 2014 sein Bewenden hat, müssen auch die Verurteilungen des Klägers zu 1) nach Ablauf der jeweils fünfjährigen Tilgungsfrist aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden und sind damit nicht mehr verwertbar (§§ 51 Abs. 1, 12 Abs. 2 Satz 2, 46 Abs. 1 Nr. 1 a, 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG). Damit können die falschen Personalangaben der Kläger zu 1) und 2) auch unter aufenthaltsrechtlichen Gesichtspunkten nicht mehr zu ihren Lasten in die Entscheidung einfließen.

Im Ansatz ebenfalls positiv ist, dass die Kläger zu 1) und 2) berufstätig sind bzw. waren. Ihren Lebensunterhalt können sie allerdings damit bei Weitem nicht sichern. Ob dies auf einem Verschulden der Kläger beruht, ist hierbei unerheblich (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. März 2013 a.a.O., Rn. 17; Beschluss vom 31. Oktober 2012 a.a.O.; Beschluss vom 24. März 2009 – 10 LA 377/08 – juris, Rn. 19). Daher ist insbesondere hier nicht von maßgeblicher Bedeutung, dass der Kläger zu 1) wegen seiner orthopädischen Erkrankungen derzeit nicht arbeitsfähig ist. Es ist zudem nicht entscheidend, ob er im Falle der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis seine frühere Arbeitsstelle wiedererhalten würde oder – wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde (vgl. dazu allerdings auch die Bescheinigung der Fa. E. vom 8. März 2013, Bl. 21 des PKH-Heftes) - in dem Betrieb sogar einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen und dann mit Kindergeld und Kindergeldzuschlag der Lebensunterhalt der Familie gesichert werden könnte. Maßgeblich ist nämlich der gegenwärtige Stand der Integration, nicht ihre Möglichkeit unter bestimmten Rahmenbedingungen. § 25 Abs. 5 AufenthG setzt die Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse bereits voraus, soll sie aber nicht erst ermöglichen. Außerdem ist der Kläger zu 1) wegen der kürzlich erfolgten Bandscheibenoperation ohnehin nicht arbeitsfähig, so dass selbst bei baldiger Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht sofort mit einer Wiederaufnahme und sogar noch zeitlichen Ausweitung seiner Berufstätigkeit zu rechnen ist. Hier ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Kläger über viele Jahre Leistungen nach dem AsylbLG bekommen haben. Nach derzeitigem Stand erhalten sie monatliche Leistungen in Höhe von 523,70 €, wobei hiervon wegen früherer Überzahlungen 50,-- € einbehalten werden. Darüber hinaus erhalten die beiden Söhne, die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft leben, Leistungen nach dem SGB II in Höhe von etwa 820,-- €. Die Klägerin zu 2) erzielt mit ihren beiden Arbeitsstellen ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von monatlich etwa 750,-- €, der Kläger erhält Krankengeld in Höhe von 190,80 €. Insgesamt besteht mithin derzeit ein erheblicher Bedarf, der nur durch öffentliche Leistungen abgedeckt werden kann.

Schließlich ist den Klägern zu 1) und 2), welche erst als Erwachsene nach Deutschland gekommen sind, eine Reintegration in die Lebensverhältnisse Armeniens möglich und zumutbar. Die 13-jährige Klägerin zu 3) wird hierbei zwar sicherlich größere Schwierigkeiten haben, die jedoch mit Hilfe der Eltern überwunden werden können.

Bei einer Gesamtbewertung kommt das Gericht danach zu der Überzeugung, dass vor allem die fehlende Rechtmäßigkeit des langjährigen Aufenthalts und die derzeit nicht mögliche Lebensunterhaltssicherung die für eine Verwurzelung der Kläger sprechenden Umstände letztlich überwiegen. Es fehlt ein schutzwürdiges Vertrauen auf den weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland. Die Notwendigkeit der Lebensunterhaltssicherung ist von grundlegendem staatlichen Interesse, um die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 2011 – 1 C 12.10 - InfAuslR 2012, 53, Rn. 13).

Bei dieser Sachlage fehlt es mithin bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG, so dass sich die Frage, ob die Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind, bzw. hiervon nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden kann, nicht stellt.

Soweit die Kläger auf die gesetzgeberische Intention, Kettenduldungen möglichst zu vermeiden, hinweisen, vermag dies die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht zu ersetzen. Die hier anwendbare Regelungen des § 60 a Abs. 2 b AufenthG zeigt zudem, dass der Normgeber für den Bereich der Eltern nach § 25a AufenthG begünstigter minderjähriger Kinder von dem angesprochenen Grundsatz Ausnahmen zulässt.

Abschließend wird den Klägern – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - angeraten, nach der Genesung des Klägers zu 1) und der konkreten Aussicht auf eine Vollzeitarbeitsstelle bei dem Beklagten einen erneuten Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a AufenthG zu stellen bzw. die Einführung einer allgemeinen Härtefallreglung, welche im Koalitionsvertrag der die derzeitige Bundesregierung tragenden Parteien vereinbart wurde, abzuwarten. Die Vertreter des Beklagten haben insoweit in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Voraussetzungen des Entwurfs eines § 25 b AufenthG vorliegen dürften (vgl. dazu den Erlass des Nds. Innenministeriums vom 10. Januar 2014 nebst Anlage).