Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.09.2017, Az.: 13 ME 244/17
Aussetzung der Abschiebung; Beschwerde; familiäre Lebensgemeinschaft mit minderjährigem Kind; Fiktionsbescheinigung; Anordnung der Fiktionswirkung; Fortgeltungswirkung; Umgangskontakte; vorläufiger Rechtsschutz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.09.2017
- Aktenzeichen
- 13 ME 244/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 53983
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 16.08.2017 - AZ: 4 B 240/17
Rechtsgrundlagen
- § 60a Abs 2 S 1 AufenthG
- § 81 Abs 4 S 3 AufenthG
- § 81 Abs 4 S 1 AufenthG
- Art 8 MRK
- Art 6 GG
- § 123 VwGO
- § 146 Abs 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Allein aus der Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG kann nicht darauf geschlossen werden, dass die diese Bescheinigung erteilende Ausländerbehörde die Fortgeltungswirkung tatsächlich nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG angeordnet hat.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 16. August 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zutreffend abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. März 2017 anzuordnen, hilfsweise die Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung zur Aussetzung der Abschiebung zu verpflichten. Die hiergegen mit der Beschwerde geltend gemachten Gründen, auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Beschwerdeverfahren zu beschränken hat, gebieten eine Änderung der angefochtenen Entscheidung nicht.
Der Antragsteller macht zum einen geltend, das Verwaltungsgericht habe seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Unrecht als unstatthaft abgelehnt. Er habe den Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zwar erst am 20. Februar 2017 und damit nach Ablauf der Gültigkeitsdauer am 15. Februar 2017 gestellt. Diese äußerst geringfügige Überschreitung beruhe auf einer Erkrankung seinerseits. Er habe nach telefonischer Rücksprache bei der Antragsgegnerin den Antrag verspätet gestellt. Mit der gleichwohl von der Antragsgegnerin erteilten Fiktionsbescheinigung habe diese jedenfalls eine Fiktionswirkung angeordnet.
Diese Einwände greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verspätet nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnis gestellt hat, so dass die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht eingetreten ist. Es bestehen auch keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Fortgeltungswirkung angeordnet hat.
Nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG, der durch Art. 1 Nr. 25 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl. I S. 1224) mit Wirkung vom 1. August 2012 zunächst als Satz 2 eingefügt und durch Art. 1 Nr. 27a des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3484) mit Wirkung vom 6. September 2013 in Satz 3 geändert wurde, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt worden ist.
Eine solche Anordnung der Fortgeltungswirkung ist der am 20. Februar 2017 von der Antragsgegnerin erteilten Fiktionsbescheinigung nicht zu entnehmen.
Allein aus der Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG kann nicht darauf geschlossen werden, dass die diese Bescheinigung erteilende Ausländerbehörde die Fortgeltungswirkung tatsächlich angeordnet hat (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 24.3.2017 - 8 LA 197/16 -, juris Rn. 13 m.w.N.). Denn eine Fiktionsbescheinigung regelt die Rechtslage nicht, sondern hat allenfalls deklaratorischen Charakter (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.1.2010 - BVerwG 1 B 17.09 -, NVwZ-RR 2010, 330, 331). Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts Anderes. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union (BT-Drs. 17/8682, S. 23) wird die Anordnung der Fortgeltungsfiktion zwar durch die Ausstellung der in § 81 Abs. 5 AufenthG vorgesehenen Bescheinigung dokumentiert. Hieraus folgt aber nur, dass sowohl für die Fälle, in denen die Fortgeltungswirkung kraft Gesetzes nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eintritt, als auch für die Fälle, in denen die Fortgeltungswirkung erst kraft behördlicher Anordnung nach § 81 Abs. 4 Satz 2 a.F. bzw. Satz 3 n.F. AufenthG eintritt, eine inhaltsgleiche Fiktionsbescheinigung im Sinne des § 81 Abs. 5 AufenthG (auf dem einheitlichen Vordruck nach § 58 Satz 1 Nr. 3 AufenthV in Verbindung mit Anlage D3 - Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz -) erteilt wird. Folglich ist allein anhand einer erteilten Fiktionsbescheinigung nicht (mehr) festzustellen, ob sie den Eintritt einer Fortgeltungswirkung kraft Gesetzes nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder kraft behördlicher Anordnung nach § 81 Abs. 4 Satz 2 a.F. bzw. Satz 3 n.F. AufenthG bescheinigt.
Daher ist unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls durch Auslegung zu ermitteln, ob die Ausländerbehörde eine Anordnung nach § 81 Abs. 4 Satz 2 a.F. bzw. Satz 3 n.F. AufenthG getroffen und diese nach § 81 Abs. 5 AufenthG bescheinigt hat oder - verneinendenfalls - ob lediglich fehlerhaft der Eintritt einer Fortgeltungswirkung kraft Gesetzes nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bescheinigt worden ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 24.3.2017, a.a.O., Rn. 14; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v.12.5.2015 - 7 B 10364/15.OVG -, juris Rn. 3; GK-AufenthG, § 81 Rn. 112 (Stand: Oktober 2015)). Hierbei ist nach der auch im öffentlichen Recht anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern der erklärte Wille der die Bescheinigung erteilenden Ausländerbehörde maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte; Unklarheiten hierbei gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v. 18.6.1980 - BVerwG 6 C 55.79 -, BVerwGE 60, 223, 228 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Nach diesen Grundsätzen ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Antragsgegnerin eine Anordnung der Fortgeltungswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 2 a.F. bzw. Satz 3 n.F. AufenthG nicht getroffen hat, nicht zu beanstanden.
Die Antragsgegnerin hat die Fiktionsbescheinigung für den Antragsteller erkennbar routinemäßig ausgestellt (vgl. zu diesem Kriterium: GK-AufenthG, § 81 Rn. 112 (Stand: Oktober 2015)). Die verspätete Stellung des Antrages auf Verlängerung der bis zum 15. Februar 2017 befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei Erteilung der Fiktionsbescheinigung in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin nicht dokumentiert worden. Sie ist auch nach dem Vorbringen des Antragstellers in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21. September 2017 (Blatt 243 ff. der Gerichtsakte) nicht Gegenstand von Erörterungen zwischen ihm und der Antragsgegnerin anlässlich der Erteilung der Fiktionsbescheinigung gewesen. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die gesetzlich nicht eingetretene Fortgeltungswirkung anordnen wollte, fehlen. Bei objektiver Würdigung konnte auch der Antragsteller daher allein aufgrund der Erteilung der Fiktionsbescheinigung nicht davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin eine Anordnung nach § 81 Abs. 4 Satz 2 a.F. bzw. Satz 3 n.F. AufenthG getroffen hat.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein bei Annahme einer Fiktionswirkung statthafter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin jedenfalls im Ergebnis ohne Erfolg bliebe. Denn dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis offensichtlich schon deshalb nicht zu, weil er die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG ersichtlich nicht erfüllt und weder ein Ausnahmefall vorliegt, der ein Absehen von diesen Erteilungsvoraussetzungen schon tatbestandlich erfordert, noch ein nach § 5 Abs. 3 AufenthG eröffnetes Ermessen dahin reduziert ist, dass von den Erteilungsvoraussetzungen abgesehen werden müsste.
Der Antragsteller macht weiter geltend, die Abschiebung sei (tatsächlich und rechtlich) unmöglich, weil es an dem nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft fehle. Es sei auch nicht zu erwarten, dass die zuständige Staatsanwaltschaft das Einvernehmen in absehbarer Zeit erteilen werde, nachdem sie in einem bereits laufenden Strafverfahren noch im August 2017 eine Nachtragsanklage gegen ihn - den Antragsteller - erhoben habe.
Auch dieser Einwand greift nicht durch.
Ein Verstoß gegen die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG führt nicht zu einer Verletzung von Rechten des betroffenen Ausländers. Diese Vorschrift will der Staatsanwaltschaft die Entscheidung darüber ermöglichen, ob ein staatlicher Strafanspruch gegen einen Ausländer durchgesetzt werden soll. Sie dient allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses. Sie bezweckt nicht, den Ausländer vor ausländerbehördlichen Maßnahmen zu bewahren. Eine je nach Fallkonstellation denkbare günstige Wirkung der Erteilung oder der Versagung des Einvernehmens kommt dem betroffenen Ausländer nur reflexartig zugute, wird aber durch die Vorschrift nicht in seinem Interesse verfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - BVerwG 1 C 11.15 -, NVwZ 2017, 1064, 1066; Urt. v. 5.5.1998 - BVerwG 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351, 356 (zu § 64 Abs. 3 AuslG); VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.12.2011 - 11 S 3155/11 -, juris Rn. 4; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 28.9.2011 - 11 PA 298/11 -, juris Rn. 5 m.w.N.). Das Nichtvorliegen des nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft kann daher einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG von vorneherein nicht begründen.
Der Antragsteller macht weiter geltend, die Beziehung zu seinen im Bundesgebiet lebenden minderjährigen Kindern sei nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK schutzwürdig und begründe eine rechtliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Zum einen habe er eine starke emotionale Bindung zu seinem, in C. lebenden Sohn D., interessiere sich für diesen, telefoniere regelmäßig mit ihm und sei ihm ein Ansprechpartner. Zum anderen bemühe er sich intensiv und mit Hilfe seiner Prozessbevollmächtigten um die Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern, dem 11jährigen E. und der 10jährigen F., die beide deutsche Staatsangehörige seien. Für die hier initiierten familiengerichtlichen Verfahren sei seine Anwesenheit im Bundesgebiet erforderlich. Nur so könne er sich mit seiner Prozessbevollmächtigten effektiv abstimmen. Auch für die Wahrnehmung von Terminen beim Jugendamt, bei der Erziehungsberatungsstelle und beim Verfahrensbeistand seiner Kinder müsse er flexibel sein.
Auch diese Einwände greifen nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller das Bestehen einer schutzwürdigen familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn D. nicht glaubhaft gemacht hat (Beschl. v. 16.8.2017, Umdruck S. 19). Das Beschwerdevorbringen gebietet keine andere Bewertung; ihm ist nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller die Elternverantwortung für seinen Sohn D. tatsächlich wahrnimmt und dass dieser zu seinem Wohl auf die Aufrechterhaltung dieser Beziehung angewiesen ist (vgl. zu diesen Erfordernissen: BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris Rn. 25 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.3.2013 - 8 LA 13/13 -, juris Rn. 24 f.; v. 14.10.2010 - 8 PA 234/10 -, juris Rn. 18 jeweils m.w.N.). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller die behaupteten Kontakte über das Telefon und soziale Medien nicht auch unverändert aus dem Ausland aufrecht erhalten könnte.
Auch zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern E. und F. besteht derzeit tatsächlich eine familiäre Lebensgemeinschaft nicht. Die bis zum November 2016 geführte häusliche Gemeinschaft wurde aufgehoben, nachdem die Kindesmutter mit den beiden Kindern ausgezogen ist. Seitdem ist es dem Antragsteller verwehrt, Kontakt zu seinen Kindern E. und F. aufzunehmen. Der Antragsteller hat zwar glaubhaft gemacht, sich unter Inanspruchnahme familiengerichtlichen Rechtsschutzes auch um die Aufnahme von Umgangskontakten zu seinen Kindern, durchaus intensiv zu bemühen (vgl. die Anlage Bf 5 und Bf 11 bis Bf 21 zum Schriftsatz v. 21.9.2017). Dieses Bemühen ist aber bisher erfolglos geblieben. Es ist auch offen, ob und gegebenenfalls wann der von dem Antragsteller begehrte Umgang tatsächlich realisiert werden kann. Der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter hat im Schreiben vom 14. August 2017 (Blatt 276 der Gerichtsakte) geltend gemacht, den Kindern gehe es aufgrund des Verhaltens des Antragstellers sehr schlecht, sie befänden sich weiterhin in kinderpsychologischer Behandlung und lehnten einen Kontakt mit dem Antragsteller vehement ab, die Tochter F. habe gegenüber Dritten gar Suizidabsichten für den Fall der Wiederaufnahme von Kontakten geäußert. Ein dem Schutzbereich des Art. 6 GG unterfallender, von tatsächlicher Anteilnahme getragener regelmäßiger Umgang (vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen: BVerfG, Beschl. v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, Rn. 35; Beschl. v. 8.12.2005, a.a.O.) zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern besteht danach derzeit und auch in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht.
Dem privaten Interesse des Antragstellers an einem jedenfalls vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet ist auch unter Berücksichtigung der sich aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 8 EMRK ergebenden Schutzwirkungen ein das öffentliche Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung überwiegendes Gewicht nicht beizumessen. Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass es dem Antragsteller möglich und zumutbar ist, die familiengerichtlichen Verfahren vom Ausland zu betreiben und für etwa erforderliche persönliche Mitwirkungshandlungen eine Betretenserlaubnis zu erwirken (Beschl. v. 16.8.2017, Umdruck S. 20 ff.). Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers gebietet keine hiervon abweichende Bewertung. Die vom Antragsteller geschilderten Erschwernisse sind von ihm hinzunehmen. Es bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die sofortige Aufenthaltsbeendigung dem Antragsteller die effektive Führung der von ihm betriebenen familiengerichtlichen Verfahren unzumutbar erschweren und auch deren Ausgang in unzulässiger Weise vorwegnehmen würden. Nur derart wirkende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen stehen aber regelmäßig im Widerspruch zu der sich aus dem Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebenden Verpflichtung der Gerichte, die verfahrensrechtliche Durchsetzung von Grundrechten zu sichern (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 28.11.2013 - 8 ME 157/13 -, juris Rn. 11; Bayerischer VGH, Beschl. v. 29.9.2005 - 10 CE 05.2067 -, juris Rn. 4 f.; OVG Saarland, Beschl. v. 5.3.2001 - 9 W 7/00 -, juris Rn. 37 f.; grundlegend BVerfG, Beschl. v. 9.8.1990 - 2 BvR 1128/88 -, juris Rn. 13), und sind in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK (vgl. EGMR, Urt. v. 11.7.2000 - 29192/95 -, NVwZ 2001, 547 Rn. 62 (Ciliz ./. Niederlande): "a negative obligation to refrain from measures which cause family ties to rupture").
Der Antragsteller macht schließlich geltend, das Verwaltungsgericht habe ein Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses zu Unrecht mit Blick auf die Gefahr erneuter strafrechtlicher Verfehlungen bejaht. Die angestellte Gefahrenprognose sei nicht hinreichend fundiert. Sie berücksichtige insbesondere nicht, dass er mittlerweile abstinent lebe, sich für die Teilnahme an einer Alkoholentwöhnungstherapie entschieden habe, nach der Trennung von Frau und Kindern ein gebrochener Mann sei, freiwillig seine Inhaftierung in Kauf genommen und auch wieder Arbeit gefunden habe.
Auch diese Einwände greifen nicht durch. Die mit Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 20. Juni 2017 - 13 LA 134/17 - verbundene Forderung nach einer fundierten Gefahrenprognose geht ins Leere. Die Aufenthaltsbeendigung erfolgt im vorliegenden Fall nicht auf der Grundlage der Ausweisungsverfügung, so dass es auf deren Rechtmäßigkeit und das damit verbundene Erfordernis einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG schon nicht entscheidungserheblich ankommt. Im Übrigen bieten die vom Antragsteller mit der Beschwerde präsentierten tatsächlichen Umstände keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte für eine grundlegende Zäsur in seinem Lebenswandel, die es verbieten würde, aus seinen bisherigen zahlreichen strafrechtlichen Verfehlungen auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei einem fortwährenden Aufenthalts im Bundesgebiet zu schließen. Denn der Antragsteller hat insbesondere weder die Alkoholentwöhnungstherapie erfolgreich absolviert noch einen nachhaltigen Zugang zu einer unterhaltssichernden Erwerbstätigkeit erlangt.
Der Senat hat die schriftlichen Gründe dieses Beschlusses, der den Beteiligten aufgrund der vom Antragsteller geltend gemachten Eilbedürftigkeit zunächst als Tenorbeschluss übermittelt worden ist, nachträglich abgefasst (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise: BVerfG, Beschl. v. 19.6.2006 - 1 BvQ 17/06 -, juris Rn. 17; BVerwG, Urt. v. 4.10.1999 - BVerwG 6 C 31.98 -, BVerwGE 109, 336, 343).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 8.1 und 1.5 Satz 1 Halbsatz 1 sowie Nrn. 8.3 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).