Landgericht Osnabrück
Urt. v. 30.07.2004, Az.: 1 O 1207/04

Schadensersatz nach Unfall mit einem Motorroller auf einem Wirtschaftsweg; Öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
30.07.2004
Aktenzeichen
1 O 1207/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 36214
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2004:0730.1O1207.04.0A

Fundstelle

  • JWO-VerkehrsR 2004, 299

Amtlicher Leitsatz

Kein Schadensersatz nach Unfall mit einem Motorroller auf einem Wirtschaftsweg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklage nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

2

Sie behauptet, sie habe am 22.8.2003 einen im Gebiet der Gemeinde Dörpen liegenden Wirtschaftsweg in Nähe der dort befindlichen Kläranlage befahren. Dieser Weg steht unstreitig im Eigentum der Beklagten. Sie habe beabsichtigt, auf dem nicht beschädigten Mittelstück der Straße zwischen mehreren Schlaglöchern hindurchzufahren. Dabei sei ein großes Stück Asphalt unter dem Vorderrad des Motorrollers weggebrochen, wodurch der Motorroller zu Fall gekommen sei. Die Kosten für die Reparatur des Motorrollers beliefen sich auf 989,74 EUR. Diesen Schaden verlangt sie nebst einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 20,-- EUR von der Beklagten ersetzt.

3

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.009,74 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie bestreitet den behaupteten Unfallhergang sowie die vorgetragenen Unfallfolgen mit Nichtwissen. Die Beklagte habe die behauptete Unfallstelle in Augenschein genommen, Beschädigungen der Wegoberfläche jedoch nicht feststellen können. Schließlich bestreitet die Beklagte, dass der in Rede stehende Motorroller im Eigentum der Klägerin stand.

6

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder Blatt 32 der Akte.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

8

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 BGB i. V. mit Artikel 34 GG, § 10 Nds. Straßengesetz zu.

9

Nach § 10 Abs. 1 des NStrG obliegen der Bau und die Unterhaltung der öffentlichen Straßen einschließlich der Bundesstraßen sowie die Überwachung ihrer Verkehrssicherheit den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Diese öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 60, 54). Ihr Umfang wird dabei von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes. Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer allerdings den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH NJW 1980, 2193 (2194) [BGH 26.06.1980 - VII ZR 210/79]; BGH NJW 1979, 2043 (2044)).

10

Dabei kann eine mit zumutbaren Mitteln nicht erreichbare völlige Gefahrlosigkeit nicht verlangt werden (Sörgel/Zeuner, BGB, § 823 Rdnr. 161, 162 m.w.N. ; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 14. Kapitel, Rdnr. 37).

11

Unter Anwendung dieser Grundsätze kann hier von einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte nicht die Rede sein. Denn unstreitig hat sich der behauptete Unfall auf einem Wirtschaftsweg ereignet. Bei einem Wirtschaftsweg sind an die Verkehrssicherungspflicht nur relativ geringe Anforderungen zu stellen. Deshalb tritt die Vorsorge durch den Verkehrsteilnehmer, sich selbst vor Schaden zu bewahren, in den Vordergrund (OLG Düsseldorf VersR 1994, 617 [OLG Düsseldorf 24.09.1992 - 18 U 42/92]). Schon die Tatsache, dass der fragliche Wirtschaftsweg ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder recht schmal, in der Wegoberfläche äußerst schadhaft und zum Teil mit Gras bewachsen ist, machte für die Klägerin hinreichend deutlich, dass ihm nicht die Funktion eines Verkehrsweges zukommt, der ohne Gefahr und frei von Hindernissen mit einem Motorroller befahren werden kann. Wer dies dennoch tut, handelt auf eigenes Risiko (OLG Koblenz, Agrarrecht 1995, 154 f.). Mithin scheidet eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten aus.