Landgericht Osnabrück
Urt. v. 24.11.2004, Az.: 10 O 1024/00
Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Überflutung eines Baches; Unterbrechung der Verjährung bei Erhebung einer verdeckten Teilklage
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 24.11.2004
- Aktenzeichen
- 10 O 1024/00
- Entscheidungsform
- Schlussurteil
- Referenz
- WKRS 2004, 35685
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2004:1124.10O1024.00.0A
Rechtsgrundlage
- § 823 Abs. 1 BGB
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz eines Anliegers wegen Überschwemmung eines Baches
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.965,45 EUR nebst 6 % Zinsen seit dem 21.01.1997 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 19 % und die Beklagte zu 81 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks ........ in Dissen. Er begehrt Ersatz ihm infolge einer Überflutung des Dissener Baches vom 29.06.1997 entstandener Schäden - nur noch - nach Maßgabe des nachfolgend dargestellten klägerischen Vorbringens.
Er berechnet seinen Schaden mit insgesamt 48.828,18 DM (= 24.965,45 EUR). Das noch rechtshängige Klagebegehren zu Ziff. 1 seiner ursprünglichen Klageanträge ist jetzt noch wie folgt in Übereinstimmung mit der Aufstellung auf S. 1 des Schriftsatzes der Klägervertreter vom 16.10.2003 (Bl. 131, Bd. III GA) Klagegegenstand:
1. | Verlust von 7 Stück Verteilung | 13.046,00 DM |
---|---|---|
2. | Gegenstände, die zu Schrott wurden | 3.035,10 DM |
3. | von Herrn X. festgestellter Schaden ohne seine eigenen Kosten | 27.251,10 DM |
4. | von Herrn Y. festgestellter Schaden ohne seine eigenen Kosten | 17.730,45 DM |
5. | Rechnung vom 06.10.1997 | 3.287,45 DM |
Summe | 64.350,33 DM = 32.901,80 EUR. |
Diese Ansprüche macht der Kläger in der Reihenfolge ihrer Darstellung begrenzt durch den Klageantrag geltend. Die Position zu Ziff. 1 entspricht der ersten Aufstellung auf S. 9 der Klageschrift, diejenige zu Ziff. 2 derjenigen auf S. 9 unten der Klageschrift, diejenige zu Ziff. 3 der Aufstellung auf S. 11 - 14 der Klageschrift ohne die letzte Position in Höhe von 1.176,00 DM, diejenige zu Ziff. 4 der Aufstellung auf S. 15 - 17 der Klageschrift ohne die letzte Position in Höhe von 270,00 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf vorstehend beschriebene klägerische Vorbringen nebst zugehörigen Rechnungen und Belegen sowie Fotos Bezug genommen. Hilfsweise macht sich der Kläger die Schadensberechnung des Sachverständigen gem. dessen Gutachten vom 14.06.2004 nebst ergänzender Stellungnahme vom 23.08.2004 zu Eigen.
Der Kläger behauptet sämtliche zu Pos. 1. bis 4. aufgeführte Gegenstände seien aufgrund der Überflutung irreparabel beschädigt bzw. zerstört worden. Die sog. U-Boot-Tür gem. der Rechnung zu Pos. 5 habe er einbauen müssen, um zukünftige Überflutungen abwehren zu können.
Das Gericht hat die Klage mit Urteil vom 24.06.1999 (9 O 66/98) als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG Oldenburg (6 U 150/99) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen. Die Kammer hat Beweis erhoben in dem auf S. 5 unten des Teil- und Grundurteils vom 15.11.2002 (Bl. 157 GA) dargestellten Umfang. Mit Urteil vom 15.11.2002 hat die Kammer die Klage hinsichtlich des Klagebegehrens zu Ziff. 2 wegen in Prozessstandschaft geltend gemachter Schadensersatzansprüche der Mieterin des Klägers in Höhe von 7.898,93 DM = 4.038,15 EUR abgewiesen und die Klage im Übrigen dem Grunde nach insoweit für gerechtfertigt erklärt, als die Beklagte dem Kläger aus Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Ersatz der Schäden haftet, die dem Kläger durch die Überflutung des Dissener Bachs am 29.06.1997 entstanden sind, § 823 Abs. 1 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils vom 15.11.2002 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.965,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 6 % vom 21.01.1997 bis zum 01.05.2000, von 8,42 % vom 02.05. bis 31.08.1000, von 9,26 % vom 01.09.2000 bis zum 31.08.2001, von 8,62 % vom 01.09. bis 31.12.2001, von 7,57 % vom 01.01. bis 30.06.2002, von 7,47 % vom 01.07. bis zum 31.12.2002, von 6,97 % vom 01.01. bis zum 30.06.2003, von 6,22 % vom 01.07. bis zum 31.12.2003 und von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erhebt die Einrede der Verjährung. Sie bestreitet Art und Umfang des eingetretenen Schadens mit Nichtwissen. Die Beklagte zieht die vom Sachverständigen vorgenommene Berechnung bzw. Nachkalkulation gem. ihrem Vorbringen mit Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 09.07.2004 in Zweifel und beantragt, einen anderen Sachverständigen mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen.
Gründe
Das Klagebegehren ist der Höhe nach überwiegend begründet.
I.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger aus Verkehrssicherungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Überflutung des Dissener Baches vom 29.06.1997 Schadensersatz in Höhe von 24.965,45 EUR nach § 823 Abs. 1 BGB zu zahlen.
7 Stück Verteilung: 13.046,00 DM
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den entstandenen Schaden in Höhe von 11.297,55 DM netto zu ersetzen. Auf Grund der Bekundung der Zeugen ist der erkennende Richter davon überzeugt, dass die 7 Verteilungen, die auf den Fotos Bl. 7 und 8, Bd. III abgebildet sind, aufgrund der Überflutung des Dissener Bachs irreparabel beschädigt worden sind. Die Zeugenaussagen sind in sich stimmig. Sie stehen im Einklang mit den Angaben des Klägers. Die Zeugen haben ausgesagt, ohne dass erkennbar geworden wäre, sie wollten den Kläger begünstigen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 14.06.2004 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 23.08.2004 unter Zuhilfenahme der gesamten auch in seinem Gutachten wieder gegebenen diesbezüglichen Beweisangebote hinsichtlich des Materialwertes mit 9.980,91 DM zutreffend ermittelt. Der Einwand der Beklagten greift hinsichtlich in seinem Gutachten ausgewiesenen Lohnaufwandes von 1.645,80 DM insoweit durch, als nicht der Lohn hätte zugrunde gelegt werden dürfen, der dem Kunden in Rechnung zu stellen wäre, sondern derjenige, der im klägerischen Unternehmen bis zum Schadenereignis angefallen war. Unter Berücksichtigung der in der ergänzenden Ausführung enthaltenen Kalkulationshilfe hält der erkennende Richter (angesichts der erwähnten Bandbreite für das Material von 15 bis 30 %) einen Abschlag von 20 % für erforderlich und angemessen. Danach verringert sich der Lohnaufwand von 1.645,80 DM um 329,16 DM auf 1.316,64 DM, so dass sich insoweit ein Gesamtschaden von 11.297,55 DM ergibt.
Gegenstände, die zu Schrott wurden: 3.035,10 DM
Auf Grund der Aussage des Zeugen A.... ist der erkennende Richter zudem davon überzeugt, dass der Hochdruckreiniger Kärcher schadensbedingt in dem Umfang gem. Rechnung vom 11.08.1997 (Bl. 11, Bd. III GA) zum Preis von 202,40 DM netto hat repariert werden müssen; die mit geltend gemachte Mehrwertsteuer von 30,36 DM war herauszurechnen. Gleiches gilt hinsichtlich des Rüttlers, der gem. der Rechnung vom 22.07.1997 zum Preis von 41,50 DM netto repariert worden ist. Ebenso gilt dies hinsichtlich der Reparatur an der Hebeanlage, die zu einer Toilette gehört, die damals von der Mieterin benutzt wurde; die Erinnerung des Zeugen A.... jun. an die Reparatur als solche durch die Firma Kundt in Verbindung mit der vorgelegten Rechnung der Firma Kundt vom 07.07.1997 (Bl. 12, Bd. III GA) in Höhe von 112,84 DM netto genügt, um den entsprechenden Schaden als hinreichend nachgewiesen zu betrachten. Schadensersatz für das Oberbett kann der Kläger nicht beanspruchen. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung seines Sohnes hat dazu schon nichts hinreichend Konkretes ergeben. Dies gilt ebenfalls hinsichtlich des Bettkastens, für den 80,00 DM beansprucht werden. Die Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen A.... hat ergeben, dass der Arbeitstisch bezüglich der Arbeitsplatte teilweise und das dazugehörige Untergestell durch Aufquellen beschädigt worden ist. Angesichts des Umstandes, dass das Untergestell unverändert weiter benutzt werden kann, die Arbeitsplatte nur teilweise hat eingekürzt werden müssen, schätzt der erkennende Richter den Schaden - auch vor dem Hintergrund des Vorbringens der Klägervertreter auf S. 3 des Schriftsatzes vom 09.04.2003 (Bl. 3, Bd. III GA) - auf 150,00 DM (§ 287 ZPO).
Zur Zeichenmaschine Nestler ist gerade aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme davon auszugehen, dass dem Kläger insoweit ein Schaden von - mindestens - 305,00 DM entstanden ist. Die Ausführungen des Sachverständigen B.... , die seine Augenscheinseinnahme sowie seine eigenen praktischen Erfahrungen berücksichtigen sind derart tragfähig, dass sich der Mindestschaden auf den vorgenannten Betrag schätzen lässt, § 287 ZPO.
Eine Schätzung des Schadens im Hinblick auf Feinputz und Fliesenkleber in Säcken ist nicht möglich. Die Angaben des Zeugen A.... waren dazu zu unbestimmt. Danach ergibt sich ein Gesamtschaden in den Positionen zu Ziff. 2 von insgesamt 811,74 DM.
Schaden gem. Aufstellung des Herrn L... (ohne dessen eigene Kosten): 27.251,33 DM
Die Vernehmung des Zeugen L.... hat zweifellos ergeben, dass er nach Eintritt des Wasserschadenfalls sachkundig die Gegenstände aufgelistet hat, die Gegenstand der Aufstellung vom 04.08.1997, Bl. 11 - 14 der Klageschrift bzw. der handschriftlichen Aufstellung Bl. 14 - 27, Bd. III d.A. sind. Der Zeuge hat nachvollziehbar erläutert, wie er die Gegenstände genau aufgelistet und anhand von Katalogen bewertet hat. Dabei hat der Zeuge einen derart guten Eindruck hinterlassen, dass dessen Aussage in Verbindung mit den Aufstellungen ohne weiteres zur weiteren Begutachtung durch den Sachverständigen B.... zugrunde gelegt werden konnte. Der Sachverständige hat sich mit der Aufstellung und dem Akteninhalt detailliert auseinandergesetzt und ist in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die in der Liste angegebenen Nettopreise zutreffend ermittelt sind. Dabei weicht der Sachverständige bei seiner Berechnung zwar in der Kalkulation von den Vorgaben gem. dem Auflagen-, Hinweis- und Beweisbeschluss vom 04.12.2003 ab. Jedoch ergibt sich aus seinen gutachterlichen Ausführungen nebst Ergänzung, dass er eine Schadensberechnung aus Praktikersicht gewählt hat, die schlussendlich zu gleichen Ergebnissen führte. Dies ist bei der Bemessung des Schadenersatzes nicht zu beanstanden, sondern hält sich beweisrechtlich im Rahmen von § 287 ZPO. In dem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass durch das Schadenereignis die Anschaffungsbelege, wie es der Kläger im Termin vom 30.04.2003 geschildert und demonstriert hat, derart beschädigt worden sind, dass sie für die weitere Begutachtung nicht mehr zur Verfügung standen. Die Berechnung ist sogar praxisnäher als die Vorgaben des Gerichts an den Sachverständigen. Deshalb bedurfte es der durch die Beklagte beantragten Einholung eines weiteren Gutachtens (sog. Obergutachten) nicht. Mithin ist der gesamt geltend gemachte Betrag von 27.251,33 DM zuzubilligen.
Schäden gem. Aufstellung X... (ohne seine eigenen Kosten): 17.730,45 DM.
Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend im Hinblick auf die Gegenstände, die Herr X. festgestellt hat. Auch dieser hat überzeugend dargelegt, weshalb er hinreichend sachkundig war, die Gegenstände aufzulisten und ihnen - mit Ausnahme des Computers - Preise zuzuordnen. Wegen der in dieser Aufstellung aufgeführten Gegenstände ist vor dem Hintergrund der auch hierzu vollends überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B.... jedenfalls ein Anspruch in Höhe von 9.467,56 DM gerechtfertigt. Dies ist der Betrag, der erforderlich ist, um unter Berücksichtigung der zu Ziff. 1 bis 3 zuerkannten Beträge die Klageforderung in Höhe von 48.828,18 DM bzw. 24.965,45 EUR zu erreichen. Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedarf auch hier nicht, s.o. zu Ziff. 3.
II.
Von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Zwar hat der Kläger anfangs eine sog. verdeckte und damit zunächst einmal unzulässige Teilklage erhoben; dem Klagevorbringen zu Ziff. 1 seines Klagebegehrens lässt sich nicht entnehmen, in welcher Reihenfolge die dazu geltend gemachten Schadenspositionen beansprucht werden, insbesondere welche hilfsweise bzw. weiter hilfsweise geltend gemacht werden (vgl. Thomas-Putzo-Reichold, 25. Aufl., § 253 ZPO Rn. 8 und 9). Jedoch unterbricht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Teilklage, mit der verschiedene Ansprüche geltend gemacht werden, in Höhe des insgesamt eingeklagten Betrages auch dann die Verjährung eines jeden dieser Ansprüche, wenn diese ohne nähere Aufgliederung geltend gemacht worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.1003, Az. I ZR 295/00, BGHZ 156, 1 = NJW-RR 2004, 639 m. H. auf BGH NJW 2000, 3492 [3.494 m.w.N.]).