Landgericht Osnabrück
Urt. v. 04.02.2004, Az.: 9 O 2381/03
Rückabwicklung eines Leasingvertrages und Rückzahlung eines Kaufpreises; Mangelhaftigkeit eines Pkw (Nissan Patrol); Erheblichkeit eines Brummgeräusches bei Geschwindigkeiten von 120 bis 140 km/h
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 04.02.2004
- Aktenzeichen
- 9 O 2381/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 36172
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2004:0204.9O2381.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 346 Abs. 1 BGB
- § 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB
- § 434 BGB
- § 323 Abs. 1 BGB
- § 398 BGB
Amtlicher Leitsatz
Rückabwicklung eines Leasingvertrages über einen Nissan Patrol GR 3.0 Geländewagen wegen Brummgeräuschen auf Grund konstuktionsbedingter Spannungen im Getriebe
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, 36.442,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.07.2003 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs X- Patrol GR 3.0, Fahrgesellnummer ... zur Rückabwicklung des Leasingvertrages der Klägerin an die Firma X- Leasing zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannt näher bezeichneten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.
Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jegliche Schäden zu ersetzen, die durch die Rückabwicklung des Kaufvertrages zwischen der X- Leasing und der Beklagten entstehen, soweit ihr die Ansprüche nach XII. A. 1. Abs. 2 der XLG-Leasingbedingungen der X- Leasing zustehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 20% und die Beklagte zu 80%.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung für die Klägerin in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Auf Grund verbindlicher Neuwagenbestellung bei der Beklagten vom 13.01.2003 leaste die Klägerin bei der X- Leasing gemäß Vertrag vom 01.04.2003 nebst zu Grunde liegender "XLG-Leasingbedingungen", auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, das streitgegenständliche Fahrzeug Nissan-Patrol. Der Neuwagenbestellung liegt ein Gesamtkaufpreis von 46.493,00 Euro zu Grunde. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Schreiben an die XLG vom 03.04.2003 berechnete die Beklagte der XLG unter Berücksichtigung eines Rabatts von 19% für das Fahrzeug ein Gesamtbetrag von 37.897,41 Euro brutto. Die Klägerin erhielt das Fahrzeug im April 2003 übergeben. Im Juni 2003 reklamierte die Klägerin erstmals bei der Beklagten am Fahrzeug auftretende Brummgeräusche, die aus Bereich des Getriebes herrühren. Die Parteien streiten - ausschließlich - darüber, ob diese Brummgeräusche einen Mangel darstellen, der die Klägerin - aus ihr von der XLG abgetretenem Recht - zum Rücktritt von dem zwischen der XLG und der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag berechtigen. Die Beklagte überprüfte das Fahrzeug nochmals Ende Juni 2003. Ende Juni 2003 wurde das Fahrzeug zudem zu einer Überprüfung zu einer Niederlassung in Hamburg überführt. Die Klägerin setzte der Beklagten mit Schreiben vom 24.06.2003 eine Nachfrist zur Beseitigung der Brummgeräusche bis zum 08.07.2003, welche erfolglos verstrich. Daraufhin lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 11.07.2003 eine weitere Nachbesserung ab, trat vom Vertrag zurück, verlangte den Kaufpreis von 46.443,00 Euro gezahlt und bot mit Schreiben vom 18.08.2003 der Beklagten das Fahrzeug vergeblich zur Rücknahme an.
Die Klägerin behauptet, das Brummgeräusch sei von Anfang an bei Geschwindigkeiten von 120 - 140 km/h zu hören gewesen. Es sei in der Folgezeit immer stärker geworden. Mittlerweile sei das Geräusch unerträglich. Im Übrigen schalte das Automatikgetriebe nicht mehr ordnungsgemäß.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, 45.575,74 Euro nebst 8%Zinsen über dem Basisverzinsung seit dem 26.07.2003 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs X- Patrol GR 3.0, zur Rückabwicklung des Leasingvertrages der Klägerin an die Firma X- Leasing, Jagenbergstraße 1, 41468 Neuss zur Vertragsnummer 200386964/1 zu zahlen,
- 2.
festzustellen, dass die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezifferten Fahrzeuges in Verzug befindet,
- 3.
weiter festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jegliche Schäden zu ersetzen, die durch die Rückabwicklung des Kaufvertrages und der damit verbundenen Rückabwicklung des Leasingvertrages entstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft. Die Fahr- und Betriebsgeräusche seien bei dem Geländewagen der vorliegenden Art üblicherweise höher. Im Übrigen ergebe sich auch in Ausführungen zu 4-18 der Betriebsanleitung, dass bei Fahrten im 4-H-Betrieb mit solchen Geräuschen zu rechnen sei. Für die Überprüfung des Fahrzeugs seien lediglich 1.000 km angefallen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäss prozessleitender Verfügung vom 12.11.2003 und dem in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2003 verkündeten Beschluss. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften des Gerichts vom 17.12.2003 und 19.01.2004 verwiesen. Im Zuge der Augenscheinseinnahme hat der erkennende Richter am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung am streitgegenständlichen Fahrzeug einen Kilometerstand von 13.050 abgelesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht die Zahlung eines Betrages von 36.442,25 Euro an die XLG und die Rückabwicklung des Leasingvertrages zwischen der Klägerin und der XLG verlangen, §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 1. Alt., 434, 323 Abs. 1, 398 BGB i.V.m. XII. A. 1. Abs. 1 und 2 der XLG-Leasingbedingungen der XLG.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert auf Grund der in der vorgenannten Passage der XLG-Leasingbedingungen enthaltenen Abtretung von Ansprüchen aus dem Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der XLG gemäß Rechnung der Beklagten an die XLG vom 03.04.2003. Die Klägerin ist wirksam vom Kaufvertrag zwischen XLG und Beklagter zurückgetreten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des erkennenden Richters fest, dass das Fahrzeug einen Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB hat. Eine Sache ist nur dann mangelfrei, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Auf Grund des vom Sachverständigen Dipl.-Ing. S.... erstatteten mündlichen Gutachtens und des Eindrucks, den der erkennende Richter im Zuge des von ihm eingenommenen Augenscheins gewonnen hat, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die von der Klägerin behaupteten Brummgeräusche in ihrer charakteristischen Art, ihrem Ausmaß und dem Grad des Störens bestehen und in ihrer Gesamtqualität einen Mangel im Sinn der vorgenannten Vorschriften darstellen. Der Beklagten war einzuräumen, dass insbesondere auch auf Grund des vom Richter selbst gewonnenen Eindrucks am Anfang der Testfahrt das Brummgeräusch zwar bei verschiedenen Geschwindigkeiten ohne weiteres auszumachen war, und zwar in den Passagen, in denen das Fahrzeug im 4-H-Betrieb gefahren wurde. Im Zuge der andauernden Probefahrt zeigte sich, dass die Einschätzung des Sachverständigen Dipl.-Ing. S..., dieses Geräusch könne einem bei längerer Fahrtdauer auf den Geist gehen, zutreffend war. Der erkennende Richter folgt zudem den Ausführungen des Sachverständigen dahin, dass der Käufer eines solchen höherwertigen Fahrzeuges, auf den hier abzustellen ist, in diesem Preissegment ein Fahrzeug im Umschaltbetrieb von 2-H auf 4-H erwarten kann und darf, bei dem solche Geräusche, wohl auf Grund von Verspannungen im Getriebe, nicht auftreten. Dies steht im Einklang mit der Angabe des Geschäftsführers A... der Klägerin, der die Beklagte nicht widersprochen hat, das ähnlich konstruierte Vorgängermodell habe solche Geräusche nicht aufgewiesen.
Der Mangel ist unstreitig nach Gefahrübergang feststellbar aufgetreten. Ob er bereits bei Übergabe vorhanden war, ist für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ohne Belang, weil die Mangelursache nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bereits konstruktionsbedingt bei Übergabe angelegt war (vgl. dazu auch Palandt-Putzo, 63. Aufl., § 434 BGB, Rn. 8).
Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass diese Brummgeräusche nur als so wenig gravierend einzustufen sind, dass ein Rücktritt nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist, weil die Pflichtverletzung der Beklagten nicht mehr als unerheblich ist. Ein Mangel könnte nur dann als unerheblich im Sinn dieser Vorschrift anzusehen sein, wenn das Fahrzeug im 4-H-Betrieb üblicherweise nicht auf Straßen bzw. nicht unter Anhängelast bewegt werden würde. Dem hat der Sachverständige Dipl.-Ing. S.... im Zuge seiner Anhörung mit überzeugender Begründung eine deutliche Absage erteilt. Er hat dazu ausgeführt, es sei sinnvoll, dieses Fahrzeug in bestimmten Konstellationen im 4-H-Betrieb zu bewegen; dafür sei es so konstruiert. Es gebe auch andere Fahrzeuge, die einen vergleichbaren Umschaltbetrieb hätten, und bei denen diese Geräusche nicht auftauchten. Mit anderen Worten: Die Nutzung des Fahrzeuges, insbesondere auch bei trockenen Straßen auf längeren Strecken, unter Umständen mit Anhängelast, ist üblicherweise nicht derart selten, dass nur ein geringfügiges Nutzungsspektrum als mangelbehaftet angesehen werden könnte.
Ein anderes Ergebnis rechtfertigt auch nicht der in Betriebsanleitung zu 4-18 vom Hersteller angebrachten Warnhinweises für Fahrten des Fahrzeuges im 4-H-Betrieb auf trockenem Untergrund. Die Beklagte kann sich sowohl auf Grund des in der Vertragsanbahnung in Anspruch genommenen Vertrauens gegenüber der Klägerin als auch auf Grund ihrer vertraglichen Beziehungen zur XLG nicht darauf berufen; dieser Umstand hatte erst nach der Übergabe des Fahrzeugs mit Aushändigen der Betriebsanleitung bekannt werden können. Einen dementsprechenden Hinweis hat die Beklagte vor Abschluss der Verträge nicht erteilt. Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Klägerin - aus abgetretenem Recht der XLG - der Beklagten gegenüber darauf beruft. Denn die XLG ist als selbstständiges - anders die Beklagte - nicht fachkundiges Rechtssubjekt anzusehen.
Die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 24.06.2003 eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bis zum 08.07.2003 gesetzt, welche erfolglos verstrichen ist, § 323 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Rücktritt vom Kaufvertrag zwischen der XLG und der Beklagten mit Schreiben vom 11.07.2003 erklärt, § 349 BGB.
Die Klägerin kann von der Beklagten auf Grund des wirksam erklärten Rücktritts in Verbindung mit XII. A. 1. der XLG-Leasingbedingungen die Rückzahlung des von der XLG an die Beklagte gezahlten Kaufpreises von 36.897,41 Euro brutto verlangen. Einen höheren Anspruch hat sie schon nicht nachvollziehbar dargelegt. Für diesen ihr günstigen Umstand ist sie darlegungs- und beweisbelastet; ihr Bestreiten mit Nichtwissen reicht nicht aus.
Der Rückzahlungsanspruch verringert sich um die von der Klägerin gezogenen Nutzungen. Der erkennende Richter geht bei der Bemessung der gezogenen Nutzungen vom Kilometerstand von 13.050 davon aus, dass die Klägerin sich Fahrten von insgesamt 9.600 km Strecke zurechnen lassen muss. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass das Fahrzeug in ihrem Einwirkungsbereich nur für 1.000 km genutzt worden ist. Zwar hat der Zeuge L... einzelne, teilweise von ihm abgelesene und teilweise von anderen Mitarbeitern der Beklagten festgestellte Kilometerstände bekunden können. Jedoch standen diese Angaben im Widerspruch zu den Aussagen der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin A... sowie des Mitarbeiters der Klägerin B... . Sämtlichen Zeugen kann ein eigenes, nicht nur wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nicht abgesprochen werden; die Beweisaufnahme hat keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Zeuge L... mehr Glauben verdient als die Zeugen A... und B... . Den für die Beklagte günstigen Umstand, der als Berechnungsgrundlage zu einer höheren Nutzungsentschädigung führen würde, hat die Beklagte nicht bewiesen.
Ausgehend von einer der Klägerin zuzurechnenden Laufleistung von ca. 9600 km ergibt sich unter Berücksichtigung eines Wertes von 0,4% des Bruttokaufpreises in Höhe von 36.897,41 Euro pro 1.000 km ein Anspruch auf Wertersatz gezogener Nutzungen in Höhe von 1.455,16 Euro brutto. Der erkennende Richter folgt dabei den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zur Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges mit durchschnittlich 250.000 km. Danach ergibt sich an die XLG zu zahlende Betrag von 36.442,25 Euro.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet, sodass das darauf gerichtete Feststellungsbegehren der Klägerin begründet ist.
Die Klägerin kann letztlich die weitere Feststellung in dem im Tenor genannten Umfang beanspruchen. Das Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO ist insoweit gegeben, weil die bloße, auch nur entfernte Möglichkeit künftiger weiterer Folgeschäden genügt. Allerdings war - zumindest - klarzustellen, dass der Klägerin - nach ihrem eigenen Vorbringen - im Verhältnis zur Beklagten nur Ansprüche aus ihr von der XLG abgetretenem Recht zustehen.