Landgericht Osnabrück
Urt. v. 12.07.2004, Az.: 1 O 1208/04

Schadensersatz wegen Beschädigung eines Motorrollers und Knieverletzung bei einem Unfall wegen eines Schlaglochs in einer Nebenstraße mit geringer Verkehrsdichte; Verletzung der Verkehrssicherungspflicht seitens einer Gemeinde; Öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit; Notwendige Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes; Anforderungen an die Sorgfalt eines Fahrzeugführers bei erkennbar schlechtem Straßenzustand

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
12.07.2004
Aktenzeichen
1 O 1208/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35681
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2004:0712.1O1208.04.0A

Amtlicher Leitsatz

Kein Schadensersatz bei Unfall wegen Schlagloch in der Nebenstraße mit geringer Verkehrsdichte

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte Gemeinde wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

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Er behauptet, er habe am 1. 6. 2003 gegen 16.00 Uhr mit seinem Motorroller die Straße ........ in L..... befahren. Er sei mit seinem Motorroller in ein Schlagloch geraten, wodurch er mit dem Motorroller zu Fall gekommen sei. Das Schlagloch sei für ihn nicht erkennbar gewesen. Die Kosten für die Reparatur des Motorrollers beliefen sich auf 679,27 EUR netto. Er selbst sei bei dem Verkehrsunfall verletzt worden. Er habe eine Knieverletzung erlitten, wegen der er 7 Tage stationär habe behandelt werden müssen. Wegen der Schmerzen sei er auf die Einnahme von Schmerztabletten angewiesen gewesen. Zum Ausgleich der Verletzung und der damit verbundenen Beeinträchtigungen hält der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,-- EUR für sachgerecht und angemessen. Darüber hinaus stehe derzeit noch nicht fest, wie sich das Krankheitsbild des Klägers in Zukunft gestalten werde. Es müsse damit gerechnet werden, dass Komplikationen auftreten können. Auch derzeit leide der Kläger noch unter belastungsabhängigen Schmerzen im Knie. Diese träten insbesondere auf, wenn er lange auf den Beinen sei.

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Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.699,27 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen - aus dem Verkehrsunfall vom 1. 6. 2003 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie bestreitet den behaupteten Unfallhergang sowie die vorgetragenen Unfallfolgen mit Nichtwissen. Sie verweist darauf, dass es sich bei der Straße um einen völlig untergeordneten Verbindungsweg außerhalb der Ortschaft handelt, der größtenteils von landwirtschaftlichen Fahrzeugen genutzt wird. Die Straße ist - unstreitig - von geringer Verkehrsbedeutung und weist in ihrer Gesamtheit Unebenheiten auf. Auf Grund dessen liege keine sicherungsbedürftige Gefahrenquelle vor. Der Kläger habe bei dem Befahren der Straße mit entsprechenden Hindernissen rechnen und sich hierauf einstellen müssen. Die Beklagte sei der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht dadurch nachgekommen, dass sie die streitgegenständliche Straße 2 - 3 x im Jahr auf Schäden überprüfe, und zwar jeweils im Frühjahr (März/April) sowie im Herbst (September/Oktober). Es finde jeweils eine Begehung der Straße statt. Hierbei festgestellte Mängel würden sodann schnellstmöglich durch die Mitarbeiter der Beklagten behoben, oder es würden im Gefahrenfall sofort entsprechende Warnschilder aufgestellt. Der in Rede stehende Bereich sei zeitnah vor dem betreffenden Unfall, nämlich am 1. April 2003, durch die Mitarbeiter der Beklagten besichtigt worden. Hierbei festgestellte Mängel seien in der Zeit vom 3. 4. bis 16. 4. 2003 behoben worden. Wenn tatsächlich am 1. 6. 2003 ein Schlagloch von nicht unerheblichem Ausmaß auf der Straße vorgelegen haben sollte, so müsse dieses nach dem 16. 4. 2003 entstanden sein.

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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder Blatt 9 bis Blatt 14 d.A.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 BGB i. V. mit Artikel 34 GG, § 10 NdsStrG zu.

8

Nach § 10 Abs. 1 des Niedersächsischen Straßengesetzes obliegen der Bau und die Unterhaltung der öffentlichen Straßen einschließlich der Bundesstraßen sowie die Überwachung ihrer Verkehrssicherheit den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Diese öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 60, 54). Ihr Umfang wird dabei von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes. Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer allerdings den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Wiese alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag ( BGH NJW 1980, 2193 (2194) [BGH 26.06.1980 - VII ZR 210/79][BGH 26.06.1980 - VII ZR 210/79]; BGH NJW 1979, 2043 (2044)).

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Dabei kann eine mit zumutbaren Mitteln nicht erreichbare völlige Gefahrlosigkeit nicht verlangt werden (Sörgel/Zeuner, BGB, § 823 Rdnr. 161, 162 m.w.N. ; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 14. Kapitel, Rdnr. 37).

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Unter Anwendung dieser Grundsätze ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Denn ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder sowie des Ortsplanes Blatt 24 d.A. handelt es sich bei der Straße nicht um eine besonders wichtige Verkehrsverbindung. Dementsprechend sind die Anforderungen an den seitens der Beklagten zu gewährleistenden Straßenzustand deutlich reduziert. Ob die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, kann letztlich aber offen bleiben. Denn der Kläger hat sich ein so hohes Maß an Verschulden am Zustandekommen des Schadens anrechnen zu lassen, dass eine evtl. Pflichtverletzung der Beklagten dahinter zurückträte. Entweder war die Geschwindigkeit des Klägers zu hoch, so dass er dem Schlagloch deshalb nicht mehr ausweichen konnte, oder aber es fehlte an der notwendigen Aufmerksamkeit.

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Nach § 3 Abs. 1 StVO hat ein Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. Dies hat der Kläger offenbar nicht getan. Denn das in Rede stehende Schlagloch ist in den geschilderten Ausmaßen auffällig genug, um von einem einigermaßen sorgfältig fahrenden Motorrollerfahrer erkannt zu werden. Dies gilt insbesondere deshalb, da der Kläger ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder bereits vor Erreichen der behaupteten Unfallstelle sehr unebene Fahrbahnstellen passiert hatte, mithin Kenntnis vom reduzierten Fahrbahnzustand hatte und sich mit seiner Fahrweise darauf hätte einstellen können. Dadurch, dass er dies offensichtlich nicht getan hat, ist sein Mitverschulden derartig hoch einzustufen, dass eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten im Ergebnis ausscheidet.