Landgericht Osnabrück
Urt. v. 02.03.2004, Az.: 7 O 2613/02

Erstattung der aus Anlass eines Arbeitsunfalls erbrachten Aufwendungen; Beeinträchtigung der Betriebssicherheit auf Grund der Lieferung eines mangelhaften Elektromotors; Verpflichtung zur Verhinderung der Möglichkeit eines den geltenden Sicherheitsbestimmungen innerhalb Europas nicht entsprechenden Rückwärtslaufs; Erstattungsfähigkeit eines Haushaltsführungsschadens bei Tätigkeiten für fremde Personen

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
02.03.2004
Aktenzeichen
7 O 2613/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35143
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2004:0302.7O2613.02.0A

Fundstellen

  • JWO-VerbrR 2004, 220
  • VersR 2005, 276-277 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Unterlässt es der Hersteller einer Maschine, die Möglichkeit einer offenkundig nicht den geltenden Sicherheitsbestimmungen entsprechenden Einstellung zu verhindern, so begründet dies seine Alleinhaftung.

  2. 2.

    Ein Anspruch auf Erstattung eines Haushaltsführungsschadens besteht nur im Hinblick auf Tätigkeiten für fremde Personen, nicht jedoch soweit Tätigkeiten für die eigene Haushaltsführung betroffen sind; der Anspruchsteller hat hierzu darzulegen, dass und welche Tätigkeiten im Rahmen seiner Mitarbeitspflicht für fremde Personen und hinsichtlich welcher Aufgabenbereiche erbracht wurden.

In dem Rechtsstreit
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 13.01.2004
durch
den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.250,73 Euro (= 31.783,67 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 15.11.2001 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin diejenigen Aufwendungen zu ersetzen, die dieser aus Anlass des Unfalls ihres Versicherten vom 16.04.1997 an dem von der Beklagten hergestellten Superkalander 21 erbringen muss, soweit die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht gemäß § 116 SGB X auf Schadensersatz für Leistungen in Anspruch, die sie an ihren Versicherten aus Westoverledigungen auf Grund eines von diesem am 16.04.1997 erlittenen Arbeitsunfalls erbracht hat. Herr ... war bei der Firma beschäftigt. Diese hatte bei der Beklagten eine Papiermaschine (Superkalander) durch Vertrag vom 26.01./20.02.1995 bestellt. Die Maschine ist von der Beklagten bei der Firma aufgestellt worden. Die dafür als Antrieb dienenden Elektromotoren hat die Firma beigesteuert. Der Superkalander 21 besteht am Ende der Fertigungsstrecke im Bereich der so genannten Aufrollung aus zwei Walzen, der Andruckwalze und dem so genannten Tambour. Diese Walzen dürfen sich aus Gründen der Arbeitssicherheit nur nach außen drehen; ein Rückwärtslauf zum Inneren der Maschine hin muss durch technische Vorkehrungen ausgeschlossen sein, es sei denn, der Rückwärtslauf wird über einen so genannten Tippschalter betätigt, dessen Loslassen den Stillstand der Maschine bewirkt oder es ist eine Lichtschranke mit demselben Effekt eingebaut, falls eine Person in den Gefahrenbereich gelangt. Beide Einrichtungen wies der von der Beklagten gelieferte Superkalander 21 unstreitig nicht auf. Am 16.04.1997, während der Nachtschicht gegen 0.40 Uhr, kam es zu einer Betriebsstörung in Form eines Abrisses der durch den Superkalander geführten Papierbahn. Um diese Störung zu beseitigen, war es u.a. erforderlich, die zwischen Leitblech und Andruckwalze befindlichen Papierreste zu entfernen. Zu diesem Zweck stellte die Laufrichtung der Andruckwalze in Richtung Maschineninneres um, die in Kriechgeschwindigkeit weiterlief. Während er noch mit dem Aufräumen der Papierreste beschäftigt war, rutschte er plötzlich auf den bereits am Boden liegenden feuchten Papierbahnen aus, verlor das Gleichgewicht und stützte sich haltsuchend im Fallen an dem Tambour ab und wurde mit beiden Händen zwischen Tambour und Andruckwalze in den Superkalander hineingezogen. Durch die Schreie aufmerksam geworden, betätigte einer seiner Kollegen die Notbefehlseinrichtung im Bereich der Aufrollung und konnte sodann - schwerverletzt - aus der Maschine befreit werden.

2

Die Klägerin hat in der Folgezeit Leistungen gegenüber erbracht, die im Verlauf des Rechtsstreits überwiegend unstreitig geworden sind.

3

Die Klägerin sieht in der fehlenden Sicherheitstechnik einen von der Beklagten zu verantwortenden Fehler im Sinne des Produkthaftungsgesetzes. Daneben stützt sie sich auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 des Gerätesicherheitsgesetzes und schließlich macht sie vertragliche Ansprüche geltend. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte ihr alle an erbrachten Leistungen zu ersetzen habe, auch den Haushaltshilfeschaden, habe durchschnittlich 16 Stunden wöchentlich im Haushalt mitgearbeitet.

4

Die Klägerin hatte zunächst beantragt,

  1. 1.)

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 49.426,60 DM nebst 4 % Zinsen aus 29.539,14 DM seit dem 18.03.1998, aus weiteren 12.169,10 DM ab Rechtshängigkeit der Klage und im Übrigen ab Rechtshängigkeit unseres heutigen Schriftsatzes zu zahlen, wobei die Verzinsung der gesamten Klageforderung ab dem 05.2000 mit 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 auszusprechen ist;

  2. 2.)

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch die der Klägerin zukünftig entstehenden Aufwendungen zu ersetzen, die diese aus Anlass des Unfalls ihres Versicherten vom 16.04.1997 an dem von der Beklagten hergestellten Superkalander 21 erbringen muss, soweit die Schadensersatzansprüche des Herrn gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.

5

Die Beklagte hatte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Nach ihrer Auffassung besteht keine Verantwortlichkeit ihrerseits für den Arbeitsunfall vom 16.04.1997. Der Grund dafür liege vielmehr in den elektrischen Antrieben, die von der Firma auf Grund einer separaten Bestellung durch die von der Firma geliefert worden seien.

7

Den von der Klägerin geltend gemachten Schaden, so die Beklagte weiter, wolle sie nicht weiter bestreiten, dies gelte jedoch nicht für den von der Klägerin in ihrer Schadensberechnung einbezogenen Haushaltshilfeschaden.

8

Das Landgericht Osnabrück hat am 13.12.2001 ein Urteil erlassen, mit dem die Beklagte teilweise zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wurde und ein Feststellungsanspruch für begründet erachtet wurde. Auf den Inhalt dieses Urteils wird im Einzelnen Bezug genommen (Band III Blatt 102 ff. d.A.).

9

Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Oldenburg das Urteil mit dem zu Grunde liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Auf den Inhalt des Berufungsurteils wird im Einzelnen Bezug genommen (Band III Blatt 194 ff. d.A.).

10

Die Klägerin verfolgt mit der bereits in der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageerhöhung ihren Anspruch weiterund beantragt nunmehr,

  1. 1.)

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 33.043,30 Euro nebst gesetzlichem Zinssatz ab Rechtshängig zu zahlen;

  2. 2.)

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die ihr entstehenden Aufwendungen zu ersetzen, die diese aus Anlass des Unfalls ihres Versicherten vom 16.04.1997 an dem von der Beklagten hergestellten Superkalander 21 erbringen muss, soweit die Schadensersatzansprüche des Versicherten gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.

11

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Das Gericht hat gemäß dem Beschluss vom 04.12.2002 Beweis durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens erhoben und der Firma aufgegeben, den Vertrag mit der betr. Elektroarbeiten vorzulegen. Diese Beschlüsse sind ausgeführt worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 15.09.2003 und das Ergebnis der mündlichen Anhörung der Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.01.2004 Bezug genommen. Im Übrigen wird auf den von der Firma vorgelegten Vertrag mit der Firma Bezug genommen (Anlagenband).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die Beklagte in vollem Umfang die Aufwendungen der Beklagten aus Anlass des Unfalls des in Höhe von 31.783,67 DM erstattet (§§ 1,3 Produkthaftpflichtgesetz).

14

Hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens hat die Klägerin jedoch keinen Anspruch gegen die Beklagte.

15

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der von der Beklagten gelieferte Superkalander 21 an einem schwer wiegenden Mangel litt, der die Betriebssicherheit der Maschine wesentlich beeinträchtigt und zu dem Unfall vom 16.04.1997 geführt hat. Dieser bestand in der Möglichkeit, den Elektroantrieb der Aufrollung in Richtung Maschineninneres umzustellen, ohne dass besondere Vorkehrungen zur Vermeidung von Arbeitsunfällen vorhanden waren. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass die Elektromotoren von der Firma geliefert wurden und diese auch die Elektroinstallation vorzunehmen hatte. Denn nach dem Rahmenvertrag der Klägerin mit der Beklagten mit der Firma hatte die Beklagte die Lieferung, Montage, Installation und Inbetriebnahme des Gesamtkomplexes übernommen. Es war auch Aufgabe der Beklagten, mit der Gesamtanlage einen Probelauf zum Zwecke der Abnahme durchzuführen. Zur Inbetriebnahme hatte die Auftragnehmerin mit dem Fachpersonal auf eigene Verantwortung und eigene Regie die Montage und die Inbetriebsetzung der von ihr zu liefernden Anlagen vorzunehmen. Sämtliche Montagekosten einschließlich der Inbetriebnahme waren im Gesamtauftragswert enthalten (Vertrag, Anlage K 9 Band II Blatt 85). Außerdem hatte die Auftragnehmerin das Personal des Auftraggebers anhand von Unterlagen in die Bedienung der Maschine einzuweisen. Infolge der Konformitätserklärung war die Beklagte zudem verpflichtet, die Maschine so auszustatten, dass sie einen Rückwärtslauf in der Aufrollung nicht vorsah. Es ist unstreitig, dass die Möglichkeit dieses Rückwärtslaufs den geltenden Sicherheitsbestimmungen innerhalb Europas nicht entspricht. Bei der Gesamtinbetriebnahme der Maschine war für die Klägerin, wie die Sachverständigen überzeugend ausgeführt haben, sofort ersichtlich, dass der Superkalander entgegen diesen Vorgaben in einen Rückwärtslauf der Aufrollung gebracht werden konnte. Die Bedienungselemente an der Schalttafel ließen eindeutig einen Rückwärtslauf mit Handschaltung vor. Deshalb kommt es schon eigentlich gar nicht mehr darauf an, ob hier vorliegend Schnittstellenprotokolle von der Firma hätten manipuliert werden können. Unabhängig davon haben die Sachverständigen aber auch festgestellt, dass die Protokolle und Anweisungen der Beklagten insoweit unverständlich waren und eine elektrische Schaltung in den Rückwärtslauf nicht ausschlössen. Zudem war bis zum Unfall auch ein solcher Rückwärtslauf möglich, wie der Unfall zweifelsfrei gezeigt hat. Dass dieses möglich war, hätte die Beklagte im eigenen Verantwortungsbereich bei der Inbetriebnahme im Hinblick auf geltende Sicherheitsvorschriften überprüfen müssen. Indem sie dies nicht getan hat, obgleich offenkundig auf Grund der Beschreibung an der Schalttafel ein solcher Rückwärtslauf möglich war, begründet eine Alleinhaftung der Beklagten. Bei dieser Sachlage muss der verletzte Arbeitnehmer und damit auch die Klägerin sich nicht ein Mitverschulden anrechnen lassen, da die Beklagte eine offenkundig fehlerhafte und sehr gefährliche Schaltung zuließ, die auf jeden Fall hätte von vornherein verhindert werden müssen.

16

Einen Anspruch auf Erstattung eines Haushaltsführungsschadens hat die Klägerin nicht, da die Klägerin im Sinne der Ausführungen im Berufungsurteil nicht näher dargelegt hat, inwieweit nicht nur eine Tätigkeit für eigene Haushaltsführung vorlag. Denn erstattungsfähig sind nur solche Tätigkeiten für fremde Personen (BGH NJW 1985 Seite 735, 736 [BGH 04.12.1984 - VI ZR 117/83]).

17

Auch hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass und welche Tätigkeiten innerhalb der angegebenen 16 Stunden für fremde Personen und hinsichtlich welcher Aufgabenbereiche erbracht wurden. Insoweit war der Klägerin eine stärkere Substantiierung zumutbar, indem sie den Versicherten näher hätte befragen müssen. Sie hat jedenfalls nicht dargelegt, dass er ihr Auskünfte verweigert hätte. Bei den angegebenen 16 Stunden ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass schon keine Erstattungsfähigkeit während der ersten Ehezeit bestand. Denn während dieser Zeit war der verletzte Arbeitnehmer allein erwerbstätig, während seine erste Ehefrau den Haushalt allein führte. In der Trennungszeit vom 22.06.1999 bis zum 03.07.2001 lebte er nur mit einem seinerzeit schon 16 Jahre alten und später sogar 18 Jahre alten Sohn in einem Haushalt. Zum Haushalt gehörte eine große Wohnfläche und ein großer Garten, so dass hier davon auszugehen ist, dass er ohnehin, soweit er Hausarbeit geleistet hat, überwiegend eigene Zwecke verfolgt hat und dass der Sohn zu einer Mitarbeit verpflichtet war, so dass der Aufwand, der für seine Anwesenheit im Haushalt entstand, sicher auch durch die Mitarbeitspflicht von bis zu 7 Wochenstunden gedeckt war. Für die Zeit der zweiten Ehe des Verletzten kann nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass hier überhaupt eine Mitarbeitspflicht des Verletzten besteht. Denn die zweite Ehefrau des Verletzten arbeitet nur gelegentlich in einem Eislokal und kümmert sich überwiegend um den Haushalt.

18

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 Satz 2 ZPO.