Landgericht Osnabrück
Urt. v. 14.11.2004, Az.: 18 O 469/04

Werbung im geschäftliche Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit einem Gutschein für den Windschutzscheibenaustausch; Erstattung der Selbstbeteiligung; Täuschung der Versicherer über die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung; Kenntnis der Versicherungen; Vereinbarung eines Selbstbehalts; Verwendung von im Verkehr als geringerwertig angesehenen Nicht-Original-Ersatzteilen als Grundlage der zur Erstattung von 150.- EUR führenden Kalkulation

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
14.11.2004
Aktenzeichen
18 O 469/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2004:1114.18O469.04.0A

Fundstelle

  • WRP 2005, 252 (amtl. Leitsatz) "Windschutzscheibenaustausch"

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftliche Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit einem Gutschein für den Windschutzscheibenaustausch wie folgt zu werben:

    "Diesen Gutschein bei uns einlösen und Sie bekommen kostenlos* eine

    neue Windschutzscheibe!!!

    *Wir übernehmen Ihre Selbstbeteiligung bis 150,00 EUR, falls Sie teil- oder

    vollkaskoversichert sind."

    oder:

    "Bei einem Austausch der Windschutzscheibe fallen dann bei Teilkasko mit

    SB, Kosten von ca. 153,00 EUR an.

    !!!!!!!! Diese Kosten von 153,00 EUR übernimmt ... für Sie !!!!!!!"

    und/oder wie angekündigt zu verfahren bzw. die Gutscheine entsprechend einzulösen.

    Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, angedroht.

  2. 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189.- EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 9.9.2004 zu zahlen.

  3. 3.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. 4.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung, und zwar hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages und im übrigen in Höhe von 10.000.- EUR, vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch unbefristete schriftliche Bürgschaft eines zum Geschäftsbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Bankinstituts erbracht werden.

  5. 5.

    Der Streitwert wird auf 10.000.- EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein Verein zur Förderung gewerblicher Interessen. Die Beklagte betreibt den Handel und die Montage von Autoscheiben.

2

Die Beklagte wirbt mit Gutscheinen, die den im Tenor aufgeführten Text zum Inhalt haben.

3

Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Werbung mittels der genannten Gutscheine oder ähnlichen Ankündigungen im Internet Verstoße gegen die §§ 3 und 5 n.F. UWG. Die Kernaussage sei beispielsweise bei einer über 150- EUR liegenden Selbstbeteiligung unrichtig. Zudem würden die Kunden zum Vertragsbruch gegenüber der Versicherung veranlasst, indem dieser ein um 150.- EUR zu hoher Reparaturpreis vorgespiegelt würde.

4

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie behauptet, die Praxis der Erstattung der Selbstbeteiligung sei den Versicherungsunternehmen bekannt. Versicherungsvertreter würden sogar die beanstandeten Gutscheine an ihre Kunden weitergeben. Zudem werde flächendeckend in Deutschland mit der Erstattung der Selbstbeteiligung geworben. Aus dem Text der Werbung sei auch klar erkennbar, dass eine Erstattung lediglich im Umfang von 150.- EUR erfolge.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist begründet.

8

Die Klägerin ist klagebefugter Verband im Sinne von § 8 Abs. 3 UWG.

9

Die unstreitige Werbung der Beklagten ist gem. § 3 UWG wettbewerbswidrig.

10

Eine Wettbewerbswidrigkeit kann bereits in einer Täuschung der Versicherer über die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung i.S.d.. § 13 AKB liegen. Hierunter sind die finanziellen Aufwendungen zu verstehen, die einer ordentlichen Werkstatt im Rahmen der üblichen Vergütung für die Reparatur des Fahrzeugs zu erbringen sind (BGH NJW 85, 1222). Zwar steht dem Geschädigten kein Wahlrecht zu, welchen Weg der Abrechnung, nach Sachverständigengutachten oder Reparaturrechnung, er bevorzugt (z.B. OLG Köln VersR 88, 1165 m.w.N..). Grundsätzlich belegt daher eine Reparaturrechnung gegenüber der Versicherung die Höhe des Schadens.

11

Allerdings ist die Leistungspflicht des Versicherers im Rahmen des § 13 Abs. 5 AKB nicht davon abhängig, ob und in welchem Umfang eine Wiederherstellung erfolgt (BGH a.a.O..). Dabei wird in der Rechtsprechung weitgehend eine so genannte "Billigreparatur" nicht als ordnungsgemäße Wiederherstellung angesehen. Nach OLG Düsseldorf (NZV 95, 232, 233) liegt eine fachgerechte Wiederherstellung nur dann vor, wenn ausschließlich Originalersatzteile verwendet werden. Wenn also die Beklagte - wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt und durch Vorlage von vergleichbaren Rechnungen dokumentiert hat - wegen der Verwendung von Nicht-Original-Windschutzscheiben um den Betrag von 150.- EUR billiger als eine Vertragswerkstatt anbieten kann, so wäre der Versicherungsnehmer nicht gehindert, den Differenzbetrag zu den üblichen, höheren Wiederherstellungskosten bei der Versicherung geltend zu machen, so dass der Versicherung im Ergebnis durch die Verfahrensweise der Beklagten ein Schaden nur dann erwächst, wenn die Beklagte die fehlende Transparenz ihrer Abrechnung zur Überschreitung des üblichen Preises nutzt.

12

Problematisch wirkte sich die Abrechnungspraxis der Beklagten also dann aus, wenn der Versicherung eine fachgerechte (Orginalteil-) Reparatur vorgespiegelt und sie dadurch von einer Prüfung der Marktüblichkeit des Rechnungsendbetrages abgehalten würde. Eine Täuschung könnte demnach dann vorliegen, wenn den betroffenen Versicherungen die Rechnungspraxis der Beklagten nicht bekannt wäre.

13

Dessen ungeachtet kann die von der Beklagten behauptete Kenntnis der Versicherungen dahinstehen, da die Werbung mit der Erstattung des Selbstbehalts in Höhe von 150.- EUR bereits deswegen als wettbewerbswidrig einzustufen ist, da mit ihr in das Vertragsverhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer durch Entwertung der Vereinbarung des Selbstbehalts zu Lasten der Versicherung eingegriffen wird. Mit der Vereinbarung eines Selbstbehalts werden in der Regel zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll das subjektive Risiko verringert werden, d. h. das Risiko, dass der Versicherungsnehmer den Schaden vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt; zum anderen soll ein niedrigerer Prämiensatz ermöglicht werden (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht T I Rdnr. 6 und 13). Die beworbene Erstattung der Selbstbeteiligung entwertet beide Ziele, da mit der Erstattung des Selbstbehalts die Schwelle vor der Inanspruchnahme der Versicherung abgebaut und als Folge davon die kalkulierte Verringerung der Schadensaufwendungen zu Gunsten der Prämienhöhe illusorisch wird. Die beworbene Abrechnungspraxis der Beklagten führt somit letztlich zu einer Beeinträchtigung der Allgemeinheit der Versicherungsnehmer. Sie stellt sich damit als sittenwidrig i.S.d.. § 3 UWG dar.

14

Dieser Bewertung steht auch nicht entgegen, dass angesichts der oben zitierten Rechtsprechung zum Schadensbegriff der Kunde bei anderer Rechnungsstellung der Beklagten möglicherweise die Differenz zwischen dem um die Rückzahlung von 150.- EUR verminderten Rechnungsbetrag und dem in Vertragswerkstätten der Kfz-Hersteller bei der Verwendung von Original-Teilen zu zahlenden Preis von der Versicherung verlangen und damit ebenfalls die Selbstbeteiligung unterlaufen könnte. Denn in diesem Fall würde dem Kunden der Grund der Preisdifferenz, nämlich der Verzicht auf Original-Ersatzteile, verdeutlicht, so dass ihm der von ihm zu entrichtende Beitrag in Form des Verzichts auf die fachgerechte (Original-Ersatzteil-) Reparatur verdeutlicht würde.

15

Letztlich erweist sich die Werbung der Beklagten auch als irreführend i.S.d.. §§ 4 Nr. 4, 5 Abs. 1 UWG, da die Verwendung von im Verkehr als geringerwertig angesehenen Nicht-Original-Ersatzteilen als Grundlage der zur Erstattung von 150.- EUR führenden Kalkulation der Beklagten nicht offen gelegt wird.

16

Die Verpflichtung zur Erstattung der nicht anzurechnenden Rechtsanwaltskosten der unstreitigen Abmahnung ergibt sich aus § 12 Abs. 1 UWG.

17

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

18

Der Streitwert erscheint angesichts der regional beschränkten Tätigkeit der Beklagten mit den von der Klägerin angegebenen 10.000.- EUR ausreichend bemessen.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000.- EUR festgesetzt

Der Streitwert erscheint angesichts der regional beschränkten Tätigkeit der Beklagten mit den von der Klägerin angegebenen 10.000.- EUR ausreichend bemessen.