Landgericht Osnabrück
Urt. v. 13.12.2004, Az.: 8 O 814/04 (79)
Anspruch auf Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden; Amtshaftungsanspruch wegen Verletzung der Streupflicht; Mitverschulden des Geschädigten an einem Unfall
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 13.12.2004
- Aktenzeichen
- 8 O 814/04 (79)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 35183
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2004:1213.8O814.04.79.0A
Rechtsgrundlagen
- § 254 BGB
- § 839 BGB
- § 847 BGB
- Art. 34 GG
Fundstelle
- DAR 2006, IV Heft 2 (amtl. Leitsatz)
Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22.11.2004
durch
die Richterin am Landgericht Wieseler-Sandbaumhüter als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.
Die Klägerin behauptet, am 04.02.2003 gegen 09.15 Uhr mit ihrem Fahrrad die ... in ... in Richtung ... gefahren zu sein. Kurz hinter der Einmündung der ..., wo die ... als Fahrradstraße ausgewiesen sei, sei sie infolge Eisglätte mit ihrem Fahrrad auf der Fahrbahn gestürzt.
Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die ... in Anbetracht ihrer baulichen Beschaffenheit und des dort herrschenden regen Fahrradverkehrs zu streuen. Die Straße weise nämlich an der Unfallstelle ein leichte Gefälle auf. Zudem sei sie durch straßenbauliche Gestaltungselemente wie Fahrbahnverengungen so ausgestaltet, dass sie einen kurvigen und teilweise verengten Straßenverlauf nehme.
Zwar habe sich auf der ... eine dünne Schneeschicht befunden, sie habe aber nicht damit rechnen müssen, dass sich unterhalb der Schneeschicht eine Eisdecke gebildet gehabt habe.
Auch ihre Schwester, die Zeugin ... sei an derselben Stelle verunfallt, ebenso wie die Ehefrau des Zeugen ....
Infolge des Sturzes habe sie eine Fraktur des linken Handgelenkes sowie eine Stauchung des Daumens erlitten.
Zum Ausgleich der erlittenen Schmerzen und Verletzungen halte sie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.200,- EUR für angemessen und ausreichend.
Darüber hinaus sei die Beklagte ihr zum Ersatz der von ihr erlittenen materiellen Schäden verpflichtet, insbesondere zum Ersatz des eingetretenen Haushaltsführungsschadens. In der Zeit vom 05.02.2003 bis zum 05.03.2003 sei sei arbeitsunfähig gewesen. Zum Unfallzeitpunkt habe sie gemeinsam mit der Zeugin ... in einer 3-Zimmerwohnung, die eine Größe von ca. 74 qm aufweise, gewohnt. Für die Haushaltsführung sei eine Arbeitszeit von 2 1/2 Stunden pro Tag zugrunde zu legen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des von der Klägerin geltend gemachten. Schadens wird auf S. 6 und 7 der Klageschrift (Bl. 6 u. 7 d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 570,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 2.
2. an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 25 % ein Betrag in Höhe von mindestens 1.200,- EUR als angemessen erachtet wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung könne ihr nicht zur Last gelegt werden. Im Übrigen bestreitet sie den von der Klägerin behaupteten Unfallhergang.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und ....
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.11.2004 (Bl. 49 ff. d.A.) Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Klägerin steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme kein Anspruch auf Ersatz der von ihr geltend gemachten materiellen und immateriellen Schäden aus §§ 839, 847 BGB, Art. 34 GG zu.
Die Frage, ob die Beklagte die ihr im Stadtgebiet obliegende Streupflicht am 04.02.2003 im Bereich der ... verletzt hat, kann dahinstehen. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin an dem Unfallgeschehen ein so erhebliches Mitverschulden gemäß § 254 BGB trifft, dass eine Haftung der Beklagten dahinter zurücktritt.
Den Angaben der Klägerin zufolge war die Fahrbahn vereist, was man aber mit bloßem Auge nicht habe erkennen können, da sich über der Eisschicht eine Schneedecke befunden habe, was von ihrer Schwester, der Zeugin ... bestätigt wurde.
Angesichts der von dem Zeugen ... geschilderten Straßenverhältnisse am Unfallmorgen, hätte die Klägerin jedoch davon Abstand nehmen müssen, mit ihrem Fahrrad zu fahren. Der Zeuge ... hat nämlich bekundet, dass sowohl die ... als auch die ... glatt waren. Auf den Straßen habe Schneematsch gelegen, der aber auch zum Teil gefroren gewesen sei. Man habe spiegelglatte Flächen gesehen und als seine Ehefrau mit dem Fahrrad zur Arbeit habe fahren wollen, habe er schon Bedenken gehabt. Seiner Meinung nach sei es relativ riskant gewesen, mit dem Fahrrad an diesem Morgen zu fahren.
Angesichts der von dem Zeugen ... geschilderten Straßenverhältnisse und der Witterung wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, nicht nur vor Antritt der Fahrt, sondern auch unterwegs die Straßenverhältnisse zu überprüfen. Dann hätte sie feststellen müssen, dass unter der von ihr wahrgenommenen Schneedecke sich zumindest stellenweise Eisschichten gebildet hatten. Ein aufmerksamer und sorgfältiger Verkehrsteilnehmer hätte unter den von dem Zeugen ... geschilderten Witterungs- und Straßenverhältnissen davon Abstand genommen, mit dem Fahrrad zu fahren. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Zeuge ... bestehen nicht.
In Anbetracht der an diesem Morgen herrschenden Straßen- und Witterungsverhältnissen muss das Verhalten der Klägerin als grob sorgfaltswidrig gewertet werden, zumal die ... im Unfallstellenbereich infolge der baulichen Gestaltung kurvenreich und damit als besonders gefährlich für Fahrradfahrer bei Glätte anzusehen ist. Eine etwaige Haftung der Beklagten hat hinter dem schuldhaften Verhalten der Klägerin zurückzutreten mit der Folge, dass die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.