Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.10.2021, Az.: 1 ME 104/20

Etikettenschwindel; Geruch; Unbestimmtheit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.10.2021
Aktenzeichen
1 ME 104/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70970
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 24.06.2020 - AZ: 2 B 518/20

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 24. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer Anlage zur solaren Klärschlammtrocknung auf dem Gelände der Kläranlage A-Stadt.

Er bewohnt ein Wohnhaus auf dem Grundstück A-Straße in A-Stadt; auf dem Grundstück betreibt er zudem eine tierärztliche Praxis. Nordwestlich des Grundstücks des Antragstellers, etwa 200 m entfernt, betreibt die Beigeladene auf dem Grundstück Weidenweg 30 eine Kläranlage.

Unter dem 23. Januar 2020 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die Genehmigung zur Errichtung einer solaren Klärschlammtrocknung mit einer Kapazität von bis 1.700 t/a für eigene Schlämme, die am Standort der Kläranlage A-Stadt anfallen. Die geplante Betriebseinheit soll nördlich/nordöstlich an die vorhandenen Betriebseinheiten angegliedert werden. Der Genehmigung waren zahlreiche Nebenbestimmungen und Hinweise beigefügt. Auf Seite 6 der Baugenehmigung wurde unter anderem ein Hinweis des Gewerbeaufsichtsamtes aufgenommen, der auszugsweise wie folgt lautet: „In der geplanten Anlage soll nur der Klärschlamm der am Standort anfällt getrocknet werden. Die Annahme und Behandlung von Klärschlamm aus anderen Herkunftsbereichen wurde nicht beantragt.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Baugenehmigung verwiesen. Der Antragsteller hat am 2. März 2020 Widerspruch gegen die Genehmigung erhoben, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde.

Den nach erfolglosem behördlichem Aussetzungsverfahren gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Juni 2020 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Widerspruch werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, da das Vorhaben bei summarischer Prüfung keine Nachbarrechte des Antragstellers verletze, insbesondere keine schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verursache. Die gutachterlich ermittelte Geruchsimmissionsbelastung von 8,0 % der Jahresstunden liege deutlich unterhalb des Orientierungswertes, der im Außenbereich, in dem das Wohnhaus des Antragstellers liege, zulässig sei. Die Rügen des Antragstellers gegen die gutachterliche Ermittlung griffen nicht durch, insbesondere habe der Gutachter auf Daten aus einem früheren Gutachten aus dem Jahre 2001 zurückgreifen dürfen. Der Gutachter habe zudem für die Geruchsemissionen der Biofilter den höchstzulässigen Wert ansetzen dürfen. Dies beruhe auf der Maßgabe der Baugenehmigung, von deren Einhaltung und regelmäßiger Überprüfung auszugehen sei; die Kontrolle der austretenden Geruchsemissionen ordne Ziffer 3. der Baugenehmigung auch ausdrücklich an. Aufgrund der Festlegung der maximal zulässigen Gerüche seien zudem die Bedenken des Antragstellers im Hinblick auf die Anlieferung von Fremdschlamm unbegründet, zumal die Beigeladene Zweifel daran ausgeräumt habe, dass die Genehmigung auch die Verarbeitung von Fremdschlamm umfasse. Auch sei die Befürchtung des Antragstellers, die Anlage könne in den Wintermonaten nicht betrieben werden, was zu erhöhter Geruchsbelastung im Falle eines Wiederhochfahrens der Anlage führe, unbegründet. Das genehmigte Vorhaben verursache auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Geräuschimmissionen. Soweit der Antragsteller schließlich eine Beeinträchtigung durch Bioaerosole befürchte, unterfielen diese lediglich dem nicht drittschützenden Vorsorgegebot.

Hiergegen richtet sich die vom Antragsteller erhobene Beschwerde, der der Antragsgegner und die Beigeladene entgegentreten.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1.

Soweit der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht habe bei der Frage, inwieweit die Aufnahme von Fremdschlamm vorgesehen oder geplant sei, übersehen, dass dies nicht nur Auswirkungen auf die Immissionsbelastung, sondern auch auf die Verfahrensart, deren Wahl nachbarschützend sei, habe, führt dieser Einwand nicht weiter. Allein die „richtige“ Verfahrensart - hier das von dem Antragsteller angeführte Erfordernis einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung - vermittelt für sich genommen noch keine drittschützende Wirkung. Zwar dient das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren auch dazu, den Schutz der Nachbarschaft zu gewährleisten. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Einhaltung des Verfahrens um seiner selbst willen dem Schutz potentiell betroffener Nachbarn dient, unabhängig davon, ob konkrete Anforderungen zum Schutz der Nachbarn verletzt sein können oder nicht. Das Verfahren dient dem Schutz Dritter nur insofern, als es gewährleisten soll, dass die rechtlichen Schutzvorschriften eingehalten werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.10.1990 - 7 C 55.89, 7 C 56.89 -, BVerwGE 85, 368 = juris Rn. 20). Allein durch die Wahl eines „falschen Genehmigungsverfahrens“ können keine Nachbarrechte verletzt sein (Senatsbeschl. v. 11.11.2010 - 1 ME 193/10 -, BRS 76 Nr 168 = juris Rn. 13). Welchen konkreten Rechte verletzt sein könnten, legt der Antragsteller entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht dar.

Hinzu kommt, dass Verfahrensgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nur die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23. Januar 2020 ist, nicht dagegen eine künftig gegebenenfalls beabsichtigte Nutzung oder Erweiterung. Genehmigte Baumaßnahme ist ausweislich der angefochtenen Baugenehmigung vom 23. Januar 2020 die Errichtung und der Betrieb einer solaren Klärschlammtrocknungsanlage mit einer Kapazität von bis 1.700 t/a für eigene Schlämme, die am Standort der Kläranlage A-Stadt anfallen. Darüber hinaus lässt sich dem der Baugenehmigung auf Seite 6 beigefügten Hinweis des Gewerbeaufsichtsamtes in hinreichender und unzweideutiger Weise entnehmen, dass keine Klärschlämme fremder Abwasserbeseitigungsanlagen in der Anlage getrocknet werden dürfen.

Anders als der Antragsteller meint, handelt es sich vorliegend auch nicht um einen „Etikettenschwindel“. In der vom Antragsteller angeführten Entscheidung vom 26. April 1993 (- 6 L 169/90 -, NdsRpfl 1993, 201 = juris Rn. 27; vgl. aus der Rspr. des Senats nur Beschl. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 -, DVBl 2014, 254 = juris Rn. 18 m.w.N. sowie Beschl. v. 20.9.2021 - 1 LA 59/21 -, juris Rn. 10) hat das Gericht ausgeführt:

„Zwar kann Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung im Wege der Baunachbarklage grundsätzlich nur die beantragte und entsprechend erteilte Baugenehmigung sein, also ohne Rücksicht auf denkbare Nutzungsänderungen, die gegebenenfalls wegen Abweichung von der Genehmigung untersagt werden können. Denn der Bauherr bestimmt mit seinem Baugesuch und den beigefügten Bauvorlagen den Prüfungsumfang und Genehmigungsgegenstand, auf den allein sich die Baugenehmigung beziehen kann. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn bereits den Bauvorlagen zu entnehmen ist, daß die angegebene Nutzung in Wahrheit gar nicht beabsichtigt ist, sondern lediglich deklariert wird, um das Vorhaben genehmigungsfähig erscheinen zu lassen. In Fällen eines derartigen "Etikettenschwindels" ist ausnahmsweise ein Durchgriff auf das wirklich Gewollte geboten, weil die Bauaufsichtsbehörde sich nicht zu Lasten betroffener Nachbarn auf den formalen Standpunkt stellen darf, sie habe lediglich eine nach dem Gesetz zulässige Nutzung antragsgemäß genehmigt (vgl. OVG Lüneburg, Urteile v. 28.6.1985 - 6 OVG A 181/83 -, v. 16.10.1989 - 1 OVG A 151/88 -, v. 25.10.1990 - 6 L 6/89 -, Beschlüsse v. 2.3.1988 - 6 OVG B 5/88 u. v. 16.3.1988 - 6 OVG B 9/88 -).“

Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Nach Angaben der Beigeladenen bewegten sich die zu entsorgenden Klärschlammmengen in den letzten acht Jahren zwischen 1.150 t/a und 1.900 t/a (siehe Hinweis des Gewerbeaufsichtsamtes in der angefochtenen Baugenehmigung). Bei diesen Mengenangaben liegt es nicht nahe, dass bei einer genehmigten Kapazität von 1.700 t/a die Aufnahme und Trocknung von Fremdschlamm von vornherein beabsichtigt ist. Insbesondere ist die genehmigte Kapazität nicht in einer Weise überdimensioniert, die zu einem derartigen Schluss zwingt. Auch die von dem Antragsteller insoweit vorgetragenen Klärschlammmengen, die sich mit den von der Beigeladenen im Verwaltungsverfahren bezeichneten Mengen decken, führen zu keiner anderen Bewertung. Diese mögen zwar eine leicht rückläufige Mengenentwicklung belegen, den Angaben lässt sich aber auch entnehmen, dass in der Vergangenheit Jahresmengen angefallen sind, die über dem - von der Beigeladenen für die vergangenen acht Jahre ermittelten - Durchschnittswert von 1.300 t/a lagen. Die Beigeladene hat zudem deutlich gemacht, dass bei der genehmigten Kapazität von 1.700 t/a auch in Zukunft mögliche Entwicklungen (auch Eigenentwicklungen) berücksichtigt worden seien. Dagegen ist mit Blick darauf, dass eine Erweiterung der Anlage später nur schwer möglich ist und eine spätere Aufnahme von Fremdschlamm die Variationsbreite der Baugenehmigung mit der Folge eines erneuten Genehmigungserfordernisses überschritte, nichts zu erinnern.

2.

Der Antragsteller dringt auch mit seinen Einwendungen gegen die Behandlung der Geruchsimmissionen nicht durch.

Zu Unrecht rügt der Antragsteller, das Baugenehmigungsverfahren habe die Prüfung unzumutbarer Immissionen in das spätere Überwachungsverfahren verlagert und daher seinen präventiven Kontrollzweck nicht erfüllt, mit anderen Worten also den Schutz der Nachbarn vor unzumutbaren Immissionen nicht hinreichend bestimmt geregelt. Ein Rügerecht des Nachbarn besteht nach der Rechtsprechung des Senats zwar dann, wenn die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft und aufgrund des Mangels nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben den geprüften nachbarschützenden Vorschriften entspricht (vgl. Senatsbeschl. v. 26.1.2012 - 1 ME 226/11 -, BauR 2012, 783 = BRS 79 Nr. 151 = juris Rn. 22; Senatsbeschl. v. 18.2.2020 - 1 ME 103/19 -, NVwZ-RR 2020, 628 = juris Rn. 10). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Die Baugenehmigung regelt in hinreichend bestimmter Weise, dass die Klärschlammtrocknung über eine zweistufige Anlage zur Geruchsminderung, bestehend aus einem chemischen Wäscher und zwei Biofiltern, verfügen muss, über die die gesamte Abluft der Anlage zu führen ist. Details, etwa zur Betriebsweise des Wäschers und zur Schütthöhe innerhalb des Biofilters, sind sowohl den Bauzeichnungen als auch der grüngestempelten Baubeschreibung zu entnehmen. Richtig ist zwar, dass einzelne Anlagenparameter nicht abschließend definiert sind. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die ordnungsgemäße Funktion der Geruchsminderungsanlage nicht zu beurteilen oder sogar gefährdet sein könnte; Aufbau und Funktionsweise der Anlage liegen im Gegenteil in den entscheidenden Punkten fest. Vor diesem Hintergrund durfte der Antragsgegner in den Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung ergänzend verfügen, dass die Emissionen an geruchsintensiven Stoffen im Abgas der Biofilteranlage die Geruchskonzentration von 500 GE/m³ nicht überschreiten dürfen, und dies durch die Anordnung einer Überwachungsmessung sicherstellen.

Vor diesem Hintergrund verhilft auch der Verweis des Antragstellers auf eine - im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegte - Stellungnahme des Thünen-Instituts für Agrartechnologie, Braunschweig, seinem Begehren nicht zum Erfolg. Soweit es darin heißt, allein eine Abluftreinigungsanlage bestehend aus einem sauer betriebenen Chemowäscher und einem nachgeschalteten Biofilter sei als geeignetes Verfahren zur Emissionsminimierung der solaren Klärschlammtrocknungsanlage anzusehen, während die Genehmigung die Betriebsweise des Wäschers offen lasse, begründet dies keine für ihn günstigere Entscheidung. Zwar dürfte der vorgeschaltete Chemowäscher entgegen den Angaben der Beigeladenen in ihrer Beschwerdeerwiderung tatsächlich im alkalischen Bereich betrieben werden. Dies lässt sich sowohl der Baubeschreibung, die eine Reduktion von Schwefelwasserstoff vorsieht, als auch dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bericht der BUB GmbH zur Durchführung von Emissionsmessungen der Biofilteranlage vom 18. März 2021 entnehmen. Dort wurde unter Ziffer 5.2 „Abgasreinigungsanlage“ für den chemischen Abluftwäscher ein (alkalischer) pH-Wert von 8,7 angegeben. Hieraus folgen indes keine für den Antragsteller unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen, denn es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass von alkalisch wirkenden Stoffen wie Ammoniak vorliegend nennenswerte Geruchsimmissionen ausgehen. Bestätigt wird dies durch den vorgenannten Bericht, wonach die Emissionsbegrenzung von 500 GE/m³ sicher eingehalten wird und die ermittelten Geruchswerte des Reingases unauffällig waren; dies spricht dafür, dass auch Ammoniak im Ergebnis sicher zurückgehalten wird.

Das genehmigte Vorhaben verursacht entgegen dem Beschwerdevorbringen keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von unzumutbaren Geruchsimmissionen. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen kann als Orientierungshilfe die Geruchsimmissions-Richtlinie (- GIRL - i.d.F. der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29.2.2008 mit einer Ergänzung vom 10.9.2008, in Niedersachsen eingeführt durch Gemeinsamen Runderlass vom 23.7.2009, Nds. MBl. 2009 Nr. 36, S. 794 - 33-40500/201.2 - VORIS 28500) herangezogen werden (stRspr des Senats, vgl. u.a. Senatsurt. v. 3.5.2006 - 1 LB 259/04 -, NdsVBl 2006, 243 = juris Rn. 29; Senatsurt. v. 11.2.2020 - 1 LC 63/18 -, BauR 2020, 1764 = juris Rn. 34). Die GIRL enthält keine Immissionswerte für Geruchsbeeinträchtigungen im Außenbereich. Je nach den Umständen des Einzelfalles können im Außenbereich - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist - höhere Werte als in der Tabelle 1, Ziffer 3.1 enthalten, zulässig sein (vgl. u.a. Senatsurt. v. 26.11.2014 - 1 LB 164/13 -, BauR 2015, 464 = juris Rn. 37; Senatsurt. v. 16.8.2018 - 1 LC 180/16 -, BauR 2019, 483 = juris Rn. 22 f.; Senatsbeschl. v. 19.12.2012 - 1 MN 164/12 -, BRS 79 Nr 29 (2012) = juris Rn. 69; Senatsbeschl. v. 28.2.2006 - 1 ME 21/06 -, nicht veröffentlicht). Hierauf kommt es vorliegend aber nicht entscheidungstragend an, denn die gutachterlich ermittelte Immissionsbelastung von 8,0 % der Jahresstunden liegt bereits unter den nach Tabelle 1, Ziffer 3.1 zulässigen Immissionswerten.

Die vom Antragsteller geäußerten Bedenken gegen die Immissionsprognose teilt der Senat nicht. Die Prognose ist schlüssig aus dem Betriebskonzept der Kläranlage und der Klärschlammtrocknungsanlage abgeleitet und fußt durchweg auf konservativen Annahmen. Die Immissionsprognose umfasst zudem sämtliche emissionsträchtigen Vorgänge.

Soweit der Antragsteller unter Verweis auf sein Vorbringen aus der Antragsschrift vom 26. Februar 2020 wiederholt geltend macht, „der Biofilter der Klärschlammentwässerung“ sowie Bewegungen des Klärschlamms in den Wintermonaten zur Zwischenlagerung seien nicht berücksichtigt worden, führt das nicht zur Fehlerhaftigkeit des Gutachtens. Bezüglich des Biofilters hat sich der Gutachter mittels einer Begehung am 8. November 2019 vergewissert, dass die Abluft des Filters nur im unmittelbaren Nahbereich in einer Entfernung von weniger als 5 m geruchlich wahrnehmbar ist. Zu der Immissionsbelastung außerhalb der Anlage trägt er mithin nichts bei. Ständige Bewegungen des Klärschlamms in den Wintermonaten sind nicht erforderlich, weil die Trocknungsanlage auch in diesen Monaten - dazu näher im Folgenden - kontinuierlich betrieben wird.

Die weitere Rüge des Antragstellers, der Gutachter habe die Emissionen der genehmigten Klärschlammtrocknungsanlage nicht ermittelt, sondern habe bei seiner Berechnung allein den nach Ziffer 5.4.8.10.2 der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft, vom 24.7.2002) höchstzulässigen Wert von 500 GE/m³ (1.388,9 Geruchseinheiten pro Sekunde) zugrunde gelegt, greift ebenfalls nicht durch. Unzulässig wäre dieser äußerst konservative Ansatz nur dann, wenn zu befürchten wäre, dass die Anlage den Wert tatsächlich nicht einhalten wird. Das ist aber nicht der Fall.

Auch der Einwand, die im Gutachten ermittelte Geruchsimmissionsbelastung von 8,0 % der Jahresstunden stehe in einem unaufklärbaren Widerspruch zu den durch den TÜV Nord im Jahre 2000 ermittelten Belastungswerten von 15,0 %, begründet keine durchgreifenden Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens. Abgesehen davon, dass der Antragsteller das TÜV-Gutachten aus dem Jahre 2000 nur auszugsweise vorgelegt hat, weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass sich aufgrund zwischenzeitlicher baulicher Veränderungen, wie beispielsweise vorgenommener Einhausungen von Emissionsquellen auf dem Klärwerksgelände, die bauliche Situation zugunsten der Nachbarschaft erheblich verändert hat.

Es begegnet auch keinen Bedenken, dass der Gutachter teilweise auf Daten aus einem früheren Gutachten aus dem Jahre 2001 zurückgegriffen hat. Der Gutachter hat bereits in seiner im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahme vom 29. Mai 2020 nachvollziehbar dargelegt, auf welcher Grundlage die damaligen Werte ermittelt wurden und weshalb diese trotz des wissenschaftlichen Fortschritts weiter herangezogen werden können. Dies stellt der Antragsteller mit seiner pauschalen Bezugnahme auf seine Antragsschrift nicht durchgreifend in Frage. Ferner lässt sich dem Vorbringen des Antragstellers bereits nicht entnehmen, dass im Gutachten aus dem Jahre 2001 Emissionsquellen außer Acht gelassen wurden. Dass - wie bereits in der Antragsschrift behauptet - die Türen des Einlaufgebäudes im laufenden Betrieb häufig offen stünden, weshalb nach Sicht des Antragstellers der Ansatz von 166,7 Geruchseinheiten für das Einlaufgebäude zu niedrig sei, ist unerheblich. Erstens bildet dies nicht den genehmigten Zustand der Anlage ab, auf den es aber bei der Geruchsprognose ankommt. Zweitens arbeitet die Anlage mit einer Unterdruckentlüftung, die verhindert, dass geruchsbelastete Abluft unkontrolliert nach außen gelangt.

Soweit der Antragsteller bemängelt, die Immissionsprognose sei unzureichend, da die Funktionsweise und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Biofilters nicht hinreichend geprüft worden seien, spricht dafür nichts. Die Baubeschreibung sieht für den Biofilter eine ausreichende Schütthöhe von 2 m vor; das liegt deutlich innerhalb des Normbereichs von 1,5 m bis 2,5 m. Auch die vom Antragsteller wiederholt geäußerte Sorge, durch das Erfordernis eines „Wiederhochfahrens“ des Biofilters nach den Wintermonaten komme es zu erheblichen Geruchsimmissionen, ist unbegründet. Aus der Baubeschreibung folgt, dass es sich um eine Solartrocknung mit Abwärmeunterstützung und Wärmegewinnung mittels Blockheizkraftwerk beziehungsweise Heizkessel handelt. Reicht die Strahlungswärme der Sonne zur Klärschlammtrocknung insbesondere in den Wintermonaten nicht aus, liefert die Fußbodenheizung in der Klärschlammtrocknungshalle die nötige Wärme. Diese Fußbodenheizung wird mit der Abwärme, die bei der Verbrennung von Faulgas entsteht, beschickt. Damit ist ein ganzjähriger Betrieb zuverlässig gewährleistet, sodass es eines regelmäßigen Hoch- und Runterfahrens des Biofilters nicht bedarf. Soweit in den Wintermonaten dennoch eine geringere Trockenkapazität zur Verfügung stehen sollte, kann der vorhandene Schlammspeicher für den entwässerten Klärschlamm (300 t) als Puffer genutzt werden; eine Abschaltung der Trocknungsanlage ist damit aber nach der Baubeschreibung nicht verbunden.

3.

Ohne Erfolg rügt der Antragsteller ferner, das Verwaltungsgericht habe sich mit einer Bioaerosolbelastung, die aus dem Staub der Klärschlammtrocknung höchstwahrscheinlich hervorgehe, überhaupt nicht beschäftigt. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr ausgeführt, dem Antragsteller sei die Berufung auf eine angebliche Beeinträchtigung durch Bioaerosole nicht möglich, da diese nicht unter die drittschützende Norm des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG fielen, sondern (bislang) zum Besorgnispotential gehören, dem mit dem Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu begegnen sei. Dem tritt der Antragsteller mit seinem innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgelegten Beschwerdevorbringen nicht entgegen; die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 18. August 2020, die dies erstmals im Frage stellen, kann der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht berücksichtigen.

Soweit der Antragsteller mit seinem fristgerechten Beschwerdevorbringen beanstandet, es werde übersehen, dass die Freisetzung von Stäuben als Träger von Bioaerosolen nicht nur in Form von Ablauft aus der Trocknungshalle, sondern vor allem auch beim Verladen des getrockneten Schlamms auf LKW zum Abtransport zu erwarten sei, folgt hieraus ein Überschreiten der Gefahrenschwelle durch bestimmte Bioaerosolkonzentrationen nicht. Zudem ergibt sich aus der Baubeschreibung, dass als Verladegarnitur für unterfahrende Silozüge ein beschichteter Gewebeschlauch geplant sei, um Aufwirbelungen zu vermeiden.

4.

Schließlich greift die Rüge, das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich etwaiger Lärmimmissionen nur darauf verwiesen, die höchstzulässige Lärmbelastung werde durch die Baugenehmigung vorgegeben, nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht nur auf die durch die Baugenehmigung vorgegebenen zulässigen Lärmrichtwerte von tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) verwiesen, sondern darüber hinaus ausgeführt, dass durch das genehmigte Vorhaben keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen zu befürchten seien, da die von den Ventilatoren ausgehenden Geräusche kaum hörbar seien und sich die Geräuschbelastungen durch den LKW-Verkehr verringerten. Diese plausiblen Annahmen werden vom Antragsteller nicht substantiiert in Frage gestellt. Überdies sind angesichts der Entfernung der Anlage vom maßgeblichen Immissionsort unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen ersichtlich nicht zu erwarten. Einer weitergehenden Begutachtung im Genehmigungsverfahren bedurfte es deshalb nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.