Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.01.2014, Az.: 4 LC 57/11

Heranziehung zu den Kosten einer Jugendhilfemaßnahme Bei Erstattungsmöglichkeit durch einen Dritten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.01.2014
Aktenzeichen
4 LC 57/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 10345
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0121.4LC57.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 26.01.2011 - AZ: 2 A 229/09

Fundstellen

  • DÖV 2014, 403
  • JAmt 2014, 332-338

Amtlicher Leitsatz

Die Erhebung eines Kostenbeitrags nach den §§ 91 ff. SGB VIII setzt voraus, dass dem Jugendhilfeträger durch die Leistungsgewährung Kosten bzw. Aufwendungen entstanden sind und auch verbleiben. Dem Jugendhilfeträger verbleiben jedoch keine Kosten bzw. Aufwendungen, wenn er diese vorrangig von einem anderen Erstattungsverpflichteten ersetzt verlangen kann. Eine Heranziehung zu den Kosten einer Jugendhilfemaßnahme kommt daher dann nicht in Betracht, wenn der Jugendhilfeträger gehalten ist, im Interesse des Kostenbeitragspflichtigen seine Aufwendungen vorrangig von einem Dritten erstattet zu verlangen, sofern dies im Einzelfall nicht aussichtslos erscheint.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 2. Kammer - vom 26. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag nach den §§ 91 ff. SGB VIII für die ihrem Sohn gewährten Leistungen der teilstationären Eingliederungshilfe in Form der Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte.

Der Sohn der Klägerin wurde am 10. September 2006 geboren und ist das gemeinsame Kind der Klägerin und deren früheren Lebensgefährten B.. Mit Antrag vom 8. Dezember 2008 beantragte die Klägerin die Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII zur Übernahme der Kosten für die Betreuung ihres Sohnes in einer integrativen Gruppe. Das von der Klägerin eingereichte Antragsformular war mit "Antrag auf Sozialhilfe" überschrieben und an den Fachbereich Soziales der Beklagten gerichtet. Daraufhin forderte der Fachbereich Soziales der Beklagten mit innerdienstlicher Mitteilung vom 22. Januar 2009 beim Gesundheitsamt eine sozialmedizinische Stellungnahme an. Mit Schreiben vom 22. Februar 2009 beantragten die Klägerin und der Kindesvater des Weiteren die Übernahme der Kosten für ambulante Maßnahmen durch das Autismus-Therapiezentrum in C.. Diesem Antrag beigefügt war eine Stellungnahme vom 3. Februar 2009 des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. med. Dipl.-Psych. D., der bei dem Sohn der Klägerin einen frühkindlichen Autismus (F84.0G der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme ICD-10-GM 2009) diagnostiziert hatte.

In der sozialmedizinischen Stellungnahme des Gesundheitsamts vom 23. März 2009 fasste der Amtsarzt die wesentlichen Befunde dahingehend zusammen, dass eine Entwicklungsverzögerung der Körpermotorik und des Sozialverhaltens des Sohnes der Klägerin vorliege, fachärztlich ein frühkindlicher Autismus diagnostiziert worden sei und die beobachteten Verhaltensweisen (Blickkontakt, Kommunikation über Gesten, relativ gute sprachliche Kommunikationsfähigkeit) eher untypisch für Autismusspektrumstörungen seien. Zur Art der Behinderung stellte der Amtsarzt fest, dass die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft anhaltend beeinträchtigt sei bzw. dies aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse befürchtet werden müsse. Eine körperlich wesentliche Behinderung drohe aufgrund von Beeinträchtigungen des Stütz- oder Bewegungssystems und der sprachlichen Verständigung und eine seelisch wesentliche Behinderung in Form einer Entwicklungsstörung sei nachgewiesen. Aus ärztlicher Sicht seien heilpädagogische Leistungen für Kinder gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 56 SGB IX durch Betreuung in einem Sonderkindergarten in teilstationärer Form erforderlich. Abschließend führte der Amtsarzt aus, dass die Leistungsberechtigten eine Aufnahme in eine Integrationsgruppe des regionalen Konzeptes der Stadt C. wünschten und die gewünschte Einrichtung geeignet sei. Parallel hierzu sei eine Vorstellung im Autismus-Therapiezentrum notwendig, um die Diagnose abzusichern sowie Interventionsstrategien zu entwickeln.

Mit innerdienstlicher Mitteilung vom 31. März 2009 leitete der Fachbereich Soziales den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Eingliederungshilfe unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX an den Fachbereich Jugend der Beklagten mit der Begründung weiter, dass nach der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 23. März 2009 die seelisch wesentliche Behinderung im Vordergrund stehe und somit ausschlaggebend für den Bedarf an Eingliederungshilfe sei.

Im April 2009 entschied der Fachbereich Jugend der Beklagten, den Sohn der Klägerin der gemeinsamen Fachstelle Diagnostik des Jugendhilfe Süd-Niedersachsen e.V. vorzustellen, weil das Autismus-Therapiezentrum entgegen der Auffassung des Amtsarztes keine Diagnostik vornehme. In dem unter dem 13. Mai 2009 erstellten Hilfeplan wurde ausgeführt, dass aus Sicht der fallzuständigen Fachkraft die Förderung des Sohnes der Klägerin in einem Integrations-Platz (I-Platz) und durch eine ambulante Autismus-Therapie dringend erforderlich sei. Ausweislich des Protokolls der Helferkonferenz vom 2. Juni 2009 gingen deren Teilnehmer davon aus, dass für die Gewährung der beantragten Hilfen als Leistungen der Frühförderung der Sozialhilfeträger zuständig sei.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2009 bewilligte die Beklagte - handelnd durch den Fachbereich Jugend - teilstationäre Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für die Betreuung des Sohnes der Klägerin in einer integrativen Kindertagesstätte ab dem 1. August 2009 unter Hinweis auf § 14 Abs. 2 SGB IX. Gleichzeitig gewährte die Beklagte Hilfe in Form einer Autismustherapie mit einer Einheit pro Woche. Die Beklagte wies in dem Bescheid daraufhin, dass die Hilfegewährung bis zur Klärung des Befundes durch die Fachstelle für Diagnostik erfolge und die Kosten vorläufig von ihr getragen würden. Zur Begründung führte die Beklagte in dem Bescheid u.a. aus, dass zwischen dem Fachbereich Soziales und dem Fachbereich Jugend die abschließende Zuständigkeit noch nicht geklärt sei, bis zur abschließenden Klärung die Kosten für die genannten Eingliederungshilfen gemäß § 14 Abs. 2 SGB IX vom Fachbereich Jugend getragen würden und die Klärung der Zuständigkeit zwischen den Fachbereichen erfolge und auf die Leistung keinen Einfluss habe. In der Begründung wies die Beklagte ferner darauf hin, dass sie als Träger der Jugendhilfe die Kosten für die Jugendhilfemaßnahmen der integrativen Betreuung trage und die Klägerin im Umfang ihrer Leistungsfähigkeit zu den Kosten der Maßnahme herangezogen werden könne. Mit weiterem Schreiben ebenfalls vom 10. Juni 2009 teilte die Beklagte der Klägerin die Gewährung der Leistung ab dem 1. August 2009 mit und klärte über die Folgen für ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Sohn auf. Zudem ersuchte die Beklagte die Klägerin um Auskunft über ihre Einkommensverhältnisse gemäß § 97a SGB VIII.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2009 machte der Fachbereich Jugend der Beklagten gegenüber dem Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X bezüglich der von ihr geleisteten Aufwendungen für die Betreuung des Sohnes der Klägerin in einer integrativen Gruppe bis zur Übernahme der Eingliederungshilfe in die dortige Zuständigkeit geltend und begründete dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei den von ihr erbrachten Leistungen um Leistungen der Frühförderung handele, die nach § 17 Abs. 2 AG KJHG vorrangig Leistungen der Sozialhilfe seien. Mit Antwortschreiben vom 23. Juni 2009 wies das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie den geltend gemachten Erstattungsanspruch mit der Begründung zurück, dass sich der Vorrang der Leistungen der Sozialhilfe lediglich auf ambulante Maßnahmen beziehe, so dass hier für die Leistungen in teilstationärer Form durch die Betreuung in einer integrativen Tagesstätte die vorrangige Zuständigkeit des Trägers der Jugendhilfe gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 35a SGB VIII gegeben sei. Mit weiterem Schreiben vom 1. Oktober 2009 verzichtete das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie auf die Einrede der Verjährung bis zum Abschluss eines sozialgerichtlichen Klageverfahrens, in dem die Beklagte gegen das Landesamt in einem gleichgelagerten Fall ebenfalls einen Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht hat.

Auf der Helferkonferenz vom 30. September 2009 wurde eine Weitergewährung der Autismus-Therapie beschlossen, nachdem die gemeinsame Fachstelle Diagnostik des Jugendhilfe Süd-Niedersachsen e.V. mit Stellungnahme vom 21. Juli 2009 die Diagnose eines frühkindlichen Autismus bei dem Sohn der Klägerin bestätigt und die Durchführung einer Autismus-Therapie empfohlen hatte. Der Sohn der Klägerin besuchte bereits ab dem 1. August 2009 die integrative Kindertagesstätte E. und nahm ab dem 24. September 2009 an einer Autismus-Therapie teil.

Nach zuvor erfolgter Anhörung der Klägerin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 16. November 2009 gegen die Klägerin mit Wirkung vom 1. August 2009 für die ihrem Sohn "aufgrund § 14 Abs. 2 SGB IX" gewährte Eingliederungshilfe in Form der Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte nach § 35a SGB VIII einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 50,- € fest.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 18. Dezember 2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Kostenbeitrag nicht zu erheben gewesen wäre, wenn die Beklagte die Förderung ihres Sohnes - wie ursprünglich beantragt - auf der Grundlage des SGB XII bewilligt hätte. Ein Grund für die Ungleichbehandlung der Kostenbeitragspflicht für Leistungen nach dem SGB VIII einerseits und Leistungen nach dem SGB XII andererseits sei nicht zu erkennen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 16. November 2009 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und zur Begründung ausgeführt, dass tatsächlich Leistungen nach dem SGB XII hätten bewilligt werden müssen, da die Betreuung des Sohnes der Klägerin in der integrativen Kindertagesstätte eine Maßnahme der Frühförderung darstelle, die gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII i.V.m. § 17 Abs. 2 AG KJHG unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig nach dem SGB XII und nicht nach dem SGB VIII zu erbringen sei. Aufgrund von § 14 SGB IX sei die Beklagte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe aber für die Leistungsbewilligung endgültig zuständig geworden und habe eine Leistung der Jugendhilfe bewilligt. Aufgrund des bestandskräftigen Leistungsbescheides sei es dann konsequent, den nach § 91 SGB VIII vorgesehenen Kostenbeitrag zu erheben. Sofern das Gericht im Rahmen der Überprüfung des Kostenbeitrages auch die Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung thematisieren wolle, sei über eine notwendige Beiladung des überörtlichen Sozialhilfeträgers nachzudenken. Hinsichtlich der Frage, ob die Gewährung teilstationärer Eingliederungshilfe für noch nicht eingeschulte Kinder unabhängig von dem Grund der Behinderung (körperlich, geistig, seelisch) eine Leistung der Frühförderung und damit eine Sozialhilfeleistung darstelle, führe die Beklagte in einem anderen Hilfefall zur Zeit gegen das Land Niedersachsen vor dem Sozialgericht F. ein Klageverfahren (S 34 SO 88/08).

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 26. Januar 2011 der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:

"Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu Kostenbeiträgen kommt nur § 91 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. §§ 92 ff. SGB VIII in Betracht. Hiernach werden Kostenbeiträge zu Leistungen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in Tageseinrichtungen und anderen teilstationären Einrichtungen nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII erhoben. Die Heranziehung erfolgt gemäß § 92 Abs. 2 SGB VIII durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.

Die Voraussetzungen von § 91 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn die Beklagte gewährt dem Sohn der Klägerin keine Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII, sondern eine solche nach §§ 53 ff. SGB XII. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte dem Sohn der Klägerin erkennbar Jugendhilfeleistungen hat bewilligen wollen und diesen Willen im Bewilligungsbescheid auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Maßgebend für die Frage, ob eine von § 92 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII vorausgesetzte Eingliederungshilfe gemäß § 35a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII vorliegt, ist nämlich nicht das von der Bewilligungsbehörde gewählte "Etikett", mit dem die Leistung versehen wird, sondern die Leistungsart (Jugendhilfe oder Sozialhilfe), auf die der Hilfebedürftige tatsächlich einen (vorrangigen) Anspruch hat (zur Unzulässigkeit der "Umetikettierung" eines Anspruchs auf Eingliederungshilfe in eine stationäre Hilfe zur Pflege vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 17. Juni 1999 - 4 L 35/00 -, [...]).

Vorliegend hat der Sohn der Klägerin einen (vorrangigen) sozialhilferechtlichen Anspruch auf Eingliederungshilfe. Dies ergibt sich sowohl aus § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII als auch aus § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII. Satz 1 des § 10 Abs. 4 SGB VIII, isoliert betrachtet, bestimmt uneingeschränkt, dass die Leistungen nach dem SGB VIII den Leistungen nach dem SGB XII vorgehen. Ohne die folgenden Sätze 2 und 3 des § 10 Abs. 2 SGB VIII würde das den Vorrang aller Jugendhilfeleistungen vor allen Sozialhilfeleistungen bedeuten. Satz 2 schränkt diese Regelung jedoch in Bezug auf Maßnahmen der Eingliederungshilfe ein. Hiernach gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Jugendhilfe vor. Die Abgrenzung zwischen Satz 1 und 2 hängt demnach allein von der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialhilfeleistung ab; ist diese eine Maßnahme der in Satz 2 bezeichneten Art, gilt nach Satz 2 der Vorrang der Sozialhilfe, ist diese eine andere Sozialhilfeleistung, gilt nach Satz 1 der Vorrang der Jugendhilfe. Nach § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII kann Landesrecht regeln, dass Leistungen der Frühförderung unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden; das Land Niedersachsen hat von dieser Ermächtigung in § 17 Abs. 2 Nds. AGKJHG Gebrauch gemacht; hiernach sind Maßnahmen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig Leistungen nach dem SGB XII und nicht nach dem SGB VIII.

Ein Vorrang der Sozialhilfe folgt im vorliegenden Fall bereits aus § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Bei der Abgrenzung von Sozialhilfe und Jugendhilfe auf Grundlage dieser Norm stellt der Schwerpunkt des Bedarfs oder des Leistungszwecks kein taugliches Abgrenzungskriterium dar. Denn die Regelung eines Vor- bzw. Nachrangs zwischen Leistungen der Jugendhilfe und der Sozialhilfe nach § 10 Abs. 4 SGB VIII setzt notwendig voraus, dass sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind. Nur dann besteht ein Bedürfnis für eine Vor- bzw. Nachrangregelung. Dafür stellt das Gesetz nicht auf einen Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden Hilfeleistungen ab, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen (ständige Rechtsprechung seit BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 5 C 26.98 -, zitiert nach [...]). Damit sind Leistungen nach dem SGB XII auch vorrangig, wenn und soweit die Leistung zumindest auch auf den Hilfebedarf wegen geistiger und /oder körperlicher Behinderung eingeht.

Der Sohn der Klägerin ist sowohl seelisch wesentlich behindert als auch von einer körperlichen wesentlichen Behinderung bedroht. Er hat damit einen Anspruch auf integrative Betreuung in einer Kindertagesstätte sowohl auf der Grundlage von §§ 53, 54 SGB XII als auch auf der Grundlage von § 35a SGB VIII. Zwar ist ausweislich der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 23. März 2009 lediglich seine seelische Behinderung ausschlaggebend für den festgestellten Bedarf gewesen. Dennoch ist davon auszugehen, dass in der Kindertagesstätte Lönsweg auch auf den durch die drohende körperliche Behinderung hervorgerufenen Hilfebedarf von Eric eingegangen wird. Damit liegen deckungsgleiche Ansprüche vor, von denen der sozialhilferechtliche Anspruch nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB XII vorrangig ist.

Der Vorrang der Sozialhilfe resultiert zudem aus §§ 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII i.V.m. § 17 Abs. 2 Nds. AG KJHG. Die zuletzt genannte Vorschrift bestimmt, dass Maßnahmen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und nicht nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz sind; ab dem 1. Januar 2005 sind an die Stelle des Bundessozialhilfegesetzes die Regelungen des SGB XII getreten. Von der Frühförderung werden noch nicht eingeschulte Kinder erfasst. Dabei beruht § 17 Abs. 2 Nds. AG KJHG auf der Erkenntnis, dass gerade bei Kindern in den ersten Lebensjahren die Zuordnung einer festgestellten Erkrankung zu einer bestimmten Behinderungsart (seelisch, geistig, körperlich) in der Praxis oft nicht möglich ist, so dass die Zuständigkeit der Jugendhilfe- und Sozialhilfeträger nur schwer voneinander abgrenzbar ist. Um langwierige Ermittlungen zur Ursache von möglichst frühzeitig zu bekämpfenden Entwicklungsrückständen von Kindern im Vorschulalter zu vermeiden, enthält § 17 Abs. 2 AG KJHG für diese Kinder in den ersten Lebensjahren eine einheitliche, von der Art der Behinderung unabhängige, umfassende Zuständigkeit der Sozialhilfeträger. Nach Auffassung der Kammer ist es für die Einordnung einer Hilfeleistung als Maßnahme der Frühförderung unerheblich, ob diese als Einzel- oder Komplexleistung, ambulant, in Förderzentren, in teilstationären oder stationären Einrichtungen erbracht werden (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 10. Dezember 2009 - 4 A 54/09 -, [...] mit ausführlicher Begründung und unter Bezugnahme auf den Beschluss des OVG Saarland vom 04. April 2007 - 3 Q 73/06 -, [...]). Damit stellt sich die dem Sohn der Klägerin mit Bescheid vom 10. Juni 2009 gewährte Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte als eine Maßnahme der Frühförderung im Sinne der § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII, § 17 Abs. 2 AG KJHG dar.

Die Beklagte ist schließlich auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie aufgrund von § 14 Abs. 2 SGB IX verpflichtet gewesen ist, Jugendhilfeleistungen anstelle von Sozialhilfeleistungen zu bewilligen. Denn zum einen ist die Beklagte als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe für den Antrag des Sohns der Klägerin nicht zuständig geworden; zuständig war vielmehr der überörtliche Träger der Sozialhilfe (§ 14 Abs. 1 SGB IX). Zum anderen hätte die Beklagte als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe selbst dann, wenn ihre durch § 14 Abs. 1 SGB IX begründete Zuständigkeit unterstellt wird, im vorliegenden Fall Leistungen der Sozialhilfe und nicht solche der Jugendhilfe erbringen müssen. Diese Erkenntnisse ergeben sich im Einzelnen aus folgenden Überlegungen: Nach § 14 Abs. 1 SGB IX hat der Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags festzustellen, ob er für die Leistung zuständig ist. Hält er sich für unzuständig, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu, der an diese Verweisung gebunden ist und den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen hat (§ 14 Abs. 2 Satz 3 und 1 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der zuerst angegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs.2 Satz 1 SGB IX).

Der Sohn der Klägerin hat im Dezember 2008 auf der Grundlage des SGB XII Leistungen zur Teilhabe (vgl. § 4 Abs. 1 SGB IX und §§ 55 Abs. 2 Nr. 2, 56 SGB IX) beantragt. Die Bearbeitung dieses Antrags erfolgte zunächst durch den Fachbereich Soziales der Beklagten; diese handelte dabei gemäß §§ 8 Abs. 2 Nds. AG SGB XII, 2 Abs. 1 Nr. 2 DVO Nds. AG SGB XII als herangezogene kommunale Körperschaft für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe, mithin für das Land Niedersachsen. Dementsprechend hätte das Land Niedersachsen als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (handelnd durch die Beklagte als Heranziehungskörperschaft, Fachbereich Soziales) nach § 14 Abs. 1 Satz 1, 1. HS SGB IXbinnen zwei Wochen über seine sachliche Zuständigkeit befinden müssen. Sofern diese Prüfung mit dem Ergebnis abgeschlossen worden wäre, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistungsgewährung zuständig ist, hätte der Antrag unverzüglich an diesen weitergeleitet werden müssen. Dies ist nicht geschehen; der Antrag wurde erst mit innerdienstlicher Mitteilung vom 31. März 2009 und damit erst nach mehr als drei Monaten von dem Fachbereich Soziales an den Fachbereich Jugend weitergeleitet. Die Frist zur Klärung der Zuständigkeit verlängerte sich vorliegend auch nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 SGB IX aufgrund der Notwendigkeit der Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens. Denn diese Vorschrift bezieht sich lediglich auf die Feststellung des konkreten Rehabilitationsbedarfs und ist für die Klärung der Zuständigkeit nicht von Bedeutung (VG Würzburg, Beschluss vom 01. März 2010 - W 3 E 10.152 -, zitiert nach [...], RdNr. 22). Allein durch Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist damit der überörtliche Träger der Sozialhilfe für den Antrag auf Teilhabeleistungen (endgültig) zuständig geworden, ohne dass daneben eine Entscheidung anderer Rehabilitationsträger bestehen blieb. Denn die Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX ist gegenüber dem behinderten Menschen eine ausschließliche Zuständigkeit (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R -, zitiert nach [...]).

Der Anwendung von § 14 SGB IX steht im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass der Zuständigkeitsstreit bei der Beklagten "hausintern" zwischen dem Fachbereich Soziales und dem Fachbereich Jugend ausgetragen worden ist. § 14 SGB IX setzt zwar einen Zuständigkeitskonflikt zwischen zwei verschiedenen Rehabilitationsträgern, also zwischen zwei verschiedenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts voraus. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall aber trotz der Ansiedlung sowohl des Fachbereichs Soziales als auch des Fachbereichs Jugend unter dem Dach der Beklagten der Fall. Denn die Beklagte ist selbst örtliche Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe (§ 1 AG KJHG). Hingegen wird sie im Rahmen der Bewilligung von Sozialleistungen vom überörtlichen bzw. örtlichen Träger der Sozialhilfe lediglich zur Durchführung der Aufgaben des jeweiligen Sozialhilfeträgers herangezogen. Dabei handelt die Beklagte zwar bei der Bewilligung von Leistungen, für die der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig ist, als herangezogene kommunale Körperschaft im eigenen Namen (vgl. § 9 Abs. 5 Nds. AG SGB XII); dennoch bleibt aber das Land Niedersachsen überörtlicher Träger der Sozialhilfe.

Wie bereits dargelegt, hätte die Beklagte als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe aber selbst dann Sozialhilfeleistungen erbringen müssen, wenn sie durch § 14 Abs. 1 SGB IX für den Antrag des Sohns der Klägerin zuständig geworden wäre. Denn der letztlich gemäß § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger hat bei der Entscheidung über den Antrag eines Hilfebedürftigen im Außenverhältnis alle Leistungsgesetze der in § 6 SGB IX genannten Rehabilitationsträger zu prüfen, d.h. er hat den Sachverhalt unter Berücksichtigung aller Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation auch für andere Rehabilitationsträger vorgesehen sind, zu prüfen (Hauck/Noftz, SGB IX, § 14, RdNr. 18). Folglich hat er die Leistung dem Antragsteller gegenüber nach den Vorschriften des "eigentlich" zuständigen Leistungsträgers zu erbringen und ggf. einen Erstattungsanspruch gegenüber dem "eigentlich" zuständigen Träger geltend zu machen (BSG, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R -, zitiert nach [...]).

Aus alledem folgt für den vorliegenden Fall, dass der Sohn der Klägerin einen vorrangigen Anspruch auf sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe hatte und die ihm gewährten Leistungen - rein objektiv betrachtet - auch tatsächlich eine solche Eingliederungshilfe darstellen. Demnach war die Beklagte nicht befugt, für die bewilligten Leistungen nach §§ 91 ff SGB VIII einen Kostenbeitrag gegen die Klägerin festzusetzen. Dass die Beklagte die bewilligte Leistung mit dem "Etikett" der Jugendhilfe versehen hat, ändert hieran nichts.

Damit kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob der angefochtene Kostenbescheid auch deshalb rechtswidrig ist, weil die Klägerin zuvor nicht hinreichend über die aus der Kostenbeitragspflicht resultierenden Folgen für ihre Unerhaltspflicht gegenüber ihrem Sohn aufgeklärt worden ist (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII)."

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassene Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie vorträgt, dass es zweifelhaft sei, ob es in einem Verfahren wegen der Erhebung eines Kostenbeitrags nach dem SGB VIII überhaupt darauf ankommen könne, ob die Jugendhilfe rechtmäßig erbracht worden sei. Das Verwaltungsgericht habe dies ohne jegliche Begründung bejaht, indem es zu der Erkenntnis gelangt sei, dass sie nicht eine jugendhilferechtliche Leistung, sondern eine sozialhilferechtliche Leistung gewährt habe. Die Beklagte teile zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII, diese Norm spiele aber im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten keine Rolle, sondern weise als eine interne Konkurrenznorm nur Bedeutung für einen etwaigen Kostenerstattungsanspruch auf. Nichts anderes gelte für § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII i. V. m. § 17 Abs. 2 Nds. AG KJHG gegenüber dem Leistungsberechtigten. Bestehe sowohl ein Anspruch nach Jugendhilferecht als auch ein Anspruch nach Sozialhilferecht, entscheide der Jugendhilfeträger allein nach Jugendhilferecht. Weiterhin bleibe offen, weshalb § 14 SGB IX auch innerhalb einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit dem Charakter einer Einheitsbehörde Anwendung solle. Auch insoweit sei der Jugendhilfeträger hier nicht veranlasst gewesen, Sozialhilferecht anzuwenden. Demnach sei zutreffend nach Jugendhilferecht entschieden worden, so dass auch der Kostenbeitragsbescheid rechtmäßig sei. Die barunterhaltspflichtige Klägerin sei mit dem Schreiben vom 10. Juni 2009 auch hinreichend über die möglichen Kostenfolgen für sie unterrichtet worden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer - vom 26. Januar 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin im Ergebnis zu Recht stattgegeben, weil der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2009 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 91 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII werden zu teilstationären Leistungen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in Tageseinrichtungen und anderen teilstationären Einrichtungen nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII Kostenbeiträge erhoben. Eine grundsätzlich kostenbeitragspflichtige teilstationäre Leistung der Eingliederungshilfe durch die Beklagte hat hier zwar vorgelegen, die Erhebung eines Kostenbeitrags für die gewährte Hilfe scheitert jedoch daran, dass die Beklagte im Interesse der gemäß den §§ 91 ff. SGB VIII grundsätzlich kostenbeitragspflichtigen Klägerin vorrangig einen Erstattungsanspruch gegen das Land Niedersachsen als überörtlichen Träger der Sozialhilfe geltend zu machen hat mit der Folge, dass der Beklagten als Jugendhilfeträger keine Kosten für die erfolgte Hilfegewährung verbleiben, zu denen die Klägerin im angemessenen Umfang herangezogen werden kann.

Die Beklagte hat eine dem Grunde nach gemäß § 91 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII kostenbeitragspflichtige teilstationäre Hilfe gemäß § 35 a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII gewährt. Denn sie hat mit Bescheid vom 10. Juni 2009 ab dem 1. August 2009 die Kosten für die Betreuung des Sohnes der Klägerin in einer integrativen Kindertagesstätte übernommen. Mit der Übernahme dieser Kosten hat die Beklagte Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in einer teilstationären Einrichtung nach § 35a Abs. Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII bewilligt. Dies ergibt sich eindeutig aus der internen Grundverfügung der Beklagten vom 10. Juni 2009, in der festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VIII in Tageseinrichtungen/teilstationären Einrichtungen gemäß § 35a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII vorliegen, und kommt auch hinreichend in dem Bewilligungsbescheid vom 10. Juni 2009 zum Ausdruck, indem die Beklagte in der Begründung des Bescheids unter Bezugnahme auf § 91 Abs. 5 SGB VIII darauf hingewiesen hat, dass von ihr als öffentlichem Träger der Jugendhilfe die Kosten für die Maßnahme der integrativen Betreuung getragen werden. Der Bescheid ist nach seinem Erklärungsgehalt daher dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII bewilligt hat. Dass die Übernahme der Kosten nach dem Inhalt des Bewilligungsbescheids "vorläufig" "bis zur abschließenden Klärung der Zuständigkeit" zwischen dem Fachbereich Soziales und dem Fachbereich Jugend der Beklagten getragen werden, ändert daran nichts.

Mit der Übernahme der Kosten für die Betreuung des Sohnes der Klägerin in einer integrativen Kindertagesstätte gemäß § 35 a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII liegt folglich eine in § 91 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII genannte kostenbeitragspflichtige Leistung vor. Nicht entscheidend für das Vorliegen einer kostenbeitragspflichtigen Leistung ist hingegen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, ob der Hilfebedürftige im Hinblick auf die gewährte Leistungsart einen vorrangigen sozialhilferechtlichen Anspruch auf Eingliederungshilfe auf der Grundlage von §§ 53 ff. SGB XII (gehabt) hat. Denn selbst wenn ein vorrangiger Anspruch auf Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII bestanden haben sollte, ist entscheidend, welche Leistung mit dem Bescheid vom 10. Juni 2009 tatsächlich gewährt worden ist. Hier liegt auch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kein Fall der "Umetikettierung" der gewährten Hilfe durch die Beklagte vor. Denn die Beklagte hat Leistungen der Jugendhilfe als teilstationäre Eingliederungshilfe erbringen wollen und dies im Bescheid vom 10. Juni 2009 so auch hinreichend zum Ausdruck gebracht. Eine "Umetikettierung" der erbrachten Leistung setzt indes voraus, dass die Behörde die von ihr tatsächlich gewährte Leistung als eine andere Leistung bezeichnet. Dies ist hier nicht der Fall gewesen.

Trotz Vorliegens einer kostenbeitragspflichtigen Leistung im Sinne des § 91 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII kommt hier eine rechtmäßige Heranziehung der Klägerin zu den Kosten der gewährten Jugendhilfemaßnahme nicht in Betracht.

Die Erhebung eines Kostenbeitrags setzt nämlich voraus, dass dem Jugendhilfeträger durch die Leistungsgewährung Kosten bzw. Aufwendungen entstanden sind und auch verbleiben. Dies folgt aus § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, wonach die Kostenbeitragspflichtigen aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen sind, und aus § 94 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII, wonach die Kostenbeiträge die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten dürfen (Hervorhebungen jeweils durch den Senat). Dem Jugendhilfeträger verbleiben jedoch keine Kosten bzw. Aufwendungen, zu denen die nach den §§ 91 ff. grundsätzlich Kostenbeitragspflichtigen herangezogen werden können, wenn er diese - wie hier - vorrangig von einem anderen Erstattungsverpflichteten ersetzt verlangen kann.

Für Erstattungsansprüche von Sozialleistungsträgern untereinander ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 13.6.2013 - 5 C 30.12 - m. w. N.) anerkannt, dass nach dem sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz der Erstattungsberechtigte nicht nur darauf hinwirken muss, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt, sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint. Dieser Interessenwahrungsgrundsatz gilt nicht nur für Erstattungsansprüche im Verhältnis von Sozialleistungsträgern untereinander, sondern sinngemäß auch im Rahmen der Heranziehung zu den Kosten nach den §§ 91 ff. SGB VIII durch den Träger der Jugendhilfe im Verhältnis zum Kostenbeitragspflichtigen. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz im Verwaltungsrecht (vgl. ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.6.2013 - 5 C 30.12 -) und es besteht kein Anlass, die Geltung dieses Grundsatzes für die Heranziehung nach den §§ 91 ff. SGB VIII einzuschränken. Eine Heranziehung zu den Kosten einer Jugendhilfemaßnahme kommt daher dann nicht in Betracht, wenn der Jugendhilfeträger gehalten ist, im Interesse des Kostenbeitragspflichtigen seine Aufwendungen vorrangig von einem Dritten erstattet zu verlangen, sofern dies im Einzelfall nicht aussichtslos erscheint.

Hier hat die Beklagte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gegen das Land Niedersachsen als Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Erstattung der ihr durch die Hilfegewährung vom 10. Juni 2009 entstandenen Aufwendungen gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, der vorrangig geltend zu machen ist. Dieser Anspruch erscheint hier auch nicht aussichtslos, so dass nach vorgenannten Maßstäben die Heranziehung der Klägerin zu den Kosten der Hilfegewährung ausscheidet.

Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX erstattet, wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Absatz 1 Satz 2 bis 4 SGB IX festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX leitet der Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu, wenn er bei seiner Prüfung feststellt, dass er für die Leistung nicht zuständig ist.

Der Erstattungsanspruch des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX setzt danach zunächst voraus, dass eine Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 SGB IX vorliegt, d. h. durch einen Rehabilitationsträger Leistungen zur Teilhabe bewilligt worden sind, nachdem diese Leistungen zunächst bei einem anderen Rehabilitationsträger beantragt und der Antrag von diesem weitergeleitet worden ist.

Eine solche Bewilligung von Leistungen durch einen Rehabilitationsträger im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX liegt hier vor.

Die Klägerin hat mit Antrag vom 8. Dezember 2008 die Gewährung von teilstationärer Eingliederungshilfe durch Unterbringung in einem integrativen Kindergarten gemäß §§ 53 ff. SGB XII beantragt. Die beantragte Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII stellt als heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dar (§§ 5 Abs. 1 Nr. 4, 55 Abs. 2 Nr. 2, 56 SGB IX). Für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft können die Träger der Sozialhilfe Träger (Rehabilitationsträger) sein (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX). Für die Gewährung von teilstationären und stationären Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 bis 60 SGB XII ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig, wenn diese Leistungen wegen der Behinderung oder des Leidens der Leistungsberechtigten in Verbindung mit den Besonderheiten des Einzelfalls erforderlich sind (§ 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 1 a) Nds. AG SGB XII). Im Fall des Sohnes der Klägerin sind ausweislich der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 23. März 2009 heilpädagogische Leistungen gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 56 SGB IX durch Betreuung in einem Sonderkindergarten in teilstationärer Form erforderlich gewesen, so dass für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem SGB XII die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe als Rehabilitationsträger gegeben war. Überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist das Land (§ 1 Abs. 3 Nds. AG SGB XII). Zur Durchführung der Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 6 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 Nds. AG SGB XII wird mit Ausnahme der Leistungen nach den §§ 67 bis 69 des SGB XII wiederum die Beklagte herangezogen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nds. AG SGB XII i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DVO Nds. AG SGB XII). Auch wenn die Beklagte bei einer Heranziehung nach § 8 Abs. 2 Nds. AG SGB XII im eigenen Namen handelt (§ 9 Abs. 5 Satz 1 Nds. AG SGB XII), ändert dies nichts daran, dass sie insoweit für den sachlich zuständigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe als Rehabilitationsträger handelt. Demzufolge hat der Fachdienst Soziales der Beklagten für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe gehandelt, als er den Antrag auf Gewährung von teilstationärer Eingliederungshilfe durch Unterbringung in einem integrativen Kindergarten gemäß §§ 53 ff. SGB XII vom 8. Dezember 2008 an den Fachdienst Jugend der Beklagten weitergeleitet hat.

Die anschließende Bearbeitung des weitergeleiteten Antrags durch den Fachdienst Jugend der Beklagten und die Bewilligung von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in einer teilstationären Einrichtung nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII durch Bescheid vom 10. Juni 2009 ist durch die Beklagte wiederum in ihrer Eigenschaft als Träger der öffentlichen Jugendhilfe und damit nicht durch den Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe in der Gemeinschaft zunächst beantragt worden sind, erfolgt.

Die hier gewährte Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte stellt als heilpädagogische Leistung für noch nicht eingeschulte Kinder ebenfalls eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 4, 55 Abs. 2 Nr. 2, 56 SGB IX dar. Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe in der Gemeinschaft können auch die Träger der Jugendhilfe sein (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX). Für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII ist der örtliche Träger der Jugendhilfe zuständig (§ 85 Abs. 1 SGB VIII). Die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII erfüllen die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger innerhalb ihres eigenen Wirkungskreises durch das Jugendamt (§ 69 Abs. 1 SGB VIII i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 AG KJHG). Da für die Beklagte die Vorschriften über kreisfreie Städte anzuwenden sind (vgl. § 1 Abs. 2 Göttingen-Gesetz in der bis zum 31. Oktober 2011 gültigen Fassung bzw. nunmehr § 16 Abs. 2 NKomVG), ist sie örtlicher Träger der Jugendhilfe. Folglich hat die Beklagte - handelnd durch den Fachdienst Jugend bzw. dem Jugendamt - als Träger der öffentlichen Jugendhilfe und damit als Rehabilitationsträger über den Antrag vom 8. Dezember 2008 entschieden. Da ihr dieser Antrag vom Fachdienst Soziales - handelnd für den erstangegangenen Träger der Sozialhilfe als Rehabilitationsträger - weitergeleitet worden ist, sind unterschiedliche Träger im Sinne von zwei juristischen Personen - die Beklagte und das Land Niedersachsen - beteiligt. Die Weiterleitung des Antrags von einem Rehabilitationsträger zu einem anderen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX hat daher vorgelegen, selbst wenn man für das Vorliegen eines Zuständigkeitskonflikts zwischen Rehabilitationsträgern nach § 14 SGB IX fordert, dass zwei verschiedene Rechtsträger im Sinne von zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind (so VG Oldenburg, Beschl. v. 16.4.2007 - 13 B 152/07 -, vgl. ferner Knittel, SGB IX, Stand: 1. November 2013, § 14 Rn 102).

Eine Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 SGB IX im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Antrag vom 8. Dezember 2009 durch den Fachdienst Soziales an den Fachdienst Jugend der Beklagten nicht unverzüglich im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX weitergeleitet worden ist.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX leitet der Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger den Antrag zu, wenn er bei der Prüfung feststellt, dass er für die Leistung nicht zuständig ist. Die Frist zur Prüfung der Zuständigkeit beträgt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. SGB IX zwei Wochen nach Eingang des Antrages. Der zuerst angegangene Träger hat somit zwei Wochen für die Entscheidung über die Zuständigkeit zur Verfügung. Nach Ablauf dieser Frist ist er, wenn er den Antrag nicht unverzüglich weiterleitet, verpflichtet, den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Im Falle der Nichtweiterleitung des Antrags ist danach der erstangegangene Rehabilitationsträger zuständig (vgl. BSG, Urt. v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R-).

Hier ist der Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe vom 8. Dezember 2008 nicht innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang, sondern erst mit innerdienstlicher Mitteilung vom 31. März 2009 an den Fachbereich Jugend, der wiederum für die Beklagte in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Träger der Jugendhilfe und damit für einen anderen Rehabilitationsträger handelt, weitergeleitet worden. Eine Verlängerung der Frist zur Entscheidung über die Zuständigkeit ist in § 14 Abs. 1 SGB IX nicht vorgesehen. § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IX sieht lediglich für den hier nicht gegebenen Fall, dass für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden muss und diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich ist, vor, dass der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet wird, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt. Die Frist zur Feststellung der Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat sich hier auch nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 SGB IX verlängert. Diese Vorschrift bezieht sich - wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt - nicht auf die Frist zur Feststellung der Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, sondern auf die Frist zur Entscheidung über den Rehabilitationsbedarf nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Fall der Nichtweiterleitung des Antrags bzw. nach § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX im Fall der Weiterleitung des Antrags.

Aufgrund der nicht erfolgten Weiterleitung des Antrags vom 8. Dezember 2008 war über den Rehabilitationsbedarf des Sohnes der Klägerin folglich durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe, für den die Beklagte durch ihren Fachdienst Soziales gehandelt hat, zu entscheiden. Die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB IX begründete Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers ist gegenüber dem behinderten Menschen eine ausschließliche Zuständigkeit, die im sog. Außenverhältnis die Zuständigkeit aller anderen Träger ausschließt, so dass diese die Entscheidungsbefugnis über die Gewährung von Rehabilitationsleistungen verlieren und eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit rechtswidrig und aufzuheben wären (vgl. BSG, Urt. v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R -). Demzufolge hätte die Beklagte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe und damit als zweitangegangener Rehabilitationsträger den Antrag an den ausschließlich zuständigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe und damit an den Fachdienst Soziales zurückgeben müssen. Hier hat die Beklagte indes unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 2 SGB IX "vorläufig" Leistungen nach dem SGB VIII bewilligt. Dies ist mit Blick darauf, dass die Vorschrift des § 14 SGB IX darauf abzielt, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären und die Vorschrift dem Bedürfnis Rechnung trägt, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl. dazu ebenfalls BSG, Urt. v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - mit Verweis die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 14/5074 S 102 f. zu § 14), nicht zu beanstanden. Die Vorschrift des § 14 SGB IX enthält nämlich keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger die Frist zur Zuständigkeitsklärung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX versäumt und den Antrag dennoch nach Ablauf der Frist an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weiterleitet. Der Zweck der Regelung des § 14 SGB IX spricht dafür, dass der nicht fristgerecht zweitangegangene Träger in diesem Fall den Antrag nicht an den erstangegangenen Träger zurückweist, sondern im Interesse des behinderten bzw. von einer Behinderung bedrohten Menschen den nicht fristgerecht weitergeleiteten Antrag bearbeitet und den Rehabilitationsbedarf unverzüglich nach § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX feststellt. Denn eine Zurückweisung des Antrags an den sich für unzuständig haltenden erstangegangenen Träger würde zu einer weiteren Verzögerung im Verfahren führen, die ersichtlich der von § 14 SGB IX bezweckten raschen Klärung der Zuständigkeit im Außenverhältnis zum Betroffenen entgegenstünde (so im Ausgangspunkt auch Knittel, a.a.O., § 14 Rn 101; ferner Götz, in Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 3. Aufl., § 14 Rn 16).

Hat der zweitangegangene Träger trotz der nicht fristgerechten Weiterleitung des Antrags nach § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX an ihn Leistungen auf Teilhabe erbracht, haftet der erstangegangene Träger diesem gegenüber auf Erstattung der entstandenen Aufwendungen gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX allerdings nicht bereits deshalb, weil der erstangegangene Träger - wie bereits ausgeführt - wegen der Versäumung der Frist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten allein zuständig gewordener Träger geworden und dieser damit ein anderer für die Leistung zuständiger Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist (so allerdings Götz, a. a. O., § 14 Rn 16 und Knittel, a.a.O., § 14 Rn 112). Denn die Erstattungsvorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX soll sicherstellen, dass der zweitangegangene Rehabilitationsträger, dem der sich selbst für unzuständig haltende erstangegangene Rehabilitationsträger den Antrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB IX weitergeleitet hat, im Nachhinein vom außerhalb der Zuständigkeitsvorschrift des § 14 SGB IX "eigentlich" zuständigen Rehabilitationsträger die Aufwendungen - wie ein vorläufig leistender Leistungsträger - nach den für den zweitangegangenen Rehabilitationsträger geltenden Rechtsvorschriften erstattet erhält (vgl. BSG, Urt. v. 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R -). Erforderlich für einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist demnach, dass der zweitangegangene Träger Leistungen erbracht hat, für die er nach der Zuständigkeitsordnung der Rehabilitationsträger außerhalb des § 14 SGB IX nicht zuständig gewesen ist. Auch in dem Fall, dass der sich selbst für unzuständig haltende erstangegangene Rehabilitationsträger den Antrag nicht fristgerecht weitergeleitet hat, setzt ein Erstattungsanspruch des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers, der im Interesse der raschen Klärung der Zuständigkeit im Außenverhältnis trotz Versäumung der Frist nach § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX Leistungen zur Teilhabe bewilligt hat, daher voraus, dass der zweitangegangene Träger anstelle des nach der Zuständigkeitsordnung außerhalb des § 14 SGB IX "eigentlich" zuständigen Rehabilitationsträgers geleistet hat. Dies ist hier zu bejahen.

Vorliegend ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe "eigentlich" zuständiger Träger im Sinne von § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, da die von der Klägerin beantragten Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII der mit Bescheid vom 10. Juni 2009 gewährten Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII vorgehen und die Beklagte diese Leistungen als Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht hätte gewähren müssen, wenn der Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB VIII nicht unter Berufung auf die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX an die Beklagte als Jugendhilfeträger weitergeleitet worden wäre, sondern die Beklagte handelnd durch den Fachdienst Soziales für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe die ausdrücklich beantragten und im Verhältnis zu den Leistungen nach dem SGB VIII auch vorrangigen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII bewilligt hätte.

Der Vorrang der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII ergibt sich hier zum einen aus § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach diesem Gesetzbuch vor. Die Voraussetzungen für den Vorrang von Leistungen der Eingliederungshilfe gegenüber Leistungen der Jugendhilfe nach dieser Vorschrift (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 13.6.2013 - 5 C 30.12 -; ferner Senatsbeschl. v. 17.5.2010 - 4 LB 22/09 -, jeweils m. w. N.) liegen hier aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen (UA S. 5 f.), auf die der Senat Bezug nimmt, vor. Zum anderen ergibt sich der Vorrang der Eingliederungshilfe hier - wie vom Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt - auch aus § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII i. V. m. § 17 Abs. 2 Nds. AG KJHG. Nach § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII kann Landesrecht regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden. Nach § 17 Abs. 2 Nds. AG KJHG sind Maßnahmen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und nicht nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen handelt es sich bei der dem Sohn der Klägerin gewährte Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte um eine Maßnahme der Frühforderung im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII i. V. m. § 17 Abs. 2 AG KJHG, so dass auch insoweit ein Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII besteht (vgl. insoweit auch SG Hildesheim, Urt. v. 12.3.2012 - S 34 SO 88/08 - in einem gleichgelagerten Fall). Von einem Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII geht im Übrigen hier auch die Beklagte aus.

Der Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII bewirkt auf der Ebene der Verpflichtung zum Hilfesuchenden - im sog. Außenverhältnis - allerdings keine Freistellung des nachrangig verpflichteten Jugendhilfeträgers und damit auch keine alleinige Zuständigkeit des vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträgers (BVerwG, Urt. v. 9.2.2012 - 5 C 3.11 -; ferner Senatsbeschl. v. 17.5.2010 - 4 LB 22/09 - m. w. N.). Der Jugendhilfeträger bleibt vielmehr für die Gewährung nachrangiger Jugendhilfeleistungen gegenüber dem Hilfebedürftigen zur Leistung verpflichtet, so dass Leistungen der Jugendhilfe an den Leistungsberechtigten trotz Nachrangs der Sozialhilfe grundsätzlich auch rechtmäßig sind (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 22.5.2008 - 5 B 203/07-). Auch wenn die Beklagte als Jugendhilfeträger nach der Zuständigkeitsordnung außerhalb des § 14 SGB IX damit weiterhin zuständiger Rehabilitationsträger für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII gewesen ist, ist vorliegend dennoch davon auszugehen, dass hier der überörtliche Träger der Sozialhilfe und damit ein anderer Träger im Sinne von § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX für die Gewährung von Eingliederungshilfe "eigentlich" zuständig gewesen ist. Denn hätte dieser den Antrag der Klägerin nicht entgegen der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX nicht fristgerecht weitergeleitet, sondern über den Rehabilitationsbedarf des Sohnes der Klägerin entsprechend den Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX entschieden und Leistungen in Form der (vorrangigen) Eingliederungshilfe nach § 53 ff. SGB XII bewilligt, hätte die Beklagte als Jugendhilfeträger bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung durch den vorrangig zuständigen Sozialhilfeträgers selbst keine Leistung mehr erbringen müssen, da der Hilfebedarf des Leistungsberechtigten dann gedeckt gewesen wäre. Die Beklagte hat sich damit in einer vergleichbaren Sondersituation wie ein zweitangegangener Rehabilitationsträger befunden, dem ein Antrag von dem eigentlich zuständigen erstangegangenen Rehabilitationsträger fristgerecht weitergeleitet worden ist und der aufgrund der erfolgten Weiterleitung verpflichtet gewesen ist, Leistungen zur Teilhabe als eigentlich nicht zuständiger Rehabilitationsträger zu gewähren. Demzufolge ist es hier auch sachgerecht, hier von der "eigentlichen" Zuständigkeit des erstangegangenen überörtlichen Trägers der Sozialhilfe auszugehen und einen Erstattungsanspruch der Beklagten auf der Grundlage des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zu bejahen.

Hieraus folgt, dass die Beklagte gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften hat. Demzufolge ist sie auch aufgrund des auch im Verhältnis zum Kostenbeitragspflichtigen geltenden Interessenwahrungsgrundsatzes verpflichtet, diesen Erstattungsanspruch vorrangig gegenüber dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe geltend zu machen. Denn die Beklagte hat hier gerade unter Berufung auf die Vorschrift des § 14 Abs. 2 SGB IX an Stelle des eigentlich zuständigen Rehabilitationsträgers Leistungen zur Teilhabe für den Sohn der Klägerin erbracht. Steht ihr als Ausgleich hierfür ein Erstattungsanspruch gegen den Träger der Sozialhilfe zu, ist sie auch gehalten, diesen vorrangig zu verfolgen. Denn anderenfalls würde sich der Zweck des § 14 SGB IX, im Interesse des behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen die Zuständigkeit im Außenverhältnis schnell zu klären, verfehlt, da sich die "vorläufige" Leistungsgewährung durch die Beklagte nachteilig auswirken würde, wenn für diese ein Kostenbeitrag nach dem SGB VIII zu zahlen ist. Hinzu kommt, dass die Beklagte mit Schreiben vom 11. Juni 2009 einen Erstattungsanspruch wegen ihrer Aufwendungen gegenüber dem Land Niedersachsen auch geltend gemacht hat. Geht die Beklagte aber selbst davon aus, ihre Aufwendungen wegen der von ihr erbrachten Hilfe erstattet zu bekommen, gebietet es der von ihr zu beachtende Interessenwahrungsgrundsatz aber auch, nicht zugleich die Klägerin als Kostenbeitragspflichtige zu den Kosten der Maßnahme in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte ist hier auch nicht verpflichtet, im Rahmen des ebenfalls gegenüber dem erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe geltenden Interessenwahrungsgrundsatzes die Klägerin durch Erhebung eines Kostenbeitrags in Anspruch zu nehmen, um den von dem Träger der Sozialhilfe zu erstattenden Betrag für Aufwendungen zu reduzieren. Denn der Aufwand der Beklagten ist nach Abwägung der hier widerstreitenden Interessen ohne Anrechnung eines von der Klägerin zu zahlenden Kostenbeitrags durch den zuständigen Träger der Sozialhilfe zu erstatten. Die Aufwendungen der Beklagten sind hier nämlich allein wegen der gemäß § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX nicht fristgerechten Weiterleitung des Leistungsantrags vom 8. Dezember 2008 und der entgegen der Vorschrift nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht erfolgten unverzüglich erfolgten Feststellung des Rehabilitationsbedarfs durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe, der erstangegangener zuständiger Rehabilitationsträger gewesen ist, entstanden. Das von der Beklagten zu beachtende Interesse des erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers, dem das rechtswidrige Verhalten des Fachdienstes Soziales der Beklagten zuzurechnen ist, ist damit weniger schutzwürdig als das Interesse der Klägerin.

Ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen den überörtlichen Träger der Sozialhilfe auf Ersatz ihrer Aufwendungen wegen der Gewährung von Jugendhilfeleistungen bestünde im Übrigen aber auch dann, wenn man hier einen Erstattungsanspruch des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX mit Blick auf die weiterhin bestehende Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Gewährung nachrangiger Jugendhilfeleistungen verneinte. Denn die Beklagte hätte dann jedenfalls einen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X, da sie - wie bereits ausgeführt - als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen. Die Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wäre insoweit auch anwendbar, da die Erstattungsregeln der §§ 102 ff. SGB X ungeachtet der Zuständigkeitsverteilung nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX im Innenverhältnis zwischen den als zuständig in Betracht kommenden Rehabilitationsträgern untereinander weiter gelten (vgl. BSG, Urt. v. 28.11.2007 - B 11a AL 29/06 R -; ferner OVG Münster, Beschl. v. 31.5.2011 - 12 A 2768/10 -). Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wäre hier ebenfalls vorrangig gegen den Träger der Sozialhilfe geltend zu machen, da dessen Interesse aus den oben genannten Gründen weniger schutzwürdig ist als das Interesse der Klägerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 VwGO.