Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.01.2014, Az.: 1 ME 158/13

Notwendigkeit eines Einzugsbereichs mit städtebaulichem Gewicht für einen zentralen Versorgungsbereich

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.01.2014
Aktenzeichen
1 ME 158/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 10337
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0110.1ME158.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 01.08.2013 - AZ: 2 B 798/13

Fundstellen

  • FStNds 2014, 454-456
  • FStNds 2014, 451-454

Redaktioneller Leitsatz

1.

Äußerungen im gerichtlichen Eilverfahren sind zwar stets prozessuale Erklärungen mit dem Ziel des Obsiegens in diesem Eilverfahren. Daneben können sie aber - ausnahmsweise - auch zur Heilung einer fehlenden Anhörung führen, wenn der Betroffene seinen Standpunkt erkennbar abschließend vorgetragen, das heißt durch Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen untermauert hat und die Behörde unter Würdigung dieses Vortrages auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens neu im eigentlichen Sinne "entschieden" hat, ob sie diesen Verwaltungsakt vollständig aufrechterhält.

2.

Ein zentraler Versorgungsbereich im raumordnerischen Sinne ist nur dann gegeben, wenn für das betroffene Gebiet sowie seine unmittelbare Umgebung das geforderte breite Spektrum an Waren der lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarfe vorhanden - oder zumindest ernstlich angestrebt - ist und so eine zentrale Funktion des Gebiets für die Versorgung der Bevölkerung übernommen werden kann sowie ob Dienstleistungen im nennenswerten Umfang und gastronomische Einrichtungen vorhanden sind/sein sollen (werden). Soweit eine Gemeinde die Möglichkeit hat, einen zentralen Versorgungsbereich zu planen und nach und nach zu entwickeln, setzt dies jedoch voraus, dass die tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Möglichkeiten erkennen lassen. Es reicht nicht allein die planerische Absicht, wie sie etwa in einem Einzelhandelskonzept niedergelegt ist. Ist danach außerhalb des Plangeländes weder eine Struktur im Ansatz schon vorhanden, die den Anforderungen an einen zentralen Versorgungsbereich genügt, noch in der Örtlichkeit eine Ansatzmöglichkeit für eine Weiterentwicklung zu erkennen und in dem einzigen zu überplanenden Gelände selbst eine solche Struktur nicht beabsichtigt, kommt eine Entwicklung des Plangeländes und seiner unmittelbaren Umgebung zu einem zentralen Versorgungsbereich in diesem Sinne nicht in Betracht.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich gegen einen raumordnungsrechtlichen Bescheid, mit dem der Antragsgegner die Beschlussfassung über den Bebauungsplan der Antragstellerin Nr. B 316 "C. Outlet A." untersagt hat. Mit dem Bebauungsplan soll die Errichtung eines Factory Outlet Centers mit einer Verkaufsfläche von insgesamt 9.990 m2 und einer Grundfläche von 19.990 m2 ermöglicht werden. Folgende Sortimente sollen danach angeboten werden: auf einer Fläche von 7.000 m2 das Sortiment Bekleidung, 2.000 m2 Schuhe, Lederwaren und Sportartikel, 990 m2 Haus- und Heimtextilien, Glaswaren, Uhren, Kosmetik, Körperpflegemittel, Genussmittel und elektronische Artikel sowie auf 990 m2 das Sortiment Heimwerkergeräte mit Zubehör. Bei dem Plangebiet handelt es sich um das Grundstück einer früheren chemischen Industrieanlage im nordwestlichen Randbereich der Stadt mit einer Entfernung von 1,2 km zum Autobahnanschluss der dort verlaufenden A 2 sowie einer Entfernung von ca. 2 km zum Stadtzentrum von A.. Im 2010 fortgeschriebenen Einzelhandelsentwicklungskonzept der Antragstellerin ist der Bereich als neuer zentraler Versorgungsbereich vorgesehen. Westlich des Plangebietes und der dieses erschließenden D. Straße befinden sich ein Gewerbegebiet und anschließend ein Industriegebiet. Südöstlich liegt ein durch Bebauungsplan ausgewiesenes Gewerbegebiet. Im Flächennutzungsplan ist die Fläche als Industriegebiet dargestellt. Nachdem eine bereits im Jahr 2005 begonnene Planung zur Errichtung eines Outlet Centers mit einer Verkaufsfläche von 17.000 m2 zunächst eingestellt worden war, nahm die Antragstellerin im Jahr 2012 die Planung wieder auf und legte am 16. Januar 2013 der Antragsgegnerin einen ersten Entwurf zur Kenntnis vor. Am 24. Januar 2013 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin die öffentliche Auslegung des Planentwurfs für die Zeit vom 13. Februar bis 12. März 2013. Unter dem 5. Februar 2013 teilte die Antragsgegnerin mit, dass ein Raumordnungsverfahren für das Vorhaben notwendig sei. Mit Schreiben vom 12. Februar 2013 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, sie beabsichtige nicht, ein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Mit Schreiben vom 8. März 2013 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der beabsichtigten Untersagungsverfügung an und setzte eine Frist zur Äußerung bis zum 11. März 2013. Unter dem 12. März 2013 erließ der Antragsgegner die angegriffene Untersagungsverfügung, gegen die die Antragstellerin unter dem 11. April 2013 Klage erhob und am 3. Mai 2013 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt hat.

Mit dem angefochtenen Beschluss hatte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Bescheid sei formell rechtmäßig; denn der von der Antragstellerin gerügte Anhörungsmangel bestehe nicht, weil der Antragsgegner die Anhörungsfrist gemäß § 28 Abs. 2 VwVfG auf drei Tage habe beschränken dürfen. Der Antragsgegner habe davon ausgehen dürfen, dass die Antragstellerin nach Ablauf der Auslegungsfrist für den Bebauungsplan am 12. März 2013 auf der Grundlage von § 33 BauGB eine Baugenehmigung erteilen werde und dem durch Erlass der Untersagungsverfügung entgegenzutreten gewesen sei, um die Schaffung vollendeter Tatsachen zu vermeiden. Der Bescheid sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden; denn es handele sich um ein raumbedeutsames Vorhaben, das nicht im Einklang mit dem Integrationsgebot des Raumordnungsrechts stehe, weil es an einem engen Zusammenhang mit dem zentralen Versorgungsbereich der Antragstellerin fehle und die Voraussetzungen für die Schaffung eines neuen zentralen Versorgungsbereichs an dieser Stelle nicht gegeben seien.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit dem Vortrag, die Anhörungsfrist sei zu kurz bemessen gewesen, da sie nicht nur drei Tage betragen habe, sondern auch von Freitag auf Montag gesetzt gewesen sei, so dass ihr eine Stellungnahme vollständig unmöglich gewesen sei. Im Übrigen liege auch ein Verstoß gegen das Integrationsgebot nicht vor, denn sie habe mit dem Bebauungsplan einen neuen zentralen Versorgungsbereich in der Gestalt eines Nebenzentrums ausgewiesen. Für das Vorhandensein eines Nebenzentrums sei entscheidend, ob der Standort im Sollzustand die Kriterien einer integrierten Lage erfüllen werde. Dies ergebe sich hier daraus, dass bereits Betriebe sowie ein nennenswertes Wohnumfeld vorhanden seien und das durch die Planung entstehende Nebenzentrum, das einen dritten Typ neben einem zentralen Versorgungsbereich und einem Nahversorgungsbereich darstelle, hier nicht nur ein unmittelbares Umfeld von Wohnbebauung habe, sondern auch einen weiten Einzugsbereich. Es handele sich um ein Designer Outlet Center der üblichen Qualität mit der üblichen Attraktivität und einer hervorragenden Verkehrsanbindung.

Dagegen wendet sich der Antragsgegner und trägt vor: Sofern ein Anhörungsmangel vorliege, sei dieser geheilt worden, denn er habe sich mit der Beschwerdeschrift und der Antragsbegründung der Antragstellerin eingehend beschäftigt und diese zum Anlass genommen, die Verfügung vollinhaltlich zu überdenken. Aufgrund dessen sei er jedoch zur gleichen Einschätzung gekommen, dass es sich nicht um eine integrierte Lage handele und ein neuer zentraler Versorgungsbereich an dieser Stelle nicht entstehen könne.

Die wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die rechtzeitig geltend gemachten Beschwerdegründe zu beschränkende Prüfung ergibt, dass die Beschwerde keinen Erfolg haben kann. Entgegen der Vorstellung der Antragstellerin führt die auf drei Tage verkürzte Frist der Anhörung nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Bescheids. Es kann letztlich dahinstehen, ob die Anhörung hier aufgrund der Dringlichkeit, den Bescheid zu erlassen, vollständig hätte unterbleiben können. Eine solche Dringlichkeit kann angenommen werden, wenn durch eine vorherige Anhörung ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die Maßnahme zu spät käme und damit der beabsichtigte Zweck nicht mehr erreicht werden könnte. Bei der Beurteilung, ob diese Sachlage vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205). Der Fehler einer möglicherweise nicht ordnungsgemäßen Anhörung ist jedenfalls im Verlauf des gerichtlichen Eilverfahrens geheilt worden. Nicht jede Äußerung im auf den Erlass einer Verfügung folgenden gerichtlichen Verfahren ist geeignet, zu einer Heilung i.S. des § 45 VwVfG zu führen. Der Senat hält jedoch eine differenzierende Betrachtung für möglich.

"Im Ergebnis ist auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Folgen der unterbliebenen Anhörung zur Grundverfügung als durch die Äußerung der Antragsgegnerin vom 13. November 2001 (Bl. 54 f. d. GA) im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt angesehen hat. Auch zu dieser Frage hat sich der Senat in dem oben zitierten Beschluss vom 28. April 1989 (a.a.O., gemeint: 1 OVG B 114/88, DVBl. 1989, 887, 888f.) verhalten. Darin hat er sich der differenzierenden Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschl. v. 20.5.1988 - 4 TH 3616/87 -) angeschlossen, welche sich etwa folgendermaßen zusammenfassen lässt: Eine unterbliebene Anhörung kann auch durch Austausch von Sachäußerungen in einem gerichtlichen Eilverfahren geheilt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Behörde mit ihrem Eingehen auf die zur Stützung des Eilantrages vorgebrachten Argumente nicht nur erreichen will, das Eilverfahren "zu gewinnen". Erforderlich ist vielmehr, dass sie auch auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens das nachholt, was sie bei Anhörung vor der belastenden Entscheidung hätte veranlassen müssen. Dazu muss sie dem Betroffenen erkennbar machen, er könne zu der beabsichtigten Verwaltungsentscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung nehmen. Außerdem muss sie das, was der Betroffene daraufhin vorträgt, zum Anlass nehmen, die beabsichtigte Sachentscheidung gleichsam noch einmal auf den "Prüfstand" zu stellen, das heißt zu erwägen, ob sie auch bei Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Fakten und rechtlichen Erwägungen vollständig erlassen werden kann und das Ergebnis der Überprüfung schließlich mitteilen. All das kann "heilend" nachgeholt werden, wenn die Behörde Sachäußerungen des Betroffenen zum Anlass einer Prüfung nimmt, ob die ergangene Verfügung aufrechterhalten werden kann. Äußerungen im gerichtlichen Eilverfahren haben dementsprechend eine Doppelbedeutung. Sie sind stets prozessuale Erklärungen zu dem Ziel, in diesem Eilverfahren zu obsiegen. Daneben können sie - ausnahmsweise - auch zur Heilung einer fehlenden Anhörung führen, wenn der Betroffene seinen Standpunkt erkennbar abschließend vorgetragen, das heißt durch Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen untermauert hat und die Behörde unter Würdigung dieses Vortrages auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens neu im eigentlichen Sinne "entschieden" hat, ob sie diesen Verwaltungsakt vollständig aufrechterhält."

(Beschluss des Senats vom 31. Januar 2002 - 1 MA 4216/01-, NVwZ-RR 2002, 822, BRS 65 Nr. 203).

Voraussetzung für eine Heilung ist danach, dass beide Seiten ausführlich ihre Vorstellungen vortragen und die Behörde den Vortrag des Betroffenen zur Kenntnis sowie zum Anlass nimmt, die erlassene Entscheidung "nach der Verwaltungsverfahrens-Ebene" vollständig zu überdenken und insoweit zu einem "neuen Ergebnis" zu kommen (vgl. auch Beschl. d. Senats v. 8.6.2011 - 1 ME 12/11 - Vnb, Hess.VGH, Beschl. v. 20.5.1988 - 4 TH 3616/87 -, NVwZ-RR 1989, 113; Sodan/Ziekow, VwVfG, 2. Auf., § 45 Rdnr. 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auf., Rdnr. 40). Im erstinstanzlichen Verfahren war die Frage der rechtzeitigen bzw. ausreichenden Anhörung von den Beteiligten nicht umfassend diskutiert worden, weil eine Stellungnahme des Antragsgegners zu dem Vorbringen der Antragstellerin betreffend die Anhörung vor Ergehen des erstinstanzlichen Beschlusses nicht mehr stattgefunden hat. Die im Sinne einer Heilung des Verfahrensfehlers notwendige Prüfung hat der Antragsgegner aber spätestens im Beschwerdeverfahren vorgenommen. Wie sich aus seinem Schriftsatz vom 30. Oktober 2013 ergibt, hat der Antragsgegner die Entscheidung nochmals einer "eingehenden Überprüfung unterzogen" (Bl. 380 Gerichtsakte). Damit ist Sinn und Zweck der Anhörung erfüllt - nämlich der Behörde die Gelegenheit zu geben, unter Berücksichtigung aller vom Betroffenen nunmehr im Hinblick auf den Bescheid zusammenfassend vorgetragenen Argumente ihre Verfügung nochmals zu überprüfen.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Bebauungsplan der Antragstellerin nicht dem im Landesraumordnungsprogramm niedergelegten Integrationsgebot entspricht. Nr. 2.3 03 des Landes-Raumordnungsprogrammes Niedersachsen, Teil II in der Fassung vom 8. Mai 2008 (GVBl. S. 132) lautet:

2.3 Entwicklung der Versorgungsstrukturen

03 1 Verkaufsfläche und Warensortiment von Einzelhandelsgroßprojekten müssen der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich des jeweiligen Zentralen Ortes entsprechen (Kongruenzgebot). 2 Der Umfang neuer Flächen bestimmt sich auch aus den vorhandenen Versorgungseinrichtungen und der innergemeindlichen Zentrenstruktur. 3 Die Träger der Regionalplanung können in den Regionalen Raumordnungsprogrammen im Einzelfall Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte jenseits der Gemeindegrenze des kongruenten Zentralen Ortes in einem benachbarten Mittel- oder Grundzentrum festlegen. 4 Voraussetzung ist, dass den Grundsätzen und Zielen zur Entwicklung der Versorgungsstrukturen in gleicher Weise entsprochen wird wie bei einer Lage innerhalb des kongruenten Zentralen Ortes. 5Neue Einzelhandelsgroßprojekte sind nur innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes des jeweiligen Zentralen Ortes zulässig (Konzentrationsgebot). 6 Neue Einzelhandelsgroßprojekte, deren Kernsortimente innenstadtrelevant sind, sind nur innerhalb der städtebaulich integrierten Lagen zulässig (Integrationsgebot). 7 Diese Flächen müssen in das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs eingebunden sein.

8 Neue Einzelhandelsgroßprojekte mit nicht innenstadtrelevanten Kernsortimenten sind auch außerhalb der städtebaulich integrierten Lagen an verkehrlich gut erreichbaren Standorten innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes des Zentralen Ortes zulässig,

a) wenn die Verkaufsfläche für innenstadtrelevante Randsortimente nicht mehr als 10 vom Hundert der Gesamtverkaufsfläche und höchstens 800 m2beträgt oder

b) wenn sich aus einem verbindlichen regionalen Einzelhandelskonzept die Raumverträglichkeit eines größeren Randsortiments ergibt und sichergestellt wird, dass der als raumordnungsverträglich zugelassene Umfang der Verkaufsfläche für das innenstadtrelevante Randsortiment auf das geprüfte Einzelhandelsgroßprojekt beschränkt bleibt.

9 Hersteller-Direktverkaufszentren sind Einzelhandelsgroßprojekte und aufgrund ihrer besonderen Ausprägung und Funktion nur zulässig, wenn sie den Anforderungen der Sätze 1 bis 8 und 17 bis 19 entsprechen.

10 In der überregional bedeutsamen Tourismusregion Lüneburger Heide soll die touristische Entwicklung auch durch Ausschöpfung der Möglichkeiten einer verträglichen Kombination von touristischen Großprojekten und Einzelhandelsgroßprojekten gestärkt werden, ....

...........

Mit dem Integrationsgebot soll u.a. sichergestellt werden, dass der zentrale Versorgungsbereich einer Stadt sowie ihre verschiedenen Nahversorgungsstandorte erhalten und gestärkt werden (vgl. Beschl. d. Senats vom 17.5.2013 - 1 ME 56/13 - [...]Rdnr. 29 f). Mit diesem Prinzip steht die beabsichtigte Errichtung eines Designer Outlet Centers an dem Standort D. Straße nicht im Einklang. Dass eine räumliche Nähe zum zentralen Innenstadtbereich der Stadt A. nicht besteht bei einer Entfernung von 2,5 km (Planbegründung Seite 13), ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten. Entgegen der Meinung der Antragstellerin ist aber auch nicht erkennbar, dass dem Integrationsgebot deshalb entsprochen werden könne, weil an dieser Stelle ein neuer zentraler Versorgungsbereich in der Gestalt eines Nebenzentrums entstehen solle. Wann ein zentraler Versorgungsbereich in diesem Sinne gegeben ist, lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie der zahlreich in diesem Zusammenhang erschienenen Literatur entnehmen und vereinfachend definieren als ein Bereich mit einer Durchmischung von zentrenrelevanten Waren, Dienstleistung und Gastronomie. Nach der Definition des Bundesverwaltungsgerichts können zentrale Versorgungsbereiche sowohl einen umfassenden als auch auf einen bestimmten örtlich begrenzten Einzugsbereich beschränkten Versorgungsbedarf abdecken. Notwendig ist danach jedoch ein Einzugsbereich mit städtebaulichem Gewicht, der über den unmittelbaren Nahbereich hinauswirkt. Typisch ist weiter, dass ein breites Spektrum von Waren für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf angeboten wird, ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote (BVerwG, Urt. v. 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, BRS 71 Nr. 89 = BVerwGE 129, 307; Urt. v. 17.12.2009 - 4 C 2.08 -, BRS 74 Nr. 97 = BVerwGE 136, 10; OVG Münster, Urt. v. 15. Februar 2012 - 10 D 32/11.NE -, BRS 79 Nr. 16; Füßer/Lau, Gesicherte Nahversorgung, Zentrenorientierte Einzelhandelssteuerung und die Rolle der Gemeinden, UPR 2012, 480; Spannowsky, Aktuelle Rechtsprechung zu den Instrumenten der Innenentwicklung, UPR 2011, 241; Kuschnerus, Nahversorgungszentren als zentrale Versorgungsbereiche, ZfBR 2009, 24; Reidt, Die Sicherung zentraler Versorgungsbereiche durch aktive Bauleitplanung, BauR 2007, 2001).

Es ist also das Gebiet des Bebauungsplans sowie seine unmittelbare Umgebung darauf zu überprüfen, ob das geforderte breite Spektrum an Waren der lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarfs vorhanden - oder zumindest ernstlich angestrebt - ist und so eine zentrale Funktion des Gebiets für die Versorgung der Bevölkerung übernommen werden kann sowie ob Dienstleistungen im nennenswerten Umfang und gastronomische Einrichtungen vorhanden sind/sein sollen (werden). Diese Funktionen müssen - worauf die Antragstellerin zu Recht unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 17.5.2013 (a.a.O.) verweist - nicht bereits sämtlich vorhanden sein. Eine Gemeinde hat die Möglichkeit, einen zentralen Versorgungsbereich zu planen und nach und nach zu entwickeln (vgl. Urt. d. Senats vom 15.3.2012 - 1 KN 152/10 -, LS in DVBl 2012, 851, [...]Rdnr.50). Dies setzt jedoch voraus, dass die tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Möglichkeiten erkennen lassen. Es reicht nicht allein die planerische Absicht, wie sie etwa in einem Einzelhandelskonzept niedergelegt ist. An den praktischen Gegebenheiten mangelt es hier jedoch. Die von der Antragstellerin in ihrem Einzelhandelskonzept bekundete Absicht an diesem Standpunkt einen zentralen Versorgungsbereich in der Gestalt eines Nebenzentrums zu errichten, lässt sich nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse nicht verwirklichen. Bei dem Plangebiet und teilweise seiner näheren Umgebung handelt es sich um ein Industrie- bzw. Gewerbegebiet. Das Plangebiet selbst stellt einen aufgegebenen Chemieindustriestandort dar in einer verkehrsgünstigen Lage in der Nähe von Bundesautobahn, Bundesstraße und Bahn. Südöstlich grenzt ein mit einem Bebauungsplan festgesetztes Gewerbegebiet an. Westlich der D. Straße und westlich der parallel zu dieser verlaufenden Bahnstrecke schließt sich ein Gebiet mit großflächigem Einzelhandel und weiter westlich ein Gewerbe- bzw. Industriegebiet an. Mit der hier getroffenen Festsetzung eines Sondergebietes mit der Zweckbestimmung Designer Outlet Centrum soll die ehemalige Industriefläche wieder nutzbar gemacht werden. Das Plangebiet umfasst eine Fläche von ca. 3,15 ha. Weitere Flächen, für eine Nutzung, wie sie für einen zentralen Versorgungsbereich üblich (und notwendig) sind, stehen in unmittelbarem Umfeld derzeit nicht zur Verfügung. Die unmittelbar in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücke sind bebaut und bereits jetzt genutzt und in ihrer vorhandenen Nutzung nicht geeignet, den Anforderungen an das Vorhandensein eines zentralen Versorgungsbereichs zu genügen. Nach der von der Antragstellerin vorgelegten Aufzählung befinden sich unmittelbar im Anschluss an das Plangebiet in südlicher bzw. südöstlicher Richtung ein E. -Markt, ein Spielkasino, ein Hundepflegeladen, ein weiterer geplanter E. -Markt und ein F. -Getränkemarkt, ein weiterer geplanter Tiermarkt, ein geplanter G. -Markt und ein geplanter H. -Markt (alles D. Straße Nr. 24 und 23), sowie das Katasteramt (D. Straße 20). Unmittelbar südöstlich stehen außer dem E. -Markt ein I. -Markt und ein Tiermarkt (J. 1 und 3) sowie ein Fitness-Studio und ein Gemüsemarkt. Gegenüber des Plangebietes werden ein Autozubehörhandel (D. Straße 18 a), ein nicht näher bezeichneter Dienstleistungsbetrieb und ein Gemüsehandel betrieben. Die wiederum westlich der hier aufgezählten Betriebe liegenden großflächigen Einzelhandelsmärkte K. und L. befinden sich jenseits der Bahnstrecke und damit von dem Standort getrennt mit einer Zufahrt von der wiederum westlich verlaufenden M. -Straße. Die weiteren von der Antragstellerin aufgezählten Betriebe (China-Restaurant, Fernsehservice und ein Bekleidungsgeschäft D. Straße 28) liegen in einem Abstand von 300 m zur äußersten südlichen Plangrenze. Weitere durch Straßen erschlossene Grundstücke im unmittelbaren Anschluss an das Plangelände sind dort nicht anzutreffen bzw. als Gewerbegebiet ausgewiesen. Die vorhandenen Firmen, wie etwa die Firma N., gehören wiederum zu den an "kraftfahrzeugfreundlichen" Ausfallstraßen angesiedelten Betrieben, die nicht die in einem zentralen Versorgungsbereich "normalerweise" nachgefragten Waren anbieten. Die für derartige Firmen größere Bedeutung der Parkplatzmöglichkeiten gilt auch für die dort angesiedelten oder eine Ansiedlung beabsichtigenden Betriebe wie ein Tierfutteranbieter oder ein Getränkemarkt. Betriebe wie der großflächige Einzelhandelsmarkt L. kauf oder der K. -Markt liegen getrennt durch die Bahnstrecke und damit von der D. Straße nicht unmittelbar erreichbar mit einer Ausrichtung ausschließlich nach Westen zu dem dort anschließenden Gewerbe- bzw. Industriegebiet. Die weiter südlich liegenden Bereiche an der Straße Mühlgraben sind bereits durch ihre Entfernung von 400 m und mehr erheblich von dem Bereich des Plangebietes abgesetzt.

Kann der L. kauf-Markt dem Gebiet nicht unmittelbar zugerechnet werden, findet sich derzeit nur ein Discounter (E.) im unmittelbaren Nahbereich. Damit fehlt es bereits an leistungsfähigen Anbietern auf dem Nahrungsmittelsektor. Weiterhin fehlt es derzeit und absehbar insbesondere an Sortimenten, die im zentralen Versorgungsbereich zu erwarten sind, wie Drogerien, Reformwaren, Apotheke, Zeitung, Schreibwaren, Buch, Blumen, Haushaltswaren und Dienstleistungen wie Kreditanstalten, Versicherungen und Ähnlichem. Die von der Antragstellerin genannte Bäckerei in der O. Straße 39 liegt abgesetzt durch die Wohnbebauung nicht mehr im unmittelbaren Umfeld des hier von der Antragstellerin geplanten Zentrums und kann deshalb diesem nicht mehr zugerechnet werden.

Die den zentralen Versorgungsbereich auch in der Gestalt eines Nebenzentrums in einem Mittelzentrum wie der Antragstellerin ausmachende Vielfalt des Angebotes ist derzeit nicht vorhanden und kann und soll mit dem Bebauungsplan auch nicht entwickelt werden. Denn der Bebauungsplan sieht für das allein noch unbebaute 3,15 ha große Gelände an der D. Straße ausschließlich ein Designer Outlet Center vor mit einer Beschränkung des Angebots auf 7.000 m2 für Bekleidung, 2.000 m2 für Schuhe, Lederwaren, Sport, 990 m2 für Heimwerkergeräte und 990 m2 für "sonstige" innenstadtrelevante Waren (Haus- und Heimtextilien/keramische Erzeugnisse, Glaswaren, Uhren, Schmuck). Wenn die damit vorgenommene Beschränkung dem Schutz des Zentrums von A. dienen soll (so die Planbegründung S. 14), zeigt sich, dass ein selbständig "lebensfähiges" Angebot im Sinne eines zentralen Versorgungsbereichs auf dem Plangelände selbst gerade nicht beabsichtigt ist und auch nicht erwartet wird. Die im Plangebiet vorgesehene Möglichkeit von gastronomischen Einrichtungen als Begleitelementen der Hauptnutzung soll weniger der in einem zentralen Versorgungsbereich zu erwartenden Durchmischung an vielfältigen Angeboten dienen als die Hauptnutzung eines Designer Outlet mit seiner Definition von "kaufen/verkaufen/unterhalten" unterstützen. Sie sollen gerade nicht in Konkurrenz zu "hochwertigen Restaurants" der Innenstadt treten und keine eigene Magnetwirkung entwickeln dürfen (Planbegründung S. 14). Dass mit der Nutzung im Plangebiet weniger die Versorgung der "Stadt A." in Gestalt eines Nebenzentrums beabsichtigt ist, ergibt sich auch daraus, dass mit einem Anteil von insgesamt 84 % der Kunden, die über die Autobahn anreisen, gerechnet wird (Planbegründung Seite 10).

Ist aber außerhalb des Plangeländes weder eine Struktur im Ansatz schon vorhanden, die den Anforderungen an einen zentralen Versorgungsbereich genügt, noch in der Örtlichkeit eine Ansatzmöglichkeit für eine Weiterentwicklung zu erkennen und in dem einzigen zu überplanenden Gelände selbst eine solche Struktur nicht beabsichtigt, ist eine Entwicklung des Plangeländes und seiner unmittelbaren Umgebung zu einem zentralen Versorgungsbereich in der Gestalt eines Nebenzentrums auch nicht zu erwarten. Insofern unterscheidet sich dieser Fall deutlich von dem Sachverhalt, den der Senat im Urteil vom 15. März 2012 (- 1 KN 152/10 -, [...] - Rdnr. 3 und 50) zu betrachten hatte.

Auch und gerade mit Blick auf die Größe und Kaufkraft einer Gemeinde wie der Antragstellerin kann das von der Antragstellerin geplante Gebiet eines Outlet im Zusammenhang mit dem vorhandenen Umfeld nicht als ein von den ortsspezifischen Verhältnissen definierter zentraler Versorgungsbereich angesehen werden (vgl. etwa Einzelhandelserlass NRW vom 22.9.2008, S. 14). Gerade in einer eher strukturschwachen Gemeinde dürfte es sich weniger anbieten, ein Nebenzentrum als zentralen Versorgungsbereich zu planen mit einem Sortiment, das einerseits in etwa dem in der Innenstadt vorhandenen entspricht (lt. Gutachten P. vom Dezember 2013, S. 52 umfasst die Verkaufsfläche in der Innenstadt insgesamt etwa 15.440 m2, davon 8.000 m2 Bekleidung, 1.230 m2 Schuhe/Leder/Sport, 1.600 m2 Sonstiges). Die Beschränkung des geplanten Designer Outlet Centers auf die angeführten Sortimente, die vorgesehene Größe und der damit einhergehende Ausschluss sonstiger Waren, von Dienstleistungen oder gastronomischer Angebote orientiert sich gerade nicht an den Bedürfnissen eines Mittelzentrums in einer Gemeinde wie der Antragstellerin. Mit dem Bebauungsplan bezweckt die Antragstellerin nach der Begründung gerade nicht ein ein auf die Bevölkerung im Umfeld ausgerichtetes Angebot und die Einrichtung eines neben dem zentralen Innenstadtbereichs "zweiten Zentrums", sondern eine weit überregionale Ausrichtung auf ein von fern mit dem Auto anreisendes Publikum, die sich allenfalls "auch" an die Bewohner der Umgebung wendet. Mit einem "Nebenzentrum" inmitten eines Wohnumfelds mit einem Einzugsbereich von mehr als 10.000 Einwohnern in einem fußläufig erreichbaren Umkreis von 700 m ist das hier vorhandene Gelände nicht vergleichbar (BVerwG, Urt. v. 17.12.2009, - 4 C 2.08 -, a.a.O.).