Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.01.2014, Az.: 2 NB 158/13
Auferlegung der Verfahrenskosten bei offenen Erfolgsaussichten und Erledigung durch anderweitige Zulassung des Studienplatzbewerbers
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.01.2014
- Aktenzeichen
- 2 NB 158/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 11231
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2014:0109.2NB158.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 29.04.2013 - AZ: 8 C 193/13
Rechtsgrundlage
- § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Zur Kostenentscheidung nach Hauptsacheerledigung in einem Beschwerdeverfahren der Hochschule (Zulassung zum Studium der Humanmedizin im Sommersemester 2013) unter Berücksichtigung des Ergebnisses der das Wintersemester 2012/2013 betreffenden Beschwerdeverfahren der Hochschule
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt.
Der den Antragsteller betreffende Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 8. Kammer - vom 29. April 2013 wird (mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung) für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, der Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog für unwirksam zu erklären und über die Verfahrenskosten gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. Beschl. v. 16.1.1990 - 7 C 11.88 -, NVwZ-RR 1990, 348; v. 18.1.2007 - 6 C 29.06 u. 6 C 30.06 -), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Beschl. v. 12.11.2012 - 2 NB 243/12 -; Beschl. v. 2.4.2012 - 2 NB 46/12 - m. w. N.; ebenso etwa: OVG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2007 - 3 Nc 19/07 - NVwZ-RR 2007, 766; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.3.2007 - NC 9 S 169/06 -, NVwZ-RR 2007, 502) entspricht es der Billigkeit, die Verfahrenskosten bei offenen Erfolgsaussichten dem Studienplatzbewerber aufzuerlegen, wenn sich der Rechtsstreit - wie hier - durch anderweitige Zulassung erledigt hat.
Im vorliegenden Fall sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht offen, sondern die Antragsgegnerin hätte mit ihrer Beschwerde nach der im vorliegenden Verfahren nur noch gebotenen summarischen Einschätzung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt (dazu unter 1.). Es entspricht vor diesem Hintergrund billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten des gesamten Rechtsstreits aufzuerlegen (dazu unter 2.).
(1) Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels ist nach Erledigung der Hauptsache der Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses maßgeblich (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 161 Rdnr. 16). Auf den Umstand, dass durch das erledigende Ereignis das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag des Antragstellers entfällt, kommt es hiernach entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht an. Der Senat zieht für die Beurteilung der Erfolgsaussichten das Ergebnis der Beschwerdeverfahren aus dem vorangegangenen Wintersemester 2012/2013 heran, wie es sich nach seinem Beschluss vom 22. August 2013 (- 2 NB 394/12 u.a. -, [...]) darstellt. Auf die dortigen Feststellungen kann zurückgegriffen werden, weil das streitgegenständliche Sommersemester 2013 und das vorangegangene Wintersemester ein einheitliches Studienjahr bilden, für das die Festsetzung der Studienplatzkapazität auf der Grundlage derselben Berechnungen erfolgt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde im Wesentlichen ihr Beschwerdevorbringen aus den Verfahren betreffend das Wintersemester 2012/2013 wiederholt hat und der Senat dieses Vorbringen bereits im Grundsatz in seinem Beschluss vom 22. August 2013 gewürdigt hat.
Nach dem vorgenannten Beschluss des Senats beträgt die Studienplatzkapazität für einen - auch vom Antragsteller nur begehrten - Teilstudienplatz 87 Studienplätze. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerdebegründung vom 31. Mai 2013 mitgeteilt, dass im ersten Fachsemester (Teilstudienplatz der Humanmedizin) im Sommersemester 2013 78 Studierende innerkapazitär immatrikuliert gewesen seien. Die Antragsgegnerin müsste danach - ausgehend von der vom Senat festgestellten Studienplatzkapazität - noch 9 Studienplatzbewerber außerkapazitär zulassen. Die Reihenfolge der zuzulassenden Bewerber hängt von dem Losrang aus der ersten Instanz ab. Da der Antragsteller den Losrang innehatte, hätte der Senat die Beschwerde der Antragsgegnerin (voraussichtlich) zurückgewiesen.
Zwar ist damit eine abschließende Aussage darüber, ob die Antragsgegnerin ihre Ausbildungskapazität im Sommersemester 2013 durch die von ihr festgesetzte und vom Verwaltungsgericht nach oben korrigierte Zulassungszahl ausgeschöpft hat, noch nicht getroffen, da über die zahlreichen Beschwerdeverfahren gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts noch nicht entschieden ist und eine Entscheidung nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.3.2004 - 1 BvR 356/07 -, NVwZ 2004, 1112 f. [BVerfG 31.03.2004 - 1 BvR 356/04]) eine eingehende Überprüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage des in den Beschwerdeverfahren unterbreiteten Streitstoffes erfordert. Gleichwohl spricht nach dem Stand des Verfahrens zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine derartige umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage im Rahmen eines Erledigungsbeschlusses nach dem in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit nicht geboten ist, jedenfalls alles dafür, dass die Beschwerde zurückzuweisen gewesen wäre und der Antrag damit Erfolg gehabt hätte.
(2) Es entspricht vor diesem Hintergrund billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten des gesamten Rechtsstreits aufzuerlegen. Eine Kostenteilung oder Kostenaufhebung trüge dem Umstand, dass der Antragsteller nach den Ausführungen unter 1. nicht lediglich eine abstrakte Chance auf einen (ggf. noch vom Gericht zu ermittelnden) Studienplatz hatte, nicht hinreichend Rechnung. Die Überlegungen, die regelmäßig bei "offenen" Erfolgsaussichten angeführt werden, um die Kostentragungspflicht des jeweiligen Antragstellers zu rechtfertigen, greifen hier nicht. Dass der Antragsteller das erledigende Ereignis durch seine Bewerbung um einen anderweitigen Studienplatz letztlich veranlasst hat, kann hier allein keine abweichende Beurteilung rechtfertigen, zumal diese Bewerbung nicht auf einem "anfänglichen Plan" beruhen, sondern als eine Reaktion auf seine nur vorläufige Zulassung durch das Verwaltungsgericht zu verstehen sein dürfte.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 und 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 158 Abs. 2, 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).