Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.01.2014, Az.: 1 OA 225/13

Bestimmung des Streitwerts in einem Baunachbarstreit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.01.2014
Aktenzeichen
1 OA 225/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 10012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0107.1OA225.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 06.11.2013 - AZ: 2 B 13/13

Fundstellen

  • BauR 2014, 1140-1141
  • BauR 2014, 1826
  • DÖV 2014, 310
  • JurBüro 2014, 191-192
  • ZfBR 2014, 169

Amtlicher Leitsatz

Im Baunachbarstreit ist der Streitwert auf der Grundlage des mit der Antrags /Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalts und insbesondere der geklagten Beeinträchtigungen zu ermitteln. Erweist sich die Schilderung der Beeinträchtigungen später als übertrieben, rechtfertigt das keine Verminderung des Streitwertes.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Streitwertfestsetzung in Höhe von 52.500,- EUR ist nicht zu beanstanden.

Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers - bzw. gemäß § 52 Abs. 7 GKG des Antragstellers - für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei ist nicht die subjektive Bedeutung maßgeblich, die der Antragsteller der Sache selbst beimisst (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, § 52 GKG Rn. 4). Es kommt vielmehr auf die objektive Bedeutung an, die der Sache auf der Grundlage des dargelegten Sachverhalts zukommt. Ausgangspunkt der Bewertung ist mithin die Sachverhaltsschilderung, wie sie sich aus der Antragsbegründung ergibt.

Nach diesen Maßgaben hat das Verwaltungsgericht den Streitwert zutreffend festgesetzt. Er entspricht unter zutreffender Berücksichtigung des Streitwertkatalogs des Senats (NdsVBl. 2002, 192) der Bedeutung der Sache, wie sie sich aus der Antragsschrift ergibt.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass bei der Streitwertbemessung für den Nachbarantrag der Antragsteller sowohl die beiden Mehrfamilienhäuser K. 70 und 72 - und zwar mit allen jeweils sechs Wohneinheiten - als auch die Doppelhaushälfte L. 18 zu berücksichtigen sind. Soweit die Antragsteller im Rahmen ihrer Streitwertbeschwerde nunmehr erstmals meinen, tatsächlich seien die Gebäude K. 70 und L. 18 überhaupt nicht bzw. nur geringfügig und in dem Gebäude K. 72 nur drei Wohneinheiten betroffen, rechtfertigt das keine andere Betrachtung. Die nunmehr gewünschte Differenzierung steht in augenfälligem Widerspruch zu dem - nach den obigen Ausführungen maßgeblichen - Vorbringen der Antragsteller im Rahmen des Eilantrags, nach dem die geklagten Beeinträchtigungen gleichermaßen auf alle Gebäude und Wohneinheiten bezogen waren. An etwaigen Übertreibungen in der Antragsschrift müssen sie sich nun festhalten lassen.

Hinzu kommt, dass die Berücksichtigung aller Gebäude und Wohneinheiten auch dann gerechtfertigt wäre, wenn sich schon aus dem Antrag ergeben hätte, dass tatsächlich nur drei Wohneinheiten im Gebäude K. 72 sowie gegebenenfalls das Gebäude L. 18 einen direkten Blickkontakt zu dem Bauvorhaben des Beigeladenen aufweisen. Denn die von den Antragstellern geklagten Beeinträchtigungen beschränkten sich nicht auf den Schutz direkter Blickbeziehungen bzw. einer ausreichenden Belichtung bestimmter Wohnungen. Geltend gemacht waren zudem ein von der Verletzung von Drittrechten unabhängiger Nachbarschutz aufgrund der Verletzung von Grundzügen des Bebauungsplans, zudem eine Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe sowie die Zulassung von Stellplätzen im nicht überbaubaren Bereich des Baugrundstücks. Mindestens diese Beeinträchtigungen haben die Antragsteller gleichermaßen für alle Gebäude und Wohneinheiten geltend gemacht; sie sind deshalb konsequenterweise auch der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen.

Ebenfalls zu Unrecht meinen die Antragsteller, das Verwaltungsgericht habe angesichts des hohen Alters und des schlechten Erhaltungszustands der Gebäude bzw. Wohneinheiten überhöhte Werte zur Bemessung des Grades der Beeinträchtigung in Ansatz gebracht. Im Gegenteil hat das Verwaltungsgericht angesichts der Schwierigkeit, eine vorhabenbedingte Wertminderung im Einzelfall verlässlich festzustellen, in nicht zu beanstandender Weise die typisierenden Annahmen des Streitwertkatalogs des Senats, dort Nr. 8 a), zugrunde gelegt und innerhalb des so gezogenen Rahmens Werte im (unteren) Mittelfeld, nämlich 7.500,- EUR für jede Wohneinheit in den beiden Mehrfamilienhäusern und 15.000,- EUR für die Doppelhaushälfte, festgesetzt. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist weder konkret dargetan noch ersichtlich, dass die Annahmen des Streitwertkatalogs unrealistisch oder sonst fehlerhaft sein oder die Besonderheiten des Falles verfehlen könnten. Soweit die Antragsteller meinen, tatsächlich liege die vorhabenbedingte Wertminderung bezüglich der drei (weiterhin) als betroffen anerkannten Wohneinheiten deutlich niedriger, nämlich bei 5 Prozent und nicht bei 20 Prozent, fehlt ihrem Vorbringen jede Substanz. Es handelt sich offenkundig um einen gegriffenen Wert, der zudem lediglich die Verschattungs-/Blickproblematik und damit nicht alle geklagten Beeinträchtigungen berücksichtigt. Entsprechendes gilt für die Ausführungen zur Doppelhaushälfte L. 18, bei der die Antragsteller nunmehr überhaupt keine Wertminderung erkennen wollen. Nur ergänzend merkt der Senat zudem an, dass nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 Klagen von Drittbetroffenen stets mit mindestens 7.500,- EUR bewertet.