Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.04.2007, Az.: 13 B 152/07
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 16.04.2007
- Aktenzeichen
- 13 B 152/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 62295
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2007:0416.13B152.07.0A
Fundstellen
- JAmt 2007, 262-265
- ZfF 2008, 235
- ZfF 2008, 236
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine geistige Behinderung ist in der Regel bei einem besonders niedrigen Intelligenzquotienten anzunehmen. In besonderen Fällen können aber auch partielle geistige Defizite dafür ausreichen, dass eine Person geistig behindert ist (Anschluss an VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.1996 - 6 S 827/95 -).
- 2.
§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist auf einen negativen Zuständigkeitskonflikt zwischen Jugendhilfe- und Sozialhilfebehörde weder direkt noch anders anwendbar, wenn beide demselben Rechtsträger angehören.
Gründe
Der nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung hat keinen Erfolg. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Der im Juni 19.. geborene Antragsteller begehrt die Übernahme der Kosten für seine stationäre Unterbringung im Haus "Am ..." des Diakoniewerks O. GmbH aus Mitteln der Jugendhilfe gemäß § 35 a i.V.m. § 41 SGB VIII.
Der Antragsteller verließ im Sommer 2004 die ...schule V., Schule für Lernhilfe, nach der neunten Klasse ohne Abschluss. Im Januar 2005 nahm er an einer dreiwöchigen Eignungstestphase für eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme des Berufsbildungswerkes Bremen teil. Im Abschlussbericht vom 9. Februar 2005 kam das Berufsbildungswerk Bremen zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller bei seinem derzeitigen Entwicklungsstand für die Teilnahme an der berufsvorbereitenden Rehabilitationsmaßnahme nicht geeignet sei. Das Berufsbildungswerk Bremen empfahl zugleich die längerfristige Förderung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung. Seitdem streitet der Antragsteller mit dem Antragsgegner als dem örtlich zuständigen Jugendhilfeträger über die Finanzierung einer Förderung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung und hat in dieser Sache bereits mehrere Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg anhängig gemacht, die aber jeweils - durch Hauptsacheerledigungserklärungen - gütlich beendet worden sind (13 A 2138/05; 13 B 4155/05; 13 B 1387/06).
Mit Bescheiden vom 2. Oktober 2006 und 5. Dezember 2006 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Jugendhilfeleistungen ab. Er begründete dies damit, dass beim Antragsteller eine geistige Behinderung vorliege, so dass ihm vorrangig ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe zustehe. Er stützte sich dabei auf eine gutachterliche Stellungnahme des R.-N.-Krankenhauses - Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie W. - vom 2. Februar 2006, in der beim Antragsteller leitsymptomatisch eine leichte geistige Behinderung diagnostiziert worden war.
Auf Anregung des für Jugendhilfe zuständigen Fachbereichs des Antragsgegners hatte der Antragsteller auch einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die gewünschte Förderung als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII beim für Sozialhilfe zuständigen Fachbereich des Antragsgegners gestellt. Diesen Antrag legte der für Sozialhilfe zuständige Fachbereich des Antragsgegners mit Bescheid vom 13. Oktober 2006 mit der Begründung ab, dass beim Antragsteller keine geistige, sondern eine seelische Behinderung vorliege und deshalb Jugendhilfeleistungen gegenüber denen der Sozialhilfe vorrangig seien.
Der Antragsteller hat am 13. Dezember 2006 Klage vor dem Sozialgericht Oldenburg erhoben (S 2 SO 2/07), die durch Beschluss vom 24. Januar 2007 an das Verwaltungsgericht Oldenburg verwiesen wurde (Az.: 13 A 654/07). Ebenfalls am 13. Dezember 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Oldenburg den vorliegenden Eilantrag gestellt (S 2 SO 255/06 ER), der durch Beschluss vom 5. Januar 2007 an das Verwaltungsgericht Oldenburg verwiesen wurde.
Bei dieser Sachlage ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß § 35 a i.V.m. § 41 SGB VIII hat. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach SGB VIII vor. Die Kammer ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage der Auffassung, dass diese Vorschrift hier eingreift, weil beim Antragsteller eine geistige Behinderung vorliegt. Die Kammer sieht sich daher gehindert, dem Antragsteller Leistungen der Eingliederungshilfe zuzusprechen, weil für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII die Sozialgerichte zuständig sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG).
Nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach dem SGB VIII vor. Gemäß § 2 der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Eingliederungshilfe-Verordnung) liegt eine geistige Behinderung vor, wenn die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte eingeschränkt ist. Unter einer Schwäche der geistigen Kräfte sind vornehmlich regelwidrige Intelligenzmängel zu verstehen, also intellektuelle Funktionsstörungen, die aus einer zurückgebliebenen Leistungsfähigkeit des Gehirns oder des Zentralnervensystems herzuleiten sind. Das ist in der Regel bei einem besonders niedrigen Intelligenzquotienten anzunehmen. Doch kann in besonderen Fällen auch ein partielles geistiges Defizit dafür ausreichen, dass eine Person geistig behindert ist. Denn die "geistigen Kräfte" sind keine einheitliche Größe, sondern setzen sich aus einer Vielzahl von Komponenten zusammen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. April 1996 - 6 S 827/95 -, juris; vgl. auch Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. September 1978 - IV B 124/78 -, FEVS 27, 70, 71 f.). Bei Anwendung dieses Maßstabs ist auch hier von einer geistigen Behinderung auszugehen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sachverständige P., der das vorgerichtlich erstellte Gutachten der Kinder- und Jugendpsychiatrie W. vom 2. Februar 2006 näher erläutert hat. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Auffassung des Sachverständigen, dass beim Antragsteller eine leichte geistige Behinderung vorliege, in Zweifel zu ziehen. Der Sachverständige hat in seinem vorgerichtlichen Gutachten mit dem Antragsteller u.a. zwei Intelligenztests durchgeführt, den Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE) sowie den Culture-Fair-Test (CFT 20). Beim HAWIE hat er die Leistungen des Antragstellers mit einem IQ von 57 und beim CFT 20 mit einem IQ von 94 bewertet. Nach seinen mündlichen Erläuterungen geht der Sachverständige zwar davon aus, dass beim Antragsteller keine Intelligenzminderung, sondern eine durch eine sehr starke Entwicklungsverzögerung der kognitiven Funktionen bedingte Lernschwäche vorliegt. Die Kammer folgt dem Sachverständigen jedoch darin, dass der Antragsteller eine Reihe von kognitiven Teilleistungsschwächen aufweist, die durch seine Stärken nicht kompensiert werden, so dass insgesamt dennoch von einer leichten geistigen Behinderung auszugehen ist. Zu diesen Schwächen zählt der Sachverständige unstreitig vorhandene und bereits früher diagnostizierte Defizite in der Sprachentwicklung und Kommunikation, insbesondere auch im Bereich der Aussprache und Grammatik. Weitere kognitive Schwächen bestehen nach Auffassung des Sachverständigen in der Grob- und Feinmotorik, in der Merkfähigkeit, in der verkürzten Aufmerksamkeitsspanne, in der Langsamkeit bei der Bearbeitung von Testaufgaben sowie in Mängeln der zeitlichen und räumlichen Orientierung. Die Kammer folgt dem Sachverständigen weiter darin, dass die Schwächen des Antragstellers in einer Gesamtschau nicht durch seine Stärken in der visuellen Aufgabenbearbeitung sowie in der analytischen und synthetischen Intelligenz aufgewogen werden. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige für seine Gesamtbeurteilung dem Ergebnis des HAWIE-Tests ein größeres Gewicht beigemessen hat als dem CFT 20-Test. Der Sachverständige hat nachvollziehbar erläutert, dass der HAWIE-Test gegenüber dem CFT 20 der differenziertere und genauere Intelligenztest ist, weil er gegenüber dem eindimensional als Bleistiftdurchkreuztest konzipierten CFT-20 Test ein deutlich differenziertes Aufgabenspektrum enthält und somit ein größeres Spektrum an verschiedenartigen Intelligenzleistungen abprüft.
Aus Sicht der Kammer werden die Feststellungen des Sachverständigen nicht durch die abweichenden fachärztlichen Stellungnahmen des Kinderzentrums O. in Zweifel gezogen, die jeweils zu dem Ergebnis kommen, dass beim Antragsteller keine geistige, sondern eine seelische Behinderung vorliege. Gegenüber diesen Stellungnahmen, die jeweils auf zwei bzw. einem Testverfahren basieren, hat der Sachverständige insgesamt sieben Testverfahren durchgeführt und damit eine differenzierte Diagnose erstellt. Die Kammer ist auch nicht von der in der Stellungnahme des Kinderzentrums O. vom 12. Februar 2004 geäußerten Kritik am HAWIE-Test überzeugt, nach der der HAWIE-Test ein verzerrtes Bild der Intelligenzleistungen liefert, weil er überwiegend sprachgebundene Intelligenzleistungen überprüfe. Die Kammer neigt vielmehr zu der Auffassung des Sachverständigen, dass die Sprachentwicklungsstörungen des Antragstellers ein Symptom seiner geistigen Behinderung darstellen und daher bei der Diagnostik nicht ausgeklammert werden dürfen. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass die Sprachentwicklungsstörungen zwar durch die Mängel in der emotionalen Entwicklung, die auch der Sachverständige diagnostiziert hat, verstärkt worden sein können; nach seiner Auffassung beruhen die Sprachentwicklungsstörungen jedoch vorrangig auf einem Mangel der kognitiven Fähigkeiten. Da die Sprachentwicklungsprobleme des Antragstellers schon im Kleinkindalter eingesetzt haben und dieser deswegen einen Sprachheilkindergarten besuchte, erscheint diese Feststellung plausibel.
§ 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist eine Sonderregelung zu Satz 1 der Vorschrift, nachdem Jugendhilfe den Leistungen nach dem SGB XII vorgehen. Die Abgrenzung zwischen Satz 1 und 2 hängt allein von der Art der mit der Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialhilfeleistung ab; ist diese eine Maßnahme der in Satz 2 bezeichneten Art, gilt der Vorrang der Sozialhilfe, ist diese eine andere Sozialhilfeleistung, gilt nach Satz 1 der Vorrang der Jugendhilfe. Die Regelung eines Vor- bzw. Nachrangs zwischen Leistungen der Jugendhilfe und der Sozialhilfe setzt notwendig voraus, dass sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind. Nur dann besteht ein Bedürfnis für eine Vor- bzw. Nachrangregelung. Dafür stellt das Gesetz nicht auf einen Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden Hilfeleistung ab, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen. Konkurrieren Jugendhilfeleistungen mit dem in Satz 2 genannten Maßnahmen der Eingliederungshilfe, so ist nach Satz 2 die Sozialhilfe vorrangig, konkurrieren Jugendhilfeleistungen mit anderen Sozialhilfeleistungen, so ist nach Satz 1 die Jugendhilfe vorrangig (BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 5 C 26.98 -, BVerwGE 109, 325, 329 f.). Nach diesem Maßstab ist die Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB XII hier vorrangig. Es erscheint zwar naheliegend, dass beim Antragsteller auch eine seelische Behinderung vorliegt, zumal der Sachverständige neben den kognitiven Schwächen auch Schwächen in der emotionalen Entwicklung sowie im Sozial- und Kommunikationsverhalten diagnostiziert hat. Der Antragsteller kann die von ihm gewünschte Förderung in einer stationären sozialtherapeutischen oder gleichartig auch nach den §§ 53, 54 SGB XII erlangen. Demnach sind Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gegenüber denen der Jugendhilfe vorrangig.
Gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ist es besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. § 54 Abs. 1 SGB XII nennt Beispiele für Leistungen der Eingliederungshilfe. Die Formulierung "insbesondere" in dieser Regelung macht dabei deutlich, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handelt (W. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 54 Ziffer 3). Deshalb fallen auch sozialtherapeutische Wohneinrichtungen in das Leistungsspektrum der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, soweit sie vorrangig der in § 53 Abs. 3 SGB XII formulierten Aufgabe dienen (vgl. W. Schellhorn, a.a.O., Ziff. 71). Die Kammer hat daher keine Bedenken, dass der Antragsteller die begehrte Förderung in einer heilpädagogisch-therapeutischen Wohneinrichtung in gleicher oder gleichartiger Weise auch auf sozialhilferechtlicher Basis erlangen kann. Das dürfte auch für die vom Antragsteller konkret begehrte Förderung im Haus "Am ..." in O. gelten, da nach der Leistungsbeschreibung dieser Einrichtung (Blatt 85 ff. Gerichtsakte) die Leistungsfelder auch Jugendlichen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zur Verfügung stehen und davon nur Jugendliche und junge Volljährige mit einer stärkeren geistigen Behinderung ausgenommen sind.
Da somit gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII Sozialhilfe gegenüber der Jugendhilfe vorrangig ist, scheidet ein Anspruch des Antragstellers nach § 35 a SGB VIII i.V.m. § 41 SGB VIII aus.
Über einen möglichen Anspruch des Antragstellers auf Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB XII darf die Kammer wegen der Zuständigkeit der Sozialgerichte nicht entscheiden. Daran ändert auch die Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 1 SGB VIII nichts. Zwar ist der Antragsteller der Auffassung, dass der Antragsgegner als Jugendhilfeträger über den Rehabilitationsbedarf des Antragstellers umfassend, also auch unter Einschluss eines möglichen Anspruchs auf Eingliederungshilfe nach dem SGB XIII zu entscheiden habe, weil er den Antrag des Antragstellers nicht an den zuständigen Sozialhilfeträger weitergeleitet habe. Die Kammer folgt dieser Rechtsauffassung jedoch nicht.
§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist hier weder direkt noch entsprechend anwendbar. § 14 SGB IX regelt die Zuständigkeitsklärung zwischen verschiedenen Rehabilitationsträgern. Die Bezeichnung "Träger" macht dabei deutlich, dass es sich um unterschiedliche juristische Personen des öffentlichen Rechts handeln muss, damit von einem Zuständigkeitskonflikt im Sinne der Vorschrift die Rede sein kann. Der Begriff "Träger" wird im Verwaltungsrecht allgemein im Sinne einer rechtsfähigen juristischen Person verstanden. Das spricht dafür, dass die Vorschrift nur den Fall regelt, dass ein Zuständigkeitskonflikt zwischen zwei verschiedenen Trägern i.S.v. zwei verschiedenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts auftritt. Das ist hier aber nicht der Fall, weil der Antragsgegner sowohl der zuständige Jugendhilfe- als auch Sozialhilfeträger ist.
§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist auf eine Zuständigkeitsklärung von zwei Behörden desselben Trägers auch nicht entsprechend anwendbar. Zweck der Regelung ist es, Unklarheiten über die Zuständigkeit entgegenzuwirken, deren Klärung und Beseitigung zeitaufwendig sein und eine schnelle Leistungserbringung an den Antragsteller verhindern kann (Ernst, in: Ernst/Adelhoch/Seel, SGB IX, 10. Lieferung, Juli 2006, § 14 Ziffer 3). Von einer Unklarheit über die Zuständigkeit kann aber nur bei zwei verschiedenen Rechtsträgern die Rede sein. Ein einziger Rechtsträger tritt gegenüber dem Antragsteller stets als rechtliche Einheit auf. Er hat bei ihm eingegangene Leistungsanträge unter allen Gesichtspunkten, für die er sachlich und örtlich zuständig ist, zu prüfen und dafür ggf. den hausinternen Sachverstand von unterschiedlichen Ämtern zusammenzuführen. Soweit unterschiedliche Behörden desselben Trägers in einer Angelegenheit zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, handelt es sich dabei nicht um einen Zuständigkeitskonflikt, weil die unterschiedliche Einschätzung die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Rechtsträgers für eine bestimmte Verwaltungsaufgabe unberührt lässt. Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass sich die abweichenden Einschätzungen der für Jugend- und Sozialhilfe zuständigen Fachbereiche des Antragsgegners über die Frage der geistigen oder seelischen Behinderung des Antragstellers im Ergebnis ähnlich auswirkt wie ein negativer Zuständigkeitskonflikt zwischen verschiedenen Trägern und geeignet ist, die Einleitung geeigneter Hilfemaßnahmen an den Antragsteller zu verzögern. Das ändert jedoch nichts daran, dass die unterschiedliche rechtliche Bewertung eines Sachverhalts durch zwei Behörden desselben Trägers keinen Zuständigkeitskonflikt darstellt, der von dem gesetzgeberischen Willen erfasst wird, der § 14 SGB IX zugrunde liegt.
Eine Verpflichtung der Kammer, über einen möglichen Anspruch des Antragstellers auf Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII zu entscheiden, folgt auch nicht aus § 17 a Abs. 2 S. 3 GVG. Nach dieser Regelung bindet ein Verweisungsbeschluss zwar das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird. Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des SG Oldenburg vom 5. Januar 2007 erstreckt sich im vorliegenden Fall jedoch nur auf einen vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf Jugendhilfe nach dem SGB VIII. Bereits in seiner Antragsschrift vom 12. Dezember 2006 hatte der Antragsteller sein Begehren ausschließlich auf § 35 a SGB VIII gestützt. Mit der gerichtlichen Verfügung vom 14. Dezember 2006 wurde er zudem darauf hingewiesen, dass das SG Oldenburg nur für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zuständig sei; soweit der Antragsteller Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII begehre, müsse der Rechtsstreit "zumindest insoweit" an das VG Oldenburg verwiesen werden. Daraufhin beantragte der Antragsteller die Verweisung an das VG Oldenburg mit dem Hinweis, dass er Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII begehre. Der Verweisungsbeschluss des SG Oldenburg wurde deshalb damit begründet, dass der Antragsteller Leistungen nach dem SGB VIII begehre, für die nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Damit hat das SG Oldenburg den Rechtsstreit nur hinsichtlich eines möglichen Anspruchs nach dem SGB VIII an das VG Oldenburg verwiesen.
Wegen der (juristischen) Identität von Jugendhilfe- und Sozialhilfeträger musste die Kammer auch nicht dem Antrag des Antragstellers entsprechen, das Sozialamt des Antragsgegners notwendig beizuladen. Beigeladen werden können nach § 65 VwGO nur Dritte, die nicht Partei, d.h. Kläger oder Beklagte sind (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 65 Ziffer 5).
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 188 Satz 2 Hs. 1 VwGO.