Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.01.2014, Az.: 20 LD 10/13

Disziplinarmaßnahme gegen einen Beamten wegen unterlassener rechtzeitiger Kündigung eines Altvertrages

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.01.2014
Aktenzeichen
20 LD 10/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 11248
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0128.20LD10.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 05.06.2013 - AZ: 18 A 5514/12

Fundstelle

  • DÖV 2014, 495

Amtlicher Leitsatz

  1. 1)

    Auch nach der Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts durch das zum 1. Januar 2006 in Kraft getretene Niedersächsische Disziplinargesetz bedarf es vor Durchführung der in § 21 Abs. 4 Satz 1 NDiszG vorgesehenen Schlussanhörung der vorherigen Bekanntgabe eines wesentlichen Ermittlungsergebnisses durch die Disziplinarbehörde. Das Schlussgehör kann nur dann effektiv ausgeübt werden, wenn dem Beamten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen bzw. das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bekannt sind, er also darüber informiert wurde, welche Vorwürfe die Disziplinarbehörde aus welchem Grund als erwiesen ansieht.

  2. 2)

    Ein entsprechender Verfahrensmangel kann indes gemäß § 4 NDiszG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG, § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt werden (hier: bejaht).

  3. 3)

    Zur Berufsausübung mit vollem persönlichen Einsatz (§ 34 Satz 1 BeamtStG) gehört auch die ordnungsgemäße Erledigung der Dienstgeschäfte, so dass gegen diese Pflicht verstößt, wer während der Zeit der Dienstleistung Schlecht oder Minderleistungen erbringt. Zwar überschreitet nicht jede fahrlässig begangene Schlechtleistung die Schwelle disziplinarrechtlicher Relevanz und ist dementsprechend als Dienstvergehen anzusehen. Eine einmalige fahrlässig begangene Schlechtleistung kann jedoch dann ein Dienstvergehen darstellen, wenn im Kernbereich der dem Beamten obliegenden Pflichten eine Tätigkeit in Rede steht, welche wegen ihrer herausgehobenen Bedeutung erkennbar besonderer Sorgfalt bedarf und der Beamte jedenfalls grob fahrlässig gehandelt hat (hier: bejaht bei einer unterlassenen Kündigung eines Abfallentsorgungsvertrages bei wirksamem Abschluss eines entsprechenden Neuvertrages mit der Folge einer zweijährigen Überschneidung der Entsorgungsverträge).

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 18. Kammer - vom 5. Juni 2013 dahingehend geändert, dass gegen den Beklagten eine Geldbuße in Höhe von 2.500,00 Euro ausgesprochen wird. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte.

Tatbestand

Der Beklagte, der als Lebenszeitbeamter im Dienste des Klägers steht, wendet sich im Wege der Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Kürzung seiner Dienstbezüge um 10% für die Dauer von 10 Monaten.

Der am geborene Beklagte war nach seinem Studium des Bauingenieurwesens mit dem Abschluss "Diplom-Bauingenieur (FH)" zunächst als Projektingenieur im Bereich Abfallwirtschaft/Deponietechnik bei einem Ingenieurbüro in G. beschäftigt (September 19 bis Mai 19 ). Im Mai 19 trat er als Beamtenanwärter im gehobenen technischen Dienst in den Dienst der Stadt H. ein und war dort nach erfolgreichem Abschluss des Vorbereitungsdienstes im Juni 19 bis zum Ablauf des Monats März 20 tätig, und zwar zunächst als Planungsingenieur für den Abwasserbereich und sodann als Abteilungsleiter des Baubetriebshofes u.a. für den Teilbereich Abfallbeseitigung; mit Wirkung zum 22. September 19 war er zum Stadtbauamtmann (Besoldungsgruppe A 11) ernannt worden. Während seiner Zeit bei der Stadt H. hatte der Beklagte zudem ein Abendstudium an der Fachhochschule I. im Zusatzstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Abschluss eines "Diplom-Wirtschaftsingenieurs (FH)" absolviert. Mit Wirkung vom 1. April 20 wurde der Beklagte in den Dienst des Klägers versetzt und dort als Betriebsleiter (vormals: "Werksleiter") des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft eingesetzt. Hierbei handelt es sich um ein kommunales Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. §§ 136 Abs. 2 Nr. 1, 140, 178 Abs. 1 Nr. 12 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes - NKomVG - in Verbindung mit der Eigenbetriebsverordnung - EigBetrVO -), welches dem (damaligen) Dezernat I des Klägers angehört(e); zuständiger Dezernent war (und ist) Leitender Kreisverwaltungsdirektor J.. Seit September 20 ist dem Eigenbetrieb ein Justiziariat unter der Leitung einer Volljuristin - der Zeugin K. - zugeordnet. Mit Wirkung vom 1. Oktober 20 erfolgte die Beförderung des Beklagten zum Kreisbauamtsrat (Besoldungsgruppe A 12) und mit Wirkung zum 1. April 20 zum Kreisbauoberamtsrat (Besoldungsgruppe A 13). Der Beklagte ist geschieden und Vater dreier Kinder. Disziplinarisch ist er nicht vorbelastet.

Im April 19 hatte der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 19 einen Vertrag zur Entsorgung von Siedlungsabfällen durch energetische Verwertung bzw. thermische Behandlung mit der L. (vormals: "M.") geschlossen, welcher eine garantierte Mindestliefermenge von 10.000 t Abfall pro Jahr vorsah; nach einer entsprechenden Vertragsanpassung betrug das vom Kläger im Jahr 20 zu zahlendende Verbrennungsentgelt im Hinblick auf die garantierte Mindestmenge 172,99 Euro/t (brutto). In § 6 des Entsorgungsvertrages ("Vertragsdauer/Kündigung") war vorgesehen, dass die Regelungen des Vertrages am 1. Januar 19 in Kraft treten und zunächst bis zum 31. Dezember 20 gelten (§ 6 Abs. 1 Satz 2); in § 6 Abs. 2 des Entsorgungsvertrages war geregelt, dass sich dieser - sofern er nicht mit einer Frist von 12 Monaten vor seinem Ablauf durch eine der Vertragsparteien mittels Einschreiben gekündigt werde - stillschweigend um jeweils 2 Jahre verlängere.

Im Betriebsausschuss (vormals: "Werksausschuss") des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft vom 22. März 20 , an dem aus der Verwaltungsebene des Klägers neben dem Beklagten auch der Dezernent I sowie die Zeugin K. teilnahmen, informierte der Beklagte die Anwesenden darüber, dass eine Ausschreibung der Entsorgung der Siedlungsabfälle im Herbst 20 , wirksam ab dem 1. Januar 20 , vorgenommen werden solle. Auch im Betriebsausschuss vom 21. Juni 20 , an dem ebenfalls der Dezernent I teilnahm, berichtete der Beklagte, dass die Ausschreibung der Siedlungsabfälle für Herbst 20 geplant sei.

Der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft bereitete im Sommer 20 ein Vergabeverfahren über die Entsorgung von Siedlungsabfällen vor; hierzu bediente er sich der Beratung eines privaten Ingenieurbüros, als dessen Ansprechpartnerin die Justiziarin des Eigenbetriebes, die Zeugin K., fungierte. Am 13. September 20 wurde die Entsorgung des im Bereich des Klägers anfallenden Siedlungsabfalls mit Wirkung vom 1. Januar 20 im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben; Ansprechpartnerin für die Bieter war ebenfalls die Zeugin K.. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe heißt es:

"Der Eigenbetrieb Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis N. (AWH) ist für die Durchführung der Abfallwirtschaft im Landkreis N. zuständig. Die Entsorgung von Restabfall und Sperrmüll wird von einem beauftragten Dritten durchgeführt. Da dessen Vertragslaufzeit zum 31.12.20 endet, wird diese Leistung hiermit ausgeschrieben."

Aus den Ausschreibungsunterlagen ergab sich weiterhin, dass der Kläger von einem Abfallaufkommen von 11.000 t/Jahr ausging; der in den Ausschreibungsunterlagen enthaltene Entsorgungsvertrag sah in § 16 Abs. 2 eine dreijährige Vertragslaufzeit sowie eine einmalige Verlängerung um ein Jahr vor, wenn nicht einer der Vertragspartner den Vertrag bis 6 Monate vor seinem Ablauf schriftlich kündige. Auf die Ausschreibung bewarben sich insgesamt 10 Anbieter, hierunter auch der bisherige Vertragspartner des Klägers. Günstigster Anbieter war die O. aus P. mit einem Verbrennungsentgelt in Höhe von 50,75 Euro/t (brutto).

Im Betriebsausschuss des Eigenbetriebes vom 1. Dezember 20 , an dem aus der Verwaltungsebene des Klägers neben dem Beklagten auch die Landrätin, der Dezernent I sowie die Zeugin K. teilnahmen, erläuterte der Beklagte die Beschlussvorlage Nr. 179/2011. Diese sah vor, die Beseitigung der Siedlungsabfälle mit Wirkung vom 1. Januar 20 an die O. zu vergeben. In der Begründung hierzu heißt es:

"Der Vertrag mit der Firma L. zur Beseitigung der Siedlungsabfälle [...] zu einem Preis von 172,99 EUR/t (brutto) läuft zum 31.12.20 aus. Aufgrund dessen wurde die Entsorgung des [...] Siedlungsabfalls [...] europaweit ausgeschrieben".

Im Rahmen der Erörterung der Beschlussvorlage fragte der Ausschussvorsitzende nach der Laufzeit des bisherigen Vertrages. Hierauf erklärte der Beklagte, der Vertrag laufe bis Ende 20 . Nachdem der Betriebsausschuss der Beschlussvorlage 179/2011 zugestimmt und das Rechnungsprüfungsamt unter dem 5. Dezember 20 mitgeteilt hatte, dass der Zuschlagserteilung Bedenken nicht entgegenstünden, unterzeichnete der Kläger durch die Landrätin am 30. Dezember 20 unter dem Datum "31. Dezember 20 " den Entsorgungsvertrag mit der O.; letztere sandte das von ihr am 11. Januar 20 unterzeichnete Vertragsexemplar mit Schreiben vom 19. Januar 20 an den Kläger zurück.

Am 3. Januar 20 bemerkte der Beklagte, dass der Entsorgungsvertrag mit der L. nicht automatisch ende, sondern nach § 6 Abs. 2 dieses Vertrages bis zum Ablauf des 31. Dezember 20 hätte gekündigt werden müssen. Daraufhin kündigte der Kläger diesen Vertrag durch die Landrätin mit einem auf den 14. Dezember 20 rückdatierten, tatsächlich jedoch am 3. Januar 20 verfassten Schreiben "fristgerecht [...] zum 31. Dezember 20 ". Dieses Schreiben wurde der L. noch am 3. Januar 20 durch den Beklagten persönlich übergeben. Unter dem 4. Januar 20 wies die L. die Kündigung als nicht fristgerecht zurück und berief sich darauf, dass der Entsorgungsvertrag noch bis zum 31. Dezember 20 laufe.

Mit Verfügung vom 20. Februar 20 leitete der Kläger ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten wegen des Verdachts ein, seine Dienstpflichten aus §§ 34 und 35 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) durch Unterlassen der rechtzeitigen Kündigung des Entsorgungsvertrages mit der L. verletzt zu haben, und machte dem Beklagten hiervon Mitteilung. Im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens wurden die Zeugen

K. (stellvertretende Betriebsleiterin und Justiziarin des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft),

Q. (Leiter des Rechnungsprüfungsamtes des Klägers),

R. (Abteilungsleiterin/Rechnungswesen im Eigenbetrieb Abfallwirtschaft),

S. (tätig im Eigenbetrieb Abfallwirtschaft),

T. (Abteilungsleiter/Abfallentsorgung im Eigenbetrieb Abfallwirtschaft) sowie

U. (tätig im Kundendienst des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft)

vernommen; die Protokolle der Zeugenvernehmungen wurden den Prozessbevollmächtigten des Beklagten als Kopien übersandt. Mit Schreiben vom 7. Juni 20 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien und ihm gemäß § 21 Abs. 4 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes (NDiszG) Gelegenheit zur abschließenden Äußerung gegeben werde. Der Beklagte äußerte sich über seine Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 5. Juli 20 dahingehend, dass das Unterlassen der rechtzeitigen Kündigung nicht von ihm zu vertreten sei. Das Vertragswesen zähle nicht zu seinen Aufgaben; er sei "Techniker" mit vertieften betriebswirtschaftlichen, jedoch ohne spezifische rechtliche Kenntnisse. Deshalb sei für seinen Bereich eigens ein Justiziariat geschaffen worden, zu dessen originären Aufgaben die Prüfung bestehender Verträge gehöre. Auch habe der Dezernent I als Volljurist im Jahr 19 den Entsorgungsvertrag mit der L. geprüft, so dass ihm die Vertragslage bekannt gewesen sei. Gleichwohl habe der Dezernent I in der Betriebsausschusssitzung am 1. Dezember 20 weder die Beschlussvorlage 179/2011 noch die Aussage des Beklagten über das Auslaufen des Vertrages zum 31. Dezember 20 beanstandet. Auch die Landrätin und die Justiziarin des Eigenbetriebes, die ebenfalls bei der Betriebsausschusssitzung am 1. Dezember 20 zugegen gewesen seien und jedenfalls Zugriff auf den maßgeblichen Entsorgungsvertrag gehabt hätten, hätten der Darstellung des Beklagten nicht widersprochen. Der im Anschluss an die Stellungnahme des Beklagten in die Disziplinarakte eingeheftete "Ermittlungsbericht" der Ermittlungsführerin (Bl. 211ff./Beiakte B), welcher u.a. eine Würdigung der Zeugenaussagen, eine Auseinandersetzung mit der Stellungnahme des Beklagten sowie Ausführungen zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme enthält, ist den Prozessbevollmächtigten des Beklagten vor Disziplinarklageerhebung nicht bekannt gegeben worden.

Der Kläger hat am 2. Oktober 2012 Disziplinarklage erhoben und zur Begründung Folgendes vorgetragen: Der Beklagte habe ein schweres Dienstvergehen begangen, indem er die rechtzeitige Kündigung des Entsorgungsvertrages mit der L. unterlassen habe. Dadurch habe sich dieser Vertrag um zwei Jahre verlängert. Daneben sei im Jahr 20 ein weiterer Entsorgungsvertrag mit der O. wirksam zustande gekommen, so dass sich eine Überschneidung der Entsorgungsverträge für die Jahre 20 und 20 ergebe. Die Verantwortlichkeit des Beklagten hierfür folge aus der entsprechenden Arbeitsplatzbeschreibung, der Dienstpostenbewertung, dem Geschäftsverteilungsplan sowie der Betriebssatzung des Eigenbetriebes. Danach leite der Betriebsleiter den Eigenbetrieb selbständig und sei auch für die Vergabe von Aufträgen zuständig, wozu auch die Beendigung bestehender Verträge gehöre. In herausgehobenen Sonderfällen, zu denen auch die Neuvergabe der Abfallentsorgung und die Beendigung des bisherigen Entsorgungsvertrages zählten, habe der Betriebsleiter selbst tätig zu werden. Dass der Beklagte nicht über spezifische juristische Kenntnisse verfüge, ändere hieran nichts. Er hätte jedenfalls durch eine entsprechende innerbetriebliche Organisation und Überwachung sicherstellen müssen, dass Kündigungsfristen eingehalten werden. Die Beweisaufnahme habe jedoch ergeben, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt weder ein zentrales Vertragsmanagement zur Überwachung von Kündigungsfristen existiert habe, noch habe sich erwiesen, dass eine derartige Aufgabe durch Einzelweisung an Mitarbeiter übertragen worden sei. Insbesondere habe eine generelle Zuständigkeit der Justiziarin K. für die Überprüfung von Verträgen jedenfalls nicht der Praxis des Eigenbetriebes entsprochen.

Durch sein Fehlverhalten habe der Beklagte seine Dienstleistungspflicht aus § 34 Satz 1 BeamtStG sowie seine Pflichten aus § 34 Satz 2 BeamtStG in besonders grobem Maße verletzt, wodurch dem Kläger ein erheblicher Schaden drohe. Bei Vertragserfüllung mit der O. entstehe unter Zugrundelegung einer Liefermenge von 11.000 t Abfall/Jahr ein jährliches Verbrennungsentgelt in Höhe von 556.380,00 Euro (11.000 t/Jahr x 55,58 Euro). Dem stehe nach dem Vertrag mit der L. ein jährliches Vertragsvolumen von 1.903.00,00 Euro (11.000 t/ Jahr x 173,00 Euro) gegenüber; der Mehraufwand betrage also 1.346.620,00 Euro pro Jahr (1.903.000,00 - 556.380,00 Euro). Nach alledem habe der Beklagte grob fahrlässig gehandelt; Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe seien nicht ersichtlich.

Die eingetretene Vertrauensbeeinträchtigung wiege so schwer, dass eine Zurückstufung des Beklagten geboten sei. Er habe sein Fehlverhalten in herausgehobener Funktion als Betriebsleiter begangen. Verstärkt werde die schwerwiegende Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses durch die besondere Aufmerksamkeit, welche dieser Fall in der Medienöffentlichkeit erfahren habe. Aufgrund der - noch in der Entwicklung begriffenen - finanziellen Mehrbelastungen für den Kläger sei zudem ein schwerer Schaden für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung eingetreten. Die dienstliche Einsetzbarkeit des Beklagten werde in erheblichem Maße eingeschränkt; eine Umsetzung werde vorbereitet. Zudem habe der Beklagte in seiner Stellungnahme vom 5. Juli 20 das Vorliegen eines Dienstvergehens bestritten und die Verantwortung auf die Justiziarin des Eigenbetriebes "abgeschoben".

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt zu versetzen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Disziplinarklage entgegengetreten und hat zunächst gerügt, vor der Disziplinarklageerhebung zum Ergebnis der Ermittlungen nicht ordnungsgemäß angehört worden zu sein; von dem "Ermittlungsbericht" (Bl. 211ff./Beiakte B) habe er erstmals durch Akteneinsichtnahme im gerichtlichen Verfahren Kenntnis erlangt. Das Vorenthalten der vorläufigen Beweiswürdigung sowie der vorläufigen disziplinarrechtlichen Würdigung vor der Klageerhebung stelle einen nicht behebbaren formellen Mangel dar.

Auch in der Sache könne die Disziplinarklage keinen Erfolg haben. Die nicht rechtzeitig erfolgte Kündigung sei gewiss ein Versäumnis des Beklagten und seiner Mitarbeiter; der Beklagte habe sich für diesen Fehler in der Kreisausschusssitzung vom 9. Januar 20 auch ausdrücklich entschuldigt. Warum es indes bei einem vergleichsweise kleinen Landkreis wie dem Kläger nicht zu den originären Aufgabe der Landrätin und des Dezernenten I zählen solle, sich bei einer geplanten Neuausschreibung der Abfallentsorgung mit der bestehenden Vertragslage zu beschäftigen, statt sich insoweit allein auf den Beklagten als Bauingenieur zu verlassen, sei nicht erkennbar. Dies gelte umso mehr, als dem Beklagten eigens ein Justiziariat mit einer Volljuristin zur Seite gestellt worden sei, welche auch die Ausschreibung durchgeführt habe. Selbst wenn man indes eine fahrlässige Dienstpflichtverletzung des Beklagten annähme, stellte diese jedoch noch kein Dienstvergehen dar. Denn nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung reiche eine einmalige fehlerhafte oder gar nachlässige Verhaltensweise eines Beamten insoweit nicht aus; erforderlich sei vielmehr eine Mehrzahl von Mängeln in der Arbeitsweise von einigem Gewicht, die insgesamt über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig hinausgingen. An einer solchen Häufung von Mängeln fehle es hier.

Der Beklagte ist mit Wirkung vom 30. April 2013 unter Hinweis auf eine beim Kläger erfolgte Neustrukturierung des Verwaltungsaufbaus von seinem bisherigen Dienstpo-sten als Betriebsleiter des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft auf den Dienstposten des Leiters des Bereichs Gebäudewirtschaft (Besoldungsgruppe A 13) umgesetzt worden. Die Leitung des Eigenbetriebes ist kommissarisch der bisherigen Stellvertreterin des Beklagten und Justiziarin - der Zeugin K. - übertragen worden.

Das Verwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 5. Juni 2013 die Dienstbezüge des Beklagten für die Dauer von 10 Monaten um ein Zehntel gekürzt und die Disziplinarklage im Übrigen abgewiesen. Formelle Fehler des Disziplinarverfahrens lägen nicht vor; insbesondere sei eine Übersendung des Ermittlungsberichts bzw. eine förmliche Mitteilung über das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen nach den Regelungen des Niedersächsischen Disziplinargesetzes - anders als nach der zuvor geltenden Rechtslage - nicht mehr vorgesehen. Die Klage habe indes nur im tenorierten Umfange Erfolg. Der Beklagte habe zwar ein Dienstvergehen begangen; dieses rechtfertige jedoch die vom Kläger beantragte Zurückstufung nicht.

Dem Beklagten sei im Rahmen seiner Tätigkeit als Leiter des Eigenbetriebes ein erheblicher Fehler unterlaufen. Zwar vertrete die Landrätin den Kläger in der Regel nach außen; die Verwaltungsspitze müsse sich aber auf die ordnungsgemäße Vorbereitung von Entscheidungen und die umfassende Prüfung dieser Angelegenheit durch nachgeordnete, dafür zuständige Mitarbeiter verlassen können. Es sei originäre Aufgabe des Beklagten gewesen, für die ordnungsgemäße Beendigung des bisherigen Entsorgungsvertrages zu sorgen. Eine Überprüfung der Vertragslage sei jedoch unterblieben; der Beklagte habe sich noch nicht einmal vergewissert, ob seine Justiziarin den Vertrag auf etwaige Verlängerungsklauseln hin durchgesehen habe. Möglicherweise sei dies auf ein Organisationsverschulden im Eigenbetrieb zurückzuführen, was auch dem Beklagten anzulasten wäre. Durch sein Fehlverhalten habe der Beklagte seine Dienstpflicht aus § 34 Satz 1 BeamStG verletzt.

Zutreffend sei zwar, dass eine fehlerhafte Arbeitsweise allein noch nicht in jedem Fall ein Dienstvergehen darstelle. Das Bundesverwaltungsgericht verlange - wenn der Vorwurf nachlässigen Verhaltens disziplinarisches Gewicht erlangen solle - regelmäßig das Auftreten mehrerer Mängel. Die Kammer sei jedoch der Auffassung, dass auch ein einmaliges grob fahrlässiges Fehlverhalten das Gewicht eines Dienstvergehens erlangen könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Entsorgungsvertrag um das "Kerngeschäft" des Eigenbetriebes gehandelt habe. Zudem hätten Vertragsbeendigung und Vertragsneuabschluss auch für den Beklagten keine tägliche Routine dargestellt, sondern eine besondere Aufgabe, die überdies mit hohen finanziellen Auswirkungen für den Kläger verbunden gewesen sei. Daher hätte der Beklagte eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Sorgfalt walten lassen müssen. Zwar sei er kein ausgebildeter Jurist; im täglichen Leben begegneten aber auch dem juristischen Laien viele Verträge mit Verlängerungsklauseln, etwa Zeitungsabonnements oder Telefonverträge. Der Kläger habe den Beklagten mit der Klärung solcher Fragen auch nicht allein gelassen, denn der Beklagte hätte sich sowohl im allgemeinen Rechtsamt als auch im Justiziariat des Eigenbetriebes beraten lassen können.

Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles erscheine indes die vom Kläger angestrebte Disziplinarmaßnahme als dem Vorwurf nicht angemessen. Der Beklagte sei disziplinarisch nicht vorbelastet. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht erkennbar, zumal der Beklagte weiterhin in einem vergaberechtsrelevanten Bereich eingesetzt sei. Auch sei dem Beklagten durch den Kreistag Entlastung erteilt worden. Überdies sei zu erwarten gewesen, dass sich auch die Justiziarin im Rahmen des neuen Vertragsschlusses von der ordnungsgemäßen Beendigung des Altvertrages überzeuge.

Mit seiner am 1. Juli 2013 eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens sein Klagabweisungsbegehren weiter. Er rügt weiterhin eine nicht ordnungsgemäße Anhörung vor der Disziplinarklageerhebung und meint weiterhin, dass ein Dienstvergehen seinerseits nicht vorliege. Entgegenzutreten sei bereits der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ein einmaliges grob fahrlässiges Fehlverhalten ein disziplinarrechtlich relevantes Dienstvergehen darstellen könne. Jedenfalls aber sei das Verhalten des Beklagten angesichts der Versäumnisse der Landrätin, des Dezernenten I sowie der Zeugin K. nicht als grob fahrlässig einzustufen. Dass der Vertrag mit der L. nicht rechtzeitig gekündigt worden sei, belaste den Beklagten sehr. Dies gelte jedoch insbesondere auch deshalb, weil alle anderen Verantwortlichen des Klägers sich "aus der Verantwortung gezogen" hätten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich zu entnehmen, dass eine begangene Nachlässigkeit des Beamten sich als "echte Schuld" (in Abgrenzung zu bloßem Unvermögen) darstellen, also zumindest (einfach) fahrlässig sein müsse, um ein Dienstvergehen annehmen zu können. Damit werde gerade nicht ausgeschlossen, dass bereits ein einmaliges grob fahrlässiges Fehlverhalten als Dienstvergehen qualifiziert werden könne. Dessen ungeachtet habe sich die Frage der Beendigung des Altvertrages für den Beklagten im Laufe des Jahres 20 immer wieder gestellt. Dementsprechend habe er bei jeder Gelegenheit, in der er unterstellt habe, dass dieser Vertrag mit Ablauf des 31. Dezember 20 automatisch ende, erneut vorwerfbar seine Pflicht, die Notwendigkeit einer Kündigung zu prüfen bzw. prüfen zu lassen, verletzt.

Bereits mit Disziplinarverfügung vom 2. August 20 hatte der Kläger gegenüber dem Dezernenten I, dem Leitenden Kreisverwaltungsdirektor J., eine Geldbuße in Höhe von 2.000,00 Euro ausgesprochen. Ihm war vorgeworfen worden, rechtswidrig und schuldhaft seine Dienstpflichten aus §§ 34 und 35 Satz 1 BeamtStG dadurch verletzt zu haben, dass er den Beklagten als Amtsleiter in einer tatsächlich und rechtlich schwierigen Frage nicht hinreichend unterstützt habe. Als Dezernent I habe er dafür Sorge zu tragen gehabt, das Vergabeverfahren und die Beendigung des Altvertrages zu begleiten, sich fortwährend zu unterrichten sowie nachzufragen, wenn ihm bestimmte Problematiken bekannt seien. Aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit habe er von der Verlängerungsklausel Kenntnis gehabt; außerdem habe er mit dem Beklagten auch hinsichtlich des Neuvertrages eine Verlängerungsklausel abgesprochen. Bei der Neuvergabe der Abfallentsorgung habe es sich auch für den Dezernenten I um eine he-rausgehobene Angelegenheit gehandelt. Gegen die Disziplinarverfügung hat sich der Dezernent I mittels Klage gewandt, der das Verwaltungsgericht Hannover mit Urteil vom 30. Mai 2013 (18 A 4785/12) stattgegeben und die Disziplinarverfügung aufgehoben hat. Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass eine Dienstpflichtverletzung des Dezernenten I nicht vorliege. Wann ein tatsächlich oder rechtlich schwieriger Fall vorliege, der die Unterstützung der Amtsleitungen durch den Dezernenten erfordere, richte sich nach der personellen Ausstattung der Ämter. Da der Eigenbetrieb mit einem eigenen Justiziariat ausgestattet sei, habe der Dezernent I davon ausgehen können, nur noch auf Anforderung Unterstützung leisten zu müssen. Dass ihm aufgrund seiner Überprüfung des Altvertrages im Jahr 19 einzelne Vertragsklauseln noch erinnerlich gewesen seien, könne nicht erwartet werden. Gegen das stattgebende verwaltungsgerichtliche Urteil hat der Kläger am 2. Juli 2013 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, diesen jedoch mit Schreiben vom 12. August 2013 zurückgenommen. Dementsprechend hat der Senat das Zulassungsverfahren (20 AD 11/13) mit Beschluss vom 14. August 2013 eingestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten sowie auf die Beiakten des (erledigten) Zulassungsverfahrens 20 AD 11/13 verwiesen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten hat lediglich im tenorierten Umfang Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend das Vorliegen eines formellen Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens verneint (dazu unter I.), und auch seine Annahme, der Beklagte habe die ihm obliegende Dienstpflicht aus § 34 Satz 1 BeamtStG schuldhaft verletzt, hält der berufungsgerichtlichen Überprüfung stand (dazu unter II.). Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass das vom Beklagten begangene Dienstvergehen lediglich den Ausspruch einer Geldbuße - allerdings unter voller Ausschöpfung des gesetzlichen Höchstrahmens von 2.500,00 Euro - rechtfertigt, so dass das vorinstanzliche Urteil entsprechend zu ändern war.

I. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt der Beklagte, das behördliche Disziplinarverfahren leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 50 NDiszG, weil ihm der Kläger vor Durchführung der Schlussanhörung ein wesentliches Ermittlungsergebnis nicht bekanntgegeben habe.

Der Senat teilt allerdings nicht die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass nach der Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts durch das zum 1. Januar 2006 in Kraft getretene Niedersächsische Disziplinargesetz die Bekanntgabe eines wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen vor Durchführung der abschließenden Anhörung des Beamten nicht mehr erforderlich sei. Zutreffend ist zwar, dass es in § 21 Abs. 4 Satz 1 NDiszG lediglich heißt

"Nach Beendigung der Ermittlungen ist dem Beamten Gelegenheit zu geben, sich abschließend zu äußern",

während dem Beamten nach der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Rechtslage das wesentliche Ergebnis der (Vor-)Ermittlungen schriftlich bekanntzugeben und ihm Gelegenheit zu geben war, sich hierzu zu äußern (§ 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 der Niedersächsischen Disziplinarordnung - NDO -). Damit ist der niedersächsische Landesgesetzgeber der für Bundesbeamte geltenden Regelung gefolgt, denn auch nach § 30 Abs. 1, 1. Halbsatz des mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bundesdisziplinargesetzes (BDG) ist dem Beamten nach der Beendigung der Ermittlungen Gelegenheit zu geben, sich abschließend zu äußern, während die bis zum 31. Dezember 2001 geltende Bundesdisziplinarordnung (BDO) vorsah, dass dem Beamten das wesentliche Ergebnis der (Vor-)Ermittlungen bekannt zu geben war, ehe dessen abschließende Anhörung erfolgte (§ 26 Abs. 4 Satz 1, Satz 3 BDO). Hieraus jedoch zu schließen, dass die Bekanntgabe eines wesentlichen Ergebnisses der disziplinarbehördlichen Ermittlungen vor Durchführung der Schlussanhörung grundsätzlich nicht mehr erforderlich sei, greift aus Sicht des Senates zu kurz.

Ebenso wie die einleitende Anhörung (vgl. § 21 Abs. 2 NDiszG) ist auch die durch § 21 Abs. 4 Satz 1 NDiszG vorgeschriebene abschließende Anhörung des Beamten Ausdruck des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs. Das Schlussgehör kann jedoch nur dann effektiv ausgeübt werden, wenn dem Beamten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen bekannt sind (Bieler/Lukat, NDiszG, Stand: März 2012, § 21 Rn. 17; vgl. auch LT-Drs. 15/1130, S. 61), wenn der Beamte also darüber informiert ist, welche Vorwürfe weshalb als erwiesen angesehen werden. Genau diese Information musste indes das "wesentliche Ergebnis der Ermittlungen" im Sinne der zuvor geltenden Rechtslage enthalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.9.1967 - BVerwG 1 DV 3.67 -, BVerwGE 33, 102, 104; Bieler/Lukat, NDO, Stand: August 2006, § 26 Rn. 20), so dass eine Änderung der Rechtslage der Sache nach nicht eingetreten ist. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung zur Schlussanhörung nach § 30 BDG wörtlich:

"Die Durchführung dieser Anhörung bedingt eine Mitteilung des Ergebnisses der Ermittlungen, was nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts selbstverständlich ist und deshalb im Gesetz nicht eigens Erwähnung finden muss"

(Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 467/00, S. 107 [zu § 29 BDG]; in diesem Sinne auch Gansen, Disziplinarrecht, Stand: Oktober 2013, § 30 BDG Rn. 29 in Verbindung mit Rn. 5 sowie Bieler/Lukat, Das behördliche Disziplinarverfahren, 4. Auflage 2012 Rn. 84). Und auch der niedersächsische Landesgesetzgeber ist davon ausgegangen, dass dem Beamten die entscheidungserheblichen Tatsachen - sofern sie ihm nicht bereits bekannt seien - vor Durchführung der Schlussanhörung mitgeteilt werden müssten; dies sei nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts selbstverständlich und finde deshalb im Gesetz nicht eigens Erwähnung (LT-Drs. 15/1130, S. 61f.). Zwar mag die Bekanntgabe der entscheidungserheblichen Tatsachen bzw. des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen im Einzelfall auch durch die Gewährung von Akteneinsicht erfolgen können (in diesem Sinne die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Kommentierung von Bieler/Lukat, NDiszG, § 21 Rn. 17; vgl. auch LT-Drs. 15/1130, S. 61f.), etwa wenn die Disziplinarakte bei Durchführung der Akteneinsicht ein abschließendes Ergebnis der Ermittlungen, z.B. in Gestalt eines entsprechenden Vermerks, bereits enthält. Im Streitfall allerdings sind dem Beklagten, der zunächst Einsicht in Bl. 1 bis 90 der Disziplinarakte (Beiakte B) genommen hatte, vor Durchführung der Schlussanhörung lediglich die Protokolle der Zeugenvernehmungen (Bl. 119 bis 186/Beiakte B) sowie weitere Unterlagen übersandt worden. Aus diesen allein konnte er nicht entnehmen, welche Vorwürfe der Kläger aus welchem Grund als erwiesen ansah.

Ein wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens im Sinne von § 50 NDiszG - gar ein, wie der Beklagte meint, zur Klagabweisung führender unbehebbarer Mangel - ergibt sich aus diesem Verfahrensverstoß jedoch nicht. Denn der Beklagte hatte im gerichtlichen Disziplinarverfahren hinreichend Gelegenheit, zu den aus Sicht des Klägers entscheidungserheblichen Tatsachen, insbesondere der klägerischen Beweiswürdigung, Stellung zu nehmen. Damit ist der Mangel der nicht ordnungsgemäß erfolgten Anhörung gemäß § 4 NDiszG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG), § 45 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) geheilt worden.

II. Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Beklagte ein Dienstvergehen begangen, also schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt hat (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG).

1. Der Beklagte hat als Betriebsleiter des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft des Klägers nicht dafür Sorge getragen, dass der Entsorgungsvertrag mit der L. rechtzeitig gekündigt wurde. Als Betriebsleiter des Eigenbetriebes mit etwa 63 Mitarbeitern war der Beklagte für die Vergabe von Aufträgen zuständig (vgl. Ziffer 4 der Arbeitsplatzbeschreibung des vorherigen Dienstposteninhabers vom 12. Januar 1998, Bl. 56/Beiakte B). Innerhalb seiner Aufgabengebiete wird der Betriebsleiter selbst zwar in der Regel nicht bei Routinefällen, sondern nur bei herausgehobenen Sonderfällen tätig (vgl. Ziffer I. a der Dienstpostenbewertung "Werkleiter Eigenbetrieb Abfallwirtschaft" durch das Haupt- und Personalamt des Klägers vom 14. Januar 1998, Bl. 60/Beiakte B). Dass es sich indes bei der Neuvergabe der Entsorgung der Siedlungsabfälle des Klägers mit einer Liefermenge von etwa 11.000,00 t Abfall pro Jahr um einen solchen herausgehobenen Sonderfall handelt, liegt auf der Hand. Der Vertrag über die Entsorgung der Siedlungsabfälle stellt - bezogen auf den Gesamtgeschäftsbereich des Eigenbetriebes - dessen Hauptvertrag dar (vgl. die Aussage des Zeugen Q., Bl. 131/Beiakte B). Der Abschluss eines Entsorgungsvertrages dieser Größenordnung hat zudem erhebliche finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt des Klägers sowie auf die dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegenden Einwohner des Klägers als Gebührenzahler. Außerdem wirft die Vergabe eines derartigen öffentlichen Auftrags eine Vielzahl rechtlicher - insbesondere auch vergaberechtlicher - Fragestellungen auf und unterscheidet sich auch deshalb von den Routineaufgaben bzw. dem "Tagesgeschäft" im Bereich des Eigenbetriebes. Da die geplante Neuvergabe der Abfallentsorgung zwingend voraussetzt, die bestehende Vertragslage im Hinblick auf die Laufzeit zu prüfen und ggf. eine Kündigung des Altvertrages vorzunehmen, war der Beklagte auch hierfür selbst zuständig.

Ob der Beklagte seiner Verpflichtung, selbst für die rechtzeitige Kündigung des Altvertrages mit der L. Sorge zu tragen, durch eine Organisation des Eigenbetriebes dahingehend genügt hätte, ein zentrales Vertragsmanagement mit automatischen Erinnerungen zu Vertragslaufzeiten bzw. Verlängerungsoptionen einzuführen, kann dahinstehen. Denn ein solches System der automatischen Erinnerung ist unstreitig erst nach Bekanntwerden der nicht rechtzeitig erfolgten Kündigung des Altvertrages zu Beginn des Jahres 20 eingerichtet worden (Aussagen der Zeugin K. [Bl. 122/Beiakte B], der Zeugin R. [Bl. 134/Beiakte B], der Zeugin S. [Bl. 138/Beiakte B] und des Zeugen T. [Bl. 181/Beiakte B]).

Der Beklagte hätte den Altvertrag mit der L. entweder persönlich überprüfen oder sich insoweit juristischer Hilfe, etwa durch die Justiziarin des Eigenbetriebes, bedienen müssen. Beides ist jedoch nicht geschehen. Der Beklagte ist weder selbst auf die Verlängerungsklausel des § 6 Abs. 2 des Altvertrages gestoßen noch hat er die Justiziarin des Eigenbetriebes gebeten, den Altvertrag im Hinblick auf dessen Laufzeit bzw. eine etwa noch erforderliche Kündigung durchzusehen. Er hat den Altvertrag vielmehr insoweit gar nicht eingesehen, sondern ist - wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet hat - von einem automatischen Vertragsablauf zum 31. Dezember 20 ausgegangen, weil sich dieses Datum "bei ihm eingebrannt" hatte.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es zur originären Aufgabe der Justiziarin gehört habe, die Frage der korrekten Vertragsbeendigung zu prüfen. Zwar ergibt sich aus Ziffer 2h der Aufgabenbeschreibung des Eigenbetriebes, dass dessen Justiziariat u.a. für den Bereich "Ausschreibungen für die Abfallentsorgung und Abfalllogistik" zuständig ist (Bl. 67/Beiakte B), wozu auch die Frage der Beendigung von Altverträgen gehört (s. o.). Und auch der Arbeitsplatzbeschreibung des Justiziariats lässt sich entnehmen, dass diesem die juristische Beratung der Betriebsleitung sowie u.a. das Vertrags- und Vergaberecht zugewiesen ist (Bl. 72/Beiakte B); zudem soll die Beratung des Eigenbetriebes in allen rechtlichen Fragestellungen - etwa im Vertragsmanagement und in Vergabeverfahren - nicht nur die rein juristische Beratung umfassen, sondern das Fällen von Entscheidungen mit einschließen, und zwar zum einen in Zusammenarbeit mit der Werksleitung, aber zum anderen auf dem rein juristischen Sektor auch allein (Bl. 74/Beiakte B); Hauptaufgabe des Justiziariats sei es, rechtliche Probleme im Vorfeld zu erkennen und Lösungen hierfür zu entwickeln und umzusetzen (Bl. 75/Beiakte B). In der tatsächlichen Praxis des Eigenbetriebes bestand jedoch ein "Vertragsmanagement" in dem Sinne, dass die Justiziarin hinsichtlich aller Verträge des Eigenbetriebes fortlaufend eingebunden war, sie diese grundsätzlich überwachte und sich dementsprechend alle Vertragsunterlagen in ihrem Büro befanden, nicht, d.h. eine Umsetzung der genannten Vorgaben war nicht erfolgt. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Aussagen der im behördlichen Verfahren vernommenen Zeugen K., S. und T.. Die Zeugin K. hat bekundet, dass das Justiziariat in ihrer Person zum maßgeblichen Zeitpunkt nur nach Bedarf aktiviert worden sei (Bl. 121/Beiakte A); in viele Bereiche - etwa den der Stilllegung, Abdeckung und Rekultivierung der Deponie "V." - sei sie gar nicht eingebunden gewesen, sondern diese seien vom Beklagten allein oder mit Hilfe anderer Kollegen bearbeitet worden (Bl. 121, 126/Beiakte B). Diese Aussage wird bestätigt durch die Aussage der Zeugin S., wonach die Justiziarin Ansprechpartnerin für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezüglich aller Verträge gewesen sei; wenn es rechtliche Fragen gegeben habe, seien diese an die Justiziarin weitergeleitet worden (Bl. 138/Beiakte B). Auch der Zeuge T. hat erklärt, dass es in der Vergangenheit Projekte wie das der Deponie "V." gegeben habe, bei denen er direkt mit dem Beklagten zusammengearbeitet habe; bei solchen Projekte seien nach Bedarf weitere Personen hinzugezogen worden, etwa bei Rechtsfragen die Justiziarin (Bl. 180/Beiakte B); in der Vergangenheit sei jeder für seinen Aufgabenbereich und die zugehörigen Verträge selbst verantwortlich gewesen; in der Abteilungsleiterrunde seien die Verträge dann bei Bedarf angesprochen worden (Bl. 181f./Beiakte B). Und auch der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, dass sich der Altvertrag aufgrund seiner Wichtigkeit stets in seinem Büro befunden habe (B. 99/Gerichtsakte), was - auch wenn sein Büro für die Justiziarin ohne weiteres zugänglich gewesen ist - ebenfalls gegen eine tatsächlich praktizierte fortlaufende Überprüfung des Altvertrages durch das Justiziariat des Eigenbetriebes spricht. Infolgedessen kommt es auf die Frage, ob der Beklagte durch die ordnungsgemäße Umsetzung der Arbeitsplatzvorgaben im Hinblick auf das Justiziariat seiner originären Prüfungspflicht nachgekommen wäre - oder ob ihn angesichts der herausgehobenen Bedeutung der geplanten Neuvergabe jedenfalls die Verpflichtung getroffen hätte, sich zu vergewissern, ob eine Überwachung tatsächlich stattgefunden hatte - nicht an.

2. Durch sein Verhalten hat der Beklagte seine Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), schuldhaft verletzt.

Zur Berufsausübung mit vollem persönlichem Einsatz gehört auch die ordnungsgemäße Erledigung der Dienstgeschäfte, so dass gegen diese Pflicht verstößt, wer während der Zeit der Dienstleistung Schlecht- oder Minderleistungen erbringt. Der Beklagte hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung nicht jede fehlerhafte oder nachlässige Arbeitsweise ein Dienstvergehen darstellt. Gleichwohl begegnet die Feststellung des Verwaltungsgerichts, das Versäumnis des Klägers überschreite die Schwelle disziplinarrechtlicher Relevanz und sei daher als Dienstvergehen zu qualifizieren, keinen rechtlichen Bedenken.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch der fähigste und zuverlässigste Beamte Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen und macht gelegentlich Fehler, die eine Verwaltung vernünftigerweise in Kauf nehmen muss. Die Plicht zur ordnungsgemäßen Ausübung des Dienstes habe deshalb regelmäßig nur eine im Ganzen durchschnittliche Leistung zum Gegenstand. Um ein nachlässiges Gesamtverhalten als in disziplinarrechtlicher Hinsicht pflichtwidrig zu kennzeichnen, bedürfe es daher des Nachweises mehrerer einigermaßen gewichtiger Mängel der Arbeitsweise, die insgesamt über das in Einzelfällen bei einem durchschnittlichen Beamten noch tolerierbare Versagen eindeutig hinausgingen und nicht auf bloßes Unvermögen, sondern auf echte Schuld zurückzuführen seien (BVerwG, Urteil vom 23.7.1991 - BVerwG 1 D 40.90 -, [...] Rn. 42; Urteil vom 12.2.1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, [...] Rn. 39; Beschluss vom 9.1.2000 - BVerwG 1 D 8.96 -, [...] Rn. 58; ebenso Bay. VGH, Urteil vom 17.3.2004 - 16a D 03.138 -, [...] Rn. 64; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 21.2.2013 - OVG 81 D 2.10 -, [...] Rn. 80; VG Düsseldorf, Urteil vom 2.5.2005 - 35 K 2552/04.O -, [...] Rn. 26; VG Saarlouis, Urteil vom 23.10.2009 - 4 K 524/08 -, [...] Rn. 115). Ausgehend von diesen Grundsätzen können also dienstliche Schlecht- oder Minderleistungen schon deshalb nicht als Dienstvergehen einzustufen sein, weil sie auf bloßem Unvermögen - d.h. nicht auf einem Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsschuldvorwurf ("echte Schuld") - beruhen, die Annahme eines Dienstvergehens aber gerade eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung voraussetzt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Dass das Versäumnis des Beklagten, für die rechtzeitige Kündigung des Altvertrages Sorge zu tragen, indes auf seinem Unvermögen beruhte - also etwa auf mangelnde Übersicht, mangelndes intellektuelles Vermögen, mangelnde Ausdauer oder mangelndes Konzentrationsvermögen zurückzuführen war (vgl. Brägelmann, in: Schütz/Schiemann, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 4. Auflage, Stand: Februar 2012, Teil C Rn. 57) -, ist nicht erkennbar. Der Beklagte hat vielmehr diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, zu der er nach den Umständen des Einzelfalles verpflichtet und zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten auch imstande war, so dass ihn ein Fahrlässigkeitsschuldvorwurf trifft (vgl. Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, A Rn. 28). Denn als Betriebsleiter des Eigenbetriebes - und damit als einem in einer leitenden Position befindlichen Beamten - musste dem Beklagten die Wichtigkeit der ordnungsgemäßen Vertragsbeendigung vor Neuausschreibung der Abfallentsorgung bekannt sein.

Dem Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass im Streitfall eine Häufung von Mängeln im Sinne der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vorliegt. Insbesondere vermag der Senat der Rechtsauffassung des Klägers nicht beizutreten, dass sich die Frage der Beendigung des Altvertrages für den Beklagten im Laufe des Jahres 20 immer wieder gestellt habe, so dass er bei jeder Gelegenheit, in der er von einem automatischen Vertragsablauf zum 31. Dezember 20 ausgegangen sei, erneut eine schuldhafte - nämlich fahrlässige - Schlechtleistung erbracht habe. Denn auch wenn die Fehlvorstellung des Beklagten über das ganze Jahr 20 hinweg andauerte und von ihm auch entsprechend kommuniziert wurde, beruhte sie doch auf dem alleinigen Versäumnis, die geltende Vertragslage nicht überprüft bzw. eine solche Überprüfung nicht veranlasst zu haben, so dass lediglich eine einmalige fahrlässig begangene Schlechtleistung vorliegt. Der Senat ist jedoch wie das Verwaltungsgericht der Ansicht, dass auch eine solche die Annahme eines Dienstvergehens nicht hindert, wenn im Kernbereich der dem Beamten obliegenden Pflichten eine Tätigkeit in Rede steht, welche wegen ihrer herausgehobenen Bedeutung erkennbar besonderer Sorgfalt bedarf (so auch OVG Rh.-Pf., Urteil vom 10.5.1999 - 3 A 12725/98 -, [...] Rn. 29; VG Trier, Urteil vom 4.11.2008 - 3 K 485/08.TR -, [...] Rn. 23; Brägelmann, a.a.O., Teil C Rn. 23; ebenso wohl auch VG Berlin, Urteil vom 7.5.2013 - 80 K 46.12 OL -, [...] Rn. 19 ["offensichtliche Pflichtverletzungen im Kernbereich der Dienstpflichten"]) und der Beamte jedenfalls grob fahrlässig gehandelt hat (a. Auff. VG Düsseldorf, Urteil vom 2.5.2005, a.a.O., Rn. 26, das bei einer einmaligen Schlechtleistung nur dann ein Dienstvergehen annimmt, wenn diese vorsätzlich erfolgt ist, "also ausgesprochene Widersetzlichkeit oder bewusste Nachlässigkeit darstellt"). So liegt es hier.

Die Pflicht des Beamten zur gewissenhaften und ordnungsgemäßen Dienstleistung betrifft den Kernbereich seiner Dienstpflichten. Auch bedurfte die Prüfung, ob der Altvertrag automatisch ausläuft oder ob insoweit ein Kündigungserfordernis besteht, wegen ihrer herausgehobenen Bedeutung erkennbar besonderer Sorgfalt. Da der Vertrag über die Entsorgung der Siedlungsabfälle im Bereich des Klägers mit einem Lieferumfang von etwa 11.000,00 t Abfall pro Jahr den Hauptvertrag des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft mit erheblichen finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt des Klägers und die Gebührenkalkulation darstellt, die Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags dieser Größenordnung schon aufgrund der zu beachtenden vergaberechtlichen Bestimmungen besonders "gefahrgeneigt" ist und Entsorgungsverträge regelmäßig eine längere Laufzeit haben, ist der gesamte Vorgang der Neuvergabe des Entsorgungsvertrages - und damit auch die Prüfung des Altvertrages als dessen notwendige Voraussetzung - nicht dem routinemäßigen "Tagesgeschäft" des Eigenbetriebes zuzurechnen, sondern zählt zu dessen nicht alltäglich auftretenden herausgehobenen Tätigkeiten.

Das Verhalten des Beklagten ist schließlich auch als grob fahrlässig zu werten. Ein derartiges Verhalten ist dann anzunehmen, wenn die Handlungen eines Beamten durch ein besonderes Maß an Leichtfertigkeit gekennzeichnet sind, er also in grober Achtlosigkeit nicht erkennt, sich pflichtwidrig zu verhalten (BVerwG, Urteil vom 8.12.1999 - 1 D 29.98 -, [...] Rn. 13; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 21.2.2013, a.a.O., Rn. 84). Dies ist bezogen auf die hier betrachtete Pflichtverletzung der Fall. Denn angesichts der herausgehobenen Bedeutung des Entsorgungsvertrages, der für den Beklagten als Leiter des Eigenbetriebes ohne weiteres erkennbar war, stellt sich sein Versäumnis, den Altvertrag nicht auf eine Verlängerungsklausel hin überprüft bzw. eine solche Überprüfung nicht veranlasst zu haben, als in besonderem Maße leichtfertig dar. Da Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht ersichtlich sind, liegt ein Dienstvergehen des Beklagten im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vor.

Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt dieses Ergebnis gerade auf der Linie der eingangs zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Diese Rechtsprechung basiert auf dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass ein disziplinarrechtliches Einschreiten erst dann erforderlich ist, wenn der Pflichtverletzung ein gewisser disziplinarischer Unrechtsgehalt innewohnt, sie also ein Minimum an Gewicht und Evidenz besitzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, [...] Rn. 45; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 21.2.2013, a.a.O., Rn. 80; Nds. OVG, Beschluss vom 9.1.2014 - 20 AD 6/13 -). Vor diesem Hintergrund bezeichnet der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Rechtssatz, dass es zur Kennzeichnung eines nachlässigen Gesamtverhaltens als in disziplinarrechtlicher Hinsicht pflichtwidrig des Nachweises mehrerer gewichtiger Mängel in der Arbeitsweise bedarf (BVerwG, Urteil vom 23.7.1991, a.a.O., Rn. 42; Urteil vom 12.2.1992, a.a.O., Rn. 39; Beschluss vom 9.1.2000, a.a.O., Rn. 58) bzw. dass ein einmaliges fahrlässiges Versagen auch dann, wenn es den Kernbereich der dienstlichen Tätigkeit betrifft, noch nicht die Qualität pflichtwidrigen Verhaltens mit disziplinarrechtlicher Relevanz erreicht (BVerwG, Urteil vom 12.2.1992, a.a.O., Rn. 39), nur eine der möglichen Fallgruppen und schließt daher nicht aus, bereits im Fall eines gewichtigen Fehlers, in dem sich ein höheres Maß an Schuld des Beamten als einfache Fahrlässigkeit offenbart, ein Dienstvergehen anzunehmen. Denn auch eine einmalige grob fahrlässig begangene Schlechtleistung in einem Bereich, der wegen seiner herausgehobenen Bedeutung erkennbar besonderer Sorgfalt bedarf, kann - wie hier - von ihrem Unrechtsgehalt her über das bei einem durchschnittlichen Beamten (des jeweiligen Statusamtes) noch tolerierbare Verhalten eindeutig hinausgehen.

III. Der Senat vermag dem verwaltungsgerichtlichen Urteil jedoch im Hinblick auf den Umfang der ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme nicht beizutreten und hat die vorinstanzliche Entscheidung daher entsprechend abgemildert.

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG) unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG) und des Umfangs, in dem der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beschädigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG). Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese drei Bemessungskriterien - Schwere des Dienstvergehens, Persönlichkeitsbild, Vertrauensbeeinträchtigung - mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, [...] Rn. 22).

Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte, z.B. materieller Schaden (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a.a.O., Rn. 24; Urteil vom 11.1.2007 - BVerwG 1 D 16.05 -, [...] Rn. 55; Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, [...] Rn. 13; Urteil vom 7.2.2008 - BVerwG 1 D 4.07 -, [...] Rn. 14).

Die angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG) bedeutet, dass es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankommt, insbesondere soweit es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a.a.O., Rn. 25; Urteil vom 3.5.2007, a.a.O., Rn. 14). Ein Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch die tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a.a.O., Rn. 14).

Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NdiszG) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter, daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und auf dessen konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a.a.O., Rn. 15). Ob und ggf. inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, d.h. es ist die Frage zu stellen, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Ebenso ist zu fragen, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und entlastenden Umstände bekannt würde (BVerwG, Urteil vom 25.10.2010, a.a.O., Rn. 26).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hält der Senat die von der Vorinstanz ausgesprochene Gehaltskürzung (§ 9 NDiszG) nicht für die hier angemessene Disziplinarmaßnahme, sondern sieht das Dienstvergehen des Beklagten unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände lediglich als so schwerwiegend an, dass der Ausspruch einer Geldbuße (§ 8 NDiszG) gerechtfertigt ist.

Zu Lasten des Beklagten ist in die Abwägung einzustellen, dass er im Kernbereich seiner Dienstpflichten in einem hervorgehobenen, besonders "gefahrgeneigten" Bereich versagt hat und dieses - auf grober Fahrlässigkeit beruhende - Versäumnis aufgrund der "Überschneidung" zweier Entsorgungsverträge die Gefahr erheblicher finanzieller Mehrbelastungen für den klägerischen Haushalt in sich birgt.

Zu berücksichtigen ist indes auch, dass es angesichts eines derart herausgehobenen Vorgangs wie dem der Neuvergabe der Abfallentsorgung angezeigt gewesen wäre, dass - ungeachtet des Vorhandenseins eines eigenständigen Justiziariats im Bereich des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft - der Dezernent I als Vorgesetzter des Beklagten die geltende Vertragslage selbst überprüft bzw. sich zumindest durch ausdrückliche Nachfrage vergewissert, ob der Beklagte die Frage einer etwaigen Verlängerungsklausel des Altvertrages in den Blick genommen hat. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil im Rahmen der Klausurtagung am 30. Juni 20 im Hinblick auf die Neuausschreibung eine Vertragslaufzeit von 3 Jahren "mit Verlängerungsoption bei Nichtkündigung auf insgesamt 6 Jahre" vereinbart worden ist (Bl. 113/Beiakte B; vgl. auch die Umsetzung dieser Vereinbarung durch § 16 Abs. 2 des neuen Entsorgungsvertrages, Bl. 11/Beiakte B im Verfahren 20 AD 11/13). Der Dezernent I hätte daher spätestens aus Anlass der entsprechenden Nachfrage in der Betriebsausschusssitzung vom 1. Dezember 20 Anlass gehabt, den Beklagten zu fragen, ob dessen Aussage auf einer tatsächlich erfolgten Prüfung des Altvertrages beruht. Zudem hätte es aus Sicht des Senats nahegelegen, dass sich auch die Landrätin selbst über die bestehende Vertragslage informiert. Dass die Neuvergabe der Abfallentsorgung letztlich "Chefsache" ist, ergibt sich schon daraus, dass sowohl der Neuvertrag als auch die Kündigung des Altvertrages von der Landrätin persönlich unterzeichnet worden sind. Da auch sie in der Betriebsausschusssitzung am 1. Dezember 20 anwesend war, hätte auch für sie Anlass bestanden, sich vor dem Hintergrund eines für den klägerischen Haushalt derart bedeutsamen Themenkomplexes jedenfalls durch Nachfrage bei den ihr unterstehenden Beamten zu versichern, dass die Annahme eines automatischen Auslaufens des Altvertrages auf einer durchgeführten Prüfung desselben beruht.

Zugunsten des Beklagten ist weiterhin zu berücksichtigen, dass er disziplinarisch nicht vorbelastet ist.

Hinsichtlich des Aspekts der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit ist in die Abwägung einzubeziehen, dass der Kläger zwar in der Disziplinarklageschrift ausgeführt hat, die dienstliche Einsetzbarkeit des Beklagten sei beschränkt und eine Umsetzung werde vorbereitet; tatsächlich ist eine Umsetzung des Beklagten auf den Dienstposten des Leiters des Bereichs Gebäudewirtschaft aber erst mit Wirkung vom 30. April 20 und unter Berufung auf den stattgefundenen Neustrukturierungsprozess erfolgt. Der Beklagte ist also nach Bekanntwerden des streitgegenständlichen Vorwurfs noch über ein Jahr auf dem Dienstposten des Betriebsleiters des Eigenbetriebes eingesetzt gewesen, und auch mit seinem Einsatz auf dem neuen Dienstposten, der u.a. den Aufgabenbereich der Gebäudesanierung umfasst, hat der Kläger deutlich gemacht, dem Beklagten auch weiterhin (vergabe)rechtlich und finanziell bedeutsame Projekte - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist deutlich geworden, dass diese Projekte Volumina von 30 Millionen Euro erreichen können - anvertrauen zu wollen. Zugunsten des Beklagten ist auch zu berücksichtigen, dass der Kreistag der Betriebsleitung des Eigenbetriebes Abfallwirtschaft mit Beschluss vom 15. Oktober 20 für das Wirtschaftsjahr 20 Entlastung erteilt hat (Bl. 51/GA).

Nach alledem erachtet der Senat die Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 2.500,00 Euro nach § 8 NDiszG als angemessen, um dem Beklagten seinen Pflichtenverstoß nachhaltig vor Augen zu führen und ihn dazu anzuhalten, in Zukunft seine Dienstpflichten gewissenhaft zu erfüllen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 69 Abs. 2 NDiszG. Danach trägt der Beamte, gegen den im Disziplinarklageverfahren vom Verwaltungsgericht eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen wird, die Kosten des Verfahrens (Satz 1); spricht das Verwaltungsgericht eine der in § 33 Abs. 1 NDiszG genannten Disziplinarmaßnahmen aus, so können die Kosten verhältnismäßig geteilt werden (Satz 2). Da hier auf eine in § 33 Abs. 1 NDiszG genannte Maßnahme erkannt wurde, macht der Senat von der Vorschrift des § 69 Abs. 2 Satz 2 NDiszG Gebrauch und legt die Kosten des gesamten Verfahrens dem Kläger und dem Beklagten je zur Hälfte auf.

Dieses Urteil ist rechtskräftig (§ 61 Abs. 2 NDiszG).

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.293,06 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 71 Abs. 1 NDiszG in Verbindung mit §§ 40, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG - in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG) und ergibt sich - da eine (Anschluss-)Berufung des Klägers nicht vorliegt - aus der Summe der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Kürzung der Dienstbezüge (10% der Besoldungsgruppe A 13, Stufe 10 [= 429,306 Euro] x 10 Monate).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 NDiszG in Verbindung mit § 152 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, § 71 NDiszG in Verbindung mit §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Schmidt
Dr. Drews
Dr. Schütz