Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.09.2014, Az.: 5 ME 135/14
Vereinbarkeit der Eingrenzung des Bewerberfelds nach dem innegehabten Amt mit Art. 33 Abs. 2 GG; Bemessung des Streitwertes in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei Verhinderung der Besetzung mehrerer Stellen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.09.2014
- Aktenzeichen
- 5 ME 135/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 21540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2014:0905.5ME135.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 25.07.2014
Rechtsgrundlage
- Art. 33 Abs. 2 GG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Zur Frage, ob es mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist, das Bewerberfeld nach dem innegehabten Amt einzugrenzen.
- 2.
Zur Bemessung des Streitwertes in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, wenn die Besetzung mehrerer Stellen verhindert werden soll.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 25. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 34.846,38 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die als Stadtamtsrätin (Besoldungsgruppe A 12) bei der Antragsgegnerin tätig ist, wendet sich gegen die Besetzung zweier durch die Antragsgegnerin ausgeschriebener Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15 mit den Beigeladenen, die beide bei der Antragsgegnerin als Stadtoberamtsräte (Besoldungsgruppe A 13) tätig sind.
In der am 9. Dezember 20 erfolgten Ausschreibung war für beide Dienstposten als Anforderungsprofil unter anderem bestimmt, dass ein Amt mindestens der Besoldungsgruppe A 13 bekleidet sein muss. Die Antragstellerin wurde von der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt, weil sie diese Voraussetzung des Anforderungsprofils nicht erfüllt. Daraufhin hat die Antragstellerin gegen die zu Gunsten der beiden Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidungen der Antragsgegnerin Klage erhoben und zugleich um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 25. Juli 2014 abgelehnt. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den verwaltungsgerichtlichen Beschluss, wonach die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat, abzuändern.
Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht nicht beanstandet, dass die Antragsgegnerin für die beiden streitigen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15 als Anforderungsprofil unter anderem bestimmt hat, dass die Bewerber ein Amt mindestens der Besoldungsgruppe A 13 innehaben müssen. Der Senat macht sich die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses zu Eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ist das Folgende zu ergänzen bzw. hervorzuheben:
Der Dienstherr kann über die Eignung des Bewerberfeldes in einem "gestuften Auswahlverfahren" befinden. Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Gründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Eignungs- und Leistungsvergleich einbezogen werden (BVerwG, Beschluss vom 6.4.2006 - BVerwG 2 VR 2.05 -, [...] Rn 7; Nds. OVG, Beschluss vom 20.12.2013 - 5 ME 260/13 -). Dies gilt auch für Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn 23). Es ist grundsätzlich zulässig, dass der Dienstherr im Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens zwischen Kriterien, die zwingend erfüllt sein müssen, und solchen Kriterien, deren Erfüllung wünschenswert ist, differenziert, und dass er Bewerber schon dann ablehnt, wenn sie bestimmte zwingende Merkmale des Anforderungsprofils nicht erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.2.2010 - BVerwG 2 C 22.09 -, [...] Rn 15; Nds. OVG, Beschluss vom 26.10.2012 - 5 ME 220/12 -, [...] Rn 13 m. w. N.).
Das Anforderungsprofil selbst muss jedoch den rechtlichen Vorgaben entsprechen (BVerfG, Beschluss vom 20.9.2007 - 2 BvR 1972/07 -, [...] Rn 14; Nds. OVG, Beschluss vom 20.12.2013 - 5 ME 260/13 -). Auch die Organisationsgewalt ist dem Dienstherrn nicht schrankenlos zugesprochen; dieser hat vielmehr die gesetzlichen Vorgaben - und damit insbesondere den Grundsatz der Bestenauslese - zu berücksichtigen und darf sich nicht von sachwidrigen Erwägungen leiten lassen. Eine Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt kann deshalb nur aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgen (BVerfG, Beschluss vom 20.9.2007, a. a. O., Rn 14).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin für die beiden streitigen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15 als Anforderungsprofil unter anderem bestimmt hat, dass die Bewerber ein Amt mindestens der Besoldungsgruppe A 13 innehaben müssen. Art. 33 Abs. 2 GG hindert den Dienstherrn nicht, einen bestimmten Status als Mindestvoraussetzung vorzuschreiben. Jede Beförderung ist auf Grundlage der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des Beamten vorzunehmen. Mit einer solchen Beförderung werden diese dienstlichen Eigenschaften des Beamten förmlich anerkannt. Er wird in aller Regel Inhaber eines Amtes mit größerem Verantwortungsbereich und damit aus der Gruppe derjenigen Beamten herausgehoben, die vorher mit ihm das gleiche, geringer eingestufte Amt innehatten. Darüber hinaus gehört es zu den überkommenen Grundlagen des Berufsbeamtentums, dass mit einem höheren Amt auch höhere Dienstbezüge verbunden sind. Die Eingrenzung des Bewerberfeldes nach dem innegehabten Amt ist daher grundsätzlich mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar und entspricht dem Grundgedanken des Laufbahnrechts (BVerfG, Beschluss vom 20.9.2007, a. a. O., Rn 18).
Der Senat teilt die von dem Verwaltungsgericht im Einzelnen begründete Einschätzung, dass der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Eingrenzung des Bewerberfeldes keine sachfremden Erwägungen zugrunde liegen, die Eingrenzung insbesondere nicht gezielt vorgenommen worden ist, um die Antragstellerin aus dem Bewerberkreis auszuschließen (S. 5 f. des Beschlussabdrucks).
Die Antragstellerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf den zeitlichen Ablauf der Geschehnisse berufen, die der Stellenausschreibung vom 9. Dezember 20 vorausgegangen sind. Denn die Antragstellerin hat den zeitlichen Ablauf mit der Beschwerdebegründung unzutreffend wiedergegeben. Ihre Darstellung, die Antragsgegnerin habe die beiden Beigeladenen und drei weitere Inhaber von Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13, die schon aufgrund eines für den 13. September 20 geplanten Ratsbeschlusses ohne vorherige Durchführung eines Auswahlverfahrens hätten befördert werden sollen, etwa im Oktober/November 20 zu einer Fortbildungsveranstaltung entsandt, um sie für die beabsichtigte Beförderung zu qualifizieren, trifft nicht zu. Die Fortbildungsmaßnahmen fanden vielmehr - wie die Antragsgegnerin durch Übersendung der Anwesenheitsliste (Anlage 2 zur Beschwerdeerwiderung) belegt hat - zwischen dem 19. Juli 20 und dem 29. Juli 20 statt. Seinerzeit war die Antragsgegnerin noch von ihren früheren Auswahlrichtlinien ausgegangen, an deren Stelle jedoch nach Maßgabe des Rundschreibens Nr. 67/20 des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 20 vorläufig das in diesem Rundschreiben geregelte Auswahlverfahren getreten ist. Die Entscheidung, die beiden Beigeladenen und drei weitere Inhaber von Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13 an den Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen zu lassen, war schon am 23. Mai 20 anlässlich einer behördeninternen Besprechung, an der auch die Antragstellerin als Leiterin des Fachdienstes (I.) teilgenommen hat, abgestimmt worden. Dies ergibt sich aus dem Vermerk des Fachdienstes (J.) vom 3. Juli 20 (Anlage 1 zur Beschwerdeerwiderung).
Mit ihrem Einwand, die beiden Beigeladenen hätten aufgrund der Verfahrensweise der Antragsgegnerin keine Konkurrenz durch andere Bewerber befürchten müssen, dringt die Antragstellerin ebenfalls nicht durch. Denn die Antragsgegnerin hat schon erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 24. Juli 2014 vorgetragen, dass neben den beiden Beigeladenen mehrere andere Beamte das am Statusamt A 13 orientierte Kriterium erfüllt haben und sich auf die beiden streitigen Stellen hätten bewerben können.
Die Antragstellerin kann ihr Vorbringen, der Eingrenzung des Bewerberfeldes hätten sachfremde Erwägungen zugrunde gelegen, auch nicht mit Erfolg auf den Umstand stützen, dass die Antragsgegnerin im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens im Fachbereich K. einen neuen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13 geschaffen hat. Hierzu hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 24. Juli 2014 erläutert, dass diese Maßnahme im Zuge einer Umorganisation in dem genannten Fachbereich erfolgt und Ausfluss einer breit angelegten Organisationsuntersuchung/-entwicklung mit externer Unterstützung sei, um die Abläufe in diesem Bereich zu optimieren. Die Darlegungen der Antragsgegnerin sind schlüssig und nachvollziehbar. Sie belegen nach Auffassung des Senats nicht, dass es der Antragsgegnerin ohne weiteres möglich gewesen wäre, neue Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13 zu schaffen, so dass es der im vorliegenden Fall streitigen Eingrenzung des Bewerberfeldes nicht bedurft hätte. Die geschilderte organisationsrechtliche Maßnahme der Antragsgegnerin war vielmehr der speziellen Situation in dem genannten Fachbereich geschuldet.
Mit der Eingrenzung des Bewerberfeldes auf Beamte, die ein Amt mindestens der Besoldungsgruppe A 13 innehaben, hat die Antragsgegnerin schließlich auch nicht gegen das von ihrem Rat am 10. September 20 beschlossene Qualifizierungskonzept verstoßen. Das Qualifizierungskonzept regelt nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 NLVO die Qualifizierung von Beamten als Voraussetzung für die Übertragung eines Amtes der Besoldungsgruppe A 14 durch Beförderung. Es bestimmt, dass die Übertragung eines solchen Amtes unter anderem eine mindestens dreijährige Verwendung in einer sonstigen Funktion ab Besoldungsgruppe A 12 voraussetzt. Das Qualifizierungskonzept bindet die Antragsgegnerin zwar - wie die Antragstellerin richtig vorgetragen hat - hinsichtlich der Übertragung eines Amtes der Besoldungsgruppe A 14 durch Beförderung. Vorliegend ist jedoch nicht die Übertragung eines Amtes der Besoldungsgruppe A 14 streitig, sondern die Übertragung eines Amtes der Besoldungsgruppe A 15. Dazu verhält sich das genannte Qualifizierungskonzept nicht. Die Antragsgegnerin war deshalb nicht durch das Qualifizierungskonzept daran gehindert, in Ausübung ihres Organisationsermessens bezogen auf die hier streitigen Stellen der Besoldungsgruppe A 15 das Bewerberfeld auf Beamte, die ein Amt mindestens der Besoldungsgruppe A 13 innehaben, einzugrenzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG in der seit dem 16. Juli 2014 geltenden Fassung (6 x 5.807,73 EUR <Endgrundgehalt A 15> = 34.846,38 EUR).
Hinsichtlich der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, die auf §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG in der bis zum 15. Juli 2014 geltenden Fassung beruht, weist der Senat darauf hin, dass diese aus den folgenden Gründen nur im Ergebnis richtig ist:
Das Verwaltungsgericht hat zum einen abweichend von der Rechtsprechung des Senats (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, [...] Rn 28 - 30) den Streitwert für das Eilverfahren um die Hälfte reduziert.
Zum anderen hat das Verwaltungsgericht den (um die Hälfte reduzierten) Streitwert mit der Begründung verdoppelt, es gehe um die Besetzung zweier Stellen. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013, a. a. O., Rn 31 - 33) wirkt sich die beantragte Anzahl der freizuhaltenden Stellen nicht streitwerterhöhend aus, wenn im Hinblick auf die Besetzung jener Stellen ein im Wesentlichen einheitliches Verfahren geführt wird und die Vergabe der Stellen durch eine einheitliche Auswahlentscheidung erfolgt (vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 19.3.2012 - 6 E 162/12 -, [...] Rn 11). Eine solche Fallkonstellation ist auch vorliegend gegeben. Beide Stellen sind mit dem Rundschreiben Nr. 68/20 vom 9. Dezember 20 ausgeschrieben worden. Das Auswahlverfahren wurde ausweislich des Verwaltungsvorgangs (Beiakte A) im Wesentlichen einheitlich geführt. Die Entscheidung über die Vergabe der beiden Stellen wurde sodann zwar am 5. Februar 20 in zwei Auswahlvermerken begründet, bezogen auf die Antragstellerin jedoch übereinstimmend und somit einheitlich mit der Nichterfüllung einer zwingenden Voraussetzung des Anforderungsprofils. Dieser Umstand rechtfertigt es, auch im vorliegenden Verfahren bei der Festsetzung des Streitwertes von einer Multiplikation mit der Anzahl der streitigen Stellen abzusehen.
Auch bei Zugrundelegung der dargestellten Rechtsprechung des Senats hätte sich für das erstinstanzliche Verfahren jedoch kein anderer als der von dem Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert ergeben. Denn der Streitwert wäre auch nach der Rechtsprechung des Senats gemäß §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG in der bis zum 15. Juli 2014 geltenden Fassung auf den von dem Verwaltungsgericht angenommenen Wert von 34.846,38 EUR festzusetzen gewesen (6 x 5.807,73 EUR <Endgrundgehalt A 15> = 34.846,38 EUR).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).