Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.09.2014, Az.: 13 OA 147/14

Erfordernis der Beschwer für die Erhebung einer Streitwertbeschwerde und zum Streitwert für die Zulassung des qualifizierten Krankentransports

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.09.2014
Aktenzeichen
13 OA 147/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 23827
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0922.13OA147.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 06.06.2014 - AZ: 7 A 426/13

Fundstelle

  • JurBüro 2015, 85-86

Amtlicher Leitsatz

Zum Erfordernis der Beschwer für die Erhebung einer Streitwertbeschwerde und zum Streitwert für die Zulassung qualifizierten Krankentransports

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 6. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die ausdrücklich namens und in Vollmacht der Klägerin eingelegte Beschwerde mit dem Ziel, den vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert von 15.000 Euro auf 30.000 Euro zu erhöhen, ist zulässig aber unbegründet.

Die Beschwerde ist zulässig.

Wie jedes Rechtsmittel setzt auch die Streitwertbeschwerde eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus. Da sich die Höhe der Gerichtsgebühren (§ 3 Abs. 1 GKG) und der Rechtsanwaltskosten (§§ 2 Abs. 1, 32 Abs. 1 RVG) nach dem festgesetzten Streitwert richten, kann ein Verfahrensbeteiligter durch die Streitwertfestsetzung grundsätzlich nur dann beschwert sein, wenn er kostenpflichtig und der Streitwert zu hoch festgesetzt ist. Sein Beschwerdebegehren kann im Allgemeinen schutzwürdig nur auf eine Herabsetzung des Streitwertes gerichtet sein, um die ihm auferlegte Kostenlast zu mindern, nicht jedoch darauf, den Prozessgegner mit höheren Kosten zu belasten. Bei einer zu niedrigen Streitwertfestsetzung ist regelmäßig nur der Prozessbevollmächtigte des Verfahrensbeteiligten beschwert, der dann aus eigenem Recht gemäß § 32 Abs. 2 RVG Beschwerde führen kann.

Ein schutzwürdiges Interesse des nicht kostenpflichtigen Verfahrensbeteiligten an einer Streitwerterhöhung kann nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann vorliegen, wenn der im Verfahren obsiegende und daher kostenerstattungsberechtigte Beteiligte mit seinem Prozessbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung getroffen hat, die von einem höheren als dem gerichtlich festgesetzten Streitwert ausgeht. In diesem Fall kann er nämlich bei einer höheren Streitwertfestsetzung von seinem Prozessgegner einen höheren Betrag liquidieren und so zugleich seine eigene Zahlungsverpflichtung aus der Vergütungsvereinbarung mindern (vgl. OVG LSH, Beschl. v. 16. Januar 2014 - 1 O 2/14 -; [...], Rdnrn. 3 f.; Nds. OVG, Beschl. v. 24. Mai 2011 - 10 OA 32/11 -, [...], Rdnr. 7; jew. m. w.N.). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat mit ergänzendem Schriftsatz vom 19. September 2014 dargelegt, dass sie unter dem 16. Januar 2013 mit ihren Prozessbevollmächtigten eine schriftliche Vergütungsvereinbarung nach § 4 Abs. 1 RVG getroffen hat, die für das Klageverfahren eine Abrechnung nach dem RVG auf Basis eines Streitwertes vorsieht, der über dem beantragten Wert von 30.000 Euro liegt.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht sich an Nr. 16.5 des Streitwertkatalogs 2013 orientiert hat und von einem Streitwert von 15.000 Euro je Fahrzeug ausgeht, für das eine Zulassung zum qualifizierten Krankentransport beantragt wird. Der Rettungsdienst umfasst die Notfallrettung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 NRettDG), den Intensivtransport (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 NRettDG) und den qualifizierten Krankentransport (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 NRettDG). Mithin ist von Nr. 16.5 des Streitwertkatalogs auch der Streit um die Zulassung zum qualifizierten Krankentransport erfasst. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, lässt sich ein höherer Streitwert aus der in § 19 Satz 1 NRettDG vorgesehenen Zulassung zu lediglich einem Teilbereich des Rettungsdienstes jedenfalls nicht ableiten.

Wie aus Nr. 3 der Vorbemerkungen zum Streitwertkatalog 2013 ersichtlich wird, enthält dieser lediglich Empfehlungen, denen das Gericht bei der Festsetzung des Streitwertes folgt oder nicht folgt. Dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin lassen sich aber keine hinreichend tragfähigen Gesichtspunkte entnehmen, die eine andere Bemessungsgrundlage nahelegten. Wie die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zutreffend feststellen, richtet sich das Interesse der Klägerin abstrakt nach dem mit der Zulassung eines weiteren Fahrzeugs zum qualifizierten Krankentransport erzielbaren Gewinn. Diese Annahme liegt auch der pauschalen Festlegung eines Streitwertes von 15.000 Euro in Nr. 16.5 des Streitwertkatalogs 2013 zugrunde. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf die teilweise unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des tatsächlichen Gewinns pro Fahrzeug hingewiesen, die nicht zuletzt auf der fehlenden Bereitschaft der jeweiligen Beteiligten beruhen, aussagekräftige Angaben zu dieser Frage zu machen und entsprechende Unterlagen herauszugeben. Der Verweis auf die Internetseite www.unternehmensregister.de führt in diesem Zusammenhang nicht weiter, da der Bilanzgewinn des gesamten Unternehmens - von verzerrenden Bilanzierungsmöglichkeiten wie Gewinn- oder Verlustvortrag einmal abgesehen - für den je Fahrzeug erzielbaren Gewinn keine hinreichende Aussagekraft besitzt. Im Hinblick auf die häufig - wie auch im vorliegenden Fall - bestehenden weiteren Geschäftsbereiche und wirtschaftlichen Betätigungen eines am qualifizierten Krankentransport beteiligten Unternehmens lässt sich der zu erzielende Gewinn insbesondere nicht durch das Teilen des Gesamtgewinns durch die Anzahl der bereits vorhandenen Krankentransportfahrzeuge ermitteln. Stehen aber keine alternativen tragfähigen Methoden zur verlässlichen Ermittlung der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache für den jeweiligen Kläger zur Verfügung, so ist auch aus Gründen der Gleichbehandlung und der Vorhersehbarkeit des Kostenrisikos eine Orientierung an den auf Umfragewerten beruhenden Empfehlungen des Streitwertkatalogs geboten. Die von der Klägerin angeführten kritischen Stellungnahmen des Deutschen Anwaltsvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer zur Neufassung des Streitwertkatalogs betreffen nicht in erster Linie die Zulassung zum Rettungsdienst in Nr. 16.5 des Streitwertkatalogs, sondern den Zugang zu freien Berufen. Entscheidend ist zudem, dass bei der Festlegung sachgerechter Streitwerte nicht allein das Gebühreninteresse der betroffenen Rechtsanwälte in Betracht zu ziehen ist. Anhaltspunkte für eine tatsächlich höhere wirtschaftliche Bedeutung der Zulassung zum qualifizierten Krankentransport für die beteiligten Mandanten lassen sich auch diesen Stellungnahmen nicht entnehmen. Es bleibt den betroffenen Rechtsanwälten unbenommen, bei einer erneuten Überarbeitung des Streitwertkatalogs durch entsprechende detaillierte Stellungnahmen neuerlich auf eine Erhöhung der Werte hinzuwirken. Der Hinweis auf die Streitwertfestsetzungspraxis anderer Gerichtsbarkeiten ist hingegen schon wegen der unterschiedlichen Streitgegenstände nicht zielführend.

Auch die hilfsweise begehrte Anpassung des Wertes von 15.000 Euro an die Preisentwicklung seit 2004 durch Berücksichtigung der Inflationsrate oder der seitherigen Steigerung der Grundlohnsumme kommt nicht in Betracht. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Streitwertkatalog erst 2013 überarbeitet worden ist und der bereits im Streitwertkatalog 2004 unter Nr. 16.5 enthaltene Wert von 15.000 Euro nach Anhörung der beteiligten Verkehrskreise keine Änderung erfahren hat. Der Streitwertkatalog enthält zudem bewusst an keiner Stelle eine Wertsicherungsklausel. Entsprechende Anpassungen sollen im Wege der regelmäßig stattfindenden Überarbeitungen erfolgen. Die allgemeine Preisentwicklung hinsichtlich eines definierten Warenkorbes ist für die Ermittlung des Wertes des Streitgegenstandes auch nicht aussagekräftig, handelt es sich bei der Durchführung qualifizierten Krankentransports doch um eine spezielle Leistung die einer eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung unterliegt. Soweit die Prozessbevollmächtigten des Klägers als alternative Berechnungsgrundlage auf die durch die Grundlohnsumme beeinflusste Entgeltentwicklung des qualifizierten Krankentransports abstellten, berücksichtigen sie nur die Einnahmenseite der wirtschaftlichen Betätigung des Klägers. Da von 2004 bis 2013 aber auch Arbeits- und Kraftstoffkosten teilweise erheblich angestiegen sind, ist sogar eine rückläufige Gewinnentwicklung denkbar. Die isolierte Betrachtung der Entwicklung der Grundlohnsumme rechtfertigt mithin ebenfalls keine Ansetzung eines höheren Streitwerts.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).