Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.09.2014, Az.: 5 ME 142/14

Voraussetzungen für den Erlass eines Hängebeschlusses im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO; Erstrebung der Versetzung durch einen Beamten im Wege einer einstweiligen Anordung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.09.2014
Aktenzeichen
5 ME 142/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 21539
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0902.5ME142.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 01.08.2014

Amtlicher Leitsatz

Zu den Voraussetzungen für den Erlass eines Hängebeschlusses im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO (hier in einem Verfahren, in dem ein Beamter im Wege einer einstweiligen Anordung seine Versetzung erstrebt, verneint).

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 6. Kammer (Einzelrichter) - vom 1. August 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der im niedersächsischen Schuldienst als Lehrer tätig ist, begehrt den Erlass eines so genannten Hängebeschlusses.

Er beantragte im November 2013, ihn zum 1. August 2014 an eine der in dem Antrag genannten Schulen in Oldenburg zu versetzen. Zu der Zeit war er an der früheren Hauptschule B. in Wilhelmshaven tätig. Mit Bescheid vom 30. Juni 2014 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Dagegen hat der Antragsteller am 23. Juli 2014 bei dem Verwaltungsgericht Klage erhoben (6 A 2521/14), über die noch nicht entschieden ist. Am 30. Juli 2014 hat der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und diesen Antrag am 31. Juli 2014 um mehrere Hilfsanträge erweitert. Am 1. August 2014 hat er sodann bei dem Verwaltungsgericht den Erlass eines Hängebeschlusses beantragt. Zwischenzeitlich hatte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid vom 24. Juli 2014 mit Wirkung vom 1. August 2014 infolge der Auflösung der früheren Hauptschule B. an die C. in Wilhelmshaven versetzt.

Mit Beschluss vom 1. August 2014 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses abgelehnt. Über die am 30. und 31. Juli 2014 gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.

Gegen den Beschluss vom 1. August 2014 wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. August 2014 ist gemäß § 146 Abs. 1 VwGO zulässig (vgl. ebenso Thür. OVG, Beschluss vom 3.5.2002 - 4 VO 48/02 -, [...] Rn 2 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 17.12.2003 - 3 BS 399/03 -, [...] Rn 2 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 146 Rn 11), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Hängebeschlusses nicht vorliegen.

Sofern in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Sachverhalt und/oder die entscheidungserheblichen Rechtsfragen zunächst noch nicht überschaubar sind und deshalb für das Gericht noch keine Möglichkeit zum sofortigen Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht, eine rasche Entscheidung aber zur Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes zwingend geboten ist, kann und muss das Gericht, falls dem keine im Zeitpunkt der Entscheidung für das Gericht ersichtlichen überwiegenden öffentlichen Interessen oder Interessen Dritter entgegenstehen, eine zeitlich begrenzte, durch die Entscheidung über die beantragte einstweilige Anordnung auflösend bedingte Zwischenregelung treffen. Die Befugnis zum Erlass eines solchen Hängebeschlusses ergibt sich unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 GG (Kopp/Schenke, a. a. O., § 123 Rn 29 m. w. N.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei eine Notwendigkeit, den von dem Antragsteller begehrten Hängebeschluss zu erlassen, verneint. Denn der Antragsteller wird voraussichtlich mit den am 30. und 31. Juli 2014 bei dem Verwaltungsgericht gestellten Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit denen er seine endgültige oder zumindest vorläufige Versetzung an eine wohnortnähere Schule in Oldenburg oder Wiefelstede und dementsprechend die Freihaltung jeweils eines Dienstpostens an den beiden Schulen begehrt, nicht durchdringen.

Der beschließende Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass es bereits an dem für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsgrund fehlt.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nur möglich, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1) bzw. wenn eine vorläufige Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Satz 2). Erforderlich ist mit anderen Worten eine besondere Dringlichkeit der Sache, die es rechtfertigt, schon vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens auf vorläufiger Grundlage bestimmte Anordnungen zu treffen. An die Dringlichkeit sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je weitergehender die begehrte Anordnung ausfallen soll und je weitergehender diese die eigentliche Hauptsache vorwegnimmt (Nds. OVG, Beschluss vom 21.5.2014 - 5 ME 58/14 -).

Gemessen daran fehlt es im Fall des Antragstellers an einer besonderen Dringlichkeit der Sache. Die von ihm dargelegten Nachteile rechtfertigen den mit der begehrten einstweiligen Anordnung erstrebten erheblichen Eingriff in die Organisationshoheit der Antragsgegnerin vor Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache nicht. Der Senat ist ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass dem Antragsteller, der mit 22 wöchentlichen Unterrichtsstunden teilzeitbeschäftigt ist, keine unzumutbaren Nachteile drohen, wenn er bis zum Abschluss des vor dem Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahrens weiterhin - wie auch bisher - zwischen seinem Wohnort in Oldenburg und seiner Dienststelle in Wilhelmshaven pendelt und während seiner Abwesenheit die Betreuung seiner 5 und 7 Jahre alten Kinder, die eine Kindertagesstätte bzw. eine Grundschule besuchen, organisiert.

Der Antragsteller hat zudem auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Soweit der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung seine Versetzung zum 1. August 2014 begehrt, scheitert sein Begehren daran, dass es auf eine rechtlich unmögliche Leistung gerichtet ist. Denn eine rückwirkende Versetzung ist nicht möglich (BVerwG, Beschluss vom 7.12.1982 - BVerwG 1 WB 75.82 -, [...] Rn 23; Nds. OVG, Beschluss vom 26.6.2008 - 5 ME 156/08 -; Beschluss vom 21.5.2014 - 5 ME 58/14 -).

Ein Anordnungsanspruch ist jedoch auch dann nicht glaubhaft gemacht, wenn der Antrag des Antragstellers dahin ausgelegt wird, dass er darauf gerichtet ist, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller endgültig oder zumindest vorläufig ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an eine wohnortnähere Schule in Oldenburg oder Wiefelstede zu versetzen und dementsprechend an den beiden Schulen jeweils einen Dienstposten freizuhalten (vgl. zu dieser Auslegung BVerwG, Beschluss vom 7.12.1982, a. a. O.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.5.2014 - 5 ME 58/14 -).

Die begehrte einstweilige Anordnung kann schon deshalb nicht erlassen werden, weil ein Beamter grundsätzlich keinen Anspruch auf Versetzung hat. Ein Beamter hat vielmehr nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Versetzungsgesuch (Nds. OVG, Beschluss vom 21.5.2014 - 5 ME 58/14 -). Die Antragsgegnerin hat das Versetzungsgesuch des Antragstellers ermessensfehlerfrei unter Hinweis auf die zu gewährleistende quantitative Unterrichtsversorgung der früheren Hauptschule B., die zum 1. August 2014 gemeinsam mit einer früheren Realschule zur C. zusammengefasst worden ist, abgelehnt. Diese Ermessenserwägung rechtfertigt die angegriffene behördliche Entscheidung. Der Antragsteller vermag demgegenüber mit seinen unterschiedlichen personellen und organisatorischen Überlegungen, die er im Verlaufe des Verfahrens vorgetragen hat, nicht durchzudringen. Er muss sich entgegenhalten lassen, dass der Antragsgegnerin hinsichtlich der ihr zugewiesenen Beamten die Personal- und Organisationshoheit obliegt. Die Ermessenserwägung der Antragsgegnerin ist schlüssig und nachvollziehbar und angesichts der ihr zuzubilligenden Personal- und Organisationshoheit nicht im Einzelnen nachzuprüfen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 12.9.2005 - 2 ME 387/05 -; Beschluss vom 14.11.2008 - 5 ME 390/08 -; Beschluss vom 21.5.2014 - 5 ME 58/14 -).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren auf Erlass einer Zwischenentscheidung einschließlich des ihm zugeordneten Beschwerdeverfahrens keine eigenständige Kostenfolge auslöst (vgl. Thür. OVG, Beschluss vom 3.5.2002, a. a. O., Rn 13; Sächs. OVG, Beschluss vom 17.12.2003, a. a. O., Rn 13; Nds. OVG, Beschluss vom 11.7.2003 - 2 ME 281/03 -).

Aus dem vorgenannten Grund ist auch die Festsetzung eines Streitwertes nicht erforderlich (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 11.7.2003 - 2 ME 281/03 -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).