Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.09.2014, Az.: 11 LA 47/14

Aufenthaltstage eines Marinesoldaten im Heimathafen in melderechtlicher Hinsicht

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.09.2014
Aktenzeichen
11 LA 47/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 23740
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0917.11LA47.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 26.02.2014 - AZ: 1 A 4561/12

Fundstelle

  • NordÖR 2014, 552

Amtlicher Leitsatz

In melderechtlicher Hinsicht zählen bei der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 NMG anzustellenden quantitativen Betrachtung als Aufenthaltstage eines Marinesoldaten im Heimathafen eines Schiffes nicht nur die Hafentage, in denen sich die Fregatte dort befindet, sondern auch die Tage, in denen er sich auf hoher See oder in in und ausländischen Gewässern auf dem Schiff in seiner Bordunterkunft aufhält.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 1. Kammer - vom 21. Februar 2014 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2014, mit dem es die Klage auf Berichtigung des Melderegisters abgewiesen hat, hat keinen Erfolg, weil die von dem Kläger dargelegten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht gegeben sind.

1. Der Zulassungsantrag hat im Ergebnis keinen Erfolg, soweit der Kläger die Auffassung des Verwaltungsgerichts infrage stellt, die Anfechtungsklage sei mangels Vorliegens eines Verwaltungsaktes bereits unzulässig.

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass behördliche Eintragungen in Register nur dann Verwaltungsakte sind, wenn dadurch eine Rechtsfolge verbindlich festgestellt werden soll. Eine Eintragung in das Melderegister ist hiernach grundsätzlich kein Verwaltungsakt, sondern lediglich ein Realakt (vgl. Senatsbeschl. v. 25.4.2014 - 11 ME 64/14 -, [...], Rdnr. 7 m.w.N.). Lediglich wenn die Meldebehörde - wie gegebenenfalls hier - eine Entscheidung über die Richtigkeit der Eintragung im Melderegister durch Bescheid trifft, liegt ein Verwaltungsakt vor (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 1.9.2014 - 11 ME 196/14 -). Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei mangels Statthaftigkeit der Anfechtungsklage bereits unzulässig, begegnet daher für sich genommen zwar durchaus Bedenken. Da das Verwaltungsgericht die Klage aber zugleich (auch) als unbegründet angesehen hat, wirkt sich diese Frage nicht auf das Ergebnis der Abweisung der Klage als erfolglos aus mit der Folge, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im Ergebnis nicht gegeben sind. Denn die Angriffe gegen die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung müssen zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses begründen (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124, Rdnr. 98 m.w.N.).

Gleiches gilt für die Frage der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und die von dem Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage in Bezug auf den Rechtscharakter einer Berichtigung des Melderegisters.

2. Die von dem Kläger als rechtlich besonders schwierig angesehene und einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Frage, wie die Zeit, die er als Zeitsoldat bei der Bundesmarine auf See verbringt, melderechtlich einzuordnen sei, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Senats (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 20.6.2011 - 11 ME 167/11 -, NdsVBl. 2011, 289, [...], Rdnr. 5 ff.) ebenfalls hinreichend geklärt, sodass es eines Berufungsverfahrens nicht bedarf.

Bei der Unterkunft des Klägers auf der Fregatte handelt es sich melderechtlich jedenfalls nach § 7 Satz 2 NMG um eine meldepflichtige (§ 16 Nr. 2 NMG) Wohnung, sodass er daneben jedenfalls eine weitere Wohnung nutzt, also i. S. d. § 8 Abs. 1 NMG mehrere Wohnungen bewohnt und demnach eine dieser Wohnungen seine nach den Vorgaben des § 8 Abs. 2 NMG zu bestimmende Hauptwohnung ist.

Dem Verwaltungsgericht ist weiterhin in der Annahme zu folgen, dass die Bestimmung der Hauptwohnung hier gemäß der Grundregel des § 8 Abs. 2 Satz 1 NMG, d.h. nach Maßgabe der vom Kläger vorwiegend genutzten Wohnung, und damit weder unmittelbar noch entsprechend nach der Sonderbestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 2 NMG zu erfolgen hat. Denn der Kläger ist weder - wie in § 8 Abs. 2 Satz 2 NMG ausdrücklich vorausgesetzt wird - verheiratet noch lebt er in einer Lebenspartnerschaft. Auf ledige Personen ist diese Bestimmung mangels planwidriger Lücke auch nicht entsprechend anwendbar. Ein Verstoß gegen den Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG) liegt hierin nicht, so dass offen bleiben kann, ob ein solcher Verstoß überhaupt zu der vom Antragsteller gewünschten Rechtsfolge führen würde. Dass nach Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, bedeutet nicht, dass Ehe und Familie stets gleich zu behandeln, also melderechtliche Sonderregelungen für Ehepartner stets in gleichem Umfang auch auf (sonstige) Familienangehörige zu übertragen seien. Dass in diesen unterschiedlichen Vorgaben des § 8 Abs. 2 NMG für die Bestimmung der Hauptwohnung von Ledigen einerseits und verheirateten Personen andererseits auch im Übrigen kein Verstoß gegen den Schutz der Familie zu sehen ist, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 17.2.2010 - 1 BvR 529/09 -, NVwZ 2010, 1022 ff., zu volljährigen Kindern, die noch bei ihren Eltern leben).

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht weiterhin davon ausgegangen, dass nach § 8 Abs. 2 Satz 1 NMG eine quantitative Betrachtung der Aufenthaltszeiten vorzunehmen ist. Aus der zitierten Sonderbestimmung des § 7 Satz 2 NMG hat es zu Recht den weiteren Schluss gezogen, dass die Bordunterkunft des Klägers unabhängig von der jeweiligen Lage des Schiffes - so z. B. im Jahr 2013 an 177 Tagen in C. - melderechtlich dem Heimathafen des Schiffes, also D., zuzuordnen ist, und damit auch die See- und Hafentage, an denen der Kläger sich außerhalb des Gemeindegebiets von D. auf dem Schiff bzw. in seiner Bordunterkunft aufhält, als Aufenthaltstage in D. zählen. Hiervon ist bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass des Dritten Änderungsgesetzes zum Niedersächsischen Meldegesetz vom 28. November 1997 (GVBl. S. 483), mit dem in § 7 der o. a. neue Satz 2 eingeführt worden ist, ausgegangen worden (vgl. Nds. LT-Drs. 13/2690, S. 18). Die Systematik des Gesetzes unterstreicht diese Annahme. Denn nach § 14 Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 2 Satz 3 NMG ist das Bordpersonal von (zivilen) Schiffen ebenfalls im Heimatort des Schiffes bzw. des Reeders anzumelden. Eine § 14 Abs. 3 NMG entsprechende Ausnahmevorschrift, wonach diese Meldepflicht entfällt, solange diese Personen (anderweitig) im Inland für eine Wohnung gemeldet sind, besteht für Angehörige der Bundesmarine bei einer über sechs Monaten andauernden Nutzung einer dienstlichen Unterkunft - wie hier - nach §§ 16 Nr. 2, 7 Satz 2 NMG gerade nicht.

Zählen demnach melderechtlich für den Kläger als Aufenthaltstage in D. nicht nur die sogenannten Hafentage, in denen sich die Fregatte dort befindet, sondern auch die Tage, in denen er sich auf hoher See oder in inländischen bzw. ausländischen Gewässern auf dem Schiff in seiner Bordunterkunft aufhält, so überwiegen diese Tage die Tage, an denen er sich in seinem Haus in E. aufhält. Nach den von dem Kläger unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten in der Antragserwiderung ist die Fregatte F. nach Auskunft der Standortverwaltung der Marine vom 20. Januar 2014 bis zum 5. Februar 2014, vom 24. bis 27. Februar 2014, vom 15. März bis 17. April 2014, vom 5. Mai bis 21. Juni 2014 sowie vom 18. September 2014 bis 20. Februar 2015 auf See. Ausgehend von diesen Zeiträumen hat die Beklagte nach dem oben Gesagten zu Recht auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger angeführten Zeiten, in denen er sich in E. aufhält, den Schluss gezogen, dass sich der Kläger im melderechtlichen Sinn überwiegend in ihrem, der Beklagten, Stadtgebiet aufhält, da er an 208 Tagen mit der Fregatte auf See und an 30 Tagen in D. ist und sich lediglich nur an 127 im Jahr in E. aufhält.

Die Folgen dieser gesetzlichen Regelungen hat der Kläger wie andere ledige Wochenendpendler auch hinzunehmen, zumal nicht ersichtlich ist, dass er die von ihm vorgetragenen Aktivitäten in seiner Heimatregion wegen der melderechtlichen Änderung seiner Hauptwohnung nicht mehr wahrnehmen könnte oder dadurch sonst schwerwiegende, etwa finanzielle Nachteile erleiden würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).