Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.09.2014, Az.: 7 PA 29/14

Hinreichende Darlegung der Bedürftigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.09.2014
Aktenzeichen
7 PA 29/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 23787
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0925.7PA29.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 17.02.2014 - AZ: 1 A 7/14

Fundstellen

  • InsbürO 2015, 109
  • NJW 2014, 3529-3530
  • NJW-Spezial 2015, 3
  • ZInsO 2014, 2441-2442

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer, Einzelrichter - vom 17. Februar 2014 geändert.

Dem Kläger wird für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Hische aus Hamburg zur Vertretung beigeordnet.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2014, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt hat, ist begründet.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 166 Absatz 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO voraus, dass der antragstellende Verfahrensbeteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Voraussetzungen sind hier gegeben.

Der Kläger hat seine Bedürftigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht hinreichend dargetan, nachdem er eine (weitere) Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 bis 4, 1 Abs. 1 PKHFV nachgereicht und seinen Vortrag, dass er wegen des Bezugs von SGB II-Leistungen ein Klageverfahren beim Sozialgericht Osnabrück führe und seinen Lebensunterhalt vorübergehend im Wesentlichen nur durch Überbrückungsdarlehen bzw. Mietzinsstundungen seitens der Eltern seines Lebenspartners bestreiten könne, durch eidesstattliche Versicherung vom 9. September 2014 glaubhaft gemacht hat.

Die Klage des Klägers, mit der dieser die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihm eine Erlaubnis nach § 34c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. a) GewO (Maklererlaubnis) zu erteilen bzw. den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags vom 31. Mai 2013 zu verpflichten (vgl. dazu den Hilfsantrag vom 24.3.2014), hat nach Maßgabe des Beschwerdevortrags hinreichende Aussicht auf Erfolg, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Anforderungen an dieses Erfordernis nicht überspannt werden dürfen und die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dient, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern (vgl. BVerfG, Beschl. vom 13.7.2005 - 1 BvR 175/05 -, FamRZ 2005, 1893).

Ob der Erteilung der begehrten Maklererlaubnis der Versagungsgrund der ungeordneten Vermögensverhältnisse im Sinne des § 34c Abs. 2 Nr. 2 GewO wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegensteht, erscheint entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht eindeutig, jedenfalls nicht im Sinne einer eindeutigen Bejahung dieser Frage. Das über das Vermögen des Klägers geführte Insolvenzverfahren, auf welches sich der Beklagte und die Vorinstanz in diesem Zusammenhang berufen haben, ist inzwischen in das Restschuldbefreiungsverfahren übergegangen. Dem Kläger ist durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 23. Mai 2014 gemäß § 291 InsO (a. F., vgl. nunmehr in § 287a InsO n. F.) Restschuldbefreiung für die Zeit nach Ablauf der sechsjährigen Wohlverhaltensperiode, welche am 25. November 2009 begonnen hat, in Aussicht gestellt worden. Durch die Ankündigung der Restschuldbefreiung ist ein Zustand erreicht, der eine Entschuldung des Schuldners - hier im November 2015 - ernsthaft erwarten lässt. Die Restschuldbefreiung ist im laufenden Insolvenzverfahren zunächst nur eine abstrakte Möglichkeit der Schuldenbefreiung, die sich realisieren kann oder auch nicht. Die Möglichkeit einer Schuldenbefreiung verdichtet sich aber zu einer konkreten Aussicht, wenn das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung durch Beschluss ankündigt (vgl. BGH, Beschl. vom 7.12.2004 - AnwZ (D) 40/04 -, NJW 2005, 1271 [BGH 07.12.2004 - AnwZ (B) 40/04]; Beschl. vom 7.3.2005 - AnwZ (B) 7/04 -, NJW 2005, 1944; BVerwG, Urt. vom 17.8.2005 - 6 C 15.04 -, NJW 2005, 3795; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 8.12.2011 - 4 A 1115/10 -, GewArch 2012, 499 [OVG Nordrhein-Westfalen 08.12.2011 - 4 A 1115/10]). Dem Beschluss nach § 291 InsO (a. F.) kommt insoweit eine gesteigerte Ordnungsfunktion zu und er stellt die Regelvermutung der ungeordneten Vermögensverhältnisse wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 34c Abs. 2 Nr. 2 GewO durchgreifend infrage (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, aaO zu § 34d Abs. 2 Nr. 2 GewO).

Die weitere Frage, ob der Kläger aus anderen, unabhängig von dem Restschuldbefreiungsverfahren zu betrachtenden Gründen in ungeordneten Vermögensverhältnissen leben könnte, lässt sich derzeit ebenfalls nicht eindeutig zu Lasten des Klägers beantworten. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2013 und der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2014 verhalten sich hierzu jedenfalls nicht und das vorliegende Beschwerdeverfahren ist nicht darauf angelegt, dieser Frage erstmalig unter eingehender Würdigung der aktuellen wirtschaftlichen Lebensverhältnisse des Klägers nachzugehen. Zu den Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 24. März 2014 ist allerdings vorsorglich darauf hinzuweisen, dass er sich im Verfahren auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 34c Abs. 1 GewO nicht mit Erfolg auf § 12 GewO berufen kann. Wie sich dem Wortlaut dieser Vorschrift entnehmen lässt, ist ihr Anwendungsbereich beschränkt auf Verfahren betreffend die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist. Die Vorschrift ist einer analogen Anwendung auf Verfahren, in denen um die Erteilung einer Erlaubnis für ein noch nicht ausgeübtes Gewerbe gestritten wird, nicht zugänglich (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 8.12.2011, aaO; Nds. OVG, Beschl. vom 26.5.2014 - 7 PA 39/14 -). Nach der Gesetzesbegründung hat die Vorschrift keine Bedeutung für Gewerbe, die der Schuldner - wie hier - nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnen will (vgl. BT-Drucks. 12/3803 S. 103).

Dass bei dem Kläger der Versagungsgrund der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit im Sinne des § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO vorliegt, erscheint nach derzeitigem Erkenntnisstand ebenfalls nicht frei von Zweifeln. Der Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht haben darauf hingewiesen, dass der Kläger seine steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten verletzt habe. Er habe beim Finanzamt Osnabrück-Land Steuerrückstände in Höhe von 8.628,25 EUR (Stand: 29.5.2013) entstehen lassen und Steuererklärungen verspätet bzw. nicht abgegeben. In Bezug auf die Steuerrückstände spricht indes Erhebliches dafür, dass diese durch die in Aussicht gestellte Restschuldbefreiung wegfallen; jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass es sich insoweit um ausgenommene Forderungen im Sinne des § 302 InsO handelt. In Bezug auf das (sonstige) Steuerverhalten des Klägers ist die entsprechende Mitteilung des Finanzamts Osnabrück-Land vom 29. Mai 2013 im Übrigen nur wenig aussagekräftig. So ist z.B. unklar geblieben, ob der Kläger seine Zahlungspflichten nur ausnahmsweise oder aber wiederholt/nachhaltig verletzt haben soll. Auch in Bezug auf die Steuererklärungspflichten "während der letzten 24 Monate" heißt es nur lapidar "immer verspätet" sowie "die Jahressteuererklärungen liegen vor bis einschließlich 2010". Für die Annahme, der Kläger sei wegen Verletzung seiner steuerlichen Pflichten unzuverlässig, sind diese Angaben zu dürftig.

Die Entscheidung über die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers beruht auf § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).