Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.10.2012, Az.: 5 ME 220/12
Beachtung des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsprinzips auch bei einer Konkurrenz zwischen einem Beamten und einem sog. Seiteneinsteiger aus der privaten Wirtschaft um einen höherwertigen Dienstposten; Notwendigkeit aktueller und nachprüfbarer Erkenntnismittel über die Leistungen eines Bewerbers aus der privaten Wirtschaft trotz im Arbeitszeugnis genannter "Schwierigkeiten" mit seinem ehemaligen Arbeitgeber
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.10.2012
- Aktenzeichen
- 5 ME 220/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 25974
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:1026.5ME220.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 17.07.2012 - AZ: 7 B 78/12
Rechtsgrundlage
- Art. 33 Abs. 2 GG
Fundstellen
- DÖD 2013, 11-14
- DÖV 2013, 120
- NVwZ-RR 2013, 6
- NVwZ-RR 2013, 379-381
- NordÖR 2013, 342
- ZBR 2013, 88-90
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Leistungsprinzip ist auch dann zu beachten, wenn ein Beamter mit einem so genannten Seiteneinsteiger aus der privaten Wirtschaft um einen höherwertigen Dienstposten konkurriert.
- 2.
Die die Auswahlentscheidung treffende Behörde darf bei einem Bewerber aus der privaten Wirtschaft, der auf "Schwierigkeiten" mit seinem Arbeitgeber im Falle des Erfordernisses der Beibringung eines aktuellen Arbeitszeugnisses verweist, nicht auf die Beiziehung aktueller und nachprüfbarer Erkenntnismittel über die Leistungen dieses Bewerbers verzichten.
Gründe
Der Antragsteller, der die Befähigung zum Richteramt hat, ist als Ministerialrat (Besoldungsgruppe A 16) im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes E. tätig. Der Beigeladene hat den Hochschulgrad Diplom-Ingenieur (Dipl.-Ing.) inne. Er ist im Angestelltenverhältnis als Projektleiter bei der HOCHTIEF F. AG tätig.
Der Antragsteller und der Beigeladene bewarben sich neben weiteren Bewerbern auf die von der Antragsgegnerin ausgeschriebene Stelle eines "Projektleiters G. - Außertarifliches Entgelt bzw. BesGr. B 2 BBesO -". Für den Antragsteller holte die Antragsgegnerin eine Anlassbeurteilung ein, die als Gesamtergebnis die Höchstnote A ausweist. Der Beigeladene legte kein aktuelles Zeugnis vor. Die Antragsgegnerin bat weder den Beigeladenen noch dessen Arbeitgeberin um Vorlage eines aktuellen Zeugnisses.
Nach der Durchführung von Vorstellungsgesprächen, die sie unter anderem mit dem Antragsteller und dem Beigeladenen geführt hatte, entschied die Antragsgegnerin, dem Beigeladenen die ausgeschriebene Stelle zu übertragen. Dagegen hat der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht mit Erfolg um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle eines "Projektleiters G. " mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.
Die von der Antragsgegnerin mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäߧ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.
1. Die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller fehle für das weitere Betreiben des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes das Rechtsschutzbedürfnis, sein Verhalten sei rechtsmissbräuchlich, teilt der Senat nicht.
Die Antragsgegnerin beanstandet, dass der Antragsteller, der sich erfolglos auf zwei weitere Stellen, die bei dem Bundesamt für Strahlenschutz zu besetzen sind ("Projektleiter H. " und "Abteilungsleiter Genehmigungen"), beworben hat, gegen ihre drei ablehnenden Entscheidungen vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht hat (neben dem vorliegenden Verfahren 7 B 78/12 in den Verfahren 7 B 64/12 und 7 B 79/12). Sie meint, obwohl sie dem Antragsteller seine fehlende Eignung für eine leitende Position im Bundesamt für Strahlenschutz mehrfach begründet dargelegt habe, schöpfe er alle Rechtsmittel aus, um wichtige Stellenbesetzungen dauerhaft zu blockieren. Seine Intention, in die Wahrnehmung ihrer Aufgaben einzugreifen und damit unangemessenen Druck auszuüben, sei offensichtlich.
Obgleich das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin bereits deutlich darauf hingewiesen hat, beachtet sie auch mit ihrem Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht hinlänglich, dass der Antragsteller gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Anspruch darauf hat, dass sie über die Besetzung jeder der drei Stellen eine rechtsfehlerfreie Entscheidung trifft und dass der Antragsteller selbstverständlich berechtigt ist, seine von ihr behauptete mangelnde Eignung für die drei Stellen gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das die Stelle "Projektleiter H. " betrifft, gegenüber dem Verwaltungsgericht Braunschweig erklärt hat, dass sie diese Stelle bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über die diesbezügliche Bewerbung des Antragstellers nicht besetzen werde, hat - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht zur Folge, dass das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für das vorliegende, die Stelle "Projektleiter G. " betreffende Verfahren entfallen ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass in den Stellenbesetzungsverfahren an die Bewerber jeweils unterschiedliche Anforderungen gestellt werden und dass der Kreis der Bewerber auch unterschiedlich ist. Der Antragsteller kann deshalb seine Erfolgsaussichten in dem Verfahren um die Besetzung der Stelle "Projektleiter H. " nicht verlässlich einschätzen. Angesichts dieser Sachlage kann ihm das Rechtsschutzbedürfnis für die Weiterbetreibung dieses Beschwerdeverfahrens nicht abgesprochen werden. Die Weiterbetreibung des Verfahrens, in dem der Antragsteller erstinstanzlich und nunmehr auch im Beschwerdeverfahren obsiegt hat, erweist sich schon gar nicht als rechtsmissbräuchlich.
2. Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht hat. Denn die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin trägt nicht dem in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsprinzip Rechnung.
Das Leistungsprinzip ist auch dann zu beachten, wenn ein Beamter mit einem Angestellten des öffentlichen Dienstes oder - wie hier - mit einem so genannten Seiteneinsteiger aus der privaten Wirtschaft um einen höherwertigen Dienstposten konkurriert. Denn die Geltung des Leistungsprinzips knüpft an die Übertragung bzw. Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens, nicht an den Status eines Bewerbers an (vgl.BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010 - BVerwG 1 WB 39/09 -, [...] Rn 28 m.w.N.). Der beteiligte Beamte - hier der Antragsteller - kann deshalb beanspruchen, dass die Auswahlentscheidung nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung getroffen wird und den chancengleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt ebenso gewährleistet wie bei Auswahlentscheidungen zwischen Beamten (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom26.11.2008 - 1 B 1870/08 -, [...] Rn 5).
Diesem Maßstab wird die von dem Antragsteller angegriffene Auswahlentscheidung nicht gerecht. Denn ihr sind, soweit es um den Eignungs- und Leistungsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen geht, auf Seiten des Beigeladenen keine aussagekräftigen Leistungseinschätzungen zugrunde gelegt worden, die der Anlassbeurteilung, die die Antragsgegnerin für den Antragsteller herangezogen hat, nach Art, Inhalt und betrachtetem Zeitraum vergleichbar wären.
Das Leistungsprinzip (Grundsatz der Bestenauslese) gebietet, bei Auswahlentscheidungen regelmäßig auf die aktuellsten dienstlichen Beurteilungen abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, [...] Rn 12; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, [...] Rn 18). Dies gilt auch für Auswahlentscheidungen zwischen Beamten und so genannten Seiteneinsteigern aus der privaten Wirtschaft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a.a.O., Rn 34; VGH Kassel, Beschluss vom 26.11.2008, a.a.O., Rn 5).
Der Einwand der Antragsgegnerin, vorab müsse die auswählende Behörde prüfen, ob die Bewerber den Anforderungskriterien gerecht würden, trifft zwar zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a.a.O., Rn 34). Die Antragsgegnerin kann jedoch nicht mit Erfolg mit ihrem Beschwerdevorbringen durchdringen, dass der Antragsteller schon das Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens nicht erfülle und für den ausgeschriebenen Dienstposten "eindeutig ungeeignet" sei. Es ist rechtlich zulässig, dass der Dienstherr im Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens zwischen konstitutiven Kriterien, die zwingend zu erfüllen sind, und fakultativen Kriterien, deren Erfüllung wünschenswert ist, differenziert, und dass er Bewerber schon dann ablehnt, wenn sie bestimmte obligatorische Merkmale eines Anforderungsprofils nicht erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.2.2010 - 2 C 22.09 -, [...]; Nds. OVG, Beschluss vom 26.9.2011 - 5 ME 276/11 -; Beschluss vom 18.8.2011 - 5 ME 210/11 -; Beschluss vom 26.5.2011 - 5 ME 112/11 -; Beschluss vom 15.12.2010 - 5 ME 270/10 -; Beschluss vom 17.2.2010 - 5 ME 264/09 -, [...]; Beschluss vom 24.7.2008 - 5 ME 70/08 -; Beschluss vom 23.6.2008 - 5 ME 108/08 -, [...]). In dieser Weise ist die Antragsgegnerin im Auswahlverfahren hinsichtlich des Antragstellers jedoch nicht verfahren, sondern hat ihn zum Vorstellungsgespräch am 10. November 2011 eingeladen. Die Antragsgegnerin hatte zuvor die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber tabellarisch ausgewertet (vgl. Anlagen zum Vermerk vom 30.8.2011). Hieraus geht hervor, dass der Antragsteller aus der Sicht der Antragsgegnerin sämtliche konstitutive Merkmale des Anforderungsprofils erfüllt. Lediglich das fakultative Kriterium der Erfahrung als Projektleiter bei Bauprojekten sowie Projekten des Anlagen-, Maschinen- und Bergbaus erfüllt der Antragsteller - ebenso wie zumindest ein weiterer Bewerber, der zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist - nicht. Aus der Auswertung der Bewerbungsunterlagen des Beigeladenen ergibt sich im Übrigen, dass auch dieser ein fakultatives Kriterium des Anforderungsprofils nicht erfüllt (Erfahrung im Bereich der Entsorgung radioaktiver Abfälle).
Für den Antragsteller hat die Antragsgegnerin zu Recht eine Anlassbeurteilung eingeholt. Die Anlassbeurteilung weist als Gesamtergebnis die Höchstnote A aus.
Der Beigeladene verfügt als so genannter Seiteneinsteiger aus der privaten Wirtschaft über keine dienstliche Beurteilung. Hinsichtlich des Beigeladenen hat die Antragsgegnerin außer den von ihm selbst vorgelegten Bewerbungsunterlagen keine anderen Leistungseinschätzungen herangezogen und verwertet, die der aktuellen dienstlichen Beurteilung des Antragstellers nach Art, Inhalt und betrachtetem Zeitraum vergleichbar wären (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a.a.O., Rn 36). Die Beigeladene hat sich angesichts des Umstandes, dass der Beigeladene im Vorstellungsgespräch erklärt haben soll, "dass er bei seinem derzeitigen Arbeitgeber kein Zwischenzeugnis anfordern könnte, ohne dass er deshalb Schwierigkeiten bekäme" (vgl. S. 5 f. des Auswahlvermerks vom 5.1.2012), damit begnügt, das von dem Beigeladenen vorgelegte Arbeitszeugnis vom 31. Oktober 2007 über eine frühere Tätigkeit bei einem Bauunternehmen auszuwerten. Dieses Zeugnis ersetzt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - ein aktuelles Arbeitszeugnis oder Zwischenzeugnis nicht. Die Bauprojekte, auf die die Antragsgegnerin in ihrem Auswahlvermerk maßgeblich abstellt, hat der Beigeladene erst ab November 2007 bei seiner jetzigen Arbeitgeberin durchgeführt. Für diese Tätigkeiten fehlt es an einer von einer kompetenten Stelle angefertigten und aussagekräftigen Darstellung und Bewertung der von dem Beigeladenen erbrachten Leistungen, die der aktuellen dienstlichen Beurteilung des Antragstellers gegenübergestellt werden könnte (vgl. auch zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a.a.O., Rn 36).
Der Senat kann das Vorbringen der Antragsgegnerin, dass "gerade bei leitenden Positionen in der Wirtschaft schon die Andeutung eines beabsichtigten Stellenwechsels nicht kalkulierbare Probleme auslösen und zu willkürlichen Reaktionen des Arbeitgebers auch im Hinblick auf Wettbewerbsbefürchtungen und -gefährdungen führen" kann, grundsätzlich nachvollziehen. Die von der Antragsgegnerin behaupteten Schwierigkeiten, die der Beigeladene in dieser zugespitzten und dramatisierten Weise selbst nicht vorgetragen hat - der Beigeladene hat sich weder im erst- noch im zweitinstanzlichen Verfahren geäußert - entbanden die Antragsgegnerin gleichwohl nicht von der Verpflichtung, aktuelle Erkenntnismittel über die beruflichen Leistungen des Beigeladenen beizuziehen und außerdem darauf hinzuwirken, dass der Beigeladene ein aktuelles Zeugnis über seine berufliche Tätigkeit vorlegt, das es ermöglicht, seine Leistungen mit denen des Antragstellers zu vergleichen (vgl. auch zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a.a.O., Rn 38; VGH Kassel, Beschluss vom 26.11.2008, a.a.O., Rn 5).
Mit ihrem Einwand, sie habe aufgrund der dem Beigeladenen gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht dessen Hinweisen auf entstehende Schwierigkeiten Rechnung tragen und deshalb über ihn keine aktuellen Leistungseinschätzungen beiziehen müssen, vermag die Antragsgegnerin nicht durchzudringen. Das Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG verlangt, dass Auswahlentscheidungen über die Besetzung höherwertiger Dienstposten auf einer möglichst realitätsgerechten und aussagekräftigen Grundlage getroffen werden. Dementsprechend werden an die Gewährleistung der Richtigkeit und Vergleichbarkeit planmäßiger dienstlicher Beurteilungen, die in der Praxis das primäre Mittel der Besten- auslese darstellen, hohe Anforderungen gestellt. Diese Anforderungen müssen auch dann so weit wie möglich gewahrt bleiben und erfüllt werden, wenn - wie hier im Falle der Konkurrenz zwischen einem Beamten und einem so genannten Seiteneinsteiger aus der privaten Wirtschaft - nicht für alle Bewerber dienstliche Beurteilungen vorhanden sind. In einem solchen Fall müssen auf Seiten der Bewerber, die über keine dienstlichen Beurteilungen verfügen, äquivalente Erkenntnismittel herangezogen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a.a.O., Rn 37 m.w.N.). Die auswählende Behörde darf die damit für sie verbundenen Umstände und die Unannehmlichkeiten, die die Bitte um ein Arbeitszeugnis für den so genannten Seiteneinsteiger aus der privaten Wirtschaft im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber möglicherweise haben kann, nicht dadurch umgehen, dass sie auf die Beiziehung eines aktuellen Arbeitszeugnisses von vornherein verzichtet und die Angaben des Bewerbers ungeprüft und ungefiltert ihrer Auswahlentscheidung zugrunde legt (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 26.11.2008, a.a.O., Rn 6). Es ist deshalb angesichts der geschilderten Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG entgegen der in der Beschwerdebegründung zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung der Antragsgegnerin nicht zulässig, bei einem Bewerber um ein öffentliches Amt, der - wie der Beigeladene - auf "Schwierigkeiten" im Falle des Erfordernisses der Beibringung hinweist, auf die Beiziehung aktueller und nachprüfbarer Erkenntnismittel über die Leistungen dieses Bewerbers zu verzichten.
Auch der Einwand der Antragsgegnerin, die Qualifikation des Beigeladenen sei "im Hinblick auf seine Verantwortung für Infrastrukturprojekte wie die 'I. und den Neubau von 24 Brückenbauwerken einschließlich drei Talbrücken im Rahmen eines 25 km langen Autobahnabschnittes existent und öffentlich", die Bewertung seiner Leistungen sei mit anderen Worten "öffentlich zugängig und bewertbar", rechtfertigt es nicht, im Fall des Beigeladenen auf die Beiziehung eines aktuellen Arbeitszeugnisses zu verzichten. Die Antragsgegnerin hat zudem nicht dargelegt, welche "öffentlich zugängigen und bewertbaren" Dokumente sie in die Lage versetzt haben, die Leistungen, die gerade der Beigeladene bei den genannten Projekten erbracht hat, zu bewerten. Dem Senat sind keine "öffentlich zugängigen und bewertbaren" Dokumente bekannt, die eine solche Bewertung ermöglichen.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt war, die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen aufgrund der von diesem vorgelegten Bewerbungsunterlagen und aufgrund des Ergebnisses des von ihr mit dem Beigeladenen geführten Vorstellungsgesprächs zu treffen. Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin mit den aus ihrer Sicht in die engere Wahl kommenden Bewerbern Vorstellungsgespräche geführt hat, um sich insbesondere von den Bewerbern aus der privaten Wirtschaft einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Zusätzlich hätte die Antragsgegnerin jedoch - wie dargelegt - darauf hinwirken müssen, dass für den Beigeladenen ein aktuelles Arbeitszeugnis über seine derzeitige berufliche Tätigkeit vorgelegt wird (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 26.11.2008, a.a.O., Rn 8). Die Ergebnisse strukturierter Auswahlgespräche können erst dann ermessensfehlerfrei als weiteres Entscheidungskriterium herangezogen werden, wenn sich aus den aktuellen dienstlichen Beurteilungen und privatrechtlichen Arbeitszeugnissen ein Vorsprung zugunsten eines Bewerbers nicht ergibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a.a.O., Rn 39; Nds.OVG, Beschluss vom 21.2.2007 - 5 LA 171/06 -, [...] Rn 15; VGH Kassel, Beschluss vom 26.11.2008, a.a.O., Rn 8). Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Kassel, der in seinem Beschluss vom 26. November 2008 (a.a.O., Rn 8) deutlich gemacht hat, dass Auswahlgespräche allein schon im Hinblick darauf, dass es sich bei ihrer Durchführung letztlich um eine Momentaufnahme handelt, die bis zu einem gewissen Grad auch von der "Tagesform" des betreffenden Bewerbers abhängig ist, während sich aus schriftlichen Beurteilungen der beruflichen Tätigkeit in entsprechend längeren Beurteilungszeiträumen ein wesentlich gefestigteres Bild über den Leistungsstand eines Bewerbers ableiten lässt, nicht die einzige Grundlage für die Auswahlentscheidung sein können.