Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.10.2011, Az.: 11 ME 315/11
Auslösen der Fortbestandsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG durch ein Schengen-Visum
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 31.10.2011
- Aktenzeichen
- 11 ME 315/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 27451
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:1031.11ME315.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
- § 5 Abs. 2 AufenthG
- § 27 AufenthG
- § 81 Abs. 4 AufenthG
Fundstellen
- DVBl 2011, 1566
- InfAuslR 2012, 70-73
- ZAR 2012, 262-263
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Auch ein Schengen-Visum ist geeignet, die Fortbestandsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG auszulösen.
- 2.
Die Wirksamkeit der Eheschließung i.S.d. § 27 AufenthG bestimmt sich grundsätzlich nach deutschem Recht.
- 3.
Zur Vereinbarkeit der §§ 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG mit der "Standstillklausel" des Art. 13 ARB 1/80 und zur Anwendbarkeit dieser Klausel auf den Nachzug zu einem (auch) deutschen Ehegatten.
- 4.
Zu den Anforderungen an "falsche Angaben" i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG im Visumverfahren hinsichtlich der Eheschließung und zu den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG bei ggf. überzogenen behördlichen Anforderungen an die Visumerteilung.
Gründe
I.
Die 1988 geborene Antragstellerin reiste, nachdem ihr nach Aktenlage von deutschen Behörden auf mehrere Anträge aus dem Jahr 2009 keine Besuchsvisa erteilt worden waren, mit einem vom 18. Januar bis zum 29. März 2010 gültigen schwedischen Schengenvisum in die Europäische Union ein und schloss - offenbar zumindest nach Maßgabe des dortigen Ortsrechts - am 22. März 2010 in Dänemark mit dem türkischen und nach Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit auch deutschen Staatsangehörigen Herrn C.. D., einem entfernten Verwandten, die Ehe. Die Eheschließung wurde am 14. Juni 2010 vom Standesamt E. nachbeurkundet, soll aber nach dem Vorbringen der Antragstellerin aus nicht näher geklärten Gründen in der Türkei bislang nicht anerkannt worden sein. Nach Rückkehr in die Türkei stellte die Antragstellerin im Jahr 2010 bei der dortigen Deutschen Auslandsvertretung zum Zwecke der Eheschließung (!) und anschließenden Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen weiteren Visumsantrag. Dieser Antrag wurde im Oktober 2010 wegen unzutreffender Angaben der Antragstellerin über ihren Familienstand abgelehnt und sie stattdessen aufgefordert, unter Vorlage eines auf ihren Ehenamen lautenden (neuen) türkischen Passes sowie eines Auszuges aus dem türkischen Personenstandsregister, wonach sie bereits verheiratet sei, einen neuen Visumsantrag zum Zwecke der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem (auch) deutschen Mann zu stellen. Dies tat die Antragstellerin nicht. Stattdessen reiste sie am 25/26. Juni 2011 über Schweden in das Bundesgebiet ein, und zwar mit einem zu "Besuchszwecken" vom 24. Juni 2011 zunächst bis zum 31. Juli 2011 und anschließend auf Grund einer Verlängerung durch den Antragsgegner bis zum 22. August 2011 gültigen, ursprünglich schwedischen "Schengenvisum". Ihren am 21. Juli 2011 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30. August 2011, ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutz das Verwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass weder ihr Hauptantrag nach § 123 VwGO auf weitere Duldung noch ihr Hilfsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO Erfolg habe. Weder sei die Abschiebung der Antragstellerin nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmöglich noch stehe ihr ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 5, 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu. Dem stehe gemäß § 5 Abs. 2 AufenthG entgegen, dass die Antragstellerin nicht mit dem für den Ehegattennachzug erforderlichen nationalen Visum eingereist sei und auf diese Erteilungsvoraussetzung weder nach § 39 AufenthV noch nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verzichtet werden müsse. Einem Anspruch i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG stehe jedenfalls entgegen, dass die Antragstellerin durch falsche Angaben in ihrem Visumsantrag vom Juli 2010 den Versagungsgrund der§§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 55 Abs. 2 Nr.1a AufenthG erfüllt habe. Ebenso wenig seien besondere Umstände des Einzelfalles gegeben, auf Grund derer ihr die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG sei.
II.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und bleibt im Übrigen erfolglos.
Letzteres gilt für den Hauptantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO. Dass dieser in der ersten Instanz gestellte Hauptantrag als solcher auch im Beschwerdeverfahren weiter verfolgt wird, ergibt sich aus dem eindeutigen dahingehenden Antrag in der Beschwerdeschrift vom 29. September 2011, der auch nachträglich nicht geändert worden ist. Dieser Hauptantrag ist schon unstatthaft, weil aus den nachfolgend im Einzelnen angeführten Gründen der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 VwGO ausgelöst hat und dementsprechend vorläufiger Rechtsschutz nach Versagung des beantragten Aufenthaltstitels insoweit vorrangig nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist. Im Übrigen hat sich die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren auch nicht mit der die Ablehnung hinsichtlich des Hauptantrages tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, Duldungsgründe i.S.d.§ 60a Abs. 2 AufenthG seien nicht gegeben. Dass sich ihr Vorbringen hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach§§ 27 ff. AufenthG (auch) auf den Hauptantrag und nicht (nur) auf den Hilfsantrag beziehen soll, trägt sie hingegen trotz gerichtlichen Hinweises nicht substantiiert vor und wäre außerdem näher zu begründen gewesen.
Auf den Hilfsantrag ist allerdings insoweit unter Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. September 2011 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. August 2011 anzuordnen.
Der von der Antragstellerin am 21. Juli 2011 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27 ff. AufenthG hat nachfolgend die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst, da die Antragstellerin im Antragszeitpunkt im Besitz eines noch gültigen Schengenvisums gewesen ist, es sich auch bei einem solchen Visum gemäß §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 6 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich um einen Aufenthaltstitel i.S.d. Aufenthaltsgesetzes handelt und durchgreifende Gründe für die Annahme, dieser Begriff sei jedenfalls i.S.d. § 81 Abs. 4 AufenthG einschränkend, also unter Ausschluss von Schengenvisa zu verstehen, nicht gegeben sind (vgl. Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 81 AufenthG, Rn. 16; einschränkend Hailbronner, Ausländerrecht, § 81 AufenthG, Rn. 34: "nur mit der Wirkung eines nationalen Aufenthaltsrechts", jeweils m.w.N.). Hat der Antrag nach Ablauf der Geltungsdauer des Visums bis zur Entscheidung des Antragsgegners die Fiktionswirkung ausgelöst, so ist vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren, wobei in diesem Verfahren offen bleiben kann, wie sich der Rechtsstatus der Antragstellerin nach Stattgabe im Einzelnen darstellt; jedenfalls kann sie bei unveränderter Lage nicht abgeschoben werden.
Der demnach statthafte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zur Sicherung eines nach dem bisherigen Verfahrensstand zwar nicht feststehenden, aber doch ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchs der Antragstellerin nach §§ 5, 27, 28 Abs. 1 (Satz 1 Nr. 1) AufenthG auch begründet.
Die Antragstellerin ist nach dem bisherigen Verfahrensstand jedenfalls im Sinne des deutschen Ausländerrechts (§ 27 AufenthG) wirksam mit Herrn C.. D. verheiratet. Es kann offen bleiben, ob sich dies bereits unmittelbar aus der vorgetragenen Eheschließung in Dänemark ergibt, über die nähere Einzelheiten nicht vorgetragen worden sind. Jedenfalls ist diese Eheschließung gemäß § 34 PStG im deutschen Eheregister mit der Folge nachbeurkundet worden, dass die Eheschließung (und ihre Wirksamkeit nach deutschem Recht, die vor der Nachbeurkundung vom Standesbeamten zu überprüfen ist) gemäߧ 54 PStG bis zum Nachweis der Unrichtigkeit als bewiesen gilt. Dass die Eheschließung nach dem Beschwerdevorbringen bislang in der Türkei als Heimatland der Antragstellerin nicht anerkannt wird, ist daher unerheblich.
Zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann besteht nach Aktenlage auch tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft.
Ferner erfüllt die Antragstellerin die nach § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG erforderlichen Nachzugsvoraussetzungen, da sie älter als 18 Jahre ist und sich nach dem vorgelegten (A 1) Zertifikat des Goethe - Instituts zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann; ob diese (verschärften) Nachzugsvoraussetzungen auch für die Antragstellerin als türkische Staatsangehörige gelten (vgl. insoweit Senatsbeschl. v. 15.3.2011 -11 ME 59/11 -, [...], Rn. 9), kann deshalb offen bleiben.
Von dem Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG soll nach § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Regel abgewichen werden. Dass hier ein Ausnahmefall gegeben ist, macht der Antragsgegner nicht geltend und ist auch im Übrigen nicht zu erkennen, zumal der Ehemann der Antragstellerin jedenfalls nach seinen finanziellen Verhältnissen vom August 2011 und ergänzend aus dem Frühjahr 2010 - neuere Unterlagen fehlen - zur Sicherung des gemeinsamen Lebensunterhalts der Eheleute in der Lage ist.
Da die Antragstellerin im Besitz eines gültigen türkischen Reiseausweises ist, erfüllt sie auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nrn. 1a, 4 AufenthG. Dass der Reiseausweis noch auf ihren aus Sicht des deutschen Rechts ggf. unzutreffenden Geburtsnamen lautet, ist insoweit unerheblich.
Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Antragstellerin habe einen der Titelerteilung entgegenstehenden Ausweisungsgrund gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG verwirklicht, bedarf dies jedenfalls der Überprüfung im Hauptsacheverfahren.
Erforderlich sind "falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums...", d.h. die fehlerhaften Angaben müssen insoweit potentiell erheblich sein (vgl. Discher, GK-AufenthG, § 55, Rn. 297). Dies ist jedenfalls hinsichtlich der als fehlerhaft eingestuften Angaben der Antragstellerin über ihren Familienstand vor der deutschen Auslandsvertretung fraglich. Denn sie wollte dauerhaft einen Aufenthaltstitel nach §§ 27 ff. AufenthG zum Zwecke des Zusammenlebens mit Herrn C.. D. als ihrem Ehemann erhalten und hat dies nach Aktenlage - der Antrag selbst befindet sich nicht in den Beiakten - offenbar auch so angegeben, so dass fraglich erscheint, ob ihre im Visumverfahren für sie eher nachteilige weitere Angabe, sie sei mit Herrn C.. D. noch nicht (wirksam) verheiratet, überhaupt, etwa im Hinblick auf ein dann zunächst nur kurz befristetes Visum zum Zweck der Eheschließung, aufenthaltsrechtlich erheblich gewesen ist. Bejaht man dies, so wäre im Hauptsacheverfahren weiterhin zu klären, ob diese Angabe "falsch" war. Bedenken hiergegen bestehen jedenfalls dann, wenn die Eheschließung nach türkischem Recht tatsächlich nicht anerkennungsfähig (gewesen) ist und die Antragstellerin deshalb nachvollziehbar angenommen haben sollte, sie sei noch nicht wirksam verheiratet. Selbst wenn danach der Tatbestand des §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG erfüllt worden ist, so steht jedenfalls die notwendige Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin noch aus, ob von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen wird (vgl. Senatsbeschl. v. 2.2.2011 - 11 ME 441/10 -, [...], Rn. 21, m.w.N.).
Gleiches gilt, soweit die Antragstellerin jedenfalls gegenüber der schwedischen Auslandsvertretung falsche Angaben über ihren Reisezweck - was bislang mangels Vorlage der Unterlagen nicht feststeht, angesichts der Erteilung eines Schengenvisums zu Besuchszwecken aber sehr naheliegt - oder gegenüber der deutschen Auslandsvertretung im Übrigen falsche Angaben über Voraufenthaltszeiten - auch insoweit fehlen bislang nähere Angaben - gemacht und dadurch den Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 1a oder ggf. ergänzend des§ 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt haben sollte.
Da § 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG einen gegenüber Nr. 2 dieses Absatzes eigenständigen Ausweisungstatbestand enthält, setzt eine Verwirklichung des § 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG hingegen nicht zusätzlich voraus, dass es sich dabei um einen nicht nur geringfügigen Verstoß i.S.d. Nr. 2 handelt - wie die Antragstellerin geltend macht.
Sollte danach ein Ausweisungsgrund gegeben sein, so wäre dieser nicht - wie die Antragstellerin geltend macht - "verbraucht". Hinsichtlich der potentiellen Falschangaben gegenüber der schwedischen Auslandvertretung gilt dies schon deshalb, weil der genaue Inhalt dieser Angaben den deutschen Behörden noch gar nicht bekannt ist. Hinsichtlich etwaiger Falschangaben gegenüber der deutschen Auslandsvertretung hätte zur Annahme eines Verbrauchs nicht allein diese, sondern jedenfalls auch der Antragsgegner als für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zuständige Ausländerbehörde, die gemäß § 31 AufenthV auch der Erteilung des hier umstrittenen Visums zum Zweck des längerfristigen Aufenthaltes zustimmen muss, erkennen lassen müssen, dass sie die Falschangaben bereits aktuell ausländerrechtlich für unerheblich bzw. unschädlich erachtet. Der Antragsgegner stützt hierauf aber im Gegenteil gerade seine Ablehnung. Dass er in Übereinstimmung mit der Deutschen Botschaft darin nicht auch zukünftig ein dauerhaftes Einreisehindernis sieht, trägt dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe Rechnung.
Sollte das Vorbringen der Antragsstellerin im Beschwerdeverfahren schließlich unter Bezugnahme auf die assoziationsrechtliche "Stillhalteklausel" des Art. 13 ARB 1/80 sinngemäß so zu verstehen sein, dass sie (auch) die Unanwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (i.V.m. § 55 Abs. 2 AufenthG) in der vorliegenden Fallgestaltung geltend macht, so genügt dieses Vorbringen schon nicht den Anforderungen an die Darlegung des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Die Antragstellerin übergeht nämlich zunächst die Frage, ob sie als Ehefrau eines Mannes mit ursprünglich nur türkischer und nach dessen Einbürgerung auch deutscher Staatsangehörigkeit überhaupt noch in den Schutzbereich des Art. 13 ARB 1/80 fällt (vgl. dazu zuletzt die Schlussanträge der Generalanwältin F. vom 20. Oktober 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-7/10 und C-9/10, m.w.N.). Zudem legt sie nicht - wie geboten - dar, zu welchem insoweit erheblichen Zeitpunkt genau im deutschen Ausländerrecht ein heute nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 55 Abs. 2 Nr. 1a oder 2 AufenthG erheblicher Rechtsverstoß für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke des Ehegattennachzuges unerheblich oder - anders als heute im Wege des Ermessens nach den vorherigen Ausführungen - allenfalls in Ausnahmefällen zu berücksichtigen gewesen sein soll. Da nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG alter, d.h. auch 1980 geltender, Fassung die "Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf, wenn die Anwesenheit des Ausländers Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigt", ist dies auch im Übrigen nicht zu erkennen. Der von der Antragstellerin insoweit zitierte § 21 Abs. 3 AuslG 1965 enthielt hingegen keine Aussage zu den materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwecks Ehegattennachzugs.
Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt worden ist und von der Antragstellerin auch nicht angegriffen wird, ist sie entgegen§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ohne das erforderliche nationale Visum in das Bundesgebiet eingereist und auch kein Fall des § 39 DVAufenthG gegeben. Soweit die Antragstellerin auch die Unanwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ihr gegenüber geltend macht, kann ihr nicht gefolgt werden. Soweit sie sich dazu auf Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen beruft, betrifft dieser Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, also nicht den hier maßgeblichen Aufenthalt zum Zwecke des Ehegattennachzugs, der - anders als ggf. etwa vorübergehende Besuchsaufenthalte - auch bei weitem Verständnis nicht mehr als Wahrnehmung passiver Dienstleistungsfreiheit angesehen werden kann. Insoweit ist vielmehr allenfalls die speziellere Regelung des Art. 13 ARB 1/80 einschlägig. Hierauf hat sich die Antragstellerin insoweit konkret aber erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist berufen. Zudem hat sie auch insoweit die o. a. Frage übergangen, ob Ehegatten (auch) deutscher Staatsangehöriger überhaupt in den Schutzbereich des Art. 13 ARB 1/80 fallen können. Schließlich ist Art. 13 ARB 1/80 nach Art. 16 ARB 1/80 erst ab dem 1. Dezember 1980 anwendbar; entscheidend für die Feststellung einer "Verschlechterung" ist also die Rechtslage zu bzw. seit diesem Zeitpunkt (vgl. Dienelt/Röseler, in: Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 189 und 196; EuGH, Urt. v. 9.12.2010 - C 300 und 301/09 -). Am 1. Dezember 1980 bestand wegen der 11. ÄnderungsVO zur DVAuslG vom 1. Juli 1980 (BGBl. I. 1681) u.a. für den Familiennachzug von türkischen Staatsangehörigen auf Grund der durch die genannte Rechtsänderung bedingten Streichung der Türkei aus der Anlage zur DVAuslG (Positivliste) nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 DVAuslG eine Visumpflicht (vgl. Dienelt/Röseler, in: Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 217; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.4.2011 - 12 B 46/09 -, [...], Rn. 15; mit anderer Begründung im Ergebnis ebenso Hailbronner, Ausländerrecht, Art. 13 ARB 1/80, Rn. 9; HK-AuslR/Oberhäuser, Art. 13 ARB 1/80, Rn. 8). Weder der von der Antragstellerin neben § 21 Abs. 3 AuslG ergänzend zitierte § 5 Abs. 3 AuslG 1965 noch eine entsprechend lautende Bestimmung der DVAuslG, also deren § 5 Abs. 3, regelten hingegen den visumpflichtigen oder -freien Familiennachzug türkischer Staatsangehöriger.
Ob von dem Visumverstoß nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abgesehen werden kann, lässt sich in diesem Verfahren nicht abschließend klären. Der dazu notwendige "Anspruch auf Erteilung" wäre nämlich nur dann zu bejahen, wenn die Antragstellerin keinen Ausweisungsgrund i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht hätte, was aus den o. a. Gründen bislang nicht hinreichend geklärt ist.
Es spricht aber zumindest Überwiegendes für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG, d.h. dass es der Antragstellerin auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen, und deshalb auch das dem Wortlaut nach dem Antragsgegner noch verbleibende Ermessen zu Gunsten der Antragstellerin reduziert ist. Zwar gehen der Antragsgegner und ihm folgend das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass auch mit deutschen Staatsangehörigen verheirateten Ausländern grundsätzlich zur Nachholung des Visumverfahrens eine vorübergehende Rückkehr in ihr Heimatland zuzumuten ist. Dabei wird aber vorausgesetzt, dass dort das Visumverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird und in absehbarer Zeit für den Ausländer positiv abgeschlossen werden kann. Insoweit bestehen vorliegend jedoch Zweifel. Denn die Deutsche Auslandvertretung in der Türkei verlangt von der Antragstellerin nach Aktenlage vor Erteilung eines Visums - wie bereits im Jahr 2010 - weiterhin den Nachweis, dass ihre Ehe auch von den türkischen Behörden anerkannt wird. Eine normative Grundlage für diese Forderung ist jedoch nicht zu erkennen, soweit nicht entgegen der hier vertretenen Ansicht angenommen wird, eine wirksame Eheschließung i.S.d. § 27 AufenthG müsse nicht (nur) nach deutschem, sondern (auch) nach dem Heimatrecht beider "Ehegatten" gegeben sein, oder eine "hinkende Ehe" (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.7.2011 - 1 B 5/11 -, [...]) stehe jedenfalls aus sonstigen, ungeschriebenen Gründen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug entgegen. Selbst wenn man hiervon ausginge, müsste die Antragstellerin aber jedenfalls in der Lage sein, die dann erforderlichen Unterlagen über die Anerkennung ihrer Eheschließung in absehbarer Zeit von den türkischen Behörden erhalten zu können. Dass ihr dies möglich sei, wird zwar von der Deutschen Auslandvertretung geltend gemacht. Dagegen spricht aber, dass sich die Antragstellerin nach ihrem Vorbringen nach ihrer zwischenzeitlichen Rückkehr in die Türkei dort mehrere Monate lang und später auch im Bundesgebiet und in Dänemark erfolglos um diese Unterlagen bemüht hat, ihr etwa auch im Mai 2011 unverändert nur ein auf ihren Geburtsnamen lautender türkischer Pass ausgestellt worden ist, und keine Gründe dafür ersichtlich sind, warum sie sich entgegen ihrer Behauptung nicht ernsthaft um die Anerkennung ihrer Eheschließung durch türkische Behörden bemüht haben sollte. Ob die von der Antragstellerin weiterhin vorgetragenen Gründe (zusätzlich) für die Annahme eines Ausnahmefalles i.S.d.§ 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG sprechen, kann und muss deshalb in diesem Beschwerdeverfahren nicht geklärt werden.
Zur Sicherung eines nach den vorherigen Ausführungen zwar nicht feststehenden, aber doch ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchs der Antragstellerin nach §§ 5, 27, 28 Abs. 1 (Satz 1 Nr. 1) AufenthG ist die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.