Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 04.10.2011, Az.: VgK-26/2011

Zulässigkeit der Veöffentlichung von Angebotspreisen in einem Zeitungsartikel im Rahmen eines Vergabeverfahrens; Bieterschützender Charakter des § 14 Abs. 3 VOL/A und des § 17 Abs. 3 VOL/A-EG; Zulässigkeit der Überlassung der eigenen Auftraggeberentscheidung an Berater

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
04.10.2011
Aktenzeichen
VgK-26/2011
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 33851
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabeverfahren "Vergabe des Rettungsdienstes im Landkreis xxxxxx - Los 3"

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ök. Brinkmann, auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2011 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Beigeladenen und dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war sowohl für die Beigeladene als auch für den Antragsgegner notwendig.

Begründung

1

I.

Der Auftraggeber hat mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2011, veröffentlicht am xxxxxx.2011, die Rettungsdienstleistungen für 6 Jahre europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die zu vergebende Leistung war in 4 Lose aufgeteilt. Verfahrensgegenstand ist hier das Los 3. Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass sich die Bieter nur auf 2 Lose bewerben konnten. Bietergemeinschaften waren zugelassen. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort war unter Ziff. 12 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausgeführt, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgen soll, wobei der Leistungspreis und das Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports mit jeweils 50% gewichtet werden sollen. Der Auftraggeber erläuterte in der Aufforderung wie sich der Leistungspreis zusammensetzt und anhand welcher Formel die Punktzahl dafür ermittelt wird. Hinsichtlich des anderen Zuschlagskriteriums "Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes" legte der Auftraggeber 8 Unterkriterien fest und teilte mit, dass er diese mit jeweils 12,5% gewichten wollte. Ferner erläuterte er die Wertungskriterien. Der Auftraggeber beauftragte die Niederlassung der xxxxxx in xxxxxx mit der Vorbereitung und Begleitung des Vergabeverfahrens.

2

Der Auftraggeber hatte die Antragstellerin als eine der bisherigen Leistungsbringerinnen gebeten, ihre Personalkosten mitzuteilen. Diese hat die Antragstellerin dem Antragsgegner offenbar zunächst zur Verfügung gestellt, dann am 23.02.2011 zunächst widerrufen und schließlich wieder der Verwendung zugestimmt. Einer als Anlage AG 1 beigefügten E-Mail vom 23.02.2011 ist zu entnehmen, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin dem Auftraggeber Folgendes mitgeteilt hat:

"... ich habe mich noch einmal zur Nutzung der an Sie überlassenen Personaldaten beraten lassen. Sie können diese Daten wie vorgesehen nutzen.

Meine Mail von heute 17.57 Uhr betrachten Sie bitte somit als gegenstandslos."

3

Während der Ausschreibungsphase stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.03.2011 Fragen zur Vergabe der ausgeschriebenen Leistungen. Dieses Schreiben ist mit Bieteranfrage überschrieben. Hierauf antwortete der Antragsgegner mit Schreiben vom 15.03.2011.

4

Mit ihrer Frage 21 bat die Antragstellerin um Erläuterung der Preisanpassungsregelung und erklärte, dass sie um entsprechende vergaberechtskonforme Abänderung der Preisanpassungsregelungen in § 13 bittet. Hierzu erklärte der Auftraggeber, dass seiner Auffassung nach die von ihr beanstandete Vorgabe in § 13 des Entwurfs des Durchführungsvertrages nicht gegen§ 9 Abs. 1 Satz 1 VOL/A i.V.m. § 2 Nr. 3 VOL/B verstoße. Er schrieb ausdrücklich "Wir können daher der hierin liegenden Rüge nicht abhelfen."

5

Diese und weitere Fragen anderer Bieter mündeten in der Bieterinformation Nr. 4, die allen Bietern mit Datum vom 14. März 2011 zur Verfügung gestellt wurden. Ein anderer Bieter hatte im Vorfeld dieser Bieterinformation 4 mit Frage 7 um Erläuterung des Begriffs "mangelhaft" im Rahmen der Bewertung des Konzeptes für die Durchführung des Rettungsdienstes und des qualifizierten Krankentransportes gebeten. Hierzu teilten die beauftragten Berater allen Bietern mit:

"Insofern ist der Begriff "mangelhaft bei der Konzeptbewertung missverständlich. Keinesfalls erhält ein Konzept in dem jeweiligen Wertungsbereich einen Punkt, wenn es die gesetzlichen Mindeststandards nicht einhält. Sofern ein Konzept in diesem Punkt nur den absoluten Mindeststandard einhält, bekommt der Bieter in diesem Bereich 1 Punkt. Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgt oder je weiter ein Bieter hierüber hinausgeht oder innovative und taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter. Der Begriff mangelhaft in der Konzeptbewertung aus Ziff. 12.2 der Angebotsaufforderung wird daher in "gerade noch ausreichend" verändert."

6

Der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung am xxxxxx.2011 ist zu entnehmen, dass u.a. die Antragstellerin und die Beigeladene ein Angebot für das hier streitige Los 3 eingereicht hatten. In dem gemeinsamen Vergabevermerk für alle vier Lose vom 29.04.2011 hielt der Auftraggeber als Ergebnis fest, dass die Beigeladene den Zuschlag für das hier streitige Los 3 erhalten soll.

7

Nachdem der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bieterinformation vom 17.05.2011 mitgeteilt hatte, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste ist und wie ihr Angebot bewertet wurde, rügte diese die Entscheidung aus verschiedenen Gründen als vergaberechtswidrig. Sie beantragte mit Schreiben vom 26.05.2011, eingegangen in der Vergabekammer per Telefax am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzte und vertiefte ihren Vortrag in Bezug auf die bereits im Rügeschreiben gegenüber dem Auftraggeber monierte beabsichtigte Beauftragung der Beigeladenen.

8

Da die erkennende Vergabekammer zwischenzeitlich erste Entscheidungen in den Parallelverfahren der Stadt xxxxxx zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen gefasst hatte, erklärte der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.08.2011, dass er eine neue Vergabeentscheidung getroffen habe. Die alte Vergabeentscheidung sei aufgehoben und der Rechtsstreit aus seiner Sicht erledigt.

9

In einem ergänzenden Vergabevermerk vom 08.08.2011 hielt der Antragsgegner fest, dass er nur die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen gewertet hat. Im Vergabevermerk ist festgehalten, warum welcher Bieter wie viele Punkte in den einzelnen Unterkriterien des Leistungskonzeptes erzielte. Einer beigefügten Tabelle zur Gesamtwertung (Anlage 11) ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin für den Preis xxxxxx Punkte und für das Konzept xxxxxx Punkte, gewichtet xxxxxxx Punkte erzielte. Die Beigeladene erhielt für den Preis xxxxxx Punkte und für das Konzept xxxxxx Punkte, gewichtet xxxxxx Punkte.

10

Die Verwaltung des Auftraggebers empfahl, der Beigeladenen den Zuschlag für das Los 3 zu erteilen. Gegen diesen Vorschlag erhob das Rechnungsprüfungsamt des Auftraggebers keine Bedenken. Der Kreisausschuss beauftragte am 22.08.2011 einstimmig die Verwaltung, die Aufträge wie vorgeschlagen zu vergeben und die öffentlich-rechtlichen Verträge abzuschließen.

11

Mit Bieterinformation nach § 101a GWB ebenfalls vom 22.08.2011 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot im Los 3 nicht das wirtschaftlichste ist. Er fügte der Information eine Kopie ihrer Konzeptbewertung aus dem Vergabevermerk bei.

12

Obwohl die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass es in einem laufenden Nachprüfungsverfahren auch dann keiner förmlichen Rüge mehr bedarf, wenn der Auftraggeber seine Vergabeentscheidung anpasst oder ergänzt, rügte sie vorsorglich die neue Bewertung der Angebote als vergaberechtswidrig.

13

Mit Schriftsatz vom 16.09.2011 erklärte sie gegenüber der Vergabekammer, dass aus ihrer Sicht noch folgende Punkte zwischen den Parteien streitig sind:

14

1. Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien

15

In ihrem Rügeschreiben vom 20.05.2011 sowie in ihren Schriftsätzen beanstandet die Antragstellerin die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien in den Ausschreibungsunterlagen. Der Auftraggeber habe bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes bei dem Zuschlagskriterium "Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports" in den Unterkriterien 2 bis 8 personelle, sächliche oder technische Leistungsfähigkeit als Zuschlagskriterium gewertet. Sie begründet in ihren Schriftsätzen an die Vergabekammer ihre Auffassung, warum der Auftraggeber sich nicht an die strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bei der Vergabe der Dienstleistung gehalten hat. Ferner weist sie in ihrem Schriftsatz vom 23.08.2011 darauf hin, dass sie den hier geltend gemachten Verstoß gegen§ 97 Abs. 1 Satz 4 und 5 GWB weder erkannt noch ihn vor der Angebotsabgabe erkennen konnte.

16

Auch führt sie aus, dass Bieter, die nicht die nötigen Ressourcen vorhalten können, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage seien, den Rettungsdienst über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg permanent sicherzustellen. Sie seien damit nicht geeignet. Wörtlich schreibt die Antragstellerin:

17

"In diesem Zusammenhang kann der Antragsgegner auch ohne weiteres die Vorlage von entsprechenden Leistungskonzepten verlangen und bewerten. So aber führt er den von ihm initiierten Wettbewerb auf der Wirtschaftlichkeitsebene zu einem erheblichen Teil über Eignungsfragen durch, was gerade nicht geschehen soll."

18

2. Verdeckte Doppelbewertung preisbezogener Elemente im Unterkriterium 1 des Leistungskonzeptes bzw. Wertung einer faktischen Bedarfsposition

19

In ihrem Rügeschreiben vom 20.05.2011 sowie in ihren Schriftsätzen beanstandet die Antragstellerin, dass der Auftraggeber beim zweiten Zuschlagskriterium unter dem Unterkriterium 1 "Effizienz des Personaleinsatzes" gegen den Transparenzgrundsatz verstoßen habe. Er habe eine verdeckte Doppelbewertung preisbezogener Kriterien durchgeführt. Damit berücksichtige er beim Unterkriterium "Effizienz des Personaleinsatzes" einen Umstand, den er schon im Zuschlagskriterium Leistungspreis berücksichtigt hat. Es werde dadurch in intransparenter Weise das Gewicht des Leistungspreises von 50% auf 56,25% gehoben. Zudem sei das vom Auftraggeber verfolgte Ziel ungeeignet, da nirgends festgeschrieben sei, dass der Bieter ein beschriebenes Arbeitszeitmodell bis zum Vertragsende beizubehalten hat. Die Berücksichtigung dieses Unterkriteriums bei der Wirtschaftlichkeitsentscheidung führe entweder zu einer Doppelbewertung von Elementen des Angebotspreises oder stelle eine unzulässige und untaugliche Wertung eines (vermeintlichen) Preiselementes für künftige ungewisse Mehrleistungen dar.

20

3. Verbot der Kalkulation von Vorhaltekosten im erweiterten Rettungsdienst

21

In ihrem Rügeschreiben vom 20.05.2011 sowie in ihren Schriftsätzen beanstandet die Antragstellerin, dass der Auftraggeber durch seine Ausführungen unter Ziff. 12.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Berücksichtigung von Vorhaltekosten des erweiterten Rettungsdienstes im Leistungspreis untersagt hat, obwohl diese unstreitig anfallen. Diese Vorgabe stelle einen Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz dar. Eine landesrechtliche Regelung, nach der der Beauftragte Kapazitäten des erweiterten Rettungsdienstes vorzuhalten habe, gebe es nicht. Sie weist darauf hin, dass die im Rügeantwortschreiben vom 24. Mai 2011 auf S. 3 zitierte Passage aus dem Schreiben des Auftraggebers vom 15. März 2011 nicht so zu verstehen war (Antwort der beauftragten Berater auf Frage 8 der Antragstellerin).

22

4. Bekanntgabe der Personalkosten

23

Sowohl in ihrem Rügeschreiben vom 20.05.2011 als auch in ihrem Antragsschriftsatz vom 26. Mai 2011 beanstandet die Antragstellerin, dass der Auftraggeber ohne ihre Zustimmung die Kosten des derzeit bei ihr beschäftigten Personals über die Vergabeunterlagen den Mitbietern zugänglich gemacht habe. Die Personalkosten würden mit einem Anteil von ca. 80% an den Gesamtkosten eine wesentliche Grundlage der Kalkulation des Leistungspreises darstellen. Soweit die Antragsgegner in ihrem Rügebeantwortungsschreiben vom 24. Mai 2011 einwende, dass sie, die Antragstellerin, mit der Offenlegung ihrer Personalkosten einverstanden gewesen sei, ändere dies jedoch nichts an einem Verstoß gegen § 97 Abs. 1 GWB. Sie habe der Offenlegung ihrer Personal-Ist-Kosten u.a. in dem Vertrauen, dass dies zur vergaberechtskonformen Gestaltung eines Betriebsüberganges notwendig ist, zugestimmt.

24

5. Verletzung des Geheimwettbewerbs durch Bekanntgabe der Angebotspreise

25

Sowohl in ihrem Rügeschreiben vom 20.05.2011 als auch in ihrem Schriftsatz vom 26.05.2011 beanstandet die Antragstellerin die Bekanntgabe der Angebotspreise des für den Vergabevorschlag vorgesehenen Bieters in der Regionalpresse. Die Bekanntgabe von wesentlichen Inhalten der Angebote der teilnehmenden Bieter stelle einen Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot sowie gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs dar. Es handele sich dabei um einen Vergaberechtsverstoß, der dem Vergabeverfahren unheilbar anhafte.

26

6. Unzureichende eigene Auftraggeberentscheidung im Vergabeverfahren

27

In ihrem Rügeschreiben vom 20.05.2011 und in ihren Schriftsätzen geht die Antragstellerin auch davon aus, dass der Antragsgegner die Entscheidung über die beabsichtigte Zuschlagserteilung unzureichend selbst getroffen habe. Einerseits sei die Wirtschaftlichkeitsbewertung offenbar immer noch unzureichend dokumentiert worden und andererseits habe der zuständige Kreisausschuss aufgrund der aufgezeigten Mängel nicht alle wesentlichen Erwägungen zur Verfügung gehabt, um eine sachlich zutreffende Entscheidung treffen zu können. Die Verwaltung habe in dem Vermerk für den zuständigen Kreisausschuss nicht begründet, welche Gesichtspunkte im Einzelnen bei der Bewertung der Konzepte positiv wie negativ den Ausschlag gegeben haben.

28

7. Unzulässiges ungewöhnliches Wagnis durch unzureichende Preisanpassung bei Veränderung der Vorhaltung

29

Sowohl in ihrem Rügeschreiben vom 20.05.2011 als auch in ihrem Antragsschriftsatz vom 23.05.2011 beanstandet die Antragstellerin die Gestaltung der Leistungsbeschreibung. Aus ihrer Sicht bürdet der Antragsgegner den Bietern ein unzulässiges ungewöhnliches Wagnis durch unzureichende Preisanpassung bei Veränderung der Vorhaltekosten auf. Aus dem Leistungsverzeichnis ergäbe sich, dass der Antragsgegner sich vorbehalte, die Vorhaltung an Rettungsmitteln gegenüber den Bietern verbindlich abzuändern, also auch zu erweitern. Die finanziellen Folgen seien bei einem Los dieser Größenordnung aus ihrer Sicht nicht abschätzbar. Die Preisanpassungsregelung verstoße im Übrigen auch gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 VOL/A i.V.m. § 2 Nr. 3 VOL/B vor.

30

Ferner beanstandet die Antragstellerin sowohl in ihren Rügeschreiben als auch in ihren Schriftsätzen die Wertung der beiden Angebote sowohl im Vergabevermerk vom 29.04.2011als auch im ergänzenden Vergabevermerk vom 08.08.2011 als fehlerhaft.

31

8. Bewertung des Angebotes der Antragstellerin

32

- Ermessensausfall bei der Festlegung des Punkteabzugfaktors

33

Die Antragstellerin beanstandet bei der Neubewertung der Angebote eine Verschiebung der Gewichtung der Zuschlagskriterien. Ein größerer Punkteabzugsfaktor würde sich auf den Punkteabstand zwischen den beiden Bietern beim Zuschlagskriterium Leistungspreis auswirken. Wenn ein Auftraggeber mehrere Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes anwendet, müsse er sicherstellen, dass dem einzelnen Kriterium im Rahmen der Angebotswertung auch die Gewichtung zukomme, die er bekannt gegeben habe. Die für das einzelne Bewertungskriterium anzuwendende Bewertungsmethodik dürfe nicht dazu führen, dass die bekannt gemachte Gewichtung eines Faktors im Verhältnis zu einem anderen Faktor verzerrt werde. Der Antragsgegner habe bei der Bewertung der Angebote der beiden Hauptkriterien zwei gänzlich unterschiedliche Bewertungsmethoden angewandt, die nicht zwingend kompatibel seien. Einerseits habe er lineare Punktabzüge vorgenommen und sei vom niedrigsten Angebot ausgegangen. Andererseits habe er die Bewertung der Leistungskonzepte anhand von Schulnoten vorgenommen. Der Auftraggeber habe daher bei der Festlegung des Punkteabzugsfaktors den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nur dann rechtsfehlerfrei ausüben können, wenn er die branchentypischen Preisunterschiede berücksichtige. Da dies nicht geschehen sei, könne der Fehler nur durch Aufhebung behoben werden, so dass der Auftraggeber die Gelegenheit erhalte, vorab die erforderlichen Festlegungen zu treffen und diese bekannt zu machen, bevor er eine Neubewertung durchführe.

34

- Untauglicher und willkürlicher Bewertungsmaßstab zur Bewertung der "Leistungskonzepte"

35

Die Antragstellerin geht nach wie vor davon aus, dass der von dem Antragsgegner zugrunde gelegte Bewertungsmaßstab für das Leistungskonzept untauglich ist und willkürlich eingesetzt wurde. Der Antragsgegner habe es unterlassen, die Gewichtung dieser Unterkriterien vor dem Ende der Angebotsfrist mitzuteilen. Ferner habe er es versäumt, nicht näher bezeichnete gesetzliche Mindeststandards zu veröffentlichen. Die Antragstellerin belegt dies mit Beispielen. Intransparent sei auch, dass nicht klar sei, ob es bei dem Grad der Übererfüllung eine obere "absolute" Obergrenze gibt, deren Überschreitung sich nicht mehr auf die Bewertung auswirke. Es ergäbe sich auch nirgends, was der Antragsgegner unter innovativ verstehe. Ein sachlicher Grund, warum "innovative" Konzepte, die gleichermaßen tauglich sind wie "bewährte" Konzepte, besser bewertet werden sollen, sei nicht ersichtlich.

36

- Wertung der Leistungskonzepte

37

Die Antragstellerin vermutet außerdem, dass die Wertung ihres Leistungskonzeptes auch nach der Neubewertung immer noch fehlerhaft sei. Sie sieht sich außerstande, die Wertung nachzuvollziehen. Es sei aus ihrer Sicht nicht erklärbar, dass die Beigeladene insgesamt mehr Punkte erhalten musste als sie selbst. Sie geht davon aus, dass dem Auftraggeber inhaltliche Wertungsfehler unterlaufen sind, da der Wertungsmaßstab untauglich und willkürlich festgelegt wurde. Sie erläutert ihre Auffassung anhand der einzelnen Unterkriterien des Leistungskonzeptes und kommt dabei in ihrem Rügeschreiben vom 29.08.2011 zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner aufgrund ihrer Einwendungen die Wertung ein zweites Mal wiederholen müsse, wenn er die Ausschreibung nicht aufhebe.

38

- Wertung der Öffentlichkeitsarbeit

39

Die Antragstellerin beanstandet auch in ihrem Rügeschreiben vom 29.08.2011 die Wertung des Konzeptes zum Melde- und Berichtswesen als gleichheitswidrig. In der Entscheidung der Vergabekammer vom 26.08.2011 (Az.: VgK-34/2011) sei ausgeführt worden, dass die dortige Antragsgegnerin (Stadt xxxxxx) ausdrücklich keine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit bezüglich des Rettungsdienstes zulassen wollte. Im vorliegenden Nachprüfungsverfahren werde dagegen das Fehlen von Angaben zu eigener Öffentlichkeitsarbeit beanstandet. Auch der Leistungsbeschreibung (Nr. 15) sei zu entnehmen, dass eine eigene Öffentlichkeitsarbeit nicht gewollt ist, da eventuelle Schadenslagen stets durch den Pressesprecher des Antragsgegners kommentiert würden. Die Tatsache, dass sie zu einer eigenen Öffentlichkeitsarbeit keine Angaben gemacht habe, dürfe ihr jetzt nicht angelastet werden.

40

9. Wertung des Angebotes der Beigeladenen

41

- Eignung der Beigeladenen

42

Sie hält die Beigeladene xxxxxx als Teil der beigeladenen Bietergemeinschaft aus rechtlichen Gründen für nicht geeignet, die Leistung zu erbringen, da diese nach ihren Recherchen nicht über die erforderliche Zertifizierung verfüge.

43

- Fehlerhafte Wirtschaftlichkeitsbewertung des Angebotes der Beigeladenen anhand des Kriteriums Leistungskonzept

44

Zunächst weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie nicht beurteilen könne, aufgrund welcher Gesichtspunkte der Antragsgegner das Leistungskonzept der Beigeladenen offensichtlich mit xxxxxx von max. 5 Punkten beurteilt habe. Sie, die Antragstellerin, habe festgestellt, dass das Qualitätsmanagement der Beigeladenen xxxxxx ebenfalls von einer TÜV-Organisation zertifiziert worden ist. Da sie davon ausgehe, dass die TÜV-Organisationen nach einheitlichen Maßstäben zertifizieren, liegt aus ihrer Sicht die Annahme nahe, dass die Leistungskonzepte der Beigeladenen bewertungsfehlerhaft beurteilt worden sind. Nach Aussage ihrer Auditorin suche das QM-System der Antragstellerin seines gleichen.

45

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    Der Antragsgegner wird gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB verpflichtet, das Vergabeverfahren aufzuheben und die streitgegenständlichen Leistungen bei fortbestehender Vergabeabsicht nur unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in einem neuen Vergabeverfahren zu vergeben.

  2. 2.

    Hilfsweise:

    Der Antragsgegner wird gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB verpflichtet, das Angebot der Antragstellerin vom 7. April 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu vergeben.

  3. 3.

    Höchst hilfsweise:

    Die Vergabekammer wirkt gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin.

  4. 5.

    Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig erklärt.

  5. 6.

    Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin.

46

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragsgegners aufzuerlegen.

47

Seiner Auffassung nach ist der Nachprüfungsantrag durch den ergänzenden Vergabevermerk vom 08.08.2011 gegenstandslos geworden. Das Nachprüfungsverfahren habe sich in sonstiger Weise erledigt. Er habe, wie von der Antragstellerin ursprünglich beantragt, die Angebote neu gewertet und bei gleichzeitiger Aufhebung der streitgegenständlichen Vergabeentscheidung eine neue getroffen. Etwas anderes ergäbe sich nicht daraus, dass die Antragstellerin nunmehr neue Anträge in Aussicht stellt. Eine wiederholte Vergabeentscheidung könne nur durch einen neuen Nachprüfungsantrag aufgegriffen werden.

48

Hinsichtlich des ursprünglichen Nachprüfungsantrages tritt der Antragsgegner den Behauptungen und der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen. Er hält den Nachprüfungsantrag teilweise für unzulässig, da die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt sei.

49

Er weist in seinem Schriftsatz vom 03.06.2011 zunächst darauf hin, dass die Antragstellerin aus seiner Sicht nicht unbedarft sein kann. Er habe die Antragstellerin als einer der derzeit beauftragten Leistungserbringer um die Überlassung der Personalkosten gebeten. Die Antragstellerin habe ihm mit E-Mail vom 23.02.2011 überraschend mitgeteilt, dass sie mit der Verwendung der Personalkosten nicht mehr einverstanden sei. Wörtlich schreibt der Antragsgegner:

"In einem Telefonat zunächst des Fachdienstleiters des Antragsgegners, Herrn xxxxxx, mit Herrn xxxxxx (Geschäftsführer der Antragstellerin) und nachfolgend mit dem Linksunterzeichner (Herr xxxxxx von xxxxxx) äußerte Herr xxxxxx die Bedenken, dass man ihm mitgeteilt habe, dass es sich bei der Ausschreibung nicht um eine Betriebsübergangskonstellation handeln könne. Herr xxxxxx wurde daraufhin versichert, dass sich an der ursprünglichen Situation nichts geändert habe und der Antragsgegner weiterhin von einer solchen Betriebsübergangskonstellation ausginge.

Herr xxxxxx teilt daraufhin mit, dass ihm dies von seinem Berater, Herrn xxxxxx, vermittelt worden sei. Das Angebot des Linksunterzeichners, dass dieser direkt mit dem Kollegen xxxxxx Kontakt aufnehmen würde, schlug Herr xxxxxx aus und meinte, dies sei nicht notwendig.

Herr xxxxxx widerrief anschließend nach einem weiteren Telefonat mit Herrn xxxxxx und einer weiteren E-Mail seinen ursprünglich geäußerten Widerruf. In der E-Mail (vom 23.02.2011 = Anlage AG 1) steht zudem, er habe sich noch einmal beraten lassen."

50

Aufgrund dieser Ausführungen geht der Antragsgegner davon aus, dass die Antragstellerin bereits während der Ausschreibungsphase von ihrem jetzigen Bevollmächtigten beraten wurde. Selbst unterstellt, wenn man von keiner anwaltlichen Beratung ausgehe, so habe auf Seiten der Antragstellerin eine vergaberechtlich sehr fundierte Auseinandersetzung mit den Ausschreibungsunterlagen stattgefunden. Einige der Rückfragen und Rügen ließen intensive vergaberechtliche Kenntnisse erkennen. Der Antragsgegner stützt seine Auffassung auf das als "Bieternachfrage" bezeichnete Schreiben der Antragstellerin vom 09.03.2011 und dort speziell mit den Fragen Nr. 6, Nr. 7, Nr. 10 und Nr. 21. Seiner Meinung nach belegen die dort gestellten Fragen, dass die Antragstellerin über detaillierte vergaberechtliche Kenntnisse verfüge, so dass die erstmals im Nachprüfungsverfahren geschilderten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße aus den Vergabeunterlagen für die Antragstellerin erkennbar waren. Die Antragstellerin sei daher mit ihren Rügen zur Rechtmäßigkeit der Vergabeunterlagen präkludiert.

51

Die Präklusion beträfe die hier nochmals vorgetragene unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, die Doppelbewertung preisbezogener Kriterien sowie das Verbot der Kalkulation von Vorhaltekosten des erweiterten Rettungsdienstes.

52

Bezüglich der aus den Verdingungsunterlagen erkennbaren Verstöße hätte die Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB innerhalb einer Frist von 15 Kalendertagen, nachdem er mit Schreiben vom 15.03.2011 der Antragstellerin mitgeteilt habe, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, einen Nachprüfungsantrag stellen müssen. Er habe der Antragstellerin in seinem o. g. Antwortschreiben mitgeteilt, dass er den in den Fragen 21 und 22 enthaltenen Rügen nicht abhelfen könne.

53

Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er aber unbegründet. Er führt zu den aus Sicht der Antragstellerin noch streitigen Punkten aus:

54

1. Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien

55

Soweit die Antragstellerin eine Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien in den Vergabeunterlagen beanstandet, weist der Auftraggeber darauf hin, dass er die Bewertung der Wirtschaftlichkeit nicht anhand von Eignungskriterien vorgenommen habe. In den Unterkriterien 2 und 3 des Leistungskonzeptes überprüfe er nicht, ob der Bieter über genügend Personal verfüge. Er bewerte vielmehr, wie der Bieter dargestellt habe, wie er die geforderte Leistung erbringen will, so dass diese für den Auftraggeber qualitativ hochwertiger und damit wirtschaftlicher wird. Insgesamt seien die aufgestellten Unterkriterien solche, die aus seiner Sicht zukünftig eine bessere Leistungserbringung als bisher erwarten lassen.

56

2. Verdeckte Doppelbewertung preisbezogener Elemente im Unterkriterium 1 des Leistungskonzeptes bzw. Wertung einer faktischen Bedarfsposition

57

Der Auftraggeber vertritt die Auffassung, dass er in den Vergabeunterlagen deutlich gemacht habe, anhand welcher Kriterien er in qualitativer und preislicher Hinsicht die Wirtschaftlichkeit der Angebote bewerten wolle. Auch sei grundsätzlich die Wirtschaftlichkeit des Arbeitszeitmodells als möglicher Bestandteil der Effizienz des Personaleinsatzes nicht identisch mit dem Preis für das Personal.

58

3. Verbot der Kalkulation von Vorhaltekosten im erweiterten Rettungsdienst

59

Der Auftraggeber vertritt hierzu die Auffassung, dass er durch seine Beantwortung der Bieterfrage Nr. 8, ob es untersagt sei, vorhaltebezogene Kosten mit einzurechnen, eindeutig erklärt habe, dass er den Bietern gerade nicht untersagt habe, solche Kosten einzurechnen.

60

4. Bekanntgabe der Personalkosten

61

Auch hier sieht der Auftraggeber unabhängig von der von ihm angenommenen Präklusion, dass die Antragstellerin mit Mail vom 23.02.2011 (19.07 Uhr) an den Fachdienstleiter der Bekanntgabe der Personalkosten sowie der Buchwerte der Rettungsmittel und der sonstigen Ausstattungsgegenstände der Rettungswachen zugestimmt habe. Ein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb sei damit nicht mehr gegeben. Soweit die Antragstellerin jetzt die Auffassung vertritt, dass die Personalkosten grundsätzlich auch nach Zustimmung durch den bisherigen Leistungserbringer nicht weiter gegeben werden dürfen und einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb darstellen sollen, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Die Zurverfügungstellung der derzeitigen Personalkosten sei zur realistischen Kalkulation eines Angebotspreises und damit zur Verhinderung eines ungewöhnlichen Wagnisses unerlässlich.

62

5. Verletzung des Geheimwettbewerbs durch Bekanntgabe der Angebotspreise

63

Soweit die Antragstellerin sich durch die Bekanntgabe des Angebotspreises der Beigeladenen in ihren Rechten verletzt fühlt, ist dies aus Sicht des Antragsgegners nicht nachvollziehbar. Selbst wenn die Preise der Beigeladenen in rechtswidriger Art und Weise bekannt gegeben worden wären, was nicht geschehen sei, könne sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, weil es sie nicht beträfe.

64

6. Unzureichende eigene Auftraggeberentscheidung im Vergabeverfahren

65

Der Auftraggeber weist darauf hin, dass er alle wesentlichen und für das Vergabeverfahren relevanten Entscheidungen selbst getroffen habe. Der Kreisausschuss habe dabei seine Entscheidung aufgrund der von der Verwaltung erarbeiteten Vorlage getroffen. Die Mitwirkung der beratenden Rechtsanwälte sei dabei nur von beratender Natur gewesen.

66

7. Unzulässiges ungewöhnliches Wagnis durch unzureichende Preisanpassung bei Veränderung der Vorhaltung

67

Auch in diesem Punkt sieht der Auftraggeber keinen Verstoß gegen Vergabevorschriften. Die Antragstellerin habe ein ordnungsgemäßes mit allen Anforderungen der Vergabeunterlagen übereinstimmendes Angebot abgegeben und so gezeigt, dass eine Kalkulation für sie ohne weiteres möglich war und ihr kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet wurde. Darüber hinaus habe die Antragstellerin diesen vermeintlichen Verstoß bereits in ihrem Schreiben vom 09.03.2011 gerügt. Der Auftraggeber habe dieser Rüge mit Schreiben vom 15.03.2011 nicht abgeholfen und sie ausdrücklich zurückgewiesen. Die Antragstellerin sei mit der Geltendmachung dieses angeblichen Verstoßes präkludiert.

68

8. Bewertung des Angebotes der Antragstellerin

69

- Ermessensausfall bei der Festlegung des Punkteabzugsfaktors

70

Auch das diesbezügliche Vorbringen der Antragstellerin hält der Antragsgegner für präkludiert. Dies gelte zum einen hinsichtlich der Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Berechnungsformel und der Höhe des von der Antragstellerin sog. "Punkteabzugsfaktors". Er erläutert, dass die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 09.03.2011 darauf hingewiesen habe, dass die ursprüngliche Berechnungsformel aufgrund ihrer Degressität zu unterschiedlichen Punktabschlägen führen könne und eine lineare Bewertungsskala deutlich sachgerechter erscheine. Den diesbezüglichen Kritikpunkt habe er aufgenommen und in der neu bekannt gegebenen Bewertungsformel einen linearen Ansatz vorgegeben. Gegen diese neue Bewertungsformel habe die Antragstellerin bis jetzt keine Rüge erhoben. Ferner sei der Antragstellerin auch der sog. "Punktabzugsfaktor" bekannt, aus dem sich ergibt, dass die Formel einen Angebotspreis, der doppelt so hoch ist wie der günstigste Angebotpreis 0 Punkte erhalten würde. Er habe der Antragstellerin mitgeteilt, dass bei rettungsdienstlichen Ausschreibungen Preise, die doppelt so hoch sind, wie das günstigste Angebot, nach seinen Erfahrungswerten noch nicht vorgekommen sind auch nicht zu erwarten seien. Insoweit sei der Antragstellerin auch bekannt gewesen, dass er sich sehr wohl Gedanken zu den marktgängigen Preisen im Rettungsdienst und damit zur Bewertungsformel gemacht habe.

71

- Untauglicher und willkürlicher Bewertungsmaßstab zur Bewertung der "Leistungskonzepte"

72

Zunächst weist der Antragsgegner darauf hin, dass er aufgrund der Beschlüsse der Vergabekammer in vergleichbaren Verfahren der Stadt xxxxxx einen ergänzenden Vergabevermerk gefertigt und damit dem Vergaberechtsverstoß abgeholfen habe. Zwar habe die Antragstellerin nach dem Versand der neuen Information nach § 101a GWB die Konzeptbewertung erneut gerügt und angekündigt, diese neuen Rügen zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens zu machen, dies sei jedoch bislang nicht geschehen. Der Auftraggeber erklärt, dass er sich ausschließlich an die bekannt gemachten Kriterien gehalten habe und nur diese entsprechend gewichtet berücksichtigt habe. Das von der Beigeladenen vorgestellte Konzept habe er im Rahmen seines Beurteilungsspielraums insgesamt höher bewertet als das der Antragstellerin.

73

- Wertung der Leistungskonzepte

74

Der Antragsgegner verweist zur inhaltlichen Bewertung der Leistungskonzepte auf sein Antwortschreiben vom 01.09.2011 an die Antragstellerin, in dem er zu den einzelnen Unterkriterien erläutert habe, dass er sich in seinem Vergabevermerk nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen und eine Überschreitung seines Beurteilungsspielraumes nicht vorliege. Der Antragsgegner führt beispielhaft aus, dass eine Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems keine Aussage über die Qualität der rettungsdienstlichen Abläufe in einem Unternehmen trifft.

75

- Wertung der Öffentlichkeitsarbeit

76

Soweit die Antragstellerin das Unterkriterium Melde- und Berichtswesen noch gesondert aufführt, erklärt der Antragsgegner, dass es zutreffend sei, dass eine eigene Öffentlichkeitsarbeit nicht gewünscht sei. Mit der Aussage im Vergabevermerk "Detaillierte Aussagen zu Öffentlichkeitsarbeit und Beschwerdemanagement fehlen" sei nicht gemeint, dass vom Bieter eine eigene Öffentlichkeitsarbeit gewünscht ist. Vielmehr vermisste er Aussagen der Antragstellerin, wie die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Vorgaben der Ausschreibung - also gemeinsam und in Abstimmung mit dem Antragsgegner - überhaupt geschehen soll.

77

9. Wertung des Angebotes der Beigeladenen

78

- Eignung der Beigeladenen

79

Entgegen den Vermutungen der Antragstellerin verfügten beide Bieter der beigeladenen Bietergemeinschaft über die erforderliche Qualifikation. Die Beigeladene habe alle geforderten Eignungsnachweise vorgelegt. Ihm läge eine entsprechende Zertifizierung für beide Bieter vor.

80

- Fehlerhafte Wirtschaftlichkeitsbewertung des Angebotes der Beigeladenen anhand des Kriteriums Leistungskonzept

81

Aus Sicht des Antragsgegners ist auch die Bewertung des Angebotes der Beigeladene vergaberechtskonform erfolgt. Sie habe im Rahmen des Bewertungsspielraumes bei der Bewertung des Leistungskonzeptes insgesamt eine höhere Punktzahl erreicht als die Antragstellerin.

82

Die Beigeladene beantragt,

- den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

- die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen und

- die Hinzuziehung eines Anwalts für die Beigeladene für erforderlich zu erklären.

83

Sie unterstützt den Vortrag des Antragsgegners und hält den Nachprüfungsantrag für überwiegend unzulässig und im Übrigen für unbegründet.

84

Die Vergabekammer hat mit Verfügungen des Vorsitzenden vom 27.06.2011, 25.08.2011 und 22.09.2011 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus zunächst bis zum 31.08.2011 und sodann bis zum 26.09.2011 und schließlich bis zum 05.10.2011 verlängert.

85

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 20.09.2011 Bezug genommen.

86

II.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Er ist mangels rechtzeitiger Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin vermeintliche Verstöße gegen die Vergabevorschriften geltend macht, die für sie aus den Vergabeunterlagen erkennbar waren, und nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gerügt hat. Der Nachprüfungsantrag ist ferner gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin Vergabeverstöße bereits mit Schreiben vom 09.03.2011 gerügt hatte, die der Antragsgegner jedoch bereits mit Antwortschreiben vom 15.03.2011 durch ausdrückliche Erklärung der Nichtabhilfe zurückgewiesen hat. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er jedoch unbegründet. Die Bekanntgabe des Angebotspreises des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters nach erfolgter Angebotswertung in der Regionalpresse verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten auf vertrauliche Behandlung der Angebote gemäß § 14 Abs. 3 VOL/A, weil nicht ihr eigener Angebotspreis, sondern der Angebotspreis der Beigeladenen veröffentlicht wurde. Der Auftraggeber hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte auch eine eigene Vergabeentscheidung getroffen und diese nicht auf die von ihm beauftragten Berater delegiert. Der Auftraggeber war entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Beigeladenen gemäß § 16 Abs. 5 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Er hat zu Recht die Eignung der Beigeladenen festgestellt. Schließlich ist auch die Angebotswertung selbst vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat das Angebot der Beigeladenen auf der Grundlage der bekannt gemachten Zuschlagskriterien, der 8 Unterkriterien und der bekannt gemachten Gewichtung als wirtschaftlichstes Angebot im Sinne des § 18 Abs. 1 VOL/A ermittelt und die erneute Angebotswertung und die Ergebnisse in einer den Anforderungen des§ 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

87

1. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach§ 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Durchführung der Leistungen des Rettungsdienstes im Landkreis xxxxxx und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gemäß § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 193.000 EUR gilt. Werden Dienstleistungsaufträge, wie vorliegend, losweise ausgeschrieben, so beträgt der Schwellenwert 80.000 EUR oder bei Losen unterhalb von 80.000 EUR deren addierter Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenden Vermerks vom 25.02.2011 (xxxxxx) beträgt der geschätzte Wert des für den Zeitraum 01.01.2012 bis 21.12.2017 ausgeschriebenen Gesamtauftrages ca. xxxxxx EUR. Allein der Wert des hier verfahrensgegenständlichen Loses 3 liegt ausweislich der in der Vergabeakte dokumentierten Gesamtwertung der eingegangenen Angebote (xxxxxx) über xxxxxx EUR für die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit.

88

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterunternehmen ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, dass der Antragsgegner wegen schwerwiegender Verstöße gegen das Vergaberecht gehindert sei, im laufenden Vergabeverfahren einen Zuschlag zu erteilen. Die Vergaberechtsverstöße seien derart schwerwiegend, dass der Antragsgegner zu verpflichten sei, das Vergabeverfahren aufzuheben, zumindest aber müsse der Auftraggeber verpflichtet werden, das Verfahren in den Zeitpunkt vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen. Der Antragsgegner habe unzulässig Eignungskriterien und Zuschlagskriterien vermischt, indem er für die Konzeptbewertung auf Unterkriterien abstellt, die zumindest hinsichtlich der Unterkriterien 2 - 8 die personelle, sachliche oder technische Leistungsfähigkeit des Bieters betreffen. Das Unterkriterium 1 "Effizienz des Personaleinsatzes" verstoße gegen den Transparenzgrundsatz, weil es eine verdeckte Doppelbewertung preisbezogener Elemente bzw. die Wertung einer faktischen Bedarfsposition enthalte. Die Bekanntmachung der Personalkosten der bisherigen Auftragnehmer in den losbezogenen Bereichen, die der Antragsgegner den Bietern mit den Vergabeunterlagen für die Kalkulation bekannt gegeben hat, verstoße gegen § 97 Abs. 1 GWB. Auch habe der Auftraggeber unter Verstoß gegen den Vertraulichkeitsgrundsatz des § 14 Abs. 3 VOL/A die Preise der Bieter, deren Angebote vom Auftraggeber für die jeweiligen Lose als die wirtschaftlichsten Angebote ermittelt wurden, in der Presse bekannt gegeben. Die Antragstellerin geht ferner von einer unzureichenden eigenen Auftraggeberentscheidung im Vergabeverfahren aus. Dies sei auf eine unzureichende Dokumentation des Vergabeverfahrens zurückzuführen, insbesondere habe der zuständige Kreisausschuss aufgrund der aufgezeigten Mängel nicht alle wesentlichen Erwägungen zur Verfügung gehabt, um eine sachlich zutreffende Entscheidung treffen zu können. Die in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preisanpassung bei Veränderung der Vorhaltekosten beinhalte ein unzulässiges, ungewöhnliches Wagnis für die Bieter. Auch die Bewertung der Angebote selbst sei zu beanstanden. Zum einen habe der Antragsgegner bei der Bewertung der Zuschlagskriterien Preis und Konzept zwei gänzlich unterschiedliche Bewertungsmethoden angewandt, die nicht kompatibel seien. Der Antragsgegner habe zudem der Bewertung der Leistungskonzepte einen untauglichen und willkürlichen Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt. Insbesondere habe er es versäumt, in den Vergabeunterlagen nicht näher bezeichnete gesetzliche Mindeststandards zu veröffentlichen. Auch sei nicht erklärbar, warum die Beigeladene insgesamt mehr Punkte beim Leistungskonzept erhalten habe als sie selbst. Schließlich müsse das Angebot der Beigeladenen bei der Wertung unberücksichtigt bleiben, weil die zur beigeladenen Bietergemeinschaft gehörende xxxxxx aus rechtlichen Gründen nicht geeignet sei, die Leistung zu erbringen, weil sie nicht über die erforderliche Zertifizierung verfüge.

89

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behaupte Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat eine entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, dass sie durch die o.g. vermeintlichen Vergaberechtsverstöße in ihren Zuschlagschancen beeinträchtigt wird. Da sie mit ihren Anträgen vorrangig die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens begehrt, ist auch zu berücksichtigen, dass sie im Falle eines erneuten Vergabeverfahrens eine neue möglicherweise bessere Chance auf Erhalt des Zuschlags hätte. Deshalb ist die Antragstellerin auch antragsbefugt, soweit sie sich unter Berufung auf § 14 Abs. 3 VOL/A gegen die nach Angebotswertung erfolgte Veröffentlichung des Angebotspreises der Beigeladenen wendet, die nach den Feststellungen des Antragsgegners insgesamt das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Ob die Antragstellerin durch die Bekanntgabe des Preises in der Presse auch selbst in ihren Rechten verletzt ist, ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.

90

Das vorliegende Nachprüfungsverfahren hat sich entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Auftraggebers auch nicht dadurch im Sinne des § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB erledigt, dass der Antragsgegner zwischenzeitig aufgrund der Entscheidungen der Vergabekammer Lüneburg vom 05.07.2011 und 08.07.2011 in den Nachprüfungsverfahren VgK-22/2011 und VgK-23-2011, die die parallel nach den gleichen Maßstäben und von den gleichen Beratern durchgeführten Vergabeverfahren für die Rettungsdienstleistungen der Stadt xxxxxx betreffen, zum Anlass genommen hat, erneut in die Angebotswertung einzutreten, um den in den gleichgelagerten Fällen der Stadt xxxxxx von der Vergabekammer festgestellten Mängeln selbst abzuhelfen und so möglicherweise gleichlautende Beanstandungen durch die Vergabekammer in den Ausschreibungen des Landkreises xxxxxx zu vermeiden. Der Antragsgegner hat die erneute Angebotswertung in einem umfangreichen, 106 Seiten starken ergänzenden Vergabevermerk vom 08.08.2011 (xxxxxx) dokumentiert. Gegenstand des Vergabevermerks ist jedoch die Rückgängigmachung des Ausschlusses des Angebotes der Beigeladenen zum hier nicht streitgegenständlichen Los 1, die Prüfung der Angemessenheit der preislich niedrigsten Angebote gemäß § 16 Abs. 6 VOL/A und vor allem die Bewertung der Bieterkonzepte. Die von der Antragstellerin mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag in erster Linie verfolgten Rügen bezüglich der Festlegungen in den Vergabeunterlagen und die in diesem Zusammenhang geltend gemachten vermeintlichen Verstöße gegen den Transparenzgrundsatz, die nach Auffassung der Antragstellerin die Aufhebung des Vergabeverfahrens erforderlich machen, sind ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte bei der erneuten Angebotswertung nicht thematisiert worden. Aber auch soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen die konkrete Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes und dabei insbesondere gegen die Konzeptbewertung wendet, ist durch die erneute Angebotswertung, die letztlich zum gleichen Ergebnis geführt hat, keine Erledigung eingetreten. Es würde dem das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren prägenden Beschleunigungsgrundsatz des § 113 GWB zuwiderlaufen, wenn ein Bieter bei jeder Neubewertung des Auftraggebers während des laufenden Nachprüfungsverfahrens auf ein erneut einzuleitendes Nachprüfungsverfahren verwiesen werden könnte. In der Rechtsprechung ist deshalb anerkannt, dass der Antragsteller erst im Nachprüfungsverfahren erkannte Vergaberechtsverstöße, auf die sich sein Nachprüfungsantrag nicht bezogen hat, zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen kann. In diesen Fällen greift die Obliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, den Verstoß zunächst gegenüber dem Auftraggeber zu rügen, nach dem Wortlaut und Sinne der Vorschrift nicht ein (OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2005 - 13 Verg 5/05). Es würde dem Beschleunigungsgebot zuwiderlaufen, den Bieter auf ein neues Nachprüfungsverfahren zu verweisen, wenn die Rügen im Übrigen zulässig, insbesondere so rechtzeitig vorgebracht sind, dass sie in dem laufenden Nachprüfungsverfahren ohne Verzögerung beschieden werden können (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.03.2007 - 13 Verg 2/07, zitiert nach VERIS). Vorliegend hat sich die Antragstellerin im laufenden Nachprüfungsverfahren umgehend auch gegen die erfolgte Neubewertung gewandt, sobald sie vom Antragsgegner über das für sie gegenüber der ursprünglichen Wertung identische Ergebnis unterrichtet wurde. Das Informationsschreiben des Antragsgegners gemäß § 101a GWB nach erfolgter Neubewertung datiert vom 22.08.2011. Bereits mit Schriftsatz vom 23.08.2011 hat die Antragstellerin im laufenden Nachprüfungsverfahren erklärt, dass sie sich auch gegen die erfolgte Neubewertung wendet, und ihre Anträge neu gestellt.

91

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch teilweise unzulässig, weil die Antragstellerin nicht alle von ihr im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverstöße gegenüber dem Auftraggeber im laufenden Vergabeverfahren rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt hat.

92

Soweit sich der Nachprüfungsantrag gegen die konkrete Angebotswertung und die Entscheidung des Antragsgegners, den Zuschlag für das verfahrensgegenständliche Los 3 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, wendet, ist die Antragstellerin ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem Antragsgegner unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des§ 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Verfahrensfehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht aus § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Der Antragsgegner hatte die Antragstellerin mit Bieterinformation gemäß § 101a GWB vom 17.05.2011 darüber informiert, dass ihr Angebot nach der Angebotswertung nicht das wirtschaftlichste ist und ihr die erzielten Punkte mitgeteilt. Bereits mit Schreiben vom 20.05.2011 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung des Antragsgegners und machte darüber hinaus Verstöße bei der Wertung der Angebote und grundlegende Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen im gesamten Vergabeverfahren geltend. Mit Schreiben vom 24.05.2011 ergänzte sie diese Rüge, indem sie geltend machte, dass sie zwischenzeitig erfahren habe, dass die zur beigeladenen Bietergemeinschaft gehörende xxxxxx für die ausgeschriebenen Dienstleistungen nicht geeignet sei, da diese nicht zertifiziert sei. Soweit sich diese Rügen gegen die Angebotswertung, die vom Antragsgegner getroffene Zuschlagsentscheidung und die vermeintlich fehlende Eignung der xxxxxx als Teil der Bietergemeinschaft der Beigeladenen wendet, erfolgten die Rügen unmittelbar nach positiver Kenntniserlangung von den zugrunde liegenden Sachverhalten und damit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

93

Auch das Ergebnis der vom Auftraggeber vorgenommenen Neubewertung der Angebotskonzepte auf der Grundlage des ergänzenden Vergabevermerks vom 08.08.2011, das der Antragsgegner der Antragstellerin mit erneuter Bieterinformation nach § 101a GWB vom 22.08.2011 mitgeteilt hatte und insbesondere die aus der Anlage zur Bieterinformation beigefügten erneute Konzeptbewertung, rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29.08.2011 förmlich gegenüber dem Antragsgegner. Bereits mit Schriftsatz an die Vergabekammer vom 23.08.2011 und damit nur einen Tag nach Erhalt der neuen Bieterinformation nach § 101a GWB hatte die Antragstellerin sich jedoch bereits im laufenden Nachprüfungsverfahren gegen die erneute Angebotswertung gewendet. Diese Rüge im laufenden Nachprüfungsverfahren, die nach der zitierten Rechtsprechung des OLG Celle (Beschluss vom 08.03.2007 - 13 Verg 2/07, zitiert nach ibr-online) eine gesonderte Rüge gegenüber dem Auftraggeber eigentlich entbehrlich machte, erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, der nach der Rechtsprechung auf Rügen im laufenden Nachprüfungsverfahren entsprechend anzuwenden ist.

94

Soweit sich die Antragstellerin mit ihrer Rüge vom 20.05.2011 dagegen über die konkrete Angebotswertung hinaus auch gegen mehrere vermeintliche grundlegende Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen im Vergabeverfahren durch Festlegungen in den Vergabeunterlagen wendet, ist die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, soweit sie diese vermeintlichen Vergaberechtsverstöße bereits aus den Vergabeunterlagen erkennen konnte. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.

95

Diese Vorschrift führt zu einer Obliegenheit der Bieterunternehmen, die Unterlagen auf etwaige Vergaberechtsverstöße zu prüfen und die erkennbaren Verstöße bis zum Ablauf der Frist zu rügen. Dies gilt selbst dann, wenn im Zeitpunkt der Rüge noch unklar ist, ob der betreffende Vergaberechtsverstoß die Zuschlagschancen des späteren Angebots beeinträchtigen wird (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, Rdnr. 91). Die 2009 in das GWB eingeführte Neuregelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers zu mehr Effizienz und Beschleunigung des Nachprüfungsverfahrens führen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache 16/10117, S. 14, 42). Vor dieser Neuregelung lief der bisherige § 107 Abs. 3 GWB zu oft leer, weil der Auftraggeber den Nachweis einer zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehenden positiven Kenntnis des Bieters häufig nicht führen konnte, obwohl der Bieter die Vergabeunterlagen für die Kalkulation seines Angebotes sorgfältig prüfen muss. Maßstab für die "Erkennbarkeit" des vermeintlichen Vergaberechtsverstoßes ist die Erkenntnismöglichkeit für das Bieterunternehmen bei Anwendung üblicher Sorgfalt (vgl. Marx in: Beck'scher VOB-Kommentar,§§ 107, 108 GWB, Rdnr. 28; Wiese, a.a.O., § 107, Rdnr. 85). Die Erkennbarkeit muss sich dabei sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen. Nicht einheitlich ist die Rechtsprechung jedoch zu der Frage, ob der Vergaberechtsverstoß lediglich für ein durchschnittliches Unternehmen oder für das jeweils konkrete, Antrag stellende Unternehmen erkennbar sein muss. Während etwa das BayObLG in seiner Entscheidung vom 23.11.2000, Verg 12/00; ebenso noch OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.07.2000 - 2 Verg 5/00 = NZBau 2001, S. 462 ff., 463 [OLG Stuttgart 11.07.2000 - 2 Verg 5/00]; Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Auflage, § 107, Rdnr. 58, auf die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Unternehmens abgestellt haben, ist das OLG Düsseldorf von der Maßgeblichkeit der Verhältnisse des konkreten Antragstellers ausgegangen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006, VergabeR 2007, S. 200 [OLG Düsseldorf 18.10.2006 - VII-Verg 35/06]; KG Berlin, Beschluss vom 11.07.2000, BauR 2000, S. 1620). Es bedarf jedoch vorliegend keiner Entscheidung, welchem der beiden Ansätze in der Rechtsprechung zu folgen ist. Die Antragstellerin hat erstmalig mit Schreiben vom 20.05.2011 und damit mehr als einen Monat nach Ablauf des vom Auftraggeber in der EU-Bekanntmachung vom xxxxxx.2011 unter IV.3.4 bestimmten Schlusstermins für den Eingang der Angebote am xxxxxx.2011 mehrere aus ihrer Sicht bestehende Verstöße gegen die Vergabevorschriften gerügt, die für jeden auf dem Gebiet des Rettungsdienstwesens erfahrenen Bieter und damit auch für die Antragstellerin aus der Aufforderung zur Angebotsabgabe und den übersandten Vergabeunterlagen spätestens bei der Kalkulation des Angebotes erkennbar waren. Es handelt sich dabei um folgende Rügen der Antragstellerin:

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- Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien

97

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erfolgte auch die Rüge der von ihr erstmals mit Schreiben vom 20.05.2011 beanstandeten Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien in den Ausschreibungsunterlagen verspätet im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB.

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Die Antragstellerin hat erstmals mit Anwaltsschriftsatz vom 20.05.2011 die Berücksichtigung des Zuschlagskriteriums Bieterkonzepte bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 16 Abs. 7, 8 VOL/A und § 18 Abs. 1 VOL/A gerügt. Sie vertritt die Auffassung, dass insgesamt 7 der 8 festgelegten Unterkriterien eignungsbezogen sind. Es handelt sich dabei um die Unterkriterien 2 bis 8 (Ausfallsicherheit Personal, Ausfallsicherheit Sachmittel, Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen, Effizienz der Materialverwaltung, Effizienz der Medizinprodukteverwaltung, Effizienz des Melde- und Berichtswesens, Psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter). Durch die Berücksichtigung dieser Kriterien habe der Antragsgegner gegen den Wettbewerbsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Nach dem Wettbewerbsgrundsatz sind die Eignungsfeststellung nach § 97 Abs. 4 GWB und die Feststellung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 97 Abs. 5 GWB voneinander zu trennen (EuGH, Urteil vom 24.01.2008, Rs. C 532/06, Nr. 27 - 31 = VergabeR 2008, S. 496 ff., 499 [EuGH 24.01.2008 - C 532/06]; BGHZ 139, 273 - X ZR 129/06 = VergabeR 2008, S. 641 ff., 643; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.04.2008 - Verg 1/08 - und Beschluss vom 10.09.2009 - Az.: Verg 12/09, zitiert nach ibr-online, m.w.N.). Nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung dient die Eignungsprüfung der Verdingungsordnungen beim offenen Verfahren dazu, die Unternehmen zu ermitteln, die zur Erbringung der konkret nachgefragten Leistungen nach Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit generell in Betracht kommen und die unzureichend qualifizierten Bieter auszuschließen. Mit dem System der Wertungsvorschriften ist es grundsätzlich nicht zu vereinbaren, unterschiedliche Eignungsgrade von Bietern bei der Entscheidung über den Zuschlag im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung in der Weise zu berücksichtigen, dass dem Angebot eines für geeignet befundenen Bieters dasjenige eines Konkurrenten maßgeblich wegen dessen höher eingeschätzten Eignung vorgezogen wird.

99

Der Antragstellerin waren jedoch ebenso wie allen anderen Bietern im Vergabeverfahren auch die im Nachhinein von ihr beanstandeten Unterkriterien, ihre Bedeutung und ihre Gewichtung aufgrund der Aufforderung zur Angebotsabgabe nebst Anlagen nicht nur bekannt, sie musste diese Kriterien bei der Erstellung des Angebotes berücksichtigen und hat, wie alle anderen Bieter auch, mit ihrem Angebot ein umfangreiches Bieterkonzept vorgelegt. Die Antragstellerin hat auch nicht in Abrede gestellt, dass sie die Bedeutung der Konzeptbewertung und der festgelegten Unterkriterien für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes erkannt und bei der Legung des Angebotes berücksichtigt hat. Sie beruft sich jedoch darauf, dass ihr die o. g. Rechtsprechung zum Verbot der Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien nicht bekannt gewesen sei, davon habe sie erst durch eine anwaltliche Beratung nach Abgabe des Angebots erfahren. Deshalb sei eine Präklusion nach § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB ausgeschlossen. Sie beruft sich bezüglich dieser Unkenntnis auf aktuelle Entscheidungen des OLG München vom 29.07.2010 - Verg 9/10 - und des OLG Karlsruhe vom 20.07.2011 - 15 Verg 6/11 (jeweils zitiert nach ibr-online). Die Oberlandesgerichte haben betont, dass das Verbot der Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien zwar schon seit einiger Zeit in der Diskussion der vergaberechtlichen Rechtsprechung, jedoch erst durch das Urteil des BGH vom 15.04.2008 (X ZR 129/06 = VergabeR 208, S. 641 ff.) und die Entscheidungen des EuGH vom 24.01.2008 (Rs. C 532/06 - "Lianakis") und vom 12.11.2009 (Rs. C 199/07 Kommission gegen Griechenland) von einer gefestigten Rechtsprechung auszugehen ist. Selbst wenn man für die Erkennbarkeit auch die Kenntnis ständiger Rechtsprechung zugrunde legen wolle, so seien doch diese Entscheidungen noch so neu, dass eine Verbreitung als allgemeines Wissen noch nicht vorausgesetzt werden könne.

100

Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bereits seit Februar 2011 und damit deutlich im Vorfeld der Angebotsabgabe im streitbefangenen Vergabeverfahren durch den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten und damit anwaltlich beraten wurde. Die Antragstellerin hat auf den entsprechenden Einwand des Antragsgegners eine partielle Beratung durch den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten im Vorfeld der Angebotsabgabe eingeräumt. Eine umfassende Befassung der Kanzlei mit dem gesamten Vergabeverfahren und insbesondere auch mit dem Problem einer Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien habe aber nicht stattgefunden. Die Antragstellerin hat sich bei ihrem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten jedoch unstreitig im Vorfeld ihrer Bieteranfrage vom 09.03.2011 Rechtsrat eingeholt. Dieses ausführliche, 10-seitige Schreiben (xxxxxx) enthält auf S. 10 unter Frage 21 auch Ausführungen zu der Rechtsauffassung der Antragstellerin, dass die Regelungen, dass Vorhalteerweiterungen von bis zu 10% vom Beauftragten künftig kostenlos mit zu erbringen seien, gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 VOL/A verstoße, was auf eine detaillierte rechtliche Beratung oder aber überdurchschnittliche vergaberechtliche Kenntnisse der Antragstellerin schließen lässt. Es ist angesichts der dortigen detaillierten Ausführungen daher davon auszugehen, dass zumindest der beratende Rechtsanwalt sich nicht nur mit preisbildenden Faktoren und damit mit dem ersten Zuschlagskriterium befasst hat, sondern auch die Zuschlagskriteriengruppe 2, die Bedeutung der Bieterkonzepte, die schließlich ebenfalls mit einer Gewichtung von 50% bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt werden sollte, zumindest auch in rechtlicher Hinsicht zur Kenntnis genommen hat. Die Vergabekammer ist daher der Auffassung, dass die Antragstellerin zumindest aufgrund der im Vorfeld stattgefundenen anwaltlichen Beratung in der Lage war, im Zuge der Angebotskalkulation die von ihr nunmehr geltend gemachte vermeintliche Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien zu erkennen und gegenüber dem Antragsgegner vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB zu rügen.

101

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Vorwurfs einer Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien für das vorliegende Vergabeverfahren und darüber hinaus auch für etwaige künftige Ausschreibungen von Rettungsdienstleistungen weist die Vergabekammer allerdings darauf hin, das sie die Berücksichtigung von Bieterkonzepten mit den vorliegenden Unterkriterien als Qualitätsmerkmal und damit als zulässiges Zuschlagskriterium im Sinne des § 16 Abs. 8 VOL/A einstuft, das nicht zu einer unzulässigen Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien im Sinne der o. g. Rechtsprechung führt. Die Berücksichtigung der Bieterkonzepte bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ist angesichts des konkreten Auftragsgegenstandes vielmehr nicht nur zweckmäßig, sondern ohne weiteres dem Qualitätskriterium und damit dem nicht abschließenden Katalog der zulässigen Zuschlagskriterien des § 16 Abs. 8 VOL/A zuzuordnen.

102

Gemäß § 97 Abs. 5 GWB und § 18 Abs. 1 VOL/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 VOL/A ist der niedrigste Angebotspreis - grundsätzlich - nicht allein entscheidend. Die Vergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Bieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 53 und 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR)). Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebotes im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rdnr. 144). Dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers folgend, listet § 16 Abs. 8 VOL/A ausdrücklich nicht abschließend Beispiele für zulässige Zuschlagskriterien auf. Danach berücksichtigen Auftraggeber bei der Entscheidung über den Zuschlag verschiedene, durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien, beispielsweiseQualität, Preis, Technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Lebenszykluskosten, Rentabilität, Kundendienste und Technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist. Im Gegensatz etwa zu Lieferleistungen aber haben qualitative Aspekte bei Dienstleistungen immer auch Bezug zur Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieterunternehmens und damit zu Eignungskriterien im Sinne des § 6 Abs. 3 VOL/A. Denn ein qualitatives Zuschlagskriterium muss bei einem Dienstleistungsauftrag notwendigerweise auch die angebotene, konkrete Art und Weise der Erbringung der Dienstleistung berücksichtigen. Diese Aspekte wiederum sind immer verbunden mit der Erfahrung des Bieters und seiner personellen und sächlichen Ausstattung sowie der Fähigkeit, die für den konkreten Auftrag erforderliche Logistik vorzuhalten oder aufzubauen. Die vom Antragsgegner für das Zuschlagskriterium Bieterkonzepte festgelegten und bekannt gemachten Unterkriterien gehen jedoch unstreitig deutlich über die von den Bietern für die Stufe der Eignungsbeurteilung geforderten Erklärungen und Nachweise hinaus, so dass eine Vermischung im eigentlichen Sinne schon ausscheidet.

103

Zwar wäre es möglich, auch den Zuschlag für überdurchschnittlich anspruchsvolle Dienstleistungsaufträge, wie eben Rettungsdienstleistungen, hinsichtlich der notwendigen oder vom Auftraggeber gewünschten qualitativen Mindestanforderungen in der Leistungsbeschreibung so detailliert aufzuführen, dass der Auftraggeber in qualitativer Hinsicht nicht nur vergleichbare Angebote im Sinne des § 7 Abs. 1 VOL/A, sondern nahezu identische Angebote erhält. Eine solche Verfahrensweise führt jedoch dazu, dass dann nur noch der Preis als einziges taugliches Unterscheidungsmerkmal und Zuschlagskriterium zur Verfügung steht. Andere alternative Zuschlagskriterien, die weder einen unmittelbaren Preisbezug noch einen Bezug zur Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bieterunternehmen aufweisen, sind zumindest für die verfahrensgegenständlichen Rettungsdienstleistungen weder von den Beteiligten vorgetragen worden, noch im Übrigen ersichtlich. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Zuschlagsentscheidung auch von der Bewertung der Bieterkonzepte abhängig machen will. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bieter allesamt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der verfahrensgegenständlichen Rettungsdienstleistungen verfügen. Erst die konkrete konzeptionelle Darstellung bietet dem Bieterunternehmen die Möglichkeit, seine besonderen qualitativen Aspekte für die ausgeschriebenen Rettungsdienstleistungen darzulegen und damit über das reine Preiskriterium hinaus seine Chance auf den Zuschlag zu erhöhen. Die Festlegung des Zuschlagskriteriums Bieterkonzepte und ihrer Unterkriterien ist daher durch den Auftragsgegenstand und als Qualitätsmerkmal im Sinne des § 16 Abs. 8 VOL/A gerechtfertigt.

104

- Verdeckte Doppelbewertung preisbezogener Elemente im Unterkriterium 1 des Leistungskonzeptes bzw. Wertung einer faktischen Bedarfsposition

105

Die Antragstellerin hat gerügt, dass der Auftraggeber beim zweiten Zuschlagskriterium "Bieterkonzept" unter dem ersten Unterkriterium "Effizienz des Personaleinsatzes" gegen den Transparenzgrundsatz verstoßen habe, indem er eine verdeckte Doppelbewertung preisbezogener Kriterien durchgeführt habe. Die Antragsgegnerin hatte ihre Zuschlagskriterien, die Unterkriterien und ihre Gewichtung unter der lfd. Nr. 12 (S. 9 ff.) ihrer Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt und bekannt gemacht. Danach wurden zwei Wertungskriterien (Kriteriengruppen) festgelegt, die jeweils zu 50% bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt werden sollten. Festgelegt wurden zum einen der Leistungspreis und zum anderen das Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports. Die Kriteriengruppe 2 - Konzept - sollte gemäß Nr. 12.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe anhand von 8 Unterkriterien bewertet werden, die jeweils mit 12,5% bei der Bewertung des Konzeptes und 6,25% bei der Gesamtwertung Berücksichtigung finden sollten. Es handelt sich dabei um die Unterkriterien Effizienz des Personaleinsatzes, Ausfallsicherheit Personal, Ausfallsicherheit Sachmittel, Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen, Effizienz der Materialverwaltung, Effizienz der Medizinprodukteverwaltung, Effizienz des Melde- und Berichtswesens und Psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter. Es wurde auch für alle Bieter eindeutig erkennbar festgelegt, dass die Bewertung anhand eines Schulnotensystems (sehr gut bis ungenügend) erfolgt, wobei für die Note sehr gut jeweils 5 Punkte und für die Note ungenügend 0 Punkte vergeben werden sollten. Für das Unterkriterium 12.2.01 "Effizienz des Personaleinsatzes" war nach den Erläuterungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Effizienz des Personaleinsatzes anhand der Wirtschaftlichkeit des Arbeitszeitmodells durch die Zuordnung der Vorhaltezeiten zu den verschiedenen Arbeitsformen (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft) zu bewerten. Der Bieter sollte sein Arbeitszeitmodell entsprechend beschreiben.

106

Die Antragstellerin hat erstmalig mit Rügeschreiben vom 20.05.2011 gerügt, dass durch die Berücksichtigung des Unterkriteriums Effizienz des Personaleinsatzes ein Umstand, den die Antragstellerin schon beim Zuschlagskriterium Leistungspreis berücksichtigt habe, doppelt bewertet werde. Es werde dadurch in intransparenter Weise das Gewicht des Leistungspreises von 50% auf 56,25% gehoben. Die Berücksichtigung der Effizienz des Personaleinsatzes sei für den vorliegenden Auftragsgegenstand im Übrigen auch ungeeignet, da nirgendwo in den Vergabeunterlagen festgeschrieben sei, dass der Bieter ein beschriebenes Arbeitszeitmodell bis zum Vertragsende beizubehalten hat. Die Berücksichtigung dieses Unterkriteriums führe daher entweder zu einer Doppelbewertung von Elementen des Angebotspreises oder aber sie stelle zumindest eine unzulässige und untaugliche Wertung eines Preiselements für künftige ungewisse Mehrleistungen dar. Da der Antragsgegner die Wertungskriterien, die Unterkriterien, ihre Gewichtung und die Bewertungsmaßstäbe den Bietern in der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gegeben und erläutert hatte, war diese Verfahrensweise auch für die Antragstellerin spätestens bei der Kalkulation ihres Angebotes erkennbar. Ohne Berücksichtigung der Zuschlagskriterien, der Unterkriterien und ihrer Gewichtung hätte sie kein ausschreibungsgemäßes, geschweige denn ein aussichtsreiches Angebot legen können. Die Antragstellerin ist daher diesbezüglich mit ihrem Vortrag gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert.

107

- Ebenso verhält es sich mit der Rüge der Antragstellerin bezüglich eines vermeintlichen Verbots der Berücksichtigung von Vorhaltekosten des erweiterten Rettungsdienstes in der Kalkulation der Bieter. Der Antragsgegner hatte unter Ziff. 12.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe zur Kalkulation des Leistungspreises für den erweiterten Rettungsdienst ausgeführt:

"Beim Preis für den erweiterten Rettungsdienst hat der Bieter einen einsatzbezogenen Preis pro Einsatz und Komponente anzugeben; Vorhaltekosten sind hier unbeachtlich."

108

Die Antragstellerin hat mit ihrer Rüge vom 20.05.2011 geltend gemacht, dass der Auftraggeber damit die Berücksichtigung von Vorhaltekosten im Leistungspreis untersage, obwohl diese unstreitig anfallen würden (z.B. Reparatur und Wartung der Kfz, Anschaffungskosten Kfz). Damit mache der Antragsgegner die Teilnahme am Vergabeverfahren von der Erbringung kostenloser Leistungen abhängig. Es verstoße gegen das Wettbewerbsgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB und gegen das grundsätzliche Verbot vergabefremder Kriterien gemäß § 97 Abs. 4 GWB. Weder durch Landesgesetz noch durch Bundesgesetz sei vorgesehen, dass die Teilnahme am Wettbewerb von derartigen Mindestbedingungen abhängig gemacht wird. Diese Festlegung war bereits Gegenstand eines mit Bieteranfrage überschriebenen Schreibens der Antragstellerin vom 09.03.2011, das verschiedene Anfragen, aber auch Rügen enthielt. Mit der Frage 8 hinterfragte die Antragstellerin dort die Vorgabe bezüglich der Vorhaltekosten. Sie bat in diesem Zusammenhang um Erläuterung, ob der Landkreis damit den Bietern untersagt, vorhaltebezogene Kosten in die anzugebenden Einsatzpauschalen mit einzurechnen. Falls ja, gehe sie davon aus, dass dann in die Einsatzpauschalen nur solche Kosten einfließen dürfen, die im Rahmen eines konkreten Einsatzes im erweiterten Rettungsdienst anfallen. Diese Anfrage beantwortete der Antragsgegner mit Schreiben vom 15.03.2011 wie folgt:

"Die Kalkulation der Preise ist Aufgabe der Bieter. Bei der Preiskalkulation ist zu berücksichtigen, dass die vom Bieter in die Kalkulation eingestellten Kosten nur aus Anlass eines konkret durchgeführten Einsatzes in der vom bezuschlagten Bieter angebotenen Höhe erstattet werden. M. a. W. hängt hier die Vergütung des Bieters unmittelbar und ausschließlich von der Anzahl der durchgeführten Einsätze ab. Eine einsatzunabhängige Kostenerstattung, wie beim Regelrettungsdienst, erfolgt nicht. Weitergehende Anforderungen sind der zum Gegenstand der Rückfrage gemachten Klausel in den Vergabeunterlagen nicht zu entnehmen."

109

Der Auftraggeber hat im Nachprüfungsverfahren erklärt, dass er damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er den Bietern gerade nicht untersagt hat, solche Kosten einzurechnen. Wenn die Antragstellerin mit der Festlegung bezüglich der Kosten im erweiterten Rettungsdienst in den Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Erläuterung des Auftraggebers vom 15.03.2011 nach wie vor nicht einverstanden war, hätte sie diese, wenn nicht bereits unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, so doch spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB rügen müssen. Die Antragstellerin hatte ausweislich ihrer Bieteranfrage erkannt, dass diese Festlegungen kalkulationsrelevant waren.

110

- Bekanntgabe der Personalkosten

111

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 20.05.2011 ferner gerügt, dass der Antragsgegner ohne Zustimmung der Antragstellerin die Kosten des derzeit bei ihr beschäftigten Personals über die Vergabeunterlagen den Mitbietern zugänglich gemacht hat. Die Personalkosten seien wesentliche Grundlage der Kalkulation des Leistungspreises für den Regelrettungsdienst. Gleiches gelte für die bekannt gemachten Buchwerte der Rettungsmittel und sonstigen Ausstattungsgegenstände der Rettungswachen. Der Antragsgegner habe damit Bestandteile der Kalkulation des Angebotspreises der Antragstellerin bekannt gegeben und damit den in § 97 Abs. 2 GWB verankerten Grundsatz des Geheimwettbewerbes verletzt. Auch diese die Ausschreibungsunterlagen betreffende Rüge erfolgte jedoch zu spät. Denn die Bekanntgabe der von der Antragstellerin dem Antragsgegner überlassenen Daten bezüglich der Personalkosten war Gegenstand einer bereits im Februar zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geführten Rücksprache. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 03.06.2011 der Vergabekammer als Anlage AG 1 eine E-Mail des Geschäftsführers der Antragstellerin, Herrn xxxxxx, vom 23.02.2011 vorgelegt, die dieser an den Fachdienstleiter des Antragsgegners, Herrn xxxxxx, gesandt hatte. Die E-Mail hat folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr xxxxxx, ich habe mich noch einmal zur Nutzung der an Sie überlassenen Personaldaten beraten lassen. Sie können diese Daten wie vorgesehen nutzen. Meine Mail von heute um 17.57 Uhr betrachten Sie bitte somit als gegenstandslos."

112

Daraus ergibt sich, dass der Antragsgegner die Bekanntgabe der bisherigen Personalkosten für die Rettungsdienstleistungen im Bereich des verfahrensgegenständlichen Loses 3 zunächst als vergaberechtlich problematisch bewertet hatte, sodann jedoch nach Einholung einer rechtlichen Beratung auf eine Rüge ausdrücklich verzichtet hat. Die dann erst mit anwaltlichem Rügeschreiben vom 20.05.2011 gleichwohl erhobene diesbezügliche Rüge erfolgte daher verspätet gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB.

113

Im Übrigen weist die Vergabekammer darauf hin, dass die Bekanntmachung der bisherigen Personal- und Sachkosten als Kalkulationsgrundlage für die Bieter unter dem Gesichtspunkt einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung im Sinne des § 7 Abs. 1 VOL/A vorliegend nicht nur zweckmäßig, sondern vergaberechtlich erforderlich war. Dies folgt daraus, dass der Antragsgegner in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt hat, dass der Auftragnehmer im Wege des Betriebsübergangs ausdrücklich auch das Personal des bisher beauftragten Dienstleisters übernehmen muss. Auf S. 9 der Leistungsbeschreibung (xxxxxx) wurde unter Nr. 5.1.16 auf das bisher auf den Rettungswachen eingesetzte Personal und Material hingewiesen. Dort heißt es:

"Der Auftragnehmer wird auf den selben Rettungswachen tätig, wie der bisherige Leistungserbringer. Der Auftragnehmer wird zudem zumindest den überwiegenden Teil der Fahrzeuge und Teile des Materials des derzeitigen Leistungserbringers benutzen. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich um eine sog. Betriebsübergangskonstellation handelt (vgl. LAG Köln, Urteil vom 25.10.2007 - 5 Sa 785/07). Es ist somit davon auszugehen, dass der Auftragnehmer gemäß § 613a BGB in die Rechte und Pflichten des bisherigen Beauftragten gegenüber dem bei diesem beschäftigten Personal eintreten muss. Zum Zwecke der Kalkulation gibt der Landkreis xxxxxx die Personalkosten des derzeitigen Leistungserbringers in der anliegenden anonymisierten Form bekannt (Anlage 13)."

114

Zur Fahrzeugübernahme heißt es unter 5.2.1:

"Der Auftragnehmer wird verpflichtet, in dem jeweiligen Los die derzeit vom bisherigen Leistungserbringer benutzten Fahrzeuge mit der entsprechenden Ausrüstung gemäß der Anlage 22A bis 22D zu übernehmen ... Für die Übernahme der Fahrzeuge hat der Auftragnehmer an den bisherigen Leistungserbringer die sich aus der Anlage 22A bis 22D ergebenden Preise zu bezahlen ..."

115

Als Anlage 13 wurden den Bietern für jedes Los und nach Anzahl und Qualifikation der Mitarbeiter aufgeschlüsselt die Personalkosten der derzeitigen Leistungserbringer als "Jahressumme brutto AG" mitgeteilt. Die Anlagen 22A bis 22D listen die zu übernehmenden Rettungsmittel und Ausrüstungen mit dem bei der Kalkulation zu berücksichtigenden Buchwert auf. Mit diesen Angaben hat der Antragsgegner gewährleistet, dass den Bietern eine umfassende Kalkulationsgrundlage zur Verfügung gestellt wird und sie in die Lage versetzt, miteinander vergleichbare Angebote im Sinne des § 7 Abs. 1 VOL/A abzugeben. Dies ist nicht zu beanstanden.

116

- Wertungsmaßstäbe - Punktabzugsfaktor und Maßstab zur Bewertung der Leistungskonzepte

117

Erstmalig mit einem weiteren Anwaltsschriftsatz vom 25.05.2011 hat die Antragstellerin den für die Bewertung des Kriteriums "Leistungspreis" angelegten Maßstab gerügt. Der Antragsgegner hatte in der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf S. 12 unter 12.1 festgelegt, dass der Bieter beim Preis für den erweiterten Rettungsdienst einen einsatzbezogenen Preis pro Einsatz und Komponente anzugeben hatte. Die Punktzahl des Bieters beim Wertungskriterium "Leistungspreis" sollte anhand folgender Formel berechnet werden: Leistungspreis des im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Gruppe 1 bestplatzierten Angebotes geteilt durch Leistungspreis des zu wertenden Angebotes mal 100. Die Punktzahl von 100 entspricht dabei dem Bestwert der Kriteriengruppe 1. Diese erhält der günstigste Bieter. Erstmalig mit Anwaltsschriftsatz vom 23.08.2011 hat die Antragstellerin einen Ermessensausfall bei der Festlegung des Punktabzugsfaktors gerügt. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass der vom Auftraggeber angewandten Bewertungsmethodik zur Bepunktung des Kriteriums "Leistungspreis" defizitäre Erwägungen zugrunde liegen. Der Antragsgegner müsse eine Bewertungsmethodik wählen, die sicherstellt, dass dem einzelnen Kriterium im Rahmen der Angebotswertung auch die Gewichtung zukommt, die der Auftraggeber bekannt gemacht hat. Das bekannt gemachte Gewicht eines Faktors im Verhältnis zu einem anderen Faktor dürfe nachträglich nicht auf- bzw. abgewertet werden. Vorliegend habe der Antragsgegner einen linearen Abschlagsfaktor von 1 Punkt je Mehrkosten von einem Hundertstel des niedrigsten Angebotspreises mit der Folge angewandt, dass auf ein Angebot, dessen Preis doppelt so hoch ist wie der Preis des niedrigsten Angebotes, 0 Punkte beim Kriterium Leistungspreis entfallen. Infolge dessen habe der Antragsgegner das Angebot der Antragstellerin dort mit xxxxxx von 100 Punkten bewertet. Denkbar wären jedoch auch Abschlagsfaktoren von 0,5 Punkten je Mehrkosten von einem Hundertstel des niedrigsten Angebotspreises oder auch von 2 Punkten je Hundertstel des niedrigsten Angebotspreises mit der Folge, dass auf das Angebot der Antragstellerin hier xxxxxx bzw. xxxxxx Punkte beim Leistungspreis entfallen wären. Dieses Beispiel zeige, dass das bekannt gemachte Gewicht des Kriteriums Leistungspreis vor dem Hintergrund bestimmter branchentypischer Preisabweichungen über einen ungeeigneten Punktabschlagsfaktor verzerrt wird, wenn bei seiner Festlegung die markttypischen Preisunterschiede außer Betracht gelassen werden und Preisunterschiede dann mit einem unangemessen hohen oder unangemessen niedrigen Punktabschlag bewertet werden. Dies gelte umso mehr, als dass der Auftraggeber bei der Bewertung der Angebote anhand der beiden Hauptkriterien gänzlich unterschiedliche Bewertungsmethoden angewendet habe, die nicht zwingend kompatibel sind: lineare Punktabzüge (beim Wertungskriterium Preis) ausgehend vom niedrigsten Angebot einerseits und Bewertung der Leistungskonzepte anhand von Schulnoten andererseits.

118

Der Antragsgegner hat demgegenüber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 09.03.2011 erklärt habe, dass die ursprüngliche Berechnungsformel aufgrund ihrer Degressivität zu unterschiedlichen Punktabzügen führen könne und eine lineare Bewertungsskala deutlich sachgerechter erscheine. Den diesbezüglichen Kritikpunkt hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.03.2011 aufgenommen und in einer neu bekannt gegebenen Bewertungsformel einen linearen Ansatz vorgegeben. Wörtlich heißt es dazu im Antwortschreiben des Antragsgegners vom 15.03.2011 auf S. 8:

"Es ist richtig, dass es bei der Formel zu einer degressiven Abschichtung kommt. Dies ist allerdings erst bei Preisen relevant, welche mehr als doppelt so hoch sind, wie das günstigste Angebot. Derartige Preise sind in der Praxis rettungsdienstlicher Ausschreibungen bislang noch nicht vorgekommen und werden vom Auftraggeber in dieser Ausschreibung auch nicht erwartet. Um aber einem zeitaufwändigen Rügeverfahren zuvorzukommen, ändert der Auftraggeber seine Preiswertungskurve wie folgt:

Die Punktzahl des Bieters beim Wertungskriterium "Leistungspreis" wird anhand folgender Formel berechnet:

PK1 = 100 x (1 - (WA - BA)).

Hierdurch werden sämtliche Angebotspreise (WA) gegenüber dem günstigsten Angebot (BA) linear ins Verhältnis gesetzt. Der günstigste Angebotspreis erhält weiterhin 100 Punkte. Ein Angebotspreis, der doppelt so hoch ist, wie der Preis des günstigsten Angebots, erhält nach dieser Formel 0 Punkte."

119

Gegen diese neue - auf ihre eigene Anfrage vom 09.03.2011 erfolgte - Bewertungsformel hat die Antragstellerin bis zur Abgabe ihres Angebotes keinerlei Rügen erhoben. Da der Antragsgegner diese geänderte Bewertungsformel sämtlichen Bietern mit der Allgemeinen Bieterinformation Nr. 4 (xxxxxx) als Antwort zum Fragekomplex 15 (Leistungspreis) auf S. 11 verbindlich vorgegeben hatte, war der Antragsgegner bei seiner Angebotswertung an diese Formel gebunden. Die Antragstellerin hätte sich spätestens bis zum Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe gegen die in der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegte und durch die Bieterinformation Nr. 4 angepasste Bewertungsformel wenden müssen. Diese Rüge der Antragstellerin ist somit gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.

120

Das gleiche gilt auch bezüglich der erstmals mit Anwaltsschriftsatz vom 25.05.2011 erhobenen Rüge, der Antragsgegner habe der Bewertung der Leistungskonzepte einen untauglichen und willkürlichen Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin hatte unter Nr. 12.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt, dass die Kriteriengruppe 2 - Bewertung des Konzeptes - anhand von 8 Unterkriterien bewertet werden, die jeweils mit 12,5% bei der Bewertung des Konzeptes und 6,25% bei der Gesamtwertung Berücksichtigung finden sollten. Es wurde festgelegt, dass die Bewertung anhand eines Schulnotensystems (sehr gut bis ungenügend) erfolgt, wobei für die Note sehr gut jeweils 5 Punkte und für die Note ungenügend 0 Punkte vergeben werden sollten. Die Kriterien selbst wurden bereits in der Aufforderung zur Angebotsabgabe jeweils kurz erläutert. Weitere Erläuterungen erfolgten aufgrund mehrerer Bieteranfragen. Der von der Antragsgegnerin mit der Durchführung des Verfahrens beauftragte Berater versandte insgesamt 9 Bieterinformationen. In der Bieterinformation Nr. 4, versandt am 15.03.2011, hat der Antragsgegner als Antwort zu Frage 7 ausgeführt:

"Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgt, oder je weiter ein Bieter hierüber hinausgeht oder innovative oder taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter. Der Begriff "mangelhaft" in der Konzeptbewertung aus Ziff. 12.2 der Angebotsaufforderung wird daher in "gerade noch ausreichend" verändert."

121

Der Antragsgegner hatte den Bietern somit die Bewertungsmaßstäbe auch für die Bewertung der Bieterkonzepte offengelegt und ausführlich erläutert. Diese Bewertungsmaßstäbe konnten und mussten die Bieter bei der Kalkulation ihres Angebotes berücksichtigen. Wenn die Antragstellerin diese Bewertungsmaßstäbe für intransparent oder gar untauglich gehalten hat, so hätte sie dies bis zum Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe rügen müssen.

122

- Ungewöhnliches Wagnis durch unzureichende Preisanpassung bei Veränderung der Vorhaltung

123

Der Nachprüfungsantrag ist darüber hinaus gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin auch die schon mit ihren Schreiben vom 09.03.2011 gerügte Überwälzung eines ungewöhnlichen Wagnisses durch unzureichende Preisanpassung bei Veränderung der Vorhaltung zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemacht hat. Denn der Antragsgegner hatte diese Rüge bereits in seinem Antwortschreiben vom 15.03.2011 ausdrücklich zurückgewiesen und erklärt, dass er dieser Rüge nicht abhelfen wird.

124

Die Antragstellerin hatte mit Anwaltsschriftsatz vom 20.05.2011 einen Verstoß gegen das in der VOL/A nunmehr zwar nicht mehr ausdrücklich geregelte, aber nach Auffassung der Antragstellerin durch § 7 Abs. 1 VOL/A verankerte Verbot der Überwälzung ungewöhnlicher Wagnisse durch die Vorgaben zur Leistungs- und Preisanpassungen in § 2 Abs. 2 und § 13 des mit den Vergabeunterlagen vorgegebenen Durchführungsvertrages gerügt, und zugleich einen Verstoß gegen den in § 9 Abs. 1 VOL/A geregelten Vorrang der Allgemeinen Vertragsbedingungen der VOL/B im Vertragsgegenstand geltend gemacht. Der Antragsgegner hat sich in § 2 Abs. 2 des Vertragsentwurfs vorbehalten, die Vorhaltung an Rettungsmitteln gegenüber dem Bieter verbindlich abzuändern und ggf. auch zu erweitern mit der Folge, dass der Beauftragte den Umfang seiner Leistungen ggf. hieran anzupassen hat. Sofern der Auftraggeber den Umfang der Vorhaltungen im Rettungsdienstbedarfsplan um bis zu 10% erweitert, soll der Beauftragte diese Mehrleistung gemäß § 13 des Beauftragungsvertrags kostenlos erbringen. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass die Leistungserweiterung im Ermessen des Antragsgegners liegt und über den Vertragszeitraum von 6 Jahren ungewiss ist, so dass die finanziellen Folgen von den Bietern nicht angemessen berücksichtigt werden können.

125

Die Vergabekammer geht zwar mit der Antragstellerin davon aus, dass das Verbot der Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse im Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gemäß § 7 Abs. 1 VOL/A enthalten ist und damit weiterhin im Vergabeverfahren zu beachten ist, obwohl die VOL/A in ihrer letzten Novelle dahin gehend geändert worden ist, dass das ungewöhnliche Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A a.F. sich in der aktuellen VOL/A ausdrücklich nicht mehr wiederfindet. Demgegenüber wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass ein Bieter aufgrund des Wegfalls der entsprechenden Regelung sich nicht mehr auf das Verbot unzulässiger, ungewöhnlicher Wagnisse berufen kann (vgl. Prieß in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 8 EG, Rdnr. 38 ff.). Die Frage der Fortgeltung des Verbots der Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse ist jedoch vorliegend nicht entscheidungserheblich. Zum einen waren offensichtlich sämtliche Bieter und damit auch die Antragstellerin in der Lage, die mit diesen Vorgaben verbundenen Risiken bei der Kalkulation ihres Angebotspreises zu berücksichtigen, so dass kein "ungewöhnliches" Wagnis vorliegt.

126

Zum anderen hatte die Antragsgegnerin diese Rüge bereits mit Schreiben der mit der Begleitung des Vergabeverfahrens beauftragten xxxxxx vom 15.03.2011 ausdrücklich zurückgewiesen, die Zurückweisung ausführlich begründet und deutlich gemacht, dass sie der Rüge nicht abhelfen wird. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Voraussetzung für die Präklusionswirkung der Bekanntgabe der Nichtabhilfe gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB ist nach der Rechtsprechung, dass der Auftraggeber in der Bekanntmachung im Amtsblatt der EU auf diese Regelung hingewiesen hat (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010, Az.: 13 Verg 1/010). Dies folgt daraus, dass § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB eine Rechtsbehelfsfrist enthält. Gemäß § 15 Abs. 1 VOL/A-EG i.V.m. Ziffer VI.4.2 Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 der Kommission vom 7. September 2005 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß der Richtlinie 2004/17/EG und der Richtlinie 2004/18/EG des europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 257 vom 1. Oktober 2005) ist der Auftraggeber verpflichtet, genaue Angaben zu den von den Bietern zu beachtenden Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen zu machen oder eine Stelle zu benennen, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich ist (vgl. VI 4.4). Diese europarechtlich geregelte Pflicht zur Bekanntmachung von Rechtsbehelfsfristen gilt nach Auffassung der Vergabekammer auch für die Vergabe von Aufträgen, deren Gegenstand Dienstleistungen nach Anhang I, Teil B der VOL/A (im vorliegenden Fall Kategorie 25 Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen) sind. Zwar gelten für derartige Vergaben gemäß § 4 Abs. 4 VgV die Regelungen des Abschnitts 1 der VOL/A mit Ausnahme von § 7 VOL/A und aus dem zweiten Abschnitt der VOL/A lediglich die §§ 8 EG, 15 EG Abs. 10 und 23 EG VOL/A. Die Verweisungsvorschrift des § 15 Abs. 1 VOL/A-EG gilt daher für das vorliegende Vergabeverfahren nicht. Auch privilegierte Vergabeverfahren nach Anhang I Teil B zur VOL/A unterliegen jedoch der Richtlinie 2004/18/EG, so dass der Anhang II der Verordnung (EG) zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge in der jeweils geltenden Fassung und die dort enthaltenen Muster unmittelbar gelten. Bei § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB handelt es sich um eine anzugebende, echte Rechtsbehelfsfrist (vgl. Jaeger, NZBau 2009, S. 558 ff., 562). Es genügt jedoch, wenn der öffentliche Auftraggeber in der Bekanntmachung im Amtsblatt der EU auf diese Rechtsbehelfsfrist hinweist (vgl. OLG Celle. Beschluss vom 04.03.2010 - 13 Verg 1/10, zitiert nach ibr-online). Eines gesonderten Hinweises im Nichtabhilfeschreiben bedarf es darüber hinaus nicht. Vorliegend hat der Antragsgegner in seiner Bekanntmachung vom xxxxxx.2011 unter VI.4.2 ausdrücklich auf die Rechtsbehelfsfrist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hingewiesen.

127

2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er jedoch unbegründet. Die Entscheidung des Antragsgegners, den Zuschlag für das verfahrensgegenständliche Los 3 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB. Die nach der ersten Angebotswertung erfolgte Veröffentlichung des Angebotspreises der Beigeladenen in einem Presseartikel vom 18. Mai 2011 ist zwar, sofern die Preisgabe durch Mitarbeiter oder Gremienmitglieder des Antragsgegners erfolgt ist, ein Verstoß gegen die Verpflichtung des Auftraggebers aus § 14 Abs. 3 VOL/A, auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens die Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu verwahren und vertraulich zu behandeln. Eine Verletzung von eigenen Rechten der Antragstellerin liegt jedoch nicht vor, weil es sich hierbei um den Angebotspreis der Beigeladenen handelt und die Antragstellerin durch die Preisgabe nicht in ihren Zuschlagschancen beeinträchtigt wurde. Eine Verletzung des durch § 97 Abs. 1 GWB geschützten Gebots des Geheimwettbewerbs scheidet aus, da die Veröffentlichung nicht nur nach Ablauf der Angebotsfrist, sondern auch nach Durchführung der Angebotswertung und der entsprechenden Dokumentation in der Vergabeakte erfolgt ist (im Folgenden a). Die Dokumentation in der Vergabeakte widerlegt auch den von der Antragstellerin geäußerten Eindruck, der Landkreis habe nicht hinreichend sichergestellt, eine eigene Vergabeentscheidung zu treffen, sondern diese den beratenden Rechtsanwälten der xxxxxx überlassen (im Folgenden b). Unbegründet ist der Nachprüfungsantrag auch, soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass die beigeladene Bietergemeinschaft nicht die erforderliche Eignung für die ausgeschriebenen Leistungen besitzt. Der Antragsgegner hat sich im Rahmen des ihm durch § 16 Abs. 9 VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten, als er die Beigeladene für geeignet bewertet hat (im Folgenden c). Auch die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 18 Abs. 1 VOL/A ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat sämtliche Angebote nicht nur anhand des Zuschlagskriteriums des niedrigsten Preises, sondern auch anhand der als zweites Zuschlagskriterium festgelegten Konzeptbewertung unter Zugrundelegung der 8 festgelegten und bekannt gemachten Unterkriterien und der bekannt gemachten Gewichtung gewertet. Der Antragsgegner hat daher in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Beigeladene insgesamt das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat (im Folgenden d).

128

a) Die Antragstellerin ist durch die nach Durchführung der ersten Angebotswertung erfolgte Veröffentlichung des von der Beigeladenen abgegebenen Angebotspreises in einem Artikel der xxxxxx Zeitung vom 18.05.2011, S. 13, selbst dann nicht in eigenen Rechten aus § 14 Abs. 3 VOL/A verletzt, wenn die Veröffentlichung auf eine Indiskretion aus der Verwaltung oder Gremien des Antragsgegners beruhen sollte. Gemäß § 14 Abs. 3 VOL/A sind die Angebote und ihre Anlagen sowie die Dokumentation über die Angebotsöffnung auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens sorgfältig zu verwahren und vertraulich zu behandeln. Diese Vorschrift soll vorrangig gewährleisten, dass der Inhalt der Angebote auch in der Phase zwischen Öffnung der Angebote und Zuschlagsentscheidung der Kenntnis der anderen Bieter entzogen bleibt. Wenn Konkurrenten nämlich vor der Zuschlagsentscheidung Kenntnis der Angebotsinhalte erlangen, besteht zumindest die Gefahr einer zielgerichteten Nachbesserung des eigenen Angebots und damit der Wettbewerbsverfälschung (vgl. Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 17 EG, Rdnr. 22). Die Regelungen des § 14 Abs. 3 VOL/A und die insoweit identischen Regelungen des § 17 Abs. 3 VOL/A-EG haben bieterschützenden Charakter. Das Gebot, die Angebote und ihre Anlagen sowie die Niederschrift über die Angebotsöffnung vertraulich zu halten, sind Ausfluss eines strengen Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsgrundsatzes. Es dient vorrangig der Sicherung des geistigen Eigentums der Bieter an ihren Angebotsinhalten, der Wahrung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie der Gewährleistung des Wettbewerbs auch nach Öffnung der Angebote. Das Verbot der Veröffentlichung der Niederschrift beinhaltet nicht nur die direkte Weitergabe der Niederschrift. Auch Angaben aus der Niederschrift, die in anderer Form, z.B. durch eine Pressemitteilung der Vergabestelle verlautbart werden, stellen einen Verstoß gegen das Geheimhaltungsgebot der Niederschrift dar (vgl. Marx/Portz in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 17 EG, Rdnr. 41). Vorliegend hat die Antragstellerin aus einem Artikel der xxxxxx Zeitung in ihrer Ausgabe vom 18.05.2011, S. 13, zitiert, der über das Ergebnis der Ausschreibung, den Beschluss des Kreisausschusses vom 17.05.2011 und darüber berichtet, dass die Beigeladene ab 01.01.2012 die Rettungswache xxxxxx inkl. der Notarzteinsatzfahrzeuge betreiben soll. Dort heißt es:

"Im Bereich xxxxxxhaben sich die xxxxxx nach xxxxxx-Informationen mit einer Auftragssumme von etwas mehr als xxxxxx EUR durchgesetzt. Für xxxxxx und xxxxxx liegt die Summe oberhalb von xxxxxx EUR. In xxxxxx beträgt sie xxxxxx EUR und in xxxxxx macht sie etwa xxxxxx EUR aus."

129

Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, dass kein Verstoß gegen § 14 Abs. 3 VOL/A vorliegt. Er habe die Angebote der Antragstellerin samt Anlagen sowie die Dokumentation über die Angebotsöffnung sorgfältig verwahrt und vertraulich behandelt. Er könne sich nicht erklären, wie die Zahlen der obsiegenden Bieter an die Presse gelangt sind. Er weist im Übrigen darauf hin, dass bei der Bekanntmachung über die Auftragserteilung im EU-Amtsblatt gemäß § 23 VOL/A EG ohnehin immer auch die Auftragssumme und damit auch die Preise der Auftragnehmer bekannt gegeben werden. Dem ist nach Auffassung der Vergabekammer allerdings entgegenzuhalten, dass § 23 Abs. 1 VOL/A-EG ausdrücklich von einer Bekanntmachung innerhalb von 48 Tagen nach Vergabe des Auftrags spricht. Vorliegend wurde der Zuschlag noch nicht erteilt. Ungeachtet dessen ist die Antragstellerin jedoch weder in ihrem Recht auf vertrauliche Behandlung ihrer Angebotsinhalte nebst Anlagen verletzt noch in sonstiger Weise durch die Presseveröffentlichung in ihrer Wettbewerbsposition beeinträchtigt, da nur die Angebotssummen der obsiegenden Anbieter und damit für das hier verfahrensgegenständliche Los 3 der Angebotspreis der Beigeladenen veröffentlicht wurde, die die Verletzung der Vertraulichkeit zwar ursprünglich gerügt, sodann aber nicht weiter verfolgt hat. Da mit dem Kreisausschuss das zuständige Gremium des Auftraggebers über die bevorstehende Auftragsvergabe entschieden hat, kann das Bekanntwerden der Angebotspreise auch den Wettbewerb nicht mehr verfälschen. Für den Bieterrechtschutz des § 14 VOL/A und des § 17 VOL/A-EG gilt jedoch, dass ein Bieter seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation oder einen Verstoß gegen das Gebot der Vertraulichkeit stützen kann, wenn sich die diesbezüglichen Mängel gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.03.2004 - Verg 1/04; Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 17 EG, Rdnr. 26). Derartige nachteilige Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Antragstellerin im Vergabeverfahren liegen nicht vor.

130

b) Auch soweit die Antragstellerin die Auffassung geäußert hat, der Antragsgegner habe keine hinreichend eigene Auftraggeberentscheidung im Vergabeverfahren getroffen und die maßgeblichen Entscheidungen statt dessen den Beratern der xxxxxx überlassen, und damit gegen das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, wird diese Rüge durch die Dokumentation in der Vergabeakte widerlegt. So sind etwa im Ordner xxxxxx der Vergabeunterlagen als Anlage 9 Protokolle über Aufklärungsgespräche enthalten, aus denen sich ergibt, dass auf Auftraggeberseite außer den Beratern auch die mit der Vergabe befassten Mitarbeiter des Antragsgegners, insbesondere des Fachdienstes Notfallmanagement anwesend waren. Der im Ordner xxxxxx enthaltene Vergabevermerk vom 29.04.2011 trägt den Stempel des zuständigen Dezernats xxxxxx des Antragsgegners und die Unterschrift des Dezernenten in Vertretung des Landrats. Den gleichen Stempel und die gleiche Unterschrift trägt auch der im Ordner xxxxxx enthaltene Vergabevermerk zu den Vergabeunterlagen vom 25.02.2011. Schließlich ist auch der 106-seitige ergänzende Vergabevermerk vom 08.08.2011 vom zuständigen Dezernenten, Herrn xxxxxx, in Vertretung des Landrats unterschrieben worden. Im Ordner Vergabeunterlagen, "Ergänzender Vergabevermerk vom 08.08.2011 mit Anlagen" ist auch die Verwaltungsvorlage für den Kreisausschuss des Antragsgegners vom 11.08.2011 für die Sitzung vom 22.08.2011 enthalten. Der Kreisausschuss hat sowohl der erneuten Bewertung der Angebotspreise und Konzepte als auch dem Entscheidungsvorschlag der Verwaltung für sämtliche Lose einstimmig zugestimmt, wie aus dem beglaubigten Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Kreisausschusses vom 22.08.2011 hervorgeht. Der Antragsgegner hat somit als Auftraggeber die notwendigen Entscheidungen im Vergabeverfahren selbst getroffen.

131

c) Der Antragsgegner war entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Beigeladenen gemäß § 16 Abs. 5 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Der Antragsgegner hat die Prüfung der Eignung der Bieter für sämtliche Lose gemäß § 16 Abs. 5 VOL/A in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. So sind im Ordner xxxxxx der Vergabeunterlagen Auswertungsmatrices für die Eignungsprüfung enthalten, aus denen hervorgeht, dass der Antragsgegner überprüft hat, ob die Bieter mit den Angeboten die zum Nachweis der Eignung gemäß § 6 Abs. 3 abgeforderten Erklärungen und Nachweise abgegeben haben, wie z.B. Bietergemeinschaftserklärung, Eigenerklärung zum ausgeübten Gewerbe, aktueller Auszug aus dem Bundeszentralregister und Erklärungen nach § 6 Abs. 5 VOL/A. Für das hier verfahrensgegenständliche Los 3 hatte die beigeladene Bietergemeinschaft sämtliche Erklärungen und Nachweise beigebracht. Die Dokumentation in der Vergabeakte beschränkt sich jedoch nicht auf diese Vollständigkeitslisten. Der Antragsgegner hat die Eignungsprüfung darüber hinaus in seinem Vergabevermerk vom 29.04.2011 (xxxxxx) auf den S. 13 ff. unter 4.2 dokumentiert. Unter 4.2.9 hat der Antragsgegner festgehalten, dass von der beigeladenen Bietergemeinschaft alle Eignungsnachweise formal erbracht wurden und an der materiellen Eignung der Bietergemeinschaft aufgrund der vorgelegten Unterlagen keine Zweifel bestünden. Beide Mitglieder der Bietergemeinschaft haben entgegen der Vermutung der Antragstellerin auch die geforderte Zertifizierung nach der DIN EN ISO 9001-2008 vorgelegt. Der Antragsgegner ist daher in nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gelangt, dass die beigeladene Bietergemeinschaft, die zum Zweck der Durchführung des Rettungsdienstes im Landkreis xxxxxx eigens gegründet wurde, für die Erbringung der ausgeschriebenen Rettungsdienstleistungen im Sinne des § 16 Abs. 5 VOL/A geeignet ist.

132

d) Der Antragsgegner hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes entgegen der Auffassung der Antragstellerin ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte ausschließlich unter Zugrundelegung der den Bietern bekannt gemachten Zuschlagskriterien und Unterkriterien und der ebenfalls festgelegten und bekannt gemachten Gewichtung durchgeführt. Zumindest hinsichtlich der erneuten Angebotswertung, die der Antragsgegner im ergänzenden Vergabevermerk vom 08.08.2011 dokumentiert und die er aufgrund und unter Beachtung der zum Parallelverfahren der Stadt xxxxxx ergangenen Entscheidungen der Vergabekammer vom 28.06.2011 - VgK-21/2011 -, vom 05.07.2011 - VgK-22/2011 - und vom 08.07.2011 - VgK-23/2011 - durchgeführt hat, hat der Antragsgegner auch die Bewertung der Bieterkonzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports, die nach der Festlegung des Antragsgegners mit 50% bei der Gesamtwertung der Angebote berücksichtigt werden sollte, ausführlich und in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Die Kriteriengruppe 2 - Bewertung des Konzeptes - sollte gemäß Nr. 12.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe anhand von 8 Unterkriterien bewertet werden, die jeweils mit 12,5% bei der Bewertung des Konzeptes und 6,25% bei der Gesamtwertung Berücksichtigung finden sollten. Es handelt sich dabei um die Unterkriterien Effizienz des Personaleinsatzes, Ausfallsicherheit Personal, Ausfallsicherheit Sachmittel, Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen, Effizienz der Materialverwaltung, Effizienz der Medizinprodukteverwaltung, Effizienz des Melde- und Berichtswesens und Psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter. Es wurde festgelegt, dass die Bewertung anhand eines Schulnotensystems (sehr gut bis ungenügend) erfolgt, wobei für die Note sehr gut jeweils 5 Punkte und für die Note ungenügend 0 Punkte vergeben werden sollten.

133

Die Kriterien selbst wurden in der Aufforderung zur Angebotsabgabe jeweils kurz erläutert. Weitere Erläuterungen erfolgten aufgrund mehrerer Bieteranfragen. Der vom Antragsgegner mit der Durchführung des Verfahrens beauftragte Berater versandte insgesamt 9 Bieterinformationen. In der Bieterinformation Nr. 4, versandt am 15.03.2011, hat der Antragsgegner als Antwort zur Frage 7 ausgeführt:

"Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgte, oder je weiter ein Bieter hierüber hinaus geht oder innovative oder taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter. Der Begriff "mangelhaft" in der Konzeptbewertung aus Ziff. 12.2 der Angebotsaufforderung wird daher in "gerade noch ausreichend" verändert."

134

Die im nunmehr vom Antragsgegner vorgelegten ergänzenden Vergabevermerk vom 08.08.2011 dokumentierte erneute Angebotswertung genügt entgegen der Auffassung der Antragstellerin den Anforderungen der VOL/A und den Vorgaben der Beschlüsse der Vergabekammer in den parallel durchgeführten Vergabeverfahren der Stadt xxxxxx. Der Antragsgegner hat die Wertung der Konzepte für sämtliche Angebote für das hier verfahrensgegenständliche Los 3 im ergänzenden Vergabevermerk auf den Seiten 64 ff. ausführlich dokumentiert und dabei Unterschiede der Konzepte zu den einzelnen Unterkriterien hervorgehoben und dargelegt, ob das Konzept die jeweiligen Kriterien durchschnittlich, unterdurchschnittlich oder überdurchschnittlich berücksichtigt.

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Die dokumentierte Konzeptbewertung im ergänzenden Vergabevermerk schließt in einer dem Vermerk als Anlage 14 beigefügten Zusammenfassung in Form einer Punktetabelle für alle Angebote und alle Lose. Durch die Dokumentation im ergänzenden Vergabevermerk wird die Konzeptbewertung nunmehr in einer den Anforderungen der §§ 16 Abs. 7, 20 VOL/A genügenden Weise nachvollziehbar. Die Bewertung nach den Unterkriterien zum Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports hat der Antragsgegner dabei in der Reihenfolge und nach den Ordnungsziffern in der Aufforderung zur Angebotsabgabe gegliedert. Dort wurden auf S. 12 und 13 Erläuterungen zu den einzelnen Wertungskriterien gegeben. Dazu und zur Bewertung der Kriterien im Einzelnen:

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12.2.01 Effizienz des Personaleinsatzes

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Hier war nach den Erläuterungen der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Effizienz des Personaleinsatzes anhand der Wirtschaftlichkeit des Arbeitszeitmodells durch die Zuordnung der Vorhaltezeiten zu den verschiedenen Arbeitsformen (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft) zu bewerten. Der Bieter sollte sein Arbeitszeitmodell entsprechend beschreiben. Die Antragstellerin hat für dieses Kriterium xxxxxx Punkte und damit eine überdurchschnittliche Bewertung erhalten, die Beigeladene hat xxxxxx Punkte erhalten. Positiv hat der Antragsgegner beim Konzept der Antragstellerin den Verzicht auf eine sog. opt-out-Regelung (Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit über 48 Stunden hinaus) berücksichtigt. Er hat im Vergabevermerk ausgeführt, dass er eine opt-out-Regelung in zweierlei Hinsicht als problematisch ansieht. Zum einen sei nicht absehbar, wie lange eine solche europarechtlich noch zulässig sein wird, da es entsprechende Bestrebungen der Kommission gibt. Zum anderen könne die opt-out-Regelung von jedem Mitarbeiter zu jeder Zeit gekündigt werden. Insofern könne eine derartige Regelung nach Ansicht des Antragsgegners die Dienstplansicherheit gefährden. Damit korrespondierend hat der Antragsgegner zum Konzept der Beigeladenen negativ vermerkt, dass der Bieter eine opt-out-Regelung anwenden möchte. Positiv hat der Antragsgegner beim Konzept der Antragstellerin auch vermerkt, dass diese eine überdurchschnittliche Nettoverfügbarkeitsquote (NVQ) von xxxxxx% angegeben hat. Diese bewegt sich nach den Feststellungen des Antragsgegners im Rettungsdienst regelmäßig zwischen 77% und 83%. Für die Ermittlung der NVQ werden von der Bruttoarbeitszeit die Zeiten für Krankheit, Fortbildung, Urlaub etc. abgezogen. Der Antragsgegner hat im Vergabevermerk erläutert, dass der Personaleinsatz aus seiner Sicht umso effizienter ist, je höher die NVQ ist. Für die Beigeladene hat der Antragsgegner ausweislich des ergänzenden Vergabevermerks eine ähnliche hohe NVQ von xxxxxx% errechnet. Negativ hat der Antragsgegner beim Konzept der Antragstellerin vermerkt, dass konkrete Angaben zur Dienstplanung und zur Art und Weise der Aufstellung fehlen. Dies falle insbesondere im Vergleich zu den Konzepten anderer Bieter auf. Auch habe der Bieter zwar die Möglichkeit beschrieben, seine wöchentliche Arbeitszeit auf 45 bis zu 48 Stunden zu erhöhen, aber keine expliziten Angaben zur täglichen Arbeitszeit gemacht. Die Antragstellerin habe lediglich auf den xxxxxx-Tarifvertrag verwiesen, der eine Verlängerung von bis zu 12 Stunden ermöglicht, so dass aktuelle Anforderungen an Schichtrhythmen durchführbar sind. Aus dem Tarifvertrag des xxxxxx ergibt sich nach den Feststellungen des Antragsgegners aber nicht, dass die wöchentliche Arbeitszeit je nach Auslastung auch über 45 Stunden hinaus auf 48 Stunden ausgedehnt werden kann. Es könne daher in hoch frequentierten Bereichen zu einer weniger ausgedehnten wöchentlichen Arbeitszeit kommen, so dass der Personaleinsatz weniger effizient als bei anderen Bietern möglich ist. Da die Antragstellerin positiverweise auf eine opt-out-Regelung verzichtet, hätte sie nach Auffassung des Antragsgegners Angaben zu einer bei Bedarf anderweitigen Verlängerung der stark auslastungsabhängigen Wochenarbeitszeit machen müssen. Aus der Dokumentation wird daher nachvollziehbar, warum auch die Antragstellerin nicht die mögliche Höchstpunktzahl von 5 Punkten für dieses Kriterium erzielt hat. Die etwas geringere Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen wiederum korrespondiert mit dieser Bewertung der Antragstellerin. Sachfremde Gesichtspunkte sind nicht eingeflossen.

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12.2.02 Ausfallsicherheit Personal

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Hier sollte der Bieter nach den Erläuterungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe darlegen, wie auf Ausfälle des Personals (z.B. aufgrund von Krankheit) reagiert wird und welche Maßnahmen getroffen werden, um die Ausfallsicherheit zu optimieren. Das Konzept der Antragstellerin wurde bezüglich dieses Kriteriums mit xxxxxx Punkten und damit ebenfalls überdurchschnittlich bewertet. Die höchste Bewertung hat hier die Beigeladene mit xxxxxx Punkten erzielt. Der Antragsgegner hat für die Antragstellerin positiv hervorgehoben, dass sie beschreibt, wie ein Personalausfall durch zwei Springer in der Rufbereitschaft kompensiert werden kann. Dies werde dadurch erweitert, dass ggf. wachenübergreifend auf weiteres Personal des Bieters zurückgegriffen werden kann. Ferner werde eine konkrete Aussage getroffen, dass Personalausfälle binnen 45 Minuten durch ehrenamtliche Kräfte kompensiert werden können. Negativ hat der Antragsgegner beim Konzept der Antragstellerin allerdings vermerkt, dass Angaben zu Präventionsmaßnehmen fehlen, welche Personalausfälle bereits verhindern könnten, wie dies bei anderen Bietern der Fall sei. Nur aus diesem Grunde hat die Antragstellerin nach den Ausführungen des Antragsgegners im ergänzenden Vergabevermerk nicht die volle Punktzahl für dieses Unterkriterium erhalten. Dies ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist nachvollziehbar, warum die Beigeladenen für dieses Kriterium einen Punkt mehr erhalten hat. Dort hat der Antragsgegner festhalten, dass die Beigeladene ein umfangreiches Programm, durch welches mittels Prävention Personalausfälle grundsätzlich verhindert werden sollen, beschrieben hat. Konkrete Personalausfälle sollen durch einen Hintergrunddienst aufgefangen werden. Besonders positiv hat der Antragsgegner angemerkt, dass die Beigeladene eine konkrete Zeitangabe von 30 Minuten gemacht hat, nach welcher ein Personalausfall kompensiert werden kann. Auch hier ist der geringe Unterschied in der Bewertung nachvollziehbar dokumentiert. Ein Ansatz für eine willkürliche Beurteilung ist nicht ersichtlich.

140

12.2.03 Ausfallsicherheit Sachmittel

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Hier sollte nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen dargelegt werden, wie seitens des Bieters auf kurzfristige Material- oder Fahrzeugausfälle reagiert wird und welche Maßnahmen getroffen werden, um solchen begegnen zu können. Das Konzept der Antragstellerin hat für dieses Kriterium wiederum xxxxxx Punkte erhalten. Ebenso wurde das Konzept der Beigeladenen bewertet. Positiv hat der Antragsgegner für die Antragstellerin berücksichtigt, dass diese das Materialmanagement über ihr QM-System steuert. Hier habe die Antragstellerin konkrete Angaben gemacht, dass sie über insgesamt zwei Ersatz-RTW verfügt und darüber hinaus Ersatzgeräte auf der Hauptwache vorhält. Die Ausführungen im Konzept seien aber - insbesondere im Bereich der Ersatzgeräte - weniger detailliert als bei anderen Bietern und auch die Ablaufdiagramme seien nicht so aussagekräftig, dass die Prozesse ohne weiteres nachvollziehbar sind. Im Vergleich zu den Konzepten anderer Bieter sei die Ausarbeitung daher nicht optimal. Unter Berücksichtigung des positiven Ansatzes, dass die Antragstellerin beschrieben hat, dass sie binnen 24 Stunden von den Herstellern Ersatzgeräte erhalten kann, hat sie für dieses Unterkriterium xxxxxx Punkte erhalten. Bei der Bewertung dieses Unterkriteriums im Konzept der Beigeladenen hat der Antragsgegner ähnliche positive Aspekte vermerkt. Hervorgehoben wird, dass die Beigeladene die Qualität der Beschaffung bewertet. Die Wartung der einzelnen Geräte sei detailliert aufgeführt und auch Ersatzgeräte würden vorgehalten werden. Ebenfalls, wie bei der Antragstellerin, wird hervorgehoben, dass das qualitätsmanagement(QM)-gestützte System auch das Fuhrparkmanagement beinhaltet. Negativ hat der Antragsgegner bei der Beigeladenen lediglich festgestellt, dass im Vergleich zu anderen Bietern eine konkrete Anzahl an Ersatzfahrzeugen und Ersatzmaterialien nicht genannt wird. Auch hier wird der Abzug von lediglich einem Punkt für den Antragsgegner nachvollziehbar im ergänzenden Vergabevermerk erläutert.

142

12.2.04 Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen

143

Hier sollte der Bieter darlegen, wie die Durchführung von Hygieneschutzmaßnahmen in seinem Betrieb gewährleistet und umgesetzt wird. Auch hier haben sowohl die Antragstellerin wie auch die Beigeladene eine identische, überdurchschnittliche Bewertung von xxxxxx Punkten erreicht. Für das Konzept der Antragstellerin hat der Antragsgegner im ergänzenden Vergabevermerk positiv festgehalten, dass der erforderliche Hygieneplan vorgelegt wurde. Auch habe die Antragstellerin auf eine beigefügte Hygieneordnung verwiesen. Daraus ergebe sich, dass die Antragstellerin auf jeder Rettungswache einen Desinfektor und eine Hygienekraft beschäftigen will. Negativ hat der Antragsgegner zum Konzept der Antragstellerin vermerkt, dass genauere Ausführungen zur Organisation des Hygienemanagements und detaillierte Aussagen zur Schulung der Mitarbeiter fehlen. Positiv wiederum wird hervorgehoben, dass das Bekleidungsmanagement nachvollziehbar geschildert wird und einen hygienisch über dem Durchschnitt liegenden Standard erwarten lasse. In seinem Antwortschreiben vom 01.09.2011 auf die Rüge der Antragstellerin vom 29.08.2011 hat der Antragsgegner zur Erläuterung der Bewertung für dieses Unterkriterium ausgeführt, dass die Aussagen zum Hygienemanagement in der Hygieneordnung und auf S. 2 der Konzeptbeschreibung bei weitem nicht so genau seien, wie dies nach Ansicht des Auftraggebers für ein in diesem Punkt optimales Konzept erforderlich gewesen wäre. So erschöpfen sich die Aussagen auf den gesetzlichen Mindeststandard und gehen kaum über die Aussagen in einem Hygieneplan hinaus, welche ohnehin verpflichtend sind. Andere Bieter hätten auf mehreren Seiten beschrieben, wie sie die Maßnahmen aus dem Hygieneplan konkret umsetzen. Auch hier hat der Antragsgegner den Abzug von lediglich xxxxxx von 5 möglichen Punkten nachvollziehbar und in nicht zu beanstandender Weise begründet. Bei der Bewertung des Konzepts der Beigeladenen haben demgegenüber fehlende Ausführungen zur konkreten personellen Struktur auf Ebene der einzelnen Rettungswachen zum Punktabzug geführt. Auch hier beruht der Punktabzug und die im Übrigen positive Bewertung dieses Unterkriteriums nicht auf sachfremden Erwägungen.

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12.2.05 Effizienz der Materialverwaltung

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Hier sollte nach den Erläuterungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe dargelegt werden, was zur Gewährleistung einer effizienten Materialverwaltung vorgesehen ist. Es sollte dargestellt werden, welche Verfahren im Hinblick auf die Lagerhaltung, Lagerverwaltung und Materialbestellung vorgesehen sind. Das Konzept der Antragstellerin hat hier xxxxxx Punkte erzielt. Die Beigeladene hat die xxxxxx erhalten. Zur Begründung hat der Antragsgegner im ergänzenden Vergabevermerk für die Antragstellerin wiederum die Steuerung des Materialmanagements über das QM-System hervorgehoben. Auch werde das Material zentral und gemeinsam mit den Nachbarverbänden von einem Zentrallager beschafft, welches mittels EDV verwaltet wird und so insgesamt eine effektive Materialverwaltung ermögliche. Dadurch entstehe ein qualitativ hoher Maßstab, der über die Vertragszeit gehalten werden kann. Positiv hat der Antragsgegner ebenfalls vermerkt, dass ein Fachbereichsleiter Materialwirtschaft verantwortlich sei. Ferner würden Lieferantenbewertungen durchgeführt und eine quartalsmäßige Prüfung durch eine Apotheker beschrieben. Negativ hat der Antragsgegner im Konzept der Antragstellerin lediglich bewertet, dass die Antragstellerin im Gegensatz zu anderen Bietern nicht detailliert die Personalstruktur auf den einzelnen Rettungswachen und die Bestellabläufe geschildert hat. Damit korrespondiert die hier um einen Punkt bessere Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen. Neben den auch beim Konzept der Antragstellerin positiv bewerteten Aspekten hat der Antragsgegner beim Konzept der Beigeladenen darüber hinaus hervorgehoben, dass es Angaben zu einer kurzfristigen Beschaffung über die regionale Struktur des Bieters enthält. Auch hier ist die geringfügig unterschiedliche Bewertung nicht zu beanstanden.

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12.2.06 Effizienz der Medizinprodukteverwaltung

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Hier sollte der Bieter nach den Vorgaben des Antragsgegners die Verwaltung der einzusetzenden Medizinprodukte darlegen. Dabei sollte im Konzept insbesondere auf die Gewährleistung der Einsatzfähigkeit der Medizinprodukte, deren Wartung sowie auf die entsprechende Schulung der Mitarbeiter eingegangen werden. Hier hat ausweislich des ergänzenden Vergabevermerks das Konzept der Antragstellerin als einziges die xxxxxx erzielt. Die Beigeladene hat xxxxxx von 5 möglichen Punkten erhalten. Negativ hat der Antragsgegner dort lediglich vermerkt, dass eine konkrete personelle Struktur auf Ebene der einzelnen Rettungswachen im Konzept nicht beschrieben wird. Eine genaue Zuordnung, ob ein Medizinproduktebeauftragter pro Rettungswache angeboten wird, lässt sich nach den Feststellungen des Antragsgegners aus dem Konzept nicht zweifelsfrei erkennen. Im Übrigen wird das Konzept der Beigeladenen aber ebenso wie das der Antragstellerin rundum positiv beurteilt. Der geringe Bewertungsunterschied ist damit nachvollziehbar dokumentiert.

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12.2.07 Effizienz des Melde- und Berichtswesens

149

Hier sollte der Bieter nach den Erläuterungen des Antragsgegners in der Aufforderung zur Angebotsabgabe darlegen, wie er die in der Leistungsbeschreibung unter Ziff. 5.5 und Ziff. 15 genannten Anforderungen an sein Melde- und Berichtswesen sicherstellt und die Leistungen möglichst effektiv erbringt. Dabei soll er auf die in Ziff. 5.5 (interne Kommunikation/Betriebsabläufe) und Ziff. 15 (externe Kommunikation mit dem Auftraggeber und Kommunikation mit der Öffentlichkeit) der Leistungsbeschreibung genannten Punkte eingehen und darstellen, welche innerbetrieblichen Maßnahmen hierzu ergriffen werden. Bezüglich dieses Kriteriums sind nach der Dokumentation im ergänzenden Vergabevermerk alle Konzepte maximal durchschnittlich bewertet worden. Während das Konzept der Antragstellerin hier lediglich xxxxxx Punkte erzielt hat, hat die Beigeladene immerhin xxxxxx Punkte erhalten. Für das Konzept der Antragstellerin hat der Antragsgegner lediglich positiv vermerkt, dass er sein internes Melde- und Berichtswesen über das QM- und sein Rettungswacheninformationssystem (RWIS) steuert. Es wird hervorgehoben, dass ein Informationsaustausch mit anderen am Rettungsdienst Beteiligten erläutert wird. Dies könne sich vorteilhaft auf die Zusammenarbeit im Einsatz auswirken. Negativ hat der Antragsgegner jedoch festgehalten, dass die Antragstellerin lediglich rudimentär die Struktur ihres externen Berichts- und Meldewesens beschrieben hat. Detailliertere Angaben zur Öffentlichkeitsarbeit und zum Beschwerdemanagement fehlten völlig. Positiv werden wiederum Angaben zum Datenschutz vermerkt. Der Antragsgegner hat in seiner Rügebeantwortung vom 01.09.2011 gegenüber der Antragstellerin erläutert, dass Aussagen des Bieters, wie Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Vorgaben der Ausschreibung - also zusammen mit dem Auftraggeber - überhaupt ablaufen, völlig fehlten. Auch hier ist die Bewertung zumindest nicht willkürlich erfolgt. Auch für das Konzept der Beigeladenen hat der Antragsgegner für dieses Unterkriterium negativ vermerkt, dass genaue Abläufe der für den Auftraggeber besonders wichtigen Kommunikation zwischen ihm und dem Bieter völlig fehlten. Im Gegensatz zum Konzept der Antragstellerin hat der Antragsgegner beim Konzept der Beigeladenen aber festgestellt, dass er für die Kommunikation mit dem Auftraggeber einen einheitlichen Ansprechpartner angeboten hat, wodurch Kontinuität hergestellt werde und einheitliche, eingespielte und damit auch schnelle Abläufe gewährleistet werden können. Die übrigen, negativen Feststellungen des Antragsgegners führten jedoch auch bei der Beigeladenen zu einer lediglich durchschnittlichen Bewertung. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner hier unterschiedliche Maßstäbe zugrunde gelegt hat, sind nicht ersichtlich.

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12.2.08 Psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter

151

Hier sollte nach den Erläuterungen des Antragsgegners von den Bietern dargelegt werden, welche psycho-sozialen Betreuungsmöglichkeiten für Mitarbeiter vorgesehen werden und unter welchen Umständen diese zum Einsatz kommen. Für dieses Kriterium hat die Antragstellerin eine unterdurchschnittliche Bewertung von xxxxxx Punkten und die Beigeladene eine überdurchschnittliche Bewertung von xxxxxx Punkten erreicht. Für das Konzept der Antragstellerin hat der Antragsgegner im ergänzenden Vergabevermerk festgehalten, dass die Antragstellerin zwar beschrieben hat, dass sie sich am Rahmenkonzept xxxxxx des xxxxxx orientiert. Im Konzept selbst seien jedoch keine Ausführungen enthalten, ob und wie das Rahmenkonzept oder andere Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Negativ hat der Antragsgegner für die Antragstellerin vermerkt, dass keine konkreten Angaben zum Coaching bzw. zur Supervision gemacht werden. Auch setze die Antragstellerin ausweislich ihres Konzeptes im Wesentlichen nur fortgebildete Mitarbeiter ohne professionellen Hintergrund ein. Positiv wird festgehalten, dass die Antragstellerin pro Rettungswache einen kollegialen Mitarbeiter einsetzen möchte und dass auch diese Mitarbeiter einer Fachaufsicht durch eine psychologische Fachkraft unterliegen sollen. Hier hat der Antragsgegner allerdings genauere Angaben vermisst. Damit korrespondierend hat der Antragsgegner die bessere Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen damit begründet, dass der Bieter dargelegt habe, dass er ein eigenes Einsatznachsorgeteam vorhält, welches rund um die Uhr erreichbar ist. Ferner seien Fachkräfte mit Hochschulausbildung in die Einsatznachsorge eingebunden. Negativ wurde für das Konzept der Beigeladenen lediglich festgestellt, dass es neben der geforderten psycho-sozialen Betreuung der Mitarbeiter eine Tätigkeit des gleichen Teams für die Krisenintervention als Betreuung von Überlebenden, Angehörigen, Zeugen und Hinterbliebenen beinhaltet. Durch diese Doppelfunktion der Mitarbeiter des Teams für die psycho-soziale Betreuung sowohl der eigenen Mitarbeiter als auch für Überlebende und Angehörige, die zudem vom gleichen Team für ganz Niedersachsen vorgenommen werden soll, sei eine jederzeitige Erreichbarkeit für die Mitarbeiter im Rettungsdienstbereich xxxxxx zumindest in Frage gestellt. Auch die Erwägungen und Feststellungen des Antragsgegners für dieses Unterkriterium sind nach Auffassung der Vergabekammer zumindest nicht sachfremd. Es wird zumindest nachvollziehbar dokumentiert, warum das Konzept der Antragstellerin für dieses Kriterium eine deutlich geringere Bewertung als das Konzept der Beigeladenen erhalten hat.

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Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Antragsgegner auch bei der Konzeptbewertung ausschließlich die Kriterien, Maßstäbe und Feststellungen berücksichtigt hat, die er den Bietern mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe und der Leistungsbeschreibung bekannt gemacht hatte. Eine Festlegung weiterer Unterkriterien wurde von den Bietern nicht vermisst, geschweige denn wurde das Fehlen weiterer Unterkriterien von den Bietern, die allesamt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der verfahrensgegenständlichen Rettungsdienstleistungen verfügen, gerügt. Da hier ausdrücklich Bieterkonzepte bewertet werden sollten, wären noch detailliertere Vorgaben des Antragsgegners auch nicht zweckmäßig gewesen, weil sie die Möglichkeiten der Bieter zur konzeptionellen Darstellung zu weit eingeschränkt hätten. Entscheidend ist vielmehr, dass der Antragsgegner bei der Konzeptbewertung keine sachfremden, überraschenden oder unter die Kriterien nicht zu subsumierenden Gesichtspunkte hat einfließen lassen. Vielmehr hat der Antragsgegner negative Feststellungen und positive, punkteerhöhende Aspekte bei allen Bieterkonzepten gleichmäßig berücksichtigt. Anhaltspunkte für eine willkürliche Beurteilung liegen nicht vor. Der Antragsgegner hat sich somit auch bei der Konzeptbewertung im Rahmen des den öffentlichen Auftraggebern auch durch § 16 Abs. 7 VOL/A verbleibenden Beurteilungsspielraums gehalten. Der Antragsgegner hat daher die Angebotswertung in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt und in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

153

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war daher zurückzuweisen.

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III. Kosten

155

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.

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Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

157

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt für das verfahrensgegenständliche Los 3 für eine Vertragslaufzeit von 6 Jahren xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem vom der Antragsgegner geprüften und dokumentierten Angebotspreis der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

158

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der z. Zt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR

159

(§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.

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Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.

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Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

162

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin unterlegen ist, weil der Nachprüfungsantrag erfolglos war.

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Kosten der Beigeladenen

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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".

165

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

166

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

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Kosten des Antragsgegners

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Die Erstattungspflicht der Antragstellerin bezüglich der Kosten des Antragsgegners, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte der Antragsgegner für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

169

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

170

Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i.V.m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, zitiert nach ibr-online; Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Grundsätzlich trifft es auch immer noch zu, dass die Nachprüfungsverfahren unter einem enormen Beschleunigungs- und Zeitdruck stehen und das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus dem nationalen Recht und dem Europarecht darstellt, welche nicht immer im Gleichklang stehen. Auf der anderen Seite wird die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig eher nicht notwendig sein, wenn sich die darin aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung darüber erschöpfen, ob die Vergabestelle das von ihr im Rahmen des streitbefangenen Vergabeverfahrens ohnehin zu beachtende "materielle" Vergaberecht zutreffend angewandt hat, d.h. im Wesentlichen die Bestimmungen der Verdingungsordnung eingehalten sind. Denn dann ist - zumindest bei größeren Auftraggebern, die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen, der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren Ergebnisse zu rechtfertigen eine Vergabestelle grundsätzlich auch ohne anwaltlichen Beistand in der Lage sein muss (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 0001/10, zitiert nach [...], Tz 15 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juni 2010 - 15 Verg 4/10, zitiert nach [...], Tz 54; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2008 - Verg 6/08, zitiert nach [...], Tz 13).

171

Nach dieser Maßgabe war es für den Antragsgegner im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Denn der Nachprüfungsantrag betraf nicht allein Probleme des gewöhnlichen materiellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, dass eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltlichen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertreten muss. Gegenstand war vorliegend die erste Ausschreibung von Rettungsdiensten in Niedersachsen und insbesondere auch die Bewertung von Bieterkonzepten auf der Grundlage des NRettDG und spezifische, das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren betreffende Fragen, wie z.B. die Anforderungen an die Rügepflicht. Er bedurfte daher anwaltlicher Unterstützung.

172

Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten des Antragsgegners zu tragen.

173

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxxEUR unter Angabe des Kassenzeichens

174

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

175

xxxxxx.

Gause
Schulte
Brinkmann