Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 10.05.2011, Az.: VgK-11/2011
Auftrag für die Lieferung von elektrischer Energie im Wege eines offenen Verfahrens in Verbindung mit einer elektronischen Auktion ist rechtmäßig; Auftrag für die Lieferung von elektrischer Energie für die unter ihrer Verwaltung stehenden Liegenschaften im Wege eines offenen Verfahrens in Verbindung mit einer elektronischen Auktion; Kombinierbarkeit der elektronischen Auktion mit sämtlichen Verfahrensarten des gewerblichen Dialogs; Einführung der elektronischen Auktion in das deutsche Vergabrecht
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 10.05.2011
- Aktenzeichen
- VgK-11/2011
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 18381
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 100 Abs. 1 GWB
- § 101 Abs. 6 GWB
- § 114 Abs. 1 GWB
- § 128 GWB
- § 3 VOL/A EG
- Art. 1 Abs. 7 RL 2004/18/EG
- Art. 54 RL 2004/18/EG
- § 80 VwVfG
Verfahrensgegenstand
Ausschreibung "Lieferung von elektrischer Energie für Liegenschaften des xxxxxx"
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Sameluck,
im schriftlichen Verfahren
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsgegnerin notwendig.
Begründung
I.
Die Antragsgegnerin ist eine Einrichtung der Stadt xxxxxx und des Landkreises xxxxxx zur Bewirtschaftung des gemeinsamen Gebäudebestandes in der Rechtsform einer gemeinsamen kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts (gAöR). Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2011 schrieb die Auftraggeberin die Lieferung von elektrischer Energie für die von ihr verwalteten Liegenschaften im offenen Verfahren aus. Als Gesamtmenge wurden 3.734.074 kWh/Jahr für den Vertragszeitraum 01.01.2012 bis 21.12.2013 genannt. Ausgeschrieben wurden zwei Lose. Die Angebote sollen für ein Los oder mehrere Lose eingereicht werden. Varianten oder Alternativangebote wurden nicht zugelassen. Als Zuschlagskriterium wurde ausschließlich der niedrigste Preis festgelegt. In der Bekanntmachung wird darauf hingewiesen, dass eine elektronische Auktion durchgeführt wird. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der xxxxxx.2011, 13.00 Uhr. Die Bindefrist des Angebots wurde auf 12 Kalendertage nach Abschluss der elektronischen Auktion (Abschlusstermin für den Eingang der Angebote) festgelegt. Die potentiellen Bieter wurden darauf hingewiesen, dass die Ausschreibung ausschließlich über die Strom- und Gasbeschaffungsplattform "xxxxxx" xxxxxx durchgeführt wird. Als Kontakt wurde die mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragte xxxxxx, benannt. Die potentiellen Bieter wurden für den Fall, dass sie noch keinen Zugang zu xxxxxx haben, gebeten, sich mit der xxxxxx in Verbindung zu setzen. Die Antragsgegnerin werde Ihnen einen Zugang zum Portal einrichten lassen. Die Nutzung des Portals sei für die Bieter kostenfrei.
Mit Schreiben der beauftragten xxxxxx vom 22.02.2011 forderte die Antragsgegnerin die Bewerber zur Abgabe eines Angebotes auf der Grundlage derVOL/A auf. Die Bewerber wurden darauf hingewiesen, dass sie für beide Lieferjahre zusammen einen Arbeitspreis kalkulieren müssen, um die Versorgung für beide Lieferjahre durch den selben Stromlieferanten sicherzustellen. Unter Hinweis auf die beigefügten Bewerbungsbedingungen wurden die Bewerber noch einmal darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die in den Vergabeunterlagen beschriebenen Leistungen im Wege der elektronischen Auktion zu vergeben. Der Zuschlag erfolge auf das wirtschaftlichste Angebot je Los, dabei werde das Zuschlagskriterium Preis zu 100% berücksichtigt. Die Bewerber wurden gebeten, die Angebotsabgabe über das Portal vorzunehmen und ein verschlüsseltes digitales Angebot mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz abzugeben. Bis zum Ende der Angebotsfrist könne das Angebot über das Portal mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz geändert oder zurückgezogen werden. Weiter heißt es in der Aufforderung zur Angebotsabgabe:
"Mit Angebotsabgabe erklären Sie, dass Ihrem Angebot neben den Preisangaben die Leistungsbeschreibung und der Stromliefervertrag dieser Ausschreibung sowie die geforderten Angaben und Erklärungen zugrunde liegen. An diese Angebotserklärungen sind Sie bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist gebunden, es sei denn, Sie ändern ihr Angebot in der Phase der elektronischen Auktion bis zum Abschluss der elektronischen Auktion.
Alle Bieter, die in der ersten Phase ein zulässiges Angebot unterbreitet haben, werden nach Abschluss der ersten Phase gleichzeitig aufgefordert, neue Preise vorzulegen. Diese Aufforderung enthält u.a. das Datum und die Urzeit des Beginns sowie des Endes der elektronischen Auktion. Nähere Informationen zur Durchführung bzw. zum Ablauf der elektronischen Auktion enthalten die Bewerbungs- und Vergabebedingungen sowie die Vorbemerkungen.
Es wird darauf hingewiesen, dass Sie mit der Abgabe Ihres Angebotes auch den Bestimmungen über nicht berücksichtigte Angebote unterliegen (§ 22 EG-VOL/A). Das Angebot gilt als abgelehnt, wenn bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist kein Auftrag erteilt wird. Eine besondere Mitteilung ergeht nicht. Wollen Sie ausdrücklich über die Ablehnung Ihres Angebotes unterrichtet werden, so müssen Sie dies bereits in der ersten Phase beantragen.
Die Information der unterlegenen Bieter über die geplante Auftragsvergabe gemäß § 101a Abs. 1 GWB erfolgt unverzüglich nach Abschluss der elektronischen Auktion. Sie wird spätestens am Tag nach Abschluss der elektronischen Auktion übermittelt. Gleichzeitig wird der Bieter, der das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, informiert. Die formale Zuschlagserteilung darf gemäß § 101a Abs. 1 GWB erst 10 Kalendertage nach Absendung der Information an die unterlegenen Bieter erfolgen."
Weiter wurden von den Bietern in der Aufforderung zur Angebotsabgabe im Einzelnen benannte Eignungsnachweise verlangt, die bereits mit Angebotsabgabe in Form von Eigenerklärungen abzugeben waren.
Die Durchführung der zweiten Phase der Auktion soll an einem von der Auftraggeberin noch zu bestimmenden Tag während des Zeitfensters 08.04. bis 11.11.2011 erfolgen. Der Mindestabstand, der seitens der Bieter bei Abgabe neuer Preise einzuhalten ist, beträgt zwei Stunden. Der Zuschlag erfolgt nach Abschluss dieser zweiten Phase auf das wirtschaftlichste Angebot je Los.
Die Antragstellerin hat sich an der Ausschreibung beteiligt und am 04.04.2011 ein Angebot für die erste Phase der Auktion abgegeben. Zuvor hat sie mit Schreiben vom 22.03.2011 gegenüber der Auftraggeberin gerügt, dass die Ausschreibung als elektronische Auktion durchgeführt werden soll. Unter Bezugnahme auf das Vorwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur VOL 2009 hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass in Ergänzung zur Definition nach § 101 Abs. 6 Satz 2 GWB zwar das "dynamische elektronische Verfahren" in der VOL/A umgesetzt wurde und damit künftig zulässig sei. Auf eine Umsetzung der "elektronischen Auktion" nach § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB habe der DVAL aus mittelstandspolitischen Gründen aber verzichtet. Die Antragstellerin forderte die Auftraggeberin auf, ihre aktuelle Ankündigung aufzuheben, dieses bis zum 30.03.2011 schriftlich zu bestätigen und anschließend eine ordnungsgemäß Ausschreibung entsprechend der VOL/A vorzunehmen. Andernfalls würde man die zuständige Vergabekammer einschalten.
Die von der Antragsgegnerin mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragte xxxxxx wies diese Rüge mit Schreiben vom 29.03.2011 zurück. Zur Begründung wies die xxxxxx darauf hin, dass das Gemeinschaftsrecht bereits in der Richtlinie 2004/18/EG die elektronische Auktion definiert und diese speziellen Vorschriften unterworfen habe, um sicherzustellen, dass elektronische Auktionen unter uneingeschränkter Wahrung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz ablaufen. Im Jahre 2009 habe der deutsche Gesetzgeber die elektronische Auktion in § 101 Abs. 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelt. Damit habe der deutsche Gesetzgeber von der in der EG-Richtlinie eingeräumten Option Gebrauch gemacht, die elektronische Auktion in mitgliedsstaatliches Recht umzusetzen. Es habe keiner weiteren begriffsausfüllenden Vorschriften bedurft. Diese seien im Rahmen der elektronischen Auktion nicht notwendig, da Art. 54 der Richtlinie 2004/18/EG (VKR) detailgenau verfasst sei, so dass den Mitgliedsstaaten praktisch kein bzw. kein eigenständiger Umsetzungsspielraum verbleibe. Art. 54 VKR diene daher zur richtlinienkonformen Auslegung von § 101 Abs. 6 GWB. Den europäischen Richtlinienregelungen zur elektronischen Auktion komme - soweit der jeweilige Mitgliedsstaat von seinem eingeräumten Ermessen Gebrauch macht - auch eine unmittelbare Wirkung zu, denn sie seien hinreichend klar und eindeutig formuliert sowie von keiner Bedingung abhängig und verleihen nach Auffassung der Auftraggeberin den einzelnen Vergabestellen das Recht zur Durchführung einer elektronischen Auktion, wenn und soweit die Mitgliedstaaten ihr Optionsrecht ausgeübt haben. Dies habe der deutsche Gesetzgeber in § 101 Abs. 6 GWB getan.
Mit Schreiben vom 07.04.2011, eingegangen bei der Vergabekammer per Fax am gleichen Tage, hat die Antragstellerin daraufhin einen Nachprüfungsantrag gestellt. Sie vertieft ihre bereits im Rügeschreiben ausgeführte Rechtsauffassung. Sie weist darauf hin, dass aus der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 20.11.2009 zur Einführung der VOL/A, Ausgabe 2009, klar hervorgehe, dass die Bundesregierung die elektronische Auktion gerade nicht ins deutsche Vergaberecht einführen wollte. Dort heißt es:
"In Ergänzung zur Definition nach § 101 Abs. 6 Satz 2 GWB wurde das "dynamische elektronische Verfahren" in der VOL/A umgesetzt und ist damit künftig zulässig. Auf eine Umsetzung der "elektronischen Auktion" nach § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB hat der DVAL aus mittelstandspolitischen Gründen verzichtet."
Die Antragstellerin betont ihr Interesse am Auftrag. Die für die Antragsbefugnis notwendige drohende oder bestehende Rechtsverletzung liege darin, dass die Antragsgegnerin mit der elektronischen Auktion eine Art des Vergabeverfahrens gewählt habe, die im deutschen Vergaberecht explizit nicht vorgesehen und damit unzulässig sei. Durch diese Rechtsverletzung drohe ihr als Bieterin in zweifacher Hinsicht ein Schaden. Dabei genüge es, dass die Wahl des Vergabeverfahrens der elektronischen Auktion abstrakt geeignet ist, eine Chancenbeeinträchtigung für die Antragstellerin zu verursachen. Die Antragstellerin habe nicht die freie Wahl, sich dieser Art des Vergabeverfahrens zu entziehen. Sofern sie im inzwischen eng umkämpften Strommarkt wettbewerbsfähig bleiben möchte, müsse sie auch an Ausschreibungen wie der vorliegenden teilnehmen. Die unzulässig gewählte elektronische Auktion sei geeignet, die Chancen der Antragstellerin auf den Zuschlag zu beeinträchtigen. Das Verfahren der elektronischen Auktion weiche grundlegend von den vom deutschen Gesetzgeber vorgesehenen Vergabeverfahren ab. Insbesondere bestehe diese Abweichung in dem für ein offenes (und auch nicht offenes) Verfahren maßgeblichen Punkt, dass nur eine Preisrunde durchgeführt werden darf. Demgegenüber werde bei einer elektronischen Auktion ein Preiswettbewerb durchgeführt, in dem jeder Bieter im 2-Stunden-Takt das bis dahin jeweils günstigste Angebot unterbieten könne. Es fördere die Neigung mancher Bieter, im "Eifer des Gefechts" keine kaufmännisch sauber kalkulierten Angebote mehr abzugeben, sondern sich "um jeden Preis" davon leiten zu lassen, das zur Zuschlagserteilung führende Angebot abzugeben. Es bestehe daher vorliegend die Möglichkeit, dass die Antragstellerin durch einen solchen irrationalen Preiswettbewerb die Ausschreibung verliert, wenn sie sich nicht ebenfalls auf den irrationalen Preiswettbewerb einlasse.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Vergabestelle anzuweisen, die Ausschreibung wegen der dem Vergaberecht widersprechenden Ausgestaltung als elektronische Auktion aufzuheben und in einem dem Vergaberecht entsprechenden Verfahren (ohne elektronische Auktion) zu wiederholen;
- 2.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahren einschließlich der Kosten der entsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen;
- 3.
den Antrag der Antragsgegnerin auf Ausspruch, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin notwendig war, abzulehnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag abzulehnen;
- 2.
der Antragstellerin und etwaig beigeladenen Unternehmen keine Einsicht in die Vergabeakte und Angebote anderer Bieter zu gewähren;
- 3.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin aufzuerlegen;
- 4.
auszusprechen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin notwendig war.
Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig ist. Die Antragstellerin habe ihr Interesse am Auftrag nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr habe die Antragstellerin ein "Abwehrangebot" eingereicht, dessen Preis nach ihren eigenen Angaben einen wettbewerbsfähigen Preis etwa um das Dreifache übersteige. Auf ein solches Angebot dürfe gemäߧ 19 Abs. 6 Satz 2 VOL/A-EG der Zuschlag nicht erteilt werden, weil der Preis in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehe. Das Angebot sei bewusst chancenlos eingereicht worden. Die Antragstellerin habe auch nicht dargelegt, dass ihr durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Dies folge bereits daraus, dass ihr Angebot wegen des völlig überteuerten Preises keine Zuschlagsaussicht habe. Im Übrigen drohe ihr durch die beanstandete Durchführungsmodalität des Vergabeverfahrens aber auch ohnehin kein Schaden. Die vermeintliche Gefahr einer Unterbietung des eigenen Preises im Rahmen der elektronischen Auktion sei effektiv nicht höher als im normalen offenen Verfahren. Jeder Bieter habe es in der Hand, sein letztes Angebot vor Ablauf der Auktion so abzugeben, dass es nicht mehr unterboten werden kann. Ferner treffe es nicht zu, dass durch die elektronische Auktion ein ruinöser Preiswettbewerb nach unten im Rahmen der Ausschreibung gefördert werde. Die Antragstellerin habe es selbst in der Hand, welches Angebot sie abgibt und inwieweit sie ihr Preisangebot im Rahmen der Auktion korrigiert.
Im Übrigen sei auch das Antragsziel der Antragstellerin teilweise unstatthaft. Der Vergabekammer sei es jedenfalls verwehrt, der Antragsgegnerin eine Anweisung zur Aufhebung des Vergabeverfahrens zu erteilen. Sie könne allenfalls aussprechen, dass es unzulässig sei, in dem Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen. Die Antragsgegnerin verweist diesbezüglich auf die Rechtsprechung des BGH. Auch könne die Antragsgegnerin allenfalls für den Fall fortbestehender Beschaffungsabsicht verpflichtet werden, das Vergabeverfahren zu wiederholen.
Der Nachprüfungsantrag sei darüber hinaus aber auch unbegründet. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass der Gesetzgeber den Vergabestellen mit dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts 2009 in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB ausdrücklich die Möglichkeit der Durchführung einer elektronischen Auktion als Bestandteil von Vergabeverfahren eröffnet hat. Dort heißt es: "Eine elektronische Auktion dient der elektronischen Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots." Daher geht auch die Antragsgegnerin davon aus, dass es sich hierbei - wenn überhaupt - um eine lückenhafte Definition handelt und zur Konkretisierung auf die ausführliche Regelung des Art. 1 Abs. 7 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG zurückzugreifen ist. Dort heißt es:
"Eine elektronische Auktion ist ein iteratives Verfahren, bei dem mittels einer elektronischen Vorrichtung nach einer ersten vollständigen Bewertung der Angebote jeweils neue, nach unten korrigierte Preise und/oder neue, auf bestimmte Komponenten der Angebote abstellende Werte vorgelegt werden, und dass eine automatische Klassifizierung dieser Angebote ermöglicht. Folglich dürfen bestimmte Bau- und Dienstleistungsaufträge, bei denen eine geistige Leistung zu erbringen ist - wie z.B. die Konzeption von Bauarbeiten - nicht Gegenstand von elektronischen Auktionen sein."
Die Antragsgegnerin verweist auf Art. 54 Abs. 1 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG, wonach die Mitgliedstaaten festlegen können, dass die öffentlichen Auftraggeber elektronische Auktionen durchführen dürfen. Von diesem fakultativen Recht habe der Bundesgesetzgeber mit § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB ausreichend Gebrauch gemacht. Ferner liege zu dieser Rechtsfrage noch keine Rechtsprechung vor. Die herrschende Lehre gehe jedoch davon aus, dass die Durchführung einer elektronischen Auktion aufgrund der Regelung des § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB zulässig ist. Entgegen der Auffassung einer Mindermeinung könne nicht davon ausgegangen werden, dass § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB lediglich den Verordnungsgeber ermächtigt, eine elektronische Auktion - entweder in derVgV oder in der VOL/A-EG - erst zuzulassen. Dagegen spreche schon, dass in § 101 Abs. 6 GWB der Verordnungsgeber an keiner Stelle angesprochen werde. Angesprochen würden in § 101 GWB ausdrücklich unmittelbar die öffentlichen Auftraggeber. Erst recht sei keine ausdrückliche Regelung dahin gehend enthalten, dass etwa durch Rechtsverordnung gemäß § 97 Abs. 6 GWB bestimmt werden kann, dass das wirtschaftlichste Angebot durch eine elektronische Auktion ermittelt werden kann. Eine Verordnungsermächtigung müsse aber nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt sein.
Demgegenüber spreche der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens dafür, dass der Bundesgesetzgeber die durch die EU-Vergabekoordinierungsrichtlinie eingeräumte Möglichkeit der Durchführung einer elektronischen Auktion in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB vorbehaltlos umgesetzt hat. Zwar habe der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 04.07.2008 (BR-Drs. 349/08 (B), S. 8) die Regelung mit der Begründung kritisiert, dass die Aufnahme einer bloßen Definition in eine die Arten der Vergabe regelnden Vorschrift schon systematisch nicht gelungen sei. So vertrat der Bundesrat die Auffassung, dass mit der Zulassung einer elektronischen Auktion ggf. ein ruinöser Preiswettbewerb nach unten eröffnet werden könnte, der zulasten der Qualität gehe und längerfristig auch zulasten der Anbieterstruktur. Die geplante Regelung widerspreche insbesondere auch der Begründung zu § 97 Abs. 3 GWB-E, in der erwähnt werde, dass mittelständische Interessen auch durch die Zunahme elektronischer Beschaffungssysteme beeinträchtigt werden könnten. Die Bundesregierung habe im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens daraufhin in ihrer Erwiderung darauf hingewiesen, dass sie im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens prüfen werde, ob die Aufnahme der Definition der elektronischen Auktion und des dynamisch elektronischen Verfahrens erforderlich ist (BT-Drs. 16/10117, S. 41). Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sei die elektronische Auktion jedoch kein weiteres Mal erwähnt worden, vielmehr sei die elektronische Auktion ausdrücklich in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB geregelt worden.
Zwar werde das Vergaberecht aufgrund des Kaskadenprinzips regelmäßig aufgrund der Verordnungsermächtigung in§ 97 Abs. 6 GWB durch Verordnung bzw. letztlich eine Vergabeordnung konkretisiert. Daraus lasse sich jedoch nicht ableiten, dass eine gesetzliche Regelung nicht bereits aus sich selbst heraus vollziehbar ist. Vielmehr dürften Kann-Ermächtigungen ohne die Verpflichtung zum Verordnungserlass verfassungsrechtlich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht über die praktische Anwendbarkeit des Gesetzes entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 08.06.1988 - 2 BvL 9/85 - BVerfGE 78, S. 249, 272). Wenn die Anwendbarkeit des Gesetzes erst durch den Erlass der Verordnung ermöglicht wird, so sei es dem Gesetzgeber nicht gestattet, dass Gebrauchmachen von der Ermächtigung allein der politischen Entscheidung des Verordnungsgebers anheim zu geben. In diesem Fall sei der Zweck der erteilten Ermächtigung lediglich hinsichtlich der Modalitäten einer möglichen Regelung, nicht jedoch hinsichtlich des "ob überhaupt" hinreichend bestimmt. Eine andere Auslegung würde nach Auffassung der Antragsgegnerin die Regelung des Art. 80 Abs. 1 GG widersprechen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 08.06.1988 - 2 BvL 9/85 - BVerfGE 78, S. 249, 272 ff.) sei es Sinn der Regelung desArt. 80 Abs. 1 GG, das Parlament daran zu hindern, sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern. Es solle nicht einen Teil seiner Gesetzgebungsmacht der Exekutive übertragen können, ohne die Grenzen dieser Befugnis bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. § 97 Abs. 6 GWB sei daher keine geeignete Grundlage im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, die elektronische Auktion einzuführen. Die Einführung sei vielmehr unmittelbar durch den Gesetzgeber in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB erfolgt. Einer weiteren Umsetzung in der Vergabeverordnung oder der VOL/A bedarf es nach Auffassung der Antragsgegnerin nicht. Die Durchführung der elektronischen Auktion selbst müsse vielmehr unter Rückgriff auf die ausführlichen Regelungen von Art. 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG erfolgen.
Die Beteiligten haben gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB einer Entscheidung über den Nachprüfungsantrag nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte und die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Auftrag für die Lieferung von elektrischer Energie für die unter ihrer Verwaltung stehenden Liegenschaften im Wege eines offenen Verfahrens in Verbindung mit einer elektronischen Auktion im Sinne des § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB i.V.m. Art. 54 der Richtlinie 2004/18/EG (VKR) auszuschreiben, nicht in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Mit der im Zuge der Modernisierung des Vergaberechts 2009 erfolgten Aufnahme der elektronischen Auktion in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB und damit in den Katalog der Arten der Vergabe des § 101 GWB hat der Bundesgesetzgeber von der den Mitgliedstaaten durch Art. 54 Abs. 1 VKR europarechtlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, festzulegen, dass die öffentlichen Auftraggeber elektronische Auktionen durchführen dürfen. Da in Art. 54 VKR detaillierte Anforderungen an die Durchführung und den Ablauf einer elektronischen Auktion festgelegt sind, bedurfte es zur Umsetzung dieser bindenden europarechtlichen Vorgaben nicht zwingend einer weiteren Umsetzung in der Vergabeverordnung (VgV) oder den Vergabe- und Vertragsordnungen durch den Verordnungsgeber und die Vergabe- und Vertragsausschüsse. Maßgeblich ist allein, dass die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren nicht nur auf der Grundlage der VOL/A EG, sondern auch unter Beachtung der für die elektronische Auktion festgelegten Voraussetzungen des Art. 54 VKR durchführt. Diesbezügliche Verstöße der Antragsgegnerin oder Mängel des Verfahrens hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine kommunale Einrichtung in der Rechtsform einer gemeinsamen Anstalt öffentlichen Rechts, die zu 100% in der Trägerschaft der Stadt xxxxxx und des Landkreises xxxxxx steht und die gegründet wurde, um den gesamten Gebäudebestand dieser beiden Kommunen zu bewirtschaften. Es handelt sich daher bei der Antragsgegnerin um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Lieferung elektrischer Energie für die Liegenschaften des xxxxxx und damit um einen Lieferleistungsauftrag, für den gemäß § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 193.000 EUR gilt. Der von der Antragsgegnerin gemäß § 1 VgV vorab geschätzte Wert des Gesamtauftrags beträgt ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen Vergabevermerks xxxxxx EUR brutto und überschreitet den maßgeblichen Schwellenwert damit deutlich.
Die Antragsstellerin ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterunternehmen im vorliegenden Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie substantiiert und insbesondere unter Berufung auf eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 20.11.2009 zur Einführung der VOL/A, Ausgabe 2009, die Auffassung vertritt, dass die Antragsgegnerin nicht befugt ist, die streitgegenständliche Beschaffung im Wege einer elektronischen Auktion durchzuführen, weil der Verordnungsgeber die elektronische Auktion ausdrücklich gerade nicht ins deutsche Vergaberecht einführen wollte und der Bundesgesetzgeber von der durch Art. 54 Abs. 1 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den öffentlichen Auftraggebern die Durchführung elektronischer Auktionen zu gestatten, nicht wirksam Gebrauch gemacht habe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Kommentierungen sind an die Voraussetzungen keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, dass durch die aus ihrer Sicht rechtswidrig vorgesehene elektronische Auktion ein ruinöser Preiswettbewerb nach unten im Rahmen der Ausschreibung drohe. Entgegen den Vorgaben des gemäß §§ 2 Nr. 2, 4 Abs. 1 VgV anzuwendenden 2. Abschnitts der VOL/A für das von der Auftraggeberin gewählte offene Verfahren bestehe bei dem vorgesehenen Verfahren für jeden Bieter die Möglichkeit, mehr als nur ein einziges Preisangebot abzugeben. Nach Abgabe des ersten Angebotes erhalte jeder Bieter sein aktuelles "Ranking" online angezeigt. Nach einer Wartezeit von zwei Stunden besteht die Möglichkeit, das bereits abgegebene Angebot nachzubessern. Daraufhin werde dann das neue "Ranking" angezeigt. Das Verfahren führe wegen der Ausschließlichkeit des Preises als Vergabekriterium dazu, dass zum marktüblichen Preis kalkulierte Angebote gezielt unterboten werden könnten. Um einen derartig ruinösen Preiswettbewerb zu verhindern, habe der Verordnungsgeber auf die Umsetzung der elektronischen Auktion aus den Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG verzichtet.
Dieser Vortrag der Antragstellerin genügt den Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Es ist nicht auszuschließen, dass die elektronische Auktion vorliegend den Preiswettbewerb unter den Stromanbietern verschärft, was im wirtschaftlichen Interesse der Antragsgegnerin, aber eben regelmäßig nicht im Sinne der Stromanbieter selbst und damit auch der Antragstellerin liegt, die bestrebt ist, einen möglichst hohen Marktpreis zu erzielen.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann vorliegend auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein möglicher Schaden der Antragstellerin deshalb entfällt, weil sie von vornherein ein aussichtsloses, weil preislich völlig überzogenes erstes Angebot abgegeben hat. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass das in der ersten Phase der elektronischen Auktion abgegebene Angebot lediglich dazu dient, ein zulässiges Angebot, das sämtliche geforderten Angaben und Erklärungen sowie die Preis beinhaltet, abzugeben. Die in dieser ersten Phase abgegebenen Preise sind jedoch ausdrücklich nicht ausschlaggebend für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes, dem der Zuschlag erteilt werden soll, was sich ausdrücklich auch aus Ziff. 11.2 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes ergibt. Erst aufgrund der den Bietern in der zweiten Phase der Auktion eingeräumten Möglichkeit der Nachbesserung des Angebotes nach unten wird letztlich das wirtschaftlichste Angebot gemäß § 19 Abs. 9 VOL/A EG für den Zuschlag nach § 21 VOL/A EG ermittelt. Dies entspricht dem Wesen der elektronischen Auktion als iteratives Verfahren, bei dem Mittels einer elektronischen Vorrichtung nach einer ersten vollständigen Bewertung der Angebote jeweils neue, nach unten korrigierte Preise und/oder neue, auf bestimmte Komponenten der Angebote abstellende Werte vorgelegt werden (Art. 1 Abs. 7 Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG). Da die elektronische Auktion darauf zielt, auf Basis eines zunächst abgegebenen Höchstgebotes letztlich niedrigere Angebote zu erzielen ("reverse Auktion" = umgekehrte Auktion) (vgl. Kulartz in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 101, Rdnr. 63), ist es auch naheliegend, dass die Bieter in der ersten Phase der Auktion nicht gleich ihre kalkulatorischen Möglichkeiten völlig ausschöpfen, sondern zunächst höhere Preise fordern, die dann im Rahmen der zweiten Phase der Auktion, dem eigentlichen Preiswettbewerb, deutlich nach unten nachgebessert werden. Auch bei einer normalen Auktion, etwa einer Versteigerung, beteiligen sich die Bieter zur Eröffnung regelmäßig nicht mit dem ihnen höchst möglichen Gebot, dass ihnen kaufmännisch vertretbar erscheint, sondern beginnen mit einem möglichst niedrigen Gebot.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstoß gegenüber der Antragsgegnerin zu rügen. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB ist ein Antrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Dass eine elektronische Auktion durchgeführt werden soll, konnten die Bieter aus der europaweiten Bekanntmachung vom xxxxxx.2011 entnehmen. Mit Schreiben vom 22.03.2011 hat die Antragstellerin gegenüber der Auftraggeberin die beabsichtigte Durchführung der elektronischen Auktion und damit den von ihr geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gerügt. Als Schlusstermin für den Eingang der ersten Angebote bzw. Teilnahmeanträge hat die Auftraggeberin in der Bekanntmachung vom xxxxxx.2011 unter IV.3.4 den xxxxxx.2011 - 13.00 Uhr - festgelegt. Die Rüge erfolgte somit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, das vorliegende offene Vergabeverfahren zur Lieferung von elektrischer Energie für die in ihrer Verwaltung stehenden Liegenschaften nicht allein nach Maßgabe des§ 101 Abs. 2 GWB und § 3 VOL/A EG durchzuführen, sondern das wirtschaftlichste Angebot im Rahmen dieses Verfahrens durch eine elektronische Auktion gemäß § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB i.V.m. Art. 1 Abs. 7 und Art. 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG vom 30.04.2004 zu ermitteln, nicht in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt.
Gemäß Art. 54 Abs. 1 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG vom 31.03.2004 (ABl. EG L 134 vom 30.04.2004, S. 114 ff.) können die Mitgliedstaaten festlegen, dass die öffentlichen Auftraggeber elektronische Auktionen durchführen dürfen. Dabei ist nach der VKR die elektronische Auktion mit sämtlichen Verfahrensarten des gewerblichen Dialogs kombinierbar. In Art. 54 Abs. 2 VKR heißt es:
"Bei der Verwendung des offenen und nicht offenen Verfahrens sowie des Verhandlungsverfahrens können die öffentlichen Aufraggeber im Falle des Art. 30 Abs. 1 Buchstabe a beschließen, dass der Vergabe eines öffentlichen Auftrags eine elektronische Auktion vorausgeht, sofern die Spezifikationen des Auftrags hinreichend präzise beschrieben werden können."
Eine ausführliche Definition der elektronischen Auktion enthält Art. 1 Abs. 7 der VKR. Dort heißt es:
"Eine elektronische Auktion ist ein iteratives Verfahren, bei dem mittels einer elektronischen Vorrichtung nach einer ersten vollständigen Bewertung der Angebote jeweils neue, nach unten korrigierte Preise und/oder neue, auf bestimmte Komponenten der Angebote abstellende Werte vorgelegt werden, und das eine automatische Klassifizierung dieser Angebote ermöglicht. Folglich dürfen bestimmte Bau- und Dienstleistungsaufträge, bei denen eine geistige Leistung zu erbringen ist - wie z.B. die Konzeption von Bauarbeiten - nicht Gegenstand von elektronischen Auktionen sein."
Zu der Rechtsfrage, ob der Bundesgesetzgeber von der in Art. 54 Abs. 1 VKR den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit, elektronische Auktionen zuzulassen, rechtswirksam Gebrauch gemacht hat, liegen bislang weder Entscheidungen der Vergabesenate noch Beschlüsse der Vergabekammern vor (eine Entscheidung der VK Nordbayern vom 09.09.2008 - 21.VK-3194-42/08, zitiert nach ibr-online, betraf noch die Rechtslage vor Inkrafttreten der GWB-Novellierung 2009). Im Zuge der Modernisierung des Vergaberechts 2009 hat der Bundesgesetzgeber die elektronische Auktion in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB und damit in den Katalog der Arten der Vergabe gemäߧ 101 GWB aufgenommen. Dort heißt es:
"Eine elektronische Auktion dient der elektronischen Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes."
Weitere Ausführungen, insbesondere etwa einen Regelungsvorbehalt zugunsten des Verordnungsgebers für eine detaillierte Umsetzung der genauen Vorgaben des Art. 54 VKR zu den Voraussetzungen und dem Ablauf der elektronischen Auktion, enthält das GWB nicht.
Für die Rechtsauffassung der Antragstellerin, die davon ausgeht, dass die elektronische Auktion in das deutsche Vergaberecht noch nicht wirksam eingeführt worden ist, sprechen zunächst zwei Tatsachen. Zum einen wird die elektronische Auktion nunmehr zwar im Katalog der Arten der Vergabe gemäß § 101 GWB genannt. Andererseits sind die Ausführungen in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB dermaßen knapp, dass sie ohne Rückgriff auf Art. 1 Abs. 7 und Art. 54 VKR nicht einmal als erschöpfende Definition gewertet werden können. Für die Auffassung der Antragstellerin spricht vor allem aber, dass die öffentlichen Auftraggeber gemäß § 4 Abs. 1 VgV bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen die Bestimmungen des 2. Abschnittes des Teiles A der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 2009 (BAnz. Nr. 196a vom 29. Dezember 2009) in der aktuellen Fassung anzuwenden haben, wenn in den §§ 5 und 6 VgV nichts anderes bestimmt ist. Die VgV wiederum wurde in Umsetzung der Ermächtigungsgrundlagen der §§ 97 Abs. 6 und 127 GWB erlassen, die allerdings selbst keine Regelungen zu den Arten der Vergabe im Sinne des§ 101 GWB treffen. § 4 Abs. 1 VgV schreibt jedoch vor, dass Liefer- und Dienstleistungsaufträge auf der Grundlage und damit nunmehr der VOL/A-EG vergeben werden. Die Bundesregierung als Verordnungsgeber wiederum hat bei der Neufassung der VOL/A bewusst auf eine Regelung der elektronischen Auktion verzichtet. In der Bekanntmachung derVOL/A, Ausgabe 2009, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 20.11.2009 heißt es dazu:
"In Ergänzung zur Definition des § 101 Abs. 6 Satz 2 GWB wurde das "dynamische elektronische Verfahren" in der VOL/A umgesetzt und ist damit künftig zulässig. Auf eine Umsetzung der "elektronischen Auktion" nach § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB hat der DVAL aus mittelstandspolitischen Gründen verzichtet."
Es ist daher unstreitig, dass der zuständige deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Lieferungen und Dienstleistungen (DVAL) und der Verordnungsgeber offenbar die Zulassung der elektronischen Auktion im Gegensatz zu der in § 101 Abs. 6 Satz 2 GWB erwähnten und ebenfalls in der Vergabekoordinierungsrichtlinie geregelten "dynamischen elektronischen Verfahren" nicht wollte. Dementsprechend gehen die aktuellen Kommentierungen zur VOL/A teilweise davon aus, dass die elektronische Auktion im deutschen Vergaberecht nicht zu gelassen wurde (vgl. Reichling in: Müller-Wrede, VOL/A, § 15 VOL/A-EG, Rdnr. 58; Waldmann, Zwischenbilanz: Stand der Reform des Vergaberechts am Ende der 16. Wahlperiode, VergabeR, Sonderheft 2a/2010, S. 298 ff., 301). Nach einer anderen in den Kommentierungen zur VOL/A vertretenen Auffassung können die öffentlichen Auftraggeber aber trotz fehlender Ausführungsregelungen in der VOL/A von der elektronischen Auktion Gebrauch machen, weil diese Verfahrensvariante nach § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB in Deutschland zugelassen wurde. Solange die VOL/A noch keine Verfahrensregeln für diese Beschaffungsvariante enthält, sei auf die Spezifikationen in Art. 54 VKR zurückzugreifen (vgl. Rechten in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 15 EG, Rdnr. 53).
Diese Kommentarmeinung zur VOL/A wie auch - soweit ersichtlich mit einer Ausnahme (Hattig/Maibaum, Kartellvergaberecht, § 101 GWB. Rdnr. 77 ff.) - die Kommentierungen zu § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB stützen die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dass der Bundesgesetzgeber von der in Art. 54 Abs. 1 VKR eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und die elektronische Auktion im deutschen Vergaberecht rechtswirksam zugelassen hat und hinsichtlich der Voraussetzungen und der Durchführung auf die detaillierten Regelungen des Art. 54 VKR zurückgegriffen werden muss (vgl. Knauff in: Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht, § 101, Rdnr. 46 ff.; Otting in: Bechtold, GWB, § 101 GWB, Rdnr. 16; Kulartz in: Kulartz/Kus/Portz,GWB-Vergaberecht, § 101 GWB, Rdnr. 61; Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, § 101 GWB, Rdnr. 42 ff.; Weyand, ibr-online, Vergaberecht 2009, Rdnr. 2115 ff.; Haak/Preißinger, 3. Los, § 101 GWB, Rdnr. 22 ff.). Dabei gehen sämtliche Kommentierungen davon aus, dass die elektronische Auktion keine eigenständige Vergabeart ist, sondern es sich lediglich um Durchführungsmodifikationen anderer Verfahrensarten, nämlich offenen und nicht offenen Verfahren sowie des Verhandlungsverfahrens, handelt, was nach Auffassung der Vergabekammer bereits durch die Regelung des Art. 54 Abs. 2 VKR bestätigt wird, nach der eine elektronische Auktion der Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Rahmen eines offenen und nicht offenen Verfahrens sowie eines Verhandlungsverfahrens vorausgehen kann.
Die in Art. 54 VKR geregelten Modifikationen durch die elektronische Auktion sind jedoch insbesondere im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens tiefgreifend und weichen vor allen Dingen hinsichtlich der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes in einem entscheidenden Punkt von den Vorgaben der VOL/A EG für ein "normales" offenes oder nicht offenes Verfahren ab. Während die Regelungen der §§ 16, 17 und 19 VOL/A EG davon ausgehen, dass die Bieter jeweils ein einziges verbindliches Hauptangebot abgeben und der Angebotsinhalt und damit auch der Angebotspreis gemäß § 18 VOL/A EG ausdrücklich nicht verhandelt werden darf, ist es für die elektronische Auktion als iteratives Verfahren gerade kennzeichnend, dass auf der zweiten Stufe mittels einer elektronischen Vorrichtung nach einer ersten vollständigen Bewertung der Angebote jeweils neue, nach unten korrigierte Preise und/oder neue, auf bestimmte Komponenten der Angebote abstellende Werte vorgelegt werden. Auf Basis eines Höchstgebotes zielt die elektronische Auktion auf niedrigere Angebote ab ("reverse Auktion" - vgl. Haak/Preißinger, a.a.O., § 101 GWB, Rdnr. 22 ff.; Kulartz in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 101, Rdnr. 63, m.w.N.). Die Zulassung der elektronischen Auktion hat daher im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2009 erhebliche Kritik durch den Bundesrat erfahren (vgl. BT-Drs. 16/10117, S. 30 ff.). Dort heißt es:
"Inhaltlich bestehen gegen die Zulassung der in der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG nur fakultativ eingeführten elektronischen Auktion ... wegen ihres den Mittelstand beeinträchtigenden Effekts und der Erschwerung einer wirtschaftlichen Vergabe zugunsten eines ggf. ruinösen Preiswettbewerbs nach unten erhebliche Bedenken. Ein solcher Preiswettbewerb geht zulasten der Qualität und längerfristig zulasten der Anbieterstruktur. Diese Regelung widerspricht insbesondere auch der Begründung zu § 97 Abs. 3 GWB-E, in der erwähnt wird, dass mittelständische Interessen durch die Zunahme elektronischer Beschaffungssysteme beeinträchtigt werden können. Deshalb sollte es hier beim Prinzip der Beschränkung auf eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie bleiben."
Diese Bedenken des Bundesrates haben den Gesetzgeber im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens jedoch nicht dazu veranlasst, von der im Gesetzentwurf vorgesehenen Aufnahme des elektronischen Verfahrens in den Katalog der Vergabearten des § 101 GWB abzusehen und § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB wie im Entwurf vorgesehen auch zu verabschieden und in Kraft zu setzen. In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates hatte die Bundesregierung noch angekündigt:
"Die Bundesregierung wird im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens prüfen, ob die Aufnahme der Definition der elektronischen Auktion und des dynamischen elektronischen Verfahrens erforderlich ist." (BT-Drs. 16/10117, S. 41).
Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die elektronische Auktion in der Folge im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zumindest nach dem dokumentierten Beratungsgang kein weiteres Mal erwähnt, sondern wie im Entwurf vorgesehen verabschiedet wurde. Der Gesetzgeber hat sich auch nicht veranlasst gesehen, einen Regelungsvorbehalt zugunsten des Verordnungsgebers und damit mittelbar auch des DVAL im GWB aufzunehmen.
Von einer fehlenden oder jedenfalls unvollständigen Umsetzung der durch Art. 54 Abs. 1 VKR eingeräumten Option der Zulassung der elektronischen Auktion im deutschen Vergaberecht könnte daher nur dann ausgegangen werden, wenn die Regelung nicht hinreichend bestimmt ist und es letztlich an den erforderlichen Regelungen zu den Voraussetzungen und der Durchführung einer elektronischen Auktion fehlen würde. Das ist jedoch gerade nicht der Fall, weil Art. 54 VKR in seinen Abs. 2 - 8 detailliert in jeder Hinsicht vorschreibt, unter welchen Voraussetzungen eine elektronische Auktion zulässig ist (Art. 54 Abs. 2 VKR) und welche Vorgaben die öffentlichen Auftraggeber von der Bekanntmachung bis zum Zuschlag einzuhalten haben (Art. 54 Abs. 3 - 8 VKR).
Da der 4. Teil des GWB und damit das gesamte deutsche Vergaberecht oberhalb der EU-Schwellenwerte letztlich in erster Linie der Umsetzung der vergaberechtlichen Richtlinien der EG dient, bedarf es deshalb für eine Zulassung der elektronischen Auktion nicht zwingend einer Umsetzung in den Vergabe- und Vertragsordnungen. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr eine Regelung in dem an der Spitze des kaskadenförmig geregelten deutschen Vergaberechts stehenden GWB.
Die Antragstellerin kann daher dagegen auch nicht einwenden, dass auf Grund des Kaskadenprinzips im deutschen Vergaberecht gesetzliche Regelung nicht aus sich selbst heraus vollziehbar wären, sondern stets darauf angewiesen seien, auf Grund der Verordnungsermächtigung in § 97 Abs. 6 GWB durch eine Verordnung (hier durch die VgV und letztlich durch die Vergabe- und Vertragsordnungen) umgesetzt werden müssen. Bei der Ermächtigungsgrundlage des § 97 Abs. 6 GWB handelt es sich ausdrücklich um eine Kann-Ermächtigung und nicht um eine Verpflichtung der Bundesregierung als Verordnungsgeber (vgl. Brenner in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Auflage, Art. 80 Abs. 1, Rdnr. 65). Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass Kann-Ermächtigungen ohne Verpflichtung zum Verordnungserlass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht über die praktische Anwendbarkeit eines Gesetzes entscheiden dürfen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 08.06.1988 - 2. BvL 9/85 (BVerfGE 78, Seite 249 ff., 272) entschieden. Dort heißt es:
"Wird dagegen die Anwendbarkeit des Gesetzes erst durch den Erlass der Verordnung ermöglicht, so ist es dem Gesetzgeber nicht gestattet, das Gebrauchmachen von der Ermächtigung allein der politischen Entscheidung des Verordnungsgebers anheim zu geben. In diesem Fall ist der Zweck der erteilten Ermächtigung lediglich hinsichtlich der Modalitäten einer möglichen Regelung, nicht jedoch auch hinsichtlich des "ob überhaupt" hinreichend bestimmt."
Es ist daher davon auszugehen, dass die Bundesregierung als Verordnungsgeber auf der Grundlage des § 97 Abs. 6 GWB nähere Bestimmungen über das bei der Vergabe einzuhaltende Verfahren durch Rechtsverordnung treffen kann, dass das GWB aber auch selbst unmittelbar wirksame, nicht von einem Verordnungserlass abhängige Regelungen enthalten kann. Ungeachtet der äußerst knappen Regelung des § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB kann diese Regelung jedenfalls auch nicht dahin gehend interpretiert werden, dass es sich hierbei lediglich um eine Verordnungsermächtigung handeln sollte. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die elektronische Auktion im Katalog der Arten der Vergabe nach § 101 GWB lediglich der Vollständigkeit halber und ohne daran Rechtsfolgen zu knüpfen, aufgenommen hat. Eine derartige bloße Erwähnung wäre auf gesetzlicher Ebene überflüssig.
Vielmehr ist mit der herrschenden Lehre davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die elektronische Auktion in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB nicht nur erwähnt oder definiert, sondern im deutschen Vergaberecht eingeführt und damit von der den Mitgliedstaaten europarechtlich durch Art. 54 Abs. 1 GWB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Einer detaillierten Umsetzung in derVOL/A-EG bedurfte es dazu nicht, zumal eine Regelung in der VOL/A EG nur die ohnehin detaillierten Vorgaben des Art. 54 VKR für die Voraussetzungen und die Durchführung der elektronischen Auktion hätte wiederholen können. Zumindest hätte die VOL und damit auch der Verordnungsgeber sämtliche Vorgaben umsetzen müssen und hätte nicht dahinter zurückbleiben dürfen.
§ 101 Abs. 6 Satz 1 GWB ist daher europarechtskonform dahin gehend auszulegen, dass der Gesetzgeber den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit einräumen wollte, das wirtschaftlichste Angebot im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens sowie eines Verhandlungsverfahrens im Wege einer elektronischen Auktion zu ermitteln, sofern die Spezifikationen des Auftrages hinreichend präzise beschrieben werden können. Wenn sich der Auftraggeber für die Durchführung einer elektronischen Auktion entscheidet, so ist er dabei dann allerdings an sämtliche Vorgaben des Art. 54 VKR gebunden. Art. 54 VKG modifiziert dann die Vorgaben der VOL/A EG. Der Verordnungsgeber und der DVAL können diese Umsetzung nicht dadurch außer Kraft setzen, dass sie selbst in der VOL/A EG keine Regelungen zur elektronischen Auktion treffen.
Sobald und soweit der Gesetzgeber die wettbewerbs- und mittelstandspolitischen Bedenken teilt, die der Bundesrat seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vorgebracht hat (vgl. Anlage 3 zur BT-Drucksache 16/10117, Seite 28 ff., 30 Nr. 8) und die auch den Verordnungsgeber dazu veranlasst haben, im Rahmen der VOL/A 2009 keine Regelungen zur elektronischen Auktion zu treffen, (vgl. Begleitverfügung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 20.11.2009), so kann er jederzeit die Zulassung der elektronischen Auktion durch Streichung des § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB rückgängig machen, da Art. 54 Abs. 1 VKR den Mitgliedstaaten ausdrücklich nicht vorschreibt, sondern ihnen die Möglichkeit eröffnet, den öffentlichen Auftraggebern die Durchführung elektronischer Auktionen zu gestatten. Solange der Gesetzgeber aber die Regelung des § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB aufrecht erhält, können öffentliche Auftraggeber von der Möglichkeit der elektronischen Auktion auf der Grundlage des Art. 54 VKR Gebrauch machen.
Verstöße gegen die detaillierten Vorgaben des Art. 54 der VKR für die Voraussetzungen und die Durchführung einer elektronischen Auktion hat die Antragstellerin vorliegend nicht geltend gemacht. Sie sind auf der vorliegenden europaweiten Bekanntmachung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe und der Dokumentationen in der Vergabeakte zum derzeitigen Stand des Verfahrens auch nicht ersichtlich.
Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx EUR (brutto). Dieser Wert entspricht dem in der Vergabeakte dokumentierten, geschätzten Auftragswert für den zweijährigen Vertragszeitraum.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten für Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragsgegnerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Antragsgegnerin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i.V.m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, zitiert nach ibr-online; Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Grundsätzlich trifft es auch immer noch zu, dass die Nachprüfungsverfahren unter einem enormen Beschleunigungs- und Zeitdruck stehen und das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus dem nationalen Recht und dem Europarecht darstellt, welche nicht immer im Gleichklang stehen. Auf der anderen Seite wird die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig eher nicht notwendig sein, wenn sich die darin aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung darüber erschöpfen, ob die Vergabestelle das von ihr im Rahmen des streitbefangenen Vergabeverfahrens ohnehin zu beachtende "materielle" Vergaberecht zutreffend angewandt hat, d.h. im Wesentlichen die Bestimmungen der Verdingungsordnung eingehalten sind. Denn dann ist - zumindest bei größeren Auftraggebern, die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen, der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren Ergebnisse zu rechtfertigen eine Vergabestelle grundsätzlich auch ohne anwaltlichen Beistand in der Lage sein muss (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 0001/10, zitiert nach [...], Tz 15 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juni 2010 - 15 Verg 4/10, zitiert nach [...], Tz 54; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2008 - Verg 6/08, zitiert nach [...], Tz 13).
Nach dieser Maßgabe war es für die Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Denn der Nachprüfungsantrag betraf nicht etwa Probleme des gewöhnlichen materiellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, das eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltlichen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertreten muss. Gegenstand war vorliegend die die bislang weder von den Vergabesenaten noch von den Vergabekammern (eine Entscheidung der VK Nordbayern vom 09.09.2008 - 21.VK-3194-42/08, zitiert nach ibr-online, betraf noch die Rechtslage vor Inkrafttreten der GWB-Novellierung 2009) entschiedene verfahrensrechtliche Frage, ob öffentliche Auftraggeber nach der Novellierung des GWB 2009 auf der Grundlage des § 101 Abs. 6 Satz 2 GWB i.V.m. Art. 54 VKR berechtigt sind, elektronische Auktionen durchzuführen.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx.
IV.
Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden.
...
Frau Rohn kann wegen dienstlich bedingter Abwesenheit nicht selbst unterschreiben - Gause
Sameluck