Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 25.02.2011, Az.: VgK-65/2010
Die unbestimmte Formulierung von erweiterten Versicherungsleistungen ist eine Pflichtverletzung i.S.d. § 8 Abs. 1 Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) Teil A Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen Ausgabe 2009 (VOL/A-EG); Der Hinweis des Auftraggeber im Amtsblatt der EU ist Voraussetzung für die Präklusionswirkung der Bekanntgabe der Nichtabhilfe gem. § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB; Die Vergabestelle kann bei der Auswahl der Wertungskriterien und ihrer Gewichtung ein weites Ermessen in Anspruch nehmen; Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht regelmäßig nicht das allein entscheidende Kriterium
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 25.02.2011
- Aktenzeichen
- VgK-65/2010
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 16017
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs.1 VOL/A-EG
- § 9 Abs. 1 S. 2 lit. b) VOL/A-EG
- § 19 Abs. 9 VOL/A-EG
- § 24 VOL/A-EG
- § 97 Abs. 5 GWB
- § 98 Nr. 1 GWB
- § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB
Verfahrensgegenstand
VOL/A-EG Vergabe von Schadenversicherungen
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gaus,
die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Hintz,
auf die mündliche Verhandlung vom 25.02.2011
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zu versetzen, und alle Interessenten, die ursprünglich Angebotsunterlagen angefordert haben, erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern. Dieser Aufforderung sind Vergabeunterlagen beizufügen, die unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer geändert wurden. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen und fortlaufend in einer den Anforderungen des § 24 VOL/A-EG genügenden Form in der Vergabeakte zu dokumentieren.
Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zu 1/4, die Auftraggeberin zu 3/4. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.
- 4.
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten zu einem Anteil von 3/4 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
- 5.
Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten in Höhe von 1/4 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Auftraggeberin notwendig
Begründung
I.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2010, veröffentlicht im Amtsblatt der EU am xxxxxx.2010, schrieb die Auftraggeberin Versicherungsdienstleistungen (Gebäude- und Inhaltsversicherung der Städtischen Liegenschaften) für die Zeit vom 01.04.2011 bis zum 31.12.2016 EU-weit im offenen Verfahren aus.
Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung in Lose nicht vorgesehen ist. Nebenangebote und Änderungsvorschläge waren nicht zugelassen.
Hinsichtlich der Teilnahmebedingungen waren zur Beurteilung der persönlichen Lage des Wirtschaftsteilnehmers und dessen Leistungsfähigkeit verschiedene Angaben und Formalitäten gefordert. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort waren folgende Zuschlagskriterien genannt:
- a.)
Prämienhöhe 70%
- b.)
erweiterte Versicherungsleistungen 30%
Die Auftraggeberin wies für den Fall, dass sie sich entscheiden sollte, die Eventualposition Elementar wahrzunehmen darauf hin, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot aufgrund folgender Kriterien erfolgt:
- a.)
Prämienhöhe (ohne Elementar) 60%
- b.)
Prämienhöhe Elementar 10%
- c.)
erweiterte Versicherungsleistungen 30%
In der Leistungsbeschreibung waren zusätzliche Hinweise zur Bewertung der einzelnen Zuschlagskriterien enthalten. Zur Ermittlung der preislichen Abstufung zwischen den Angeboten hatte die Auftraggeberin eine Formel veröffentlicht. Hinsichtlich des abgefragten erweiterten Versicherungsschutzes hatten die Bieter nur die Möglichkeit, bei den drei Positionen
Gewährung eines zinsgünstigen Feuerlöschdarlehns mit vorgegebenen Konditionen
Gewährung von Zuschüsse für Einbruchdiebstahlsicherungen und Brandschutzmaßnahmen in Saunen mit vorgegebenen Konditionen
und kostenlose Sicherungsberatung in bestimmten Bereichen
die ausgeschriebene Leistung wie gefordert oder nicht anzubieten. Nur für den Fall, dass die einzelne Leistung so wie gefordert angeboten wurde, konnte der Bieter für jede Position 50 Punkte (= 10% der Gesamtgewichtung) erzielen. Falls die alternativ abgefragte Prämie für Elementarversicherung zum Zuge kommen sollte, hatte die Auftraggeberin zur Ermittlung der preislichen Abstufung zwischen den Angeboten, eine Formel veröffentlicht.
Den Angebotsunterlagen war eine Objektliste Gebäude- und Inhaltsversicherung einschließlich Eventualposition Elementarschäden beigefügt. Für alle Objekte fehlte der derzeitige Inhaltswert Neuwert in Euro. Ferner enthielten die Unterlagen eine Schadensübersicht der Jahre 2005 bis 2010. Außerdem waren den Vergabeunterlagen die "Bewerbungs- und Vergabebedingungen des Auftraggebers" (Muster des Bundes/des Landes von 2004) beigefügt. Ferner waren die Sachversicherungsbedingungen für kommunale Objekte (des Nds. Städte- und Gemeindebundes) beigefügt.
Die Antragstellerin beteiligte sich über einen Versicherungsdienst am Vergabeverfahren. Nachdem der Versicherungsdienst - seit Stellung des Nachprüfungsantrages Vertreterin der Antragstellerin - die Angebotsunterlagen mit Schreiben vom 20.10.2010 angefordert hatte, bat dieser mit Schreiben vom 04.11.2010 um Klarstellung bzw. Korrektur einzelner Punkte. Mit Rügeerwiderung vom 10.11.2010 bzw. Bieterinformation 1 nahm die Auftraggeberin zu den Punkten Stellung bzw. half zum Teil ab. Soweit den von ihm hinterfragten Punkten zur Ausschreibung nicht abgeholfen wurde, rügte der Versicherungsdienst jetzt als Bevollmächtigte der Antragstellerin diese Punkte erneut mit Telefax vom 22.11.2010.
Ebenfalls am 22.11.2010, ca. acht Stunden später, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Dieser Nachprüfungsantrag ging bei der Vergabekammer per Telefax am gleichen Tage ein. Sie begründet ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in den o. g. Rügeschreiben.
Sie macht geltend, dass die Auftraggeberin gegen das Vergaberecht verstoße, da sie vorgesehen habe, an Bieter für bestimmte zusätzliche Leistungen ( erweiterte Versicherungsleistungen gemäß Ziffer 1.5.1 der Leistungsbeschreibung ) Punkte zu vergeben, wenn diese Leistungen angeboten würden. Aus ihrer Sicht zählen diese Leistungen nicht zu Versicherungsleistungen; es handele sich vielmehr um spezielle Serviceleistungen öffentlich-rechtlicher Versicherer. Speziell dieses Zuschlagskriterium führe zu nicht vergleichbaren Angeboten. Sie geht davon aus, dass die Auftraggeberin bisher nicht bewiesen hat, dass andere nicht öffentlich-rechtliche Versicherer diese Leistungen anbieten, da es keine typischen Versicherungsdienstleistungen seien.
Ferner beanstandet sie, dass die Auftraggeberin gemäßZiffer 2.2 der Leistungsbeschreibung einen Ansprechpartner vor Ort fordert. Zwar habe die Auftraggeberin durch ihre Rügeerwiderung bzw. Bieterinformation 1 ihre ursprüngliche Forderung nach einem namentlich benannten ortsansässigen Ansprechpartner zur Abwicklung von Versicherungsschäden abgeschwächt, jedoch auf die Organisation durch Benennung eines für die Schadensabwicklung vor Ort als Ansprechpartner fungierendes Versicherungsbüro, Zweigstelle, o. ä. bestanden. Die Forderung nach einem Ansprechpartner auf Seiten der Bieter führe zu einer faktischen Einengung des Wettbewerbs.
Ferner führt sie aus, dass aus ihrer Sicht die Zuschlagskriterien intransparent seien und zu keiner sachlichen Bewertung der anzubietenden Versicherungsleistungen führen können. Die Auftraggeberin habe die Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht sauber voneinander getrennt. Sie sieht hier ebenfalls eine Bevorzugung örtlicher bzw. regionaler Bieter.
Außerdem beanstandet die Antragstellerin die Forderung nach einer gesamtschuldnerischen Haftung von Arbeitsgemeinschaften. Sie führt dazu aus, dass unter Ziffer 7 u.a. vorgegeben war, dass Arbeitsgemeinschaften gesamtschuldnerisch haften. Diese Forderung sei rechtswidrig, da es gesamtschuldnerisch haftende Arbeitsgemeinschaften (respektive im Sprachgebrauch der Versicherungsbranche: Bieterkonsortien) nicht gebe, weil dies von den sog. Kapazitäten abhänge, die eine zu deckende Schadensobergrenze bilden, auf die nur jeder Versicherer einzeln haften könne. Soweit die Auftraggeberin jetzt behauptet, sie, die Antragstellerin bewerbe sich nicht als Bietergemeinschaft, weist diese darauf hin, dass sie sich noch in der Bieterfindungsphase befindet; es also nicht klar sei, ob sie sich mit anderen Versicherern für diese Teilnahme zu einer Bietergemeinschaft zusammenschließen wird.
Die Antragstellerin bemängelt ebenfalls, dass für die Inventarversicherungen keine Versicherungssummen angegeben sind. Sie führt aus, dass es ihr durch die fehlenden Angaben zu den Inhaltsversicherungen unmöglich sei, Versicherungsschutz für den Gebäudeinhalt anzubieten. Sie vertritt die Auffassung, dass die Angabe der Versicherungssummen vertragserhebliche Angaben darstellen. Insoweit läge keine eindeutige und vollständige Leistungsbeschreibung vor. Soweit die Auftraggeberin in ihrer Bieterinformation 1 erkläre, dass Inhaltswerte auf eigenes Risiko festzulegen seien und im Mittel 15% der Gebäudewerte betragen, sieht sie darin nach wie vor eine rechtswidrige Gestaltung der Ausschreibung. Die Auftraggeberin sei nicht befugt, Kernaufgaben der Leistungsbeschreibung auf die Bieter zu übertragen, d.h. diese habe den Bietern die verbindlichen Grundlagen für die Kalkulation der Inventarversicherung mitzuteilen.
Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht rügte der Bevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber der Auftraggeberin die mangelnde und zeitnahe Dokumentation in der Vergabeakte hinsichtlich Festlegung der Vertragslaufzeit, Begründung für die der Leistungszuschnitte, Schadensregulierung, Versicherungssummen, Festlegung der Teilnahmekriterien wie gesamtschuldnerische Haftung, usw.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
ein Vergabenachprüfungsverfahren einzuleiten und der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen,
- 2.
der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,
- 3.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Gebühren und Auslagen aufzuerlegen,
- 4.
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.
Die Auftraggeberin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
- 2.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Gebühren und Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen,
- 3.
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten seitens der Antragsgegnerin notwendig war.
Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.
Sie hält den Nachprüfungsantrag für zum Teil für unzulässig, im Übrigen aber für unbegründet. Zur Begründung der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages führt sie aus, dass für sie von besonderer Bedeutung sei, nur einen verantwortlichen Ansprechpartner für ihre Versicherungsangelegenheiten zu haben. Zwar müsse dieser nicht alle Angelegenheiten selbst bearbeiten, jedoch als alleiniger Ansprechpartner bei Vertrags- und Schadensregulierungsarbeiten zur Verfügung stehen. Sie weist darauf hin, dass der Ansprechpartner nicht vor Ort seinen Sitz haben müsse, jedoch innerhalb von 24 Stunden nach Abgabe der Schadensmeldung die Regulierung in die Wege leiten und dafür sorgen, dass der Schaden innerhalb von fünf Werktagen nach Meldung in Augenschein genommen wird.
Die Auftraggeberin erklärte in ihrer Erwiderung, dass sie eine Klarstellung aufgrund der Rüge vom 22.11.2010 beabsichtigte, jedoch durch die Stellung des Nachprüfungsantrages am selben Tage daran gehindert worden sei. Mit Bieterinformation Nr. 4 vom 21.02.2011 stellte die Auftraggeberin nochmals klar, wie sie die Ziffer 2.2 - Schadensregulierung - verstanden haben möchte.
Soweit die Antragstellerin die vermeintlich unzulässige gesamtschuldnerische Haftung bei Arbeitsgemeinschaften beanstande, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass die Antragstellerin erkennbar kein Konsortium bilde, so dass sie durch die die Vorgabe in den Bewerbungs- und Vergabebedingungen nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt werden könne.
Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er aber unbegründet.
Hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Erweiterte Versicherungsleistungen gemäß Ziffer 1.5.1der Leistungsbeschreibung vertritt die Auftraggeberin die Auffassung, dass sie im Einzelnen transparent dargestellt habe, welche Leistungen unter die erweiterten Versicherungsleistungen fallen. Die Bieter hätten die Chance, anzukreuzen, ob und welche erweiterten Versicherungsleistungen sie anbieten wollen.
Ihr stehe bei der Festlegung und Auswahl der Zuschlagskriterien ein weiter Ermessensspielraum zu, bei deren Wahl und Gewichtung grundsätzlich nur gewährleistet werden müsse, dass das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalte. Lediglich Kriterien, die nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind, dürfe sie nicht verwenden. Genau an diese Vorgabe habe sie sich bei ihrer Abfrage zu den erweiterten Versicherungsbedingungen gehalten. Diese drei Punkte würden mit der ausgeschriebenen Versicherungsleistung zusammenhängen, so dass sie einen Bezug zum Auftragsgegenstand haben, deren Festlegung und Auswahl von der Vergabekammer nur eingeschränkt überprüft werden könne. Im Übrigen ist nicht zwingend erforderlich, dass das wirtschaftlichste Angebot bei jedem einzelnen Kriterium auch stets die höchste Punktzahl erzielt, entscheidend ist allein die Gesamtpunktzahl. Für den Bieter muss wiederum erkennbar sein, unter welchen Voraussetzungen welche Punkte vergeben werden.
Falls die Rüge der vermeintlich unzulässigen Abverlangung einer gesamtschuldnerischen Haftung bei Arbeitsgemeinschaften gemäßZiffer 7 der Bewerbungs- und Vergabebedingungen nicht bereits unzulässig ist, sei die Rüge aber unbegründet. Die Auftraggeberin verweist dazu auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 29.03.2006 - Verg 77/05. Dort habe das OLG bereits festgestellt, dass diese Bedingung in den Vergabeunterlagen zulässig ist. Im Übrigen sei es ihr Recht als Auftraggeberin, zu bestimmen, unter welchen Umständen sie Bietergemeinschaften akzeptiert. Sie habe für sich entschieden, eine Bietergemeinschaft nur zu akzeptieren, wenn diese ihr gegenüber gesamtschuldnerisch haftet.
Soweit die Antragstellerin die fehlenden Angaben von Versicherungssummen für dieInhaltsversicherung moniere, konkretisiert die Auftraggeberin mit Bieterinformation Nr. 3 vom 25.01.2011 die Angaben wie folgt:
"Inhaltswerte sind vom Versicherer pauschal auf eigenes Risiko festzulegen. Die Inhaltswerte für kommunale Risiken betragen erfahrungsgemäß 15% der Gebäudewerte."
Ihrer Auffassung nach bewege sie sich mit ihrer klarstellenden Bieterinformation Nr. 3 in dem Rahmen, den die erkennende Vergabekammer in ihrem Beschluss vom 29.10.2010, Az.: VgK - 52/2010, aufgestellt hat. Da sie alle Gebäudewerte verbindlich mitgeteilt habe, seien auch die Ausgangsgrößen für die Kalkulation der Inhaltswerte bekannt gegeben worden.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 16.12.2010, 03.02.2011 und 11.03.2011 gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus letztendlich bis zum 21.03.2011 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25.02.2011 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und überwiegend begründet. Die Auftraggeberin hat ihre Verpflichtung aus§ 8 Abs.1 VOL/A-EG, die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben verletzt, indem sie die erweiterten Versicherungsleistungen teilweise inhaltlich unbestimmt formuliert hat. Ebenso hat die Auftraggeberin ihre Dokumentationspflicht gemäß § 24 VOL/A-EG verletzt.
Öffentliche Auftraggeber sind gemäß § 19 Abs. 9 VOL/A-EG verpflichtet, den Zuschlag ausschließlich aufgrund von Kriterien zu erteilen, die durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt sind. Sie müssen die Zuschlagskriterien eindeutig und erschöpfend beschreiben und quantifizierbar darstellen. Die Auftraggeberin hat erweiterte Versicherungsleistungen in die Wertung einbezogen, die nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind.
.
1.
Anzuwenden ist für das vorliegende Verfahren der Abschnitt 2 der VOL/A in der Fassung vom 20. November 2009, in Kraft getreten mit der novellierten Vergabeverordnung (VgV) am 11.06.2010 (BGBl. I Nr. 30 S. 724). Das Vergabeverfahren wurde mit europaweiter Bekanntmachung des Auftraggebers vom xxxxxx.2010 eingeleitet.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Versicherungsleistungen und damit um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB für die gemäß § 2 Nr. 2 VgV ein Schwellenwert von 193.000 EUR gilt. Der Gesamtwert des ausgeschriebenen Auftrags beträgt nach der Schätzung des Auftraggebers (Ziffer II.2.1 der Bekanntmachung) jährlich xxxxx EUR netto, also für die gemäß § 3 Abs.4 Nr. 2 VGV zur Berechnung des Schwellenwertes maßgebliche Vertragslaufzeit von vier Jahren xxxxxx EUR netto. Damit ist der maßgebliche Schwellenwert überschritten.
3.
Die Antragstellerin ist antragsbefugt gemäß §107 Abs. 2 GWB. Zwar hat sie bisher kein Angebot abgegeben; sie hat aber geltend gemacht, von der Unterbreitung eines zuschlagsfähigen Angebots gerade durch vergaberechtswidrige Vorgaben abgehalten worden zu sein. Ihr Interesse am Auftrag ergibt sich aus der entsprechenden Rüge und aus der Anbringung des Nachprüfungsantrags. Als potentielles Bieterunternehmen hat sie im vorliegenden Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag. Sie macht die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie folgende Rügen bzw. rechtliche Einwände erhebt:
- 1)
Die Leistungsbeschreibung enthalte rechtswidrigerweise erweiterte Versicherungsdienstleistungen, die nur von öffentlich-rechtlichen Versicherern angeboten würden. Da die Auftraggeberin diese Leistungen mit 30% gewichte, würde der Antragstellerin eine Teilnahme am Vergabeverfahren verwehrt. Die erweiterten Versicherungsleistungen seien vom Bieter zu bejahen oder zu verneinen.
- 2)
Bei der Schadensregulierung fordere die Auftraggeberin detaillierte Vorgaben zur zeitlichen Abfolge und Organisation der Schadensregulierung. Bieter aber, die ein vor Ort ansässiges Büro benennen, hätten die Pflicht zur Darstellung der Organisation damit erfüllt. Diese Gleichstellung eines örtlichen Büros mit einer aufwändigen Organisation sei vergaberechtswidrig.
- 3)
Die Bewerbungsbedingungen legten rechtswidrigerweise eine gesamtschuldnerische Haftung von Bietergemeinschaften fest. Bietergemeinschaften gebe es in der Versicherungswirtschaft nicht, bei Konsortien sei die gesamtschuldnerische Haftung nicht üblich. Daher sei diese Bedingung eine rechtwidrige Einschränkung des Wettbewerbs. Die Antragstellerin wolle als Konsortium ein Angebot abgeben.
- 4)
Mangels fehlender Versicherungssummen für die Inhaltsversicherung werde gegen den Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung verstoßen.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das den Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstanden oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat für die obigen Rügen zumindest schlüssig dargelegt, dass sie sich durch die geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße in ihren Chancen beeinträchtigt sieht, einzeln oder als Mitglied eines Konsortiums ein konkurrenzfähiges Angebot abzugeben und den Zuschlag zu erhalten. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten würde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg 1/99).
Die Antragstellerin hat ihre obigen Rügen rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB erhoben. Da die Antragstellerin sich vorliegend mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen Sachverhalte und Bedingungen der Ausschreibung wendet, die ihr aus der europaweiten Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 und der mit Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandten Vergabeunterlagen bekannt sind, müssen die Rügen vorliegend den Anforderungen der Regelungen des § 107 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 GWB genügen. Danach ist ein Antrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung oder erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Als Termin für die Angebotsabgabe hat die Auftraggeberin ursprünglich den 09.12.2010 festgelegt. Das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 4.11.2010 erfolgte daher rechtzeitig im Sinne des§ 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB. Da auch die Auftraggeberin nicht vorgetragen hat, dass die Antragstellerin deutlich vor dem 04.11.2010 Kenntnis von den Mängeln gehabt habe, kommt eine Präklusion auch nicht nach § 107 Abs.3 Nr. 1 GWB in Betracht.
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch nicht entgegen, dass die Rügen nicht unmittelbar durch die Antragstellerin, sondern durch den sie im streitbefangenen Vergabeverfahren und im vorliegenden Nachprüfungsverfahren vertretende Versicherungsvermittler, den xxxxxx, xxxxxx, erhoben wurden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 15.12.2005, 13 Verg 14/05 = VergabeR 2006, S. 244).
Der Nachprüfungsantrag ist vorliegend auch nicht wegen einer Verfristung gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB unzulässig. Danach ist ein Antrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Eine solche Nichtabhilfeentscheidung hat die Auftraggeberin am 10.11. 2010 getroffen. Voraussetzung für die Präklusionswirkung der Bekanntgabe der Nichtabhilfe gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB ist nach der Rechtsprechung allerdings, dass der Auftraggeber in der Bekanntmachung im Amtsblatt der EU auf diese Regelung hingewiesen hat (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010, Az.: 13 Verg 1/010). Diese Voraussetzung hat die Auftraggeberin vorliegend nicht erfüllt.
4.
Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend begründet.
Die Auftraggeberin hat in der Leistungsbeschreibung festgelegt, dass sie erweiterte Versicherungsleistungen in die Wertung einbeziehen wird, die nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind. Sie lassen sich daher nicht unter den über § 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b) VOL/A-EG anwendbaren Katalog des § 19 Abs. 9 VOL/A-EG subsumieren (im Folgenden a). Sie hat ihre Verpflichtung aus § 8 Abs.1 VOL/A-EG, die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben verletzt, indem sie die erweiterten Versicherungsleistungen nicht eindeutig und erschöpfend, sondern teilweise inhaltlich unbestimmt formuliert hat (im Folgenden b). Schließlich hat die Auftraggeberin ihre Dokumentationspflicht gemäß § 24 VOL/A-EG verletzt (im Folgenden c).
Dagegen hat die Auftraggeberin Rechte der Antragstellerin nicht verletzt, indem sie von ihr den organisatorischen Nachweis der zeitnahen Erreichbarkeit und Regulierung im Schadensfall verlangte, von Bietergemeinschaften den Nachweis der gesamtschuldnerischen Haftung fordert, und die Inhaltswerte der Gebäude nicht einzeln ermittelte sondern mittels eines pauschalen Anteils der Gebäudewerte festsetzt (im Folgenden d).
a)
Die Auftraggeberin hat ihre bieterschützende Verpflichtung aus den §§ 9, 19 Abs. 9 VOL/A-EG verletzt, bei der Entscheidung über den Zuschlag nur durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien zu berücksichtigen (Verfürth in Kulartz/Marx/Portz/Prieß VOL/A § 9 EG Rz. 9), indem sie die erweiterten Versicherungsleistungen in Ziffer 1.5.1 der Leistungsbeschreibung als Zuschlagskriterium festlegte.
Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin dem Zuschlagskriterium Preis ein Gewicht von 70% zugemessen, im Übrigen unter Ziffer 1.5.1. der Leistungsbeschreibung das Kriterium erweiterte Versicherungsleistungen eingeführt und mit 30% bewertet hat. Die Vergabestelle kann bei der Auswahl der Wertungskriterien und ihrer Gewichtung ein weites Ermessen in Anspruch nehmen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.10.2006 VII-Verg 37706, OLG Schleswig, Beschluss vom 02.07.2010 1 Verg 1/10)
Gemäß den §§ 97 Abs. 5 GWB, 21 Abs. 1 Satz 2 VOL/A EG ist der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend. Die Vergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Anbieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 53 und 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR)). Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls europarechtlich zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rdnr. 144). Es ist daher nicht nur zulässig, dass der Auftraggeber die Entscheidung über den Zuschlag nicht allein vom niedrigsten Versicherungsbeitrag und damit vom Preis abhängig machen will, sondern es entspricht in jeder Hinsicht den Vorgaben des § 97 Abs. 5 GWB und den §§ 19 Abs. 8, 9 und 21 VOL/A EG, dass der Auftraggeber neben dem Preiskriterium auch andere Kriterien im Rahmen der Feststellung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt.
Die erweiterten Versicherungsleistungen gemäß Ziffer 1.5.1 der Leistungsbeschreibung sind jedoch teilweise nicht im Sinne der§§ 9, 19 VOL/A-EG durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, sondern zum Teil sachfremd.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b) VOL/A-EG enthalten die Vergabeunterlagen die Bewerbungsbedingungen einschließlich der Angabe der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung. Nach § 19 Abs. 8 VOL/A-EG berücksichtigen die Auftraggeber entsprechend der bekannt gemachten Gewichtung vollständig und ausschließlich die Kriterien, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt sind. § 19 Abs.8 VOL/A-EG ist als Ausprägung des Transparenzgebots umfassend bieterschützend (Müller-Wrede VOL/A § 19 Rz. 253). § 19 Abs. 9 VOL/A EG zufolge berücksichtigt der Auftraggeber bei der Entscheidung über den Zuschlag verschiedene durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien, beispielsweise Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Lebenszykluskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist.
aa)
Durch den Auftragsgegenstand nicht gerechtfertigt im Sinne des § 19 Abs. 9 VOL/A-EG sind die geforderten "Feuerlöschdarlehen". Darlehen, für welchen Zweck sie auch bestimmt sein mögen, weisen keine Bezüge zu der zu vergebenden Versicherungsleistung auf. Sie sind als reines Bankgeschäft der Vergabe von Versicherungsdienstleistungen völlig wesensfremd. Sie lassen sich nicht unter § 19 Abs. 9 VOL/A-EG als Zuschlagskriterium subsumieren. Sie dürfen daher mit der Vergabe von Versicherungsdienstleistungen nicht verknüpft werden.
Diese erweiterte Versicherungsleistung "Feuerlöschdarlehen" ist überdies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, weil sie erkennbar nicht aufgrund eines realen Bedarfs der Auftraggeberin entwickelt worden ist. Der Auftraggeberin fehlt die sachliche Zuständigkeit für die beispielhaft aufgezählte Errichtung einer Feuerwehrtechnischen Zentrale gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 NBrandSchG. Diese liegt vielmehr beim Landkreis. Die Gemeinden greifen auf die Leistungen der Feuerwehrtechnischen Zentrale zurück und finanzieren diese Leistungen in aller Regel auf der Grundlage einer Satzung des Landkreises.
Da die Auftraggeberin nicht nur unter Ziffer 2.2 des Vergabevermerks zu den erweiterten Versicherungsleistungen vermerkt hat, "der bisherige Versicherer hat diese Leistungen angeboten" sondern sich die geforderten Feuerlöschdarlehen gemäß Ziffer 1.5.1 der Leistungsbeschreibung exakt im Internetauftritt der potentiellen Anbieterin xxxxxx finden, verweist die Kammer auf die aktuelle Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zu den Eignungskriterien (Beschluss vom 17.02.2010, Verg. 42/09 und Beschluss vom 30.12.2010, Verg. 24/10 zit. nach ibr). Danach darf die Beschreibung technischer Merkmale und damit auch die Wahl eines bestimmten technischen Verfahrens oder einer bestimmten Technologie grundsätzlich nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Produkte bevorzugt (begünstigt) oder ausgeschlossen werden, es sei denn, die gewählte Beschreibung ist durch die Art der zu vergebenden Leistung bzw. durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. Diese Vorschriften seien im Lichte des Bestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers auszulegen und anzuwenden. Eine Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand liege vor, wenn auftrags- und sachbezogene Gründe zu der bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugenden Leistungsbestimmung führen. Derartige Gründe könnten sich zum Beispiel aus der besonderen Aufgabenstellung, aus technischen oder gestalterischen Anforderungen oder auch aus der Nutzung der Sache ergeben. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen nur solche Anforderungen gemäß § 97 Abs. 4 S. 2 GWB berücksichtigungsfähig sein, die sich auf die Ausführung des konkreten Auftrags beziehen (BT-Drucksache 16/11428 v. 17.12.2008, S. 49).
Nach Auffassung der Vergabekammer muss dies auch für die Festlegung von Zuschlagskriterien gelten. Wenn diese - wie vorliegend - sich eindeutig an einem Angebot eines einzelnen Wettbewerbers - hier der xxxxxx - orientieren, verkürzen sie den Wettbewerb und verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB. Hinzu kommt, dass dieses Kriterium keinen Bezug zum Beschaffungsgegenstand hat und auch deshalb kein taugliches Zuschlagskriterium im Sinne des § 19 Abs. 9 VOL/A-EG ist.
bb)
Ebenso ist der geforderte Zuschuss von bis zu 5.000 EUR je Einzelmaßnahme für Einbruchsmelde- Brandmelde- und Löschanlagen sachlich nicht gerechtfertigt. Der inhaltliche Bezug zum Auftragsgegenstand ist wegen der senkenden Auswirkungen auf künftige Prämienberechnungen gegeben. Gleichwohl fehlt es an einer sachlichen Rechtfertigung für dieses Kriterium im Sinne des § 19 Abs. 9 VOL/A-EG. Eine solche im Nachprüfungsverfahren überprüfbare sachliche Rechtfertigung ist erforderlich, um etwaiger Willkür entgegenzuwirken (Müller-Wrede VOL/A-EG § 19 Rz. 254) Es ist hier nicht erkennbar, warum eine ausschließlich finanzielle Leistung neben den Preis als ein eigenes Wertungskriterium gemäß § 19 Abs. 9 VOL/A-EG treten soll. Der Vertreter der Antragstellerin hat im Verhandlungstermin überzeugend dargestellt, dass solche finanziellen Leistungen auf die Prämie aufgeschlagen werden, sofern man deren Umfang berechnen kann. Die Darstellung der Auftraggeberin, eine Prämiensenkung sei nicht das erstrangige Ziel der Vergabeentscheidung, weil man mit der Versicherung auch sinnvolle und gebäudebezogene Leistungen erhalten wolle, für die nicht ohne weitere Haushaltsmittel bereitgestellt würden, belegt die Ferne zum Auftragsgegenstand. Bei den Zuschüssen handelt es sich um finanzielle Leistungen des jeweiligen Auftragnehmers, die nicht als eigenständiges Zuschlagskriterium neben den Preis treten dürfen, sondern ohnehin im Preis kalkuliert werden können und müssen.
cc)
Keine Einwände bestehen dagegen gegen die Berücksichtigung kostenloser Sicherungsberatungen, auch soweit sie eine Umweltberatung mit einschließen. Bei den Sicherungsberatungen mit eingeschlossener Umweltberatung handelt es sich um einen Kundendienst gem.§ 19 Abs. 9 VOL/A-EG der auch die dort genannten Umwelteigenschaften mit einschließen darf. Der sachliche Bezug zu der zu vergebenden Versicherungsdienstleistung ist wegen der mittelbaren Auswirkungen einer Beratung zum Thema Brandschutz und Einbruchsabwehr auf die künftige Prämienhöhe gegeben.
b)
Die Auftraggeberin verstößt gegen das Leistungsbestimmungsgebot aus § 8 Abs.1 VOL/A-EG, indem sie in der Leistungsbeschreibung die erweiterten Versicherungsleistungen inhaltlich unbestimmt und damit nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben hat.
Gemäß § 8 Abs. 1 VOL/A-EG ist die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind (Leistungsbeschreibung). Die in§ 8 VOL/A-EG geregelten Anforderungen an die Gestaltung der Leistungsbeschreibung sind sowohl für das Vergabeverfahren als auch für die spätere Vertragsdurchführung mit dem erfolgreichen Bieter von fundamentaler Bedeutung. Die Leistungsbeschreibung bildet dabei das Kernstück der Vergabeunterlagen (vgl. Prieß, Die Leistungsbeschreibung - Kernstück des Vergabeverfahrens, NZBau 1/2004, S. 20 ff., und NZBau 2/2004, S. 87 ff. m.w.N.). Eindeutig ist eine Leistungsbeschreibung, die den Bieter nicht im Unklaren lässt, welche Leistung er in welcher Form und zu welchen Bedingungen anbieten soll. Erschöpfend ist sie, wenn möglichst keine Restbereiche verbleiben, die die Vergabestelle zuvor nicht bereits klar umrissen hat. Wenn die Vergabestelle diese allgemeinen Anforderungen bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung nicht beachtet, kann nicht von einer VOL-gemäßen Leistungsbeschreibung als Grundlage des Vergabeverfahrens gesprochen werden. Das Vergabeverfahren leidet in diesem Fall schon von Beginn an unter einem erheblichen Mangel (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 8, Rdnr. 25). Der Grundsatz, dass der Auftraggeber die Verdingungsunterlagen so eindeutig und erschöpfend zu gestalten haben, dass sie eine einwandfreie Preisermittlung ermöglichen bzw. die Bieter die Preise exakt ermitteln können, findet seine Grenze im Prinzip der Verhältnismäßigkeit (vgl. Prieß, NZBau 2/2004, S. 87 ff, S. 90). Die Pflicht des Auftraggebers, alle kalkulationsrelevanten Parameter zu ermitteln und zusammenzustellen und damit den genauen Leistungsgegenstand und -umfang vor Erstellung der Leistungsbeschreibung aufzuklären, unterliegt daher der Grenze des Mach- und Zumutbaren. Er ist daher einerseits verpflichtet, zumutbaren finanziellen Aufwand zu betreiben, um die kalkulationsrelevanten Grundlagen der Leistungsbeschreibung zu ermitteln (vgl. Kratzenberg in: Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Auflage A § 9, Rdnr. 21). Diese Pflicht des Auftraggeber endet jedoch, wo eine in allen Punkten eindeutige Leistungsbeschreibung nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand möglich wäre (vgl. Prieß, a.a.O., m.w.N.). Eine eindeutige Leistungsbeschreibung setzt voraus, dass Art und Umfang der geforderten Leistung mit allen dafür maßgebenden Bedingungen und etwa notwendige Regelungen zur Ermittlung des Leistungsumfangs zweifelsfrei erkennbar und keine Widersprüche in sich oder zu anderen vertraglichen Regelungen enthalten sind (vgl. Traupel in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 8 VOL/A EG, Rdnr. 26, m.w.N.).
Die Auftraggeberin fordert in ihren erweiterten Versicherungsleistungen:
zinsgünstige Feuerlöschdarlehen (max. 3% Nominalzins p.a.; Laufzeit 10 Jahre; halbjährliche Tilgungen in festen Raten, mindestens 100.000 EUR Darlehenssumme, Auszahlung 100%; keine Nebenkosten) zum Bau von bspw. Feuertechnischen Zentralen und Feuerwehrhäusern sowie anderen aufgeführten Beispielen.
Zuschüsse für Einbruchdiebstahlsicherungen und Brandschutzmaßnahmen in Saunen (genaue Beschreibung) in Höhe von mind. 50% der Anschaffungskosten Mit einer Maximierung des Zuschussbetrages auf 5.000,--EUR je Einzelmaßnahme erklärt sich der Versicherungsnehmer einverstanden.
Kostenlose Sicherungsberatungen durch erfahrene Sicherungstechniker in folgenden Bereichen vorbeugender Brandschutz, Einbruchdiebstahl-Schutz einschließlich Planung von Einbruchmeldeanlagen, Umweltberatung.
Die ausdrücklich im Plural aufgeführten Feuerlöschdarlehen haben einen fest vorgegebenen Zinssatz, eine feste Laufzeit und ein Mindestvolumen von 100.000 EUR sowie ein vorgegebenes Spektrum von Verwendungszwecken. Eine Zahl der zu vergebenden Feuerlöschdarlehen ist jedoch nicht genannt.
Die Zuschüsse für Einbruchdiebstahlsicherungen und Brandschutzmaßnahmen in Saunen sind im Einzelfall auf 50% der Anschaffungskosten, maximal jedoch 5.000 EUR je Einzelmaßnahme begrenzt. Die Anzahl der erwarteten Zuschussfälle und damit das in die Kalkulation einzustellende finanzielle Volumen sind jedoch nicht genant. Die Auftraggeberin war in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, die vorgesehene Anzahl der Maßnahmen verbindlich zu benennen.
Zu den Sicherungsberatungen werden zwar drei Themen vorgegeben, jedoch bleibt unklar, wie viele Sicherungsberatungen gefordert werden, und welche Qualifikation der Sicherungsberater über die Bezeichnung "erfahrene Sicherungstechniker" aufweisen sollen.
Da die erweiterten Versicherungsleistungen den Umfang der geforderten Leistungen nicht abschließend beschreiben, sondern inhaltlich unbestimmt bleiben, genügt dies nicht § 8 Abs. 1 VOL/A-EG. Danach ist die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und dass miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind. Eine Leistungsbeschreibung, die jedoch weder festlegt, in welcher Anzahl Darlehen über mindestens 100.000 EUR eingefordert werden, noch in welcher Anzahl die geforderten Zuschüsse für Einbruchdiebstahlsicherungen und anderes gefordert werden oder in welchem Umfang kostenlose Sicherungsberatungen gefordert werden, ist keine eindeutige und erschöpfende Form der Leistungsbeschreibung. Den Bietern kann daher vor Angebotsabgabe nicht hinreichend klar sein, wie sie ihre Angebote optimal kalkulieren, insbesondere wie viel Aufwand sie auf die Erringung der Erstplatzierung hinsichtlich des Wertungskriteriums erweiterte Versicherungsleistungen verwenden sollen. Es handelt sich dabei nicht um eine Leistungsbeschreibung, die es ermöglicht, dem wirtschaftlichsten Angebot im Sinne des §§ 97 Abs. 5 GWB, 9, 19 Abs. 8 und 21 VOL/A-EG den Zuschlag zu erteilen.
c)
Die Auftraggeberin hat gegen ihre Dokumentationspflichten gemäß § 24 Abs. 1 lit. h VOL/A-EG verstoßen, indem sie es versäumt hat, in der Vergabeakte die Gründe zu dokumentieren, aufgrund derer sie die erweiterten Versicherungsleistungen in der Leistungsbeschreibung mit insgesamt 30%, im Einzelnen jeweils 10% als Zuschlagskriterium gewichtet hat.
Gemäß § 24 Abs. 1 VOL/A-EG ist das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Die Dokumentation der einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens sowie der Maßnahmen und der Begründung der einzelnen Entscheidungen ist Ausfluss des in § 97 Abs. 1 GWB normierten sowie EU-rechtlich verankerten Transparenzgrundsatzes (vgl. Diehl in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 24 EG, Rdnr. 2, m.w.N.). Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB/A, § 30, Rdnr. 1, m.w.N.; Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 8, Rdnr. 33). Der Anwendungsbereich des § 24 VOL/A-EG erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf, als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellungen und Begründungen der einzelnen Entscheidungen. Eine derartige Dokumentation der obigen wesentlichen Entscheidungen zur Bewertung ist in der vorliegenden Vergabeakte nicht enthalten.
Gemäß Ziffer 1.5.1 der Leistungsbeschreibung sollten die erweiterten Versicherungsdienstleistungen zu 30% in die Wertung einfließen. Die Berechnungsmethoden hat die Auftraggeberin in der Anlage zu Ziffer 1.5.1 der Leistungsbeschreibung veröffentlicht.
Die Auftraggeberin hat aber nicht dokumentiert, warum sie die drei einzelnen Leistungen mit jeweils 10% als Zuschlagskriterium gewichten wollte. Angesichts der erheblich divergierenden Bedeutung der drei erweiterten Versicherungsleistungen wäre eine solche Dokumentation erforderlich gewesen.
So hat die Auftraggeberin zwar in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, das der Zinssatz der Feuerlöschdarlehen im Haus abgestimmt worden sei, das Ergebnis der Abstimmung, zum Beispiel eine Vorgabe der Kämmerei zur Höhe der kommunalen Kreditzinsen nicht in der Vergabeakte dokumentiert. Auch ist nicht ersichtlich, welche Vorhaben in den kommenden Jahren Kreditbedarf auslösen können. Die finanzielle Bedeutung der Kredite für die Auftraggeberin etwa in Form eines Zinsvorteils bleibt damit unklar.
Ebenso ergab sich kein schlüssiger Bezug zwischen den geforderten Zuschüssen von maximal 5.000,-- EUR im Einzelfall zu den finanziellen Parametern der Vergabe. Die in der mündlichen Verhandlung genannten zwei Zuschussprojekte und die Möglichkeit, bei Grundschulen später aktiv zu werden, weisen keine schlüssig dokumentierte Verbindung z.B. zum Prämienvolumen auf. Es ist daher für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar, warum die grundsätzliche Bereitschaft zu Zuschüssen im Bagatellbereich als Zuschlagskriterium mit einer Gewichtung von 10% zu werten sein soll.
Schließlich blieb in der mündlichen Verhandlung unklar, warum die kostenlosen Sicherungsberatungen, mit 10% gewichtet werden sollten. Die in der mündlichen Verhandlung dargestellte Wichtigkeit der Beratungskompetenz ist nicht dokumentiert, ebenso wenig wie eine etwaige Prüfung, ob man auf die kostenlosen Beratungsangebote von Feuerwehr, Kriminalpolizei und ggf. Verbraucherzentrale zu den genannten Sicherungsberatungen zurückgreifen wollte. Der Rückgriff auf das weite Leistungsbestimmungsrecht der Auftraggeberin entbindet sie nicht von der Verpflichtung, die Ausübung der Leistungsbestimmung zu dokumentieren.
d)
Im übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen unbegründet:
Hinsichtlich der Rüge, die Antragstellerin werde durch die Vorgabe Ziffer 2.2 der Leistungsbeschreibung zur Schadensregulierung benachteiligt, ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Auftraggeberin ist berechtigt, den Bietern Vorgaben hinsichtlich der Schadensmeldung, der Inanspruchnahme des Schadens und eine Erläuterung zum Verfahrensablauf zu fordern.
Zwar stellt Ziffer 2.2 der Leistungsbeschreibung in der Form der Bietermitteilung Nr. 4 vom 21.02.2011 an überregional organisierte Anbieter andere Anforderungen, als denjenigen Anbietern, die vor Ort ein Versicherungsbüro, eine Zweigstelle oder ähnliches vorhalten. Darin liegt jedoch keine Diskriminierung im Sinne des § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB. Die Auftraggeberin hat in der Bietermitteilung Nr. 4 folgende inhaltlich genaue Vorgaben zur Schadenregulierung erteilt:
"Die Schadensregulierung soll mindestens 24 Stunden nach Abgabe der Meldung in die Wege geleitet werden und der Schaden innerhalb von 5 Tagen nach Schadensmeldung in Augenschein genommen werden. Bieter müssen zu Vertragsbeginn einen namentlichen Ansprechpartner in Person benennen, die Organisation dieser Vorgaben mit dem Angebot schlüssig darlegen. Diese Organisation kann auch durch Benennung eines vor Ort als Ansprechpartner fungierenden Versicherungsbüros erfolgen."
Es ist ein legitimes Interesse des jeweiligen Auftraggebers, sich eine Anlaufstelle nennen zu lassen, hier entweder ein vor Ort vorhandenes Versicherungsbüro etc., oder aber bei einer überregionalen Organisation einen namentlich benannten Ansprechpartner. Der Einwand, dass namentliche Ansprechpartner durch Urlaub, Umorganisation, Wechsel des Arbeitsplatzes nicht dauerhaft präsent sein können, gilt gleichermaßen für das Vorhandensein eines Versicherungsbüros, welches regelmäßig an die Geschäftstätigkeit des bzw. der dort Beschäftigten gebunden ist. In diesem Sinne ist auch die Vorgabe der Auftraggeberin zu verstehen, dass Bieter die angemessene Organisation der Vorgaben mit dem Angebot schlüssig darzulegen hätten. Damit ist erkennbar gemeint, dass der Ansprechpartner X in der Abteilung Y der Regionalvertretung Z genannt werden soll, so dass die Auftraggeberin bei einer Umorganisation oder einem Arbeitsplatzwechsel die Zuständigkeit nachverfolgen kann. Dies ist nicht diskriminierend, sondern dient dem legitimen Interesse des Auftraggebers, frühzeitig und zuverlässig im Schadensfall einen Ansprechpartner des Auftragnehmers erreichen zu können.
Die Antragstellerin ist als überregionale Anbieterin durch die Vorgabe, dass das Versicherungsbüro "vor Ort" zu sein habe, nicht betroffen, daher in ihren Rechten verletzt. Es kann daher offen bleiben, ob die Bezeichnung "vor Ort" wirklich nicht hinreichend klar ist, oder ob sich diese Klausel nicht durch das Hoheitsgebiet der Auftraggeberin als Gebietskörperschaft hinreichend genau erklärt.
Soweit die Antragstellerin rügt, durch die geforderte gesamtschuldnerische Haftung einer etwaigen Bietergemeinschaft gemäß Ziffer 7 der Bewerbungsbedingungen benachteiligt zu sein, ist dieser Einwand unbegründet. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 29.03.2006, Verg 77/05) hat die Forderung nach einer gesamtschuldnerischen Haftung als angemessen angesehen. Es ist ein nachvollziehbares Anliegen des Auftraggebers, bei Bedarf jedes Mitglied der Bietergemeinschaft auf volle Leistung in Anspruch nehmen zu können. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellt dies keine Verengung des Wettbewerbs dar.
Die Antragstellerin hat im Übrigen nicht substantiiert dargelegt hat, warum es ihr nur als Bietergemeinschaft möglich sei, sich an der vorgesehen Vergabe zu beteiligen. Bietergemeinschaften sind ein geeignetes Mittel, um verteilt vorhandene Fachkenntnisse oder im Einzelnen Bieter nicht ausreichend vorhandene Leistungsvolumina zu bündeln und auf diesem Wege ein geeignetes Angebot abgeben zu können. Im Geschäftsfeld der Versicherungswirtschaft ist jedenfalls für den Bereich der allgemeinen Gebäudeversicherung ein solches Bedürfnis nicht ohne weiteres erkennbar. Es besteht daher die Möglichkeit, dass nicht der Ausschluss von Bietergemeinschaften, sondern die Zulassung von Bietergemeinschaften sich als wettbewerbsverengende Maßnahme darstellen kann.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Auftraggeberin auch nicht bezüglich der Inhaltswerte gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung verstoßen. Die Auftraggeberin hat gemäß Bietermitteilung Nr. 3 vorgegeben:
"Inhaltswerte sind vom Versicherer pauschal auf eigenes Risiko festzulegen. Die Inhaltswerte für kommunale Risiken betragen erfahrungsgemäß 15% der Gebäudewerte".
Mit dieser Festlegung hat die Auftraggeberin eine hinreichend konkrete Leistungsbeschreibung gemäß § 8 Abs. 1 VOL/A-EG abgegeben. Die vorgegebene Ermittlung der Inventarwerte nimmt Bezug auf eine vollständige und mit Gebäudewerten versehene Objektliste, die die Auftraggeberin den Bietern zur Verfügung gestellt hatte. Mit einer Bezugnahme auf einen konkreten prozentualen Wert der Gebäudewerte hat die Auftraggeberin der Antragstellerin eine hinreichend konkrete Kalkulationsgrundlage gegeben (vgl. Beschluss VgK Lüneburg vom 29.10.2010, Az.: VgK-52/2010). Soweit die Auftraggeberin darüber hinaus die Möglichkeit eingeräumt hat, Inhaltswerte auf eigenes Risiko zu ermitteln und zu kalkulieren, liegt in dieser Erweiterung der Kalkulationsmöglichkeiten keine Verletzung der Rechte der Antragstellerin.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.
Eine Zurückversetzung in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe ist geeignet, die Verletzung der Rechte der Antragstellerin durch die fehlerhaft erstellte Leistungsbeschreibung zu heilen. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe, um die gegenüber der Antragstellerin eingetretene Rechtsverletzung sicher zu beseitigen.
Darüber hinaus ermöglicht diese Maßnahme der Auftraggeberin, mit Hilfe einer neuen Aufforderung zur Abgabe eines Angebots auf der Basis einer geänderten Leistungsbeschreibung das Vergabeverfahren unter Beachtung der Dokumentationspflichten aus § 24 VOL/A-EG fortzusetzen.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schätzung der Auftraggeberin für die Laufzeit von 57 Monaten xxxxxx EUR netto. Für die Kostenentscheidung ist die unbestimmte Vertragsdauer gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV zu Grunde zu legen, da sich die feste Vertragslaufzeit um jeweils ein Jahr verlängert, wenn der Vertrag nicht gekündigt wird. Für eine Vertragslaufzeit von 48 Monaten beträgt der aus der Kostenschätzung der Auftraggeberin hochgerechnete Auftragswert xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR brutto ergibt sich die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Angesichts der Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren überwiegend unterlegen ist, hat sie Kosten zu 3/4, die Antragstellerin zu 1/4 zu tragen. Die anteilige Kostentragungspflicht entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Nachprüfungsverfahren (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.06.2003, Az.: 13 Verg 5/03).
Die Auftraggeberin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 905; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Auftraggeberin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten anteilig zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung zumindest auf Seite der Antragstellerin erforderlich (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10).
Da die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren überwiegend unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin anteilig zu tragen.
Ebenso hat die Antragstellerin der Auftraggeberin gemäß Ziffer 5 des Tenors die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten anteilig entsprechend der obigen Ausführungen zur Kostenverteilung zu erstatten. Die Erstattungspflicht folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war.
Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion in der auch für eine erfahrene öffentliche Auftraggeberin ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistands.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann.
Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff. OLG München Beschluss vom 11.06.2008 Verg 6/08 und 28.022011 Verg 23710; a. A. OLG Karlsruhe Beschluss vom 16.06.2010 15 Verg 4/10). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO. Auch das OLG Celle (Beschluss vom 09.02.2011, Az: 13 Verg 17/10) billigt dem öffentlichen Auftraggeber jedenfalls dann die Hinzuziehung rechtlichen Beistandes als notwendig zu, wenn der Auftraggeber wie hier nicht über eigenes ausreichend juristisch geschultes Personal verfügt.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den auf sie entfallenden Betrag von xxxxxxEUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx.
IV.
Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden.
...
Die Beschwerde ist gem. § 117 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde ist gem. § 117 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen.
Die Beschwerdebegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine
abweichende Entscheidung beantragt wird,
- 2.
die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.
Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer.
Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.
Schulte
Hintz