Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 16.09.2011, Az.: VgK-35/2011

Bestehen des Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 3 GWB bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts bei einer anhängigen gerichtlichen Beschwerde bzgl. des Vergabeverfahrens

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
16.09.2011
Aktenzeichen
VgK-35/2011
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 26884
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabeverfahren "Vergabe des Rettungsdienstes in der Stadt xxxxxx (xxxxxx)" - hier: Los 1

In dem Nachprüfungsverfahren ... hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ök. Brinkmann, auf die mündliche Verhandlung vom 30.08.2011 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt war, in ihrem Informationsschreiben vom 15.07.2011 gemäߧ 101a GWB den frühesten Zeitpunkt des Zuschlags bereits auf den 26.07.2011 festzulegen. Das streitgegenständliche Vergabeverfahren war zum Zeitpunkt des Informationsschreibens noch Gegenstand des beim OLG Celle unter dem Az.: 13 Verg 4/11 anhängigen Beschwerdeverfahrens und unterlag daher bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 3 GWB.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu 4/5 und die Antragsgegnerin zu 1/5 zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 1/5 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

  5. 5.

    Die Antragstellerin ist verpflichtet, der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 4/5 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war auch für die Antragsgegnerin notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2011, veröffentlicht am xxxxxx.2011, die Rettungsdienstleistungen für 6 Jahre europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die zu vergebende Leistung war in 2 Lose aufgeteilt. Verfahrensgegenstand ist vorliegend das Los 1. Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass sich die Bieter nur auf ein Los bewerben konnten. Bietergemeinschaften waren zugelassen. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort war unter Ziffer 12 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausgeführt, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt, wobei der Leistungspreis und das Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports mit jeweils 50% gewichtet werden soll. Die Auftraggeberin erläuterte in der Aufforderung, wie sich der Leistungspreis zusammensetzt und an Hand welcher Formel die Punktzahl dafür ermittelt wird. Hinsichtlich des anderen Zuschlagskriteriums, der Konzeptbewertung, legte die Auftraggeberin 8 Unterkriterien fest und teilte mit, dass sie diese mit jeweils 12,5% gewichten wollte. Ferner erläuterte diese Wertungskriterien. Die Auftraggeberin beauftragte die Niederlassung der xxxxxx in xxxxxx mit der Vorbereitung und Begleitung des Vergabeverfahrens. Aufgrund zahlreicher Bieteranfragen, u.a. auch von der Antragstellerin, versandte der mit dem Verfahren beauftragte Berater insgesamt 9 Bieterinformationen an die Bieter. In der Bieterinformation 4, Frage 3, führte die Auftraggeberin im Zusammenhang mit der Konzeptbewertung und dem Begriff "mangelhaft" u .a. aus:

2

Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgt oder je weiter ein Bieter hierüber hinaus geht oder innovative und taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter.

3

Der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung am 08.04.2011 ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin und die beiden Beigeladenen jeweils ein Angebot für das hier streitige Los 1 eingereicht hatten.

4

In einem gemeinsamen Vergabevermerk für beide Lose vom 29.04.2011 kam die Antragsgegnerin letztendlich zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin zwar den niedrigsten Preis angeboten, jedoch in der Gesamtwertung die Beigeladene zu 1 das wirtschaftlichste Angebot eingereicht hat.

5

Nach Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens stellte die Vergabekammer mit Beschluss vom 05.07.2011, Az.: VgK - 22/2011 fest, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Sie verpflichtete die Antragsgegnerin, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Bewertung der Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports zu wiederholen, Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Im Übrigen wurde der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

6

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus beantragt hat, festzustellen, dass

7

- bestimmte Personen der Niederlassung der xxxxxx in xxxxxx mit der Vorbereitung und Begleitung des Vergabeverfahrens betraut wurden, die aus Sicht der Antragstellerin gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV als voreingenommen gelten und

8

- die Beigeladene zu 1 nicht geeignet sei, die ausgeschriebenen Leistungen auszuführen,

9

hat die Antragstellerin gegen den Beschluss vom 05.07.2011 Beschwerde eingelegt. Diese war beim OLG Celle unter dem Az.: 13 Verg 4/11 anhängig und ist inzwischen mit Beschluss des Vergabesenats vom 08.09.2011 zurückgewiesen worden.

10

Mit Datum vom 13.07.2011 ergänzte die Antragsgegnerin den beanstandeten Vergabevermerk für das Los 1. Sie führte eine erneute Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes der Antragstellerin durch, obwohl es nur ca. 6,5% unter dem der Beigeladenen zu 1 lag. Die Antragsgegnerin stellte erneut fest, dass das Angebot der Antragstellerin nicht als Unterkostenangebot auszuschließen ist. Sie erwartet eine ordnungsgemäße Leistungserbringung über den Gesamtzeitraum durch die Antragstellerin zu dem angebotenen Preis. Anschließend wiederholte die Antragsgegnerin die Konzeptbewertung und dokumentierte, warum welcher Bieter bei den einzelnen Unterkriterien wie viele Punkte erlangte.

11

Sie kam letztendlich erneut zu dem Ergebnis, dass das Angebot der Beigeladenen zu 1 mit insgesamt xxxxxx erzielten Punkten das wirtschaftlichste ist. Die Antragstellerin lag mit insgesamt xxxxxx erzielten Punkten an zweiter Stelle vor der Beigeladenen zu 2, die insgesamt xxxxxx Punkte erhielt.

12

Nachdem der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin der beabsichtigten Vergabe zugestimmt hat, teilte diese mit Bieterinformation nach§ 101 a GWB vom 15.07.2011 der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 frühestens am 26.07.2011 erteilt werden soll. Sie fügte der Information auch einen Auszug ihres ergänzenden Vergabevermerks bei, der die Beurteilung der Konzeptbewertung der Antragstellerin enthielt.

13

Mit Schreiben vom 18.07.2011 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene zu 1. Ihr seien nicht die tatsächlichen Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes mitgeteilt worden. Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Informationsschreiben den 26.07.2011 als frühesten Zeitpunkt der Zuschlagserteilung genannt hat, habe sie dabei nicht berücksichtigt, dass sie gegen Teile der Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde eingelegt hat, die aufschiebende Wirkung entfaltet. Die Beigeladene zu 1 sei auch nicht geeignet, da sie außerhalb ihres Einsatzgebietes (xxxxxx) tätig werden würde. Deren Angebot sei mangels Eignung zwingend von der Wertung auszuschließen. Sie geht weiterhin davon aus, dass die Angebotswertung nicht willkürfrei erfolgte. Aus ihrer Sicht ist immer noch nicht nachvollziehbar, dass ihr Angebot bei der Konzeptbewertung lediglich xxxxxx Punkte erzielte. Sie sieht dabei einen Verstoß gegen den Grundsatz der Transparenz und der Gleichbehandlung. Außerdem rügt die Antragstellerin, dass die beauftragten Berater erneut bei der Bewertung der Angebote mitgewirkt haben.

14

Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19.07.2011 zu den Ausführungen der Antragstellerin Stellung genommen hat, beantragte diese mit Schreiben vom 21.07.2011, eingegangen in der Vergabekammer per Telefax am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die bereits in dem Rügeschreiben gegenüber der Antragsgegnerin monierte beabsichtigte Beauftragung der Beigeladenen zu 1.

15

Sowohl in ihrem Nachprüfungsantrag als auch nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht geht sie erneut davon aus, dass das Informationsschreiben nicht den Anforderungen des § 101 a Abs. 1 Satz 1GWB genügt. Aus ihrer Sicht ist das Informationsschreiben rechtswidrig, da die Begründung in vielen Punkten aus nichtssagenden Phrasen bei der Bewertung des Konzeptes besteht und nicht an anhand der in der Leistungsbeschreibung und der Bieterinformation Nr. 4 bekannt gegebenen Maßstäbe erfolgt. Soweit die Antragsgegnerin mitgeteilt habe, dass sie beabsichtigt den Zuschlag nicht vor dem 26.07.2011 zu erteilen, verstoße sie gegen den § 118 Abs. 3 GWB, da der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zum Nachprüfungsverfahren VgK - 22/2011 noch beim OLG anhängig sei, soweit dem Antragsbegehren nicht abgeholfen wurde.

16

Sie geht erneut davon aus, dass die Beigeladene zu 1 aufgrund ihres eigenen Gesellschaftsvertrages gehindert ist den Auftrag auszuführen und daher nicht die erforderliche Eignung besitzt. Ferner habe sie erst im Rahmen der Akteneinsicht aus dem Vergabevermerk ersehen können, dass die Beigeladene zu 1 sich nicht als Einzelbieter beworben hat, sondern offenbar in Bietergemeinschaft mit der xxxxxx. Entgegen den Aussagen im Vergabevermerk auf Seite 10 soll jedoch nicht die Bietergemeinschaft, sondern lt. Seite 21 des Vergabevermerks und des Informationsschreibens die Beigeladene zu 1 den Zuschlag erhalten.

17

Soweit die Antragsgegnerin jetzt ausführt, dass es sich um einen Schreibfehler handelt, belege dies jetzt, dass sie keine ordnungsgemäße und gewissenhafte Dokumentation durchgeführt hat.

18

Die Antragstellerin bemängelt auch inhaltlich die Dokumentation der Angebotsbewertung als intransparent und willkürlich, da die Antragsgegnerin nach eigenem Ermessen aufgezeigt habe, welche Punkte sie in der Konzeptbewertung positiv bzw. negativ berücksichtigt hat. Nicht ersichtlich sei jedoch, ob bei allen Bietern die gleichen Angaben positiv bzw. negativ bewertet wurden. Sie erläutert bei den einzelnen Kriterien, warum sie der Überzeugung ist, dass die Wertung jeweils willkürlich und nicht nachvollziehbar erfolgte. Aus ihrer Sicht liegen dabei auch Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Anhand der Beurteilung ihres Angebotes vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass die von der Antragsgegnerin durchgeführte Bewertung des Konzeptes irreführend ist. Die Vorgaben der erkennenden Vergabekammer aus dem Beschluss vom 05.07.2011 seien insoweit nicht berücksichtigt worden.

19

Ferner hat sie erneut beanstandet, dass die aus ihrer Sicht befangenen Berater weiterhin die Antragsgegnerin beraten, die Wertung vorbereitet haben und diese Wertung anschließend fehlerhaft erfolgte. Sie führt dazu aus, dass sich die enge Verknüpfung der Berater zu der Beigeladenen zu 1 daraus ergebe, dass die xxxxxx die Beigeladene zu 1 prüfe und anderweitig berate.

20

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 Abs. 1 GWB wird gegen die Vergabe des Auftrages "Vergabe des Rettungsdienstes in der Stadt xxxxxx (xxxxxx), hier: Los 1" eingeleitet;

  2. 2.

    der Antragsgegnerin wird es untersagt, den o.g. Auftrag im Hinblick auf Los 1 an die xxxxxx, zu vergeben.

  3. 3.

    Hilfsweise:

    der Antragsgegnerin wird bei Fortbestehen der Vergabeabsicht wegen der streitgegenständlichen Dienstleistungen aufgegeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren nach der Maßgabe der VOL/A (1. und 2. Abschnitt) nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.

  4. 4.

    Hilfsweise:

    die Vergabekammer wirkt unabhängig auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB);

  5. 8.

    Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

  6. 9.

    Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

21

Die Auftraggeberin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

22

Die Antragsgegnerin tritt den Behauptungen und der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen. Sie hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet.

23

Sie habe die Antragstellerin zutreffend und ausreichend über die Gründe der Nichtberücksichtigung gemäß § 101 a GWB informiert. Insbesondere habe sie der Antragstellerin die Bewertungspunkte für ihre Konzeptbewertung und ihre preisliche Wertung sowie die erreichte Gesamtpunktzahl mitgeteilt.

24

Es läge auch kein Verstoß gegen § 118 Abs. 3 GWB vor. Die alte und von der Antragstellerin in der sofortigen Beschwerde vor dem OLG Celle angegriffene Vergabeentscheidung sei nicht mehr existent, so dass sich die sofortige Beschwerde gegen die nicht mehr vorhandene Vergabeentscheidung vom 16.05.2011 erledigt habe. Aufgrund der Erledigung und der neuen Vergabeentscheidung und Information nach § 101a GWB habe die Antragstellerin die Möglichkeit, ihre Einwendungen in einem weiteren Nachprüfungsverfahren geltend zu machen. Im Übrigen liege auch keine Rechtsverletzung vor, solange der Zuschlag nicht erteilt ist.

25

Die Antragsgegnerin sieht auch keine Gründe, das Angebot der Beigeladenen zu 1 mangels Eignung von der Wertung auszuschließen. Zur Begründung ihrer Auffassung verweist sie auch auf die Ausführungen der Vergabekammer im Beschluss vom 05.07.2011, Az.: VgK - 22/2011, unter II, lit. c auf Seite 21 ff. Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass die Gesellschaftsversammlung der Beigeladenen zu 1 in ihrer Beschlussvorlage formuliert hat, dass sich das Einsatzgebiet auf Stadt und Landkreis xxxxxx und die xxxxxx bezieht. Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Seite 10 des Vergabevermerks davon ausgeht, dass nicht die Beigeladene zu 1 sondern eine Bietergemeinschaft, an der die Beigeladene zu 1 sich um den Auftrag beworben habe, stellt die Antragsgegnerin klar, dass es sich auf Seite 10 ihres Vergabevermerks um einen Schreibfehler handelt. Es habe tatsächlich nur die Beigeladene zu 1 ein Angebot für das Los 1 eingereicht.

26

Sie habe unter Berücksichtigung des o. g. Beschlusses der Vergabekammer jetzt die Bewertung der Konzepte (Kriteriengruppe II) ordnungsgemäß dokumentiert und dabei festgehalten, warum die Bieterkonzepte jeweils wie viele Punkte für welches Unterkriterium erzielt haben. Sie habe die Vorgaben der Vergabekammer zur Dokumentation beachtet, keine willkürliche Angebotswertung vorgenommen und nicht gegen den Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung bei der Bewertung der Kriterien "Effizienz des Personaleinsatzes" und "der Medizinprodukteverwaltung" verstoßen. Soweit die Antragstellerin jetzt einzelne Unterkriterien dieser Kriteriengruppe beanstandet, sei sie mit ihrem Vortrag präkludiert. Eine konkrete Darlegung der Vergabeverstöße aufgrund einer fehlerhaften Einzelbewertung sei weder erfolgt, noch erkennbar vorgetragen worden.

27

Soweit die Antragstellerin weiterhin davon ausgeht, dass die von ihr beauftragten Berater gemäß § 16 VgV befangen sind, verweist sie auf die Ausführungen der Vergabekammer in dem o. g. Beschluss. Aus ihrer Sicht würde der neue Vortrag der Antragstellerin daran nichts ändern. Der Antragstellerin sei dabei offenbar nicht bekannt, dass mit der Prüfung interner Kontrollsysteme auf Seiten einer Schwestergesellschaft der Beigeladenen zu 1 (xxxxxx) die xxxxxx, ein Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen, beauftragt worden ist und nicht die xxxxxx, zu der die beauftragten Berater gehören. Ferner hätten die beauftragten Berater auch nicht das Notkompetenzsystem erstellt, vielmehr handele es sich um Qualitätsstandards, die der ärztliche Leiter Rettungsdienst der Antragsgegnerin aufgestellt und fortgeschrieben habe.

28

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

29

Die Vergabekammer hat mit Verfügungen des Vorsitzenden vom 18.08.2011 und 07.09.2011 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus zunächst bis zum 12.09.2011 und sodann bis zum 19.09.2011 verlängert.

30

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 30.08.2011 Bezug genommen.

31

II.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er jedoch nur in dem aus dem Tenor zu 1 ersichtlichen Umfang begründet. Die Festlegung des frühestmöglichen Zeitpunkts für den Zuschlag nach erfolgter erneuter Durchführung der Angebotswertung im Informationsschreiben der Antragsgegnerin gemäß § 101a GWB vom 15.07.2011 auf den 26.07.2011 erfolgte vergaberechtswidrig, da das streitgegenständliche Vergabeverfahren jedenfalls zum Zeitpunkt des Informationsschreibens und des dort genannten Termins noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG Celle (Az.: 13 Verg 4/11) war und daher bis zur Entscheidung des Vergabesenats dem Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 3 GWB unterlag. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag für das verfahrensgegenständliche Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 zu erteilen, nicht in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat ausweislich der vorliegenden Dokumentation in der Vergabeakte die Angebotswertung unter Beachtung der Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 05.07.2011 im Nachprüfungsverfahren VgK-22/2011 wiederholt und das Angebot der Beigeladenen zu 1 in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage der bekannt gemachten Zuschlagskriterien, der 8 Unterkriterien und der bekannt gemachten Gewichtung als wirtschaftlichstes Angebot im Sinne des § 18 Abs. 1 VOL/A ermittelt und die erneute Angebotswertung und die Ergebnisse in einer den Anforderungen des §§ 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

32

1.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Durchführung der Leistungen des Rettungsdienstes in der Stadt xxxxxx und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gemäß § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung ein Schwellenwert von 193.000 EUR gilt. Werden Dienstleistungsaufträge, wie vorliegend, losweise ausgeschrieben, so beträgt der Schwellenwert 80.000 EUR oder bei Losen unterhalb von 80.000 EUR deren addierter Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks vom 25.02.2011 (xxxxxx) beträgt der geschätzte Wert des für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2017 ausgeschriebenen Gesamtauftrages ca. xxxxxx EUR. Allein der Wert des hier verfahrensgegenständlichen Loses 1 liegt ausweislich der in der Vergabeakte dokumentierten Gesamtwertung der eingegangenen Angebote (xxxxxx) über xxxxxx EUR über die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit.

33

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterunternehmen ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, dass die Antragsgegnerin auch im Rahmen der erneuten Angebotswertung auf der Grundlage des Beschlusses der Vergabekammer vom 05.07.2011 im Vorgängerverfahren VgK-22/2011 das Angebot der Beigeladenen zu 1 zu Unrecht als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt hat. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt, das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, dass auch aus dem die erneute Angebotswertung dokumentierenden ergänzenden Vergabevermerk der Antragsgegnerin vom 13.07.2011 (xxxxxx) immer noch nicht nachvollziehbar sei, warum ihr Angebot bei der Konzeptbewertung lediglich xxxxxx Punkte erzielte. In der Konzeptbewertung und ihrer mangelhaften Dokumentation liege ein Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz und den Gleichbehandlungsgrundsatz.

34

Nicht antragsbefugt ist die Antragstellerin vorliegend dagegen, soweit sie sich mit ihrem vorliegenden Nachprüfungsantrag erneut gegen die Mitwirkung der von der Antragsgegnerin beauftragten Berater der xxxxxx wendet und einen Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot gemäߧ 16 VgV geltend macht. Diesbezüglich hatte die Vergabekammer den zum verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren gestellten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 05.07.2011 im Vorgängerverfahren VgK-22/2011 als unbegründet zurückgewiesen. Diese Rüge war Gegenstand des auf Antrag der Antragstellerin beim OLG Celle unter dem Az.: 13 Verg 4/11 anhängigen Beschwerdeverfahrens. Über die Rüge und den diesbezüglichen Beschluss der Vergabekammer hat daher abschließend der Vergabesenat mit Beschluss vom 08.09.2011entschieden. Die Rüge kann daher nicht parallel noch ein zweites Mal im gleichen Vergabeverfahren zum Gegenstand des erneuten Nachprüfungsantrages vor der Vergabekammer gemacht werden. Das gleiche gilt auch für die mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag zum zweiten Mal erhobene, von der Vergabekammer bereits mit Beschluss vom 05.07.2011 im Vorgängerverfahren VgK-22/2011 als unbegründet zurückgewiesenen Rüge der Antragstellerin, dass die Beigeladene zu 1 aufgrund ihres eigenen Gesellschaftsvertrages gehindert sei, den verfahrensgegenständlichen Auftrag auszuführen und daher nicht die erforderliche Eignung besitze. Auch diese Rüge ist Gegenstand des beim OLG Celle unter dem Az.: 13 Verg 4/11 anhängigen Beschwerdeverfahrens und des inzwischen ergangenen, die Beschwerde zurückweisenden Beschlusses des Vergabesenats vom 08.09.2011.

35

Soweit sich die Antragstellerin gegen die von der Antragsgegnerin durchgeführte erneute Bewertung der Bieterkonzepte und ihre Dokumentation in der Vergabeakte wendet, ist die Antragstellerin auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des§ 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht aus § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragsgegnerin hatte die Antragstellerin mit Bieterinformation gemäß § 101a GWB vom 15.07.2011 darüber informiert, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 erteilt werden soll. Die Antragsgegnerin hatte der Bieterinformation einen Auszug ihres ergänzenden Vergabevermerks vom 13.07.2011 beigefügt, der die Beurteilung der Konzeptbewertung der Antragstellerin enthielt. Bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 18.07.2011 rügte die Antragstellerin daraufhin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene zu 1. Sie geht davon aus, dass die Angebotswertung nicht willkürfrei erfolgte. Aus ihrer Sicht sei immer noch nicht nachvollziehbar, dass ihr Angebot bei der Konzeptbewertung lediglich xxxxxx Punkte erzielte. Diese lediglich innerhalb von 3 Tagen abgesetzte Rüge erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB.

36

Präkludiert ist die Antragstellerin dagegen mit ihrem Vortrag, soweit sie erstmals im Laufe des Nachprüfungsverfahrens und in der mündlichen Verhandlung vom 30.08.2011 gerügt hat, dass die von der Antragsgegnerin durchgeführte Wertung der Konzepte nicht zu einer gleichwertigen Gewichtung zwischen Leistungspreis und Konzeptbewertung führt, weil auch von der Antragsgegnerin hinsichtlich des Konzeptes ermittelte Bestbieterin nicht die mögliche Höchstpunktzahl von xxxxxx Punkten erhalten habe. Von daher sei schon rechnerisch eine 50:50 Prozentgewichtung nicht gegeben, weil dies im Ergebnis zu einer nachrangigen Gewichtung des Konzeptes gegenüber dem Preis führt. Die Antragsgegnerin hat sich jedoch ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte bei der Bewertung exakt an ihre bekannt gemachte Gewichtung der Zuschlagskriterien und ihrer Unterkriterien gehalten. An diese bekannt gemachten Vorgaben, die weder von der Antragstellerin noch von anderen Bietern gerügt wurden, war und ist die Antragsgegnerin bei der Angebotswertung gemäß § 16 Abs. 7 VOL/A und zur Wahrung des Transparenzgrundsatzes gemäß § 97 Abs. 1 GWB gebunden. Da die Antragsgegnerin die Wertungskriterien, die Unterkriterien, ihre Gewichtung und ihre Bewertungsmaßstäbe den Bietern auf S. 9 ff. der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gegeben und erläutert hatte, war diese Verfahrensweise auch für die Antragstellerin spätestens bei der Legung ihres Angebotes erkennbar. Die Antragstellerin ist daher diesbezüglich mit ihrem Vortrag gemäߧ 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert.

37

2.

Der Nachprüfungsantrag ist nur begründet, soweit er sich gegen den von der Antragsgegnerin nach erfolgter erneuter Durchführung der Angebotswertung im Informationsschreiben gemäß § 101a GWB vom 15.07.2011 auf den 26.07.2011 festgelegten frühestmöglichen Zeitpunkt für den Zuschlag zum verfahrensgegenständlichen Los 1 richtet. Ein Zuschlag zu diesem Zeitpunkt wäre nicht zulässig gewesen, da das streitgegenständliche Vergabeverfahren zum Zeitpunkt des Informationsschreibens und des dort genannten Termins noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG Celle (Az.: 13 Verg 4/11) war und daher bis zur Entscheidung des Vergabesenats dem Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 3 GWB unterlag (im Folgenden a). Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen unbegründet. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 18 Abs. 1 VOL/A ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat sämtliche Angebote nicht nur anhand des Zuschlagskriteriums des niedrigsten Preises, sondern auch anhand der als zweites Zuschlagskriterium festgelegten Konzeptbewertung unter Zugrundelegung der 8 festgelegten und bekannt gemachten Unterkriterien sowie der bekannt gemachten Gewichtung gewertet. Die Antragsgegnerin hat daher zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat (im Folgenden b).

38

a)

Die Antragsgegnerin war nicht berechtigt, in ihrem Informationsschreiben gemäß § 101a GWB vom 15.07.2011 den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Zuschlag nach erneuter erfolgter Durchführung der Angebotswertung auf den 26.07.2011 festzulegen, da das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren zum Los 1 noch Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem OLG Celle (Az.: 13 Verg 4/11) war und daher bis zur Entscheidung des Vergabesenats dem Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 3 GWB unterlag. Gemäß § 101a Abs. 1 GWB hat der Auftraggeber die betroffenen Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Gemäß § 101a Abs. 1 Satz 3 GWB darf der Vertrag grundsätzlich erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information geschlossen werden. Wird, wie im vorliegenden Fall, die Information per Fax oder auf elektronischem Wege versendet, verkürzt sich die Frist gemäß § 101a Abs. 1 Satz 4 GWB auf 10 Kalendertage. Die Frist beginnt am Tag nach Absendung der Information durch den Auftraggeber zu laufen (§ 101a Abs. 1 Satz 5 GWB). Die Antragsgegnerin hat diese Fristvorgaben des § 101a GWB zwar bei ihrer Festlegung auf den 26.07.2011 berücksichtigt. Sie hat dabei jedoch außer Acht gelassen, dass das Vergabeverfahren zum streitgegenständlichen Los 1 noch Gegenstand des zu dieser Zeit anhängigen Beschwerdeverfahrens beim OLG Celle (Az.: 13 Verg 4/11) war und deshalb dem Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 3 GWB unterlag. Nach dieser Vorschrift hat ein Zuschlag, sofern die Vergabekammer dem Antrag auf Nachprüfung durch Untersagung des Zuschlags stattgegeben hat, zu unterbleiben, solange nicht das Beschwerdegericht die Entscheidung der Vergabekammer nach§ 121 GWB oder § 123 GWB aufhebt. Über den Fall der ausdrücklichen Untersagung des Zuschlags hinaus findet§ 118 Abs. 3 GWB gleichermaßen in den - in der Praxis häufiger vorkommenden - Fällen Anwendung, in denen die Vergabekammer der Vergabestelle (lediglich) auferlegt, die Angebotswertung unter Beachtung eines oder mehrerer Aspekte zu wiederholen (vgl. Hunger in: Kulartz/Kus/Portz,GWB Vergaberecht, 2. Auflage, § 118, Rdnr. 73; Kuhlig in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 2. Auflage, 12. Los, § 118 GWB, Rdnr. 60). Vor einer Beschwerdeentscheidung des Vergabesenats können keine vollendeten Tatsachen entstehen und daher kein wirksamer Zuschlag erteilt werden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.04.2007, 13 Verg 5/07 = NZBau 2007, S. 671 ff.). Durch § 118 Abs. 3 GWB wird die Fallgestaltung geregelt, dass der Bieter im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer einen Erfolg verbuchen konnte. Vorliegend war der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-22/2011 überwiegend erfolgreich, denn die Vergabekammer hat die Antragstellerin im dortigen Nachprüfungsverfahren mit Beschluss vom 05.07.2011 verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Bewertung der Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports zu wiederholen, Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

39

§ 118 Abs. 3 GWB soll zwar vorrangig verhindern, dass der Auftraggeber im Falle eines erfolgreichen Nachprüfungsantrags des Bieters das durch die Vergabekammer ausgesprochene Zuschlagsverbot durch Einlegung der Beschwerde und Auslösung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 GWB unterlaufen kann (vgl. Kuhlig, a.a.O., Rdnr. 60). Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Beschluss der Vergabekammer jedoch akzeptiert und ist erneut in die Angebotswertung eingetreten. Die Beschwerde ist vielmehr durch die Antragstellerin eingelegt worden, soweit die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-22/2011 mit Beschluss vom 05.07.2011 zurückgewiesen hat. Gegenstand des vor dem OLG Celle anhängigen Beschwerdeverfahrens ist jedoch die von der Vergabekammer zurückgewiesene Rüge der Mitwirkung vom Vergabeverfahren ausgeschlossener Personen gemäß § 16 VgV und die ebenfalls zurückgewiesene Rüge der vermeintlich fehlenden Eignung der Beigeladenen zu 1. Wäre die Beschwerde zu einem dieser Punkte oder beiden Punkten erfolgreich gewesen, so wäre der Antragsgegnerin ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 auch nach einer Neubewertung unter Beachtung der Vorgaben der Vergabekammer im Beschluss vom 05.07.2011 verwehrt gewesen. Die der vorläufigen Aufrechterhaltung des Zuschlagsverbots dienende aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde tritt daher auch dann, wenn die Vergabeentscheidung vom unterlegenen Bieter - wie im vorliegenden Fall - nur teilweise angefochten wird, vollständig ein (vgl. Kuhlig, a.a.O., § 118 GWB, Rdnr. 3). Ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 konnte daher frühestens nach einer - abweisenden - Beschwerdeentscheidung des Vergabesenats erfolgen (die inzwischen mit Beschluss des OLG Celle vom 08.09.2011 vorliegt).

40

b)

Die Antragsgegnerin hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte ausschließlich unter Zugrundelegung der den Bietern bekannt gemachten Zuschlagskriterien und Unterkriterien und der ebenfalls festgelegten und bekannt gemachten Gewichtung durchgeführt. Im Gegensatz zur ersten Bewertung, die Gegenstand des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens VgK-22/2011 war, hat die Antragsgegnerin nunmehr jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch die Bewertung der Bieterkonzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports, die nach der Festlegung der Antragsgegnerin mit 50% bei der Gesamtwertung der Angebote berücksichtigt werden sollte, unter Beachtung der Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 05.07.2011 in einem ergänzenden Vergabevermerk vom 13.07.2011 (xxxxxx) ausführlich und in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

41

Gemäß § 97 Abs. 5 GWB und § 18 Abs. 1 VOL/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 VOL/A ist der niedrigste Angebotspreis grundsätzlich nicht allein entscheidend. Die Vergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Bieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet oder denjenigen Bieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 53 und 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18 EG (VKR)). Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium wirtschaftlichstes Angebot den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebots im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97 GWB, Rdnr. 144).

42

Die Antragsgegnerin hatte ihre Zuschlagskriterien, die Unterkriterien und ihre Gewichtung, wie unter der lfd. Nr. 12 (S. 9 ff.) ihrer Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt, bekannt gemacht. Danach wurden zwei Wertungskriterien (Kriteriengruppen) festgelegt, die jeweils zu 50% bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt werden sollten. Festgelegt wurden zum einen der Leistungspreis und zum anderen das Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes. Die Kriteriengruppe 2 - Konzept - sollte gemäß Nr. 12.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe anhand von 8 Unterkriterien bewertet werden, die jeweils mit 12,5% bei der Bewertung des Konzeptes und 6,25% bei der Gesamtwertung Berücksichtigung finden sollten. Es handelt sich dabei um die Unterkriterien Effizienz des Personaleinsatzes, Ausfallsicherheit Personal, Ausfallsicherheit Sachmittel, Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen, Effizienz der Materialverwaltung, Effizienz der Medizinprodukteverwaltung, Effizienz des Melde- und Berichtswesens und Psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter. Es wurde festgelegt, dass die Bewertung anhand eines Schulnotensystems (sehr gut bis ungenügend) erfolgt, wobei für die Note sehr gut jeweils 5 Punkte und für die Note ungenügend 0 Punkte vergeben werden sollten.

43

Die Kriterien selbst wurden in der Aufforderung zur Angebotsabgabe jeweils kurz erläutert. Weitere Erläuterungen erfolgten aufgrund mehrerer Bieteranfragen. Der von der Antragsgegnerin mit der Durchführung des Verfahrens beauftragte Berater versandte insgesamt 9 Bieterinformationen. In der Bieterinformation Nr. 4 vom 14.03.2011 hatte die Antragsgegnerin ihren Bewertungsmaßstab wie folgt erläutert:

"Mindestvoraussetzung für die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistung ist die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben. Ein Konzept, welches daher erkennen lässt, dass die im jeweiligen Bereich geltenden gesetzlichen Mindeststandards nicht einhält, entspricht daher nicht der geforderten Leistung. Insofern ist der Begriff "mangelhaft" bei der Konzeptbewertung missverständlich. Keinesfalls enthält ein Konzept in dem jeweiligen Wertungsbereich einen Punkt, wenn es die gesetzlichen Mindeststandards nicht einhält. Sofern ein Konzept in diesem Punkt nur den absoluten Mindeststandard einhält, bekommt der Bieter für diesen Bereich einen Punkt.

Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgt, oder je weiter ein Bieter hierüber hinausgeht oder innovative und taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter. Der Begriff "mangelhaft" in der Konzeptbewertung aus Ziff. 12.2 der Angebotsaufforderung wird daher in "gerade noch ausreichend" verändert."

44

Die Antragsgegnerin hatte bereits die erste Wertung der Bieterkonzepte zum verfahrensgegenständlichen Los 1 ausweislich einer in der Vergabeakte (xxxxxx) als Anlage 11 (xxxxxx) beigefügten Bewertungsmatrix zwar in nicht zu beanstandender Weise ausschließlich auf der Grundlage der bekannt gemachten Bewertungskriterien und Unterkriterien durchgeführt und die Bieterkonzepte für jedes Unterkriterium mit 0 bis 5 Punkten bewertet. Zur Erläuterung der Punktebewertung hatte die Antragsgegnerin jedoch lediglich stichwortartig für jedes Konzept und für jedes Unterkriterien Angaben und/oder Feststellungen auf der Grundlage der in den Angeboten dargelegten Konzepte in der Bewertungsmatrix festgehalten. Ob diese Angaben und Feststellungen sich positiv auf das Bewertungsergebnis und damit punkteerhöhend oder nicht ausgewirkt haben, war aus der Bewertungsmatrix allerdings nicht ersichtlich. Die Punktevergabe und damit die Bewertung der Bieterkonzepte war daher allein anhand der Bewertungsmatrix, aber auch aufgrund der Vergabeakte im Übrigen weder für die Vergabekammer noch für die Bieter nachvollziehbar. Die Vergabekammer hatte die Antragstellerin daher im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-22/2011 mit Beschluss vom 05.07.2011 verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Bewertung der Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

45

Die im nunmehr von der Antragsgegnerin vorgelegten ergänzenden Vergabevermerk vom 13.07.2011 dokumentierte erneute Angebotswertung zum verfahrensgegenständlichen Los 1 genügt entgegen der Auffassung der Antragstellerin den Anforderungen der VOL/A und den Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 05.07.2011.

46

Die Antragsgegnerin hat die Wertung der Konzepte für sämtliche Angebote wiederholt und Prüfung und Ergebnis im ergänzenden Vergabevermerk vom 13.07.2011 auf den S. 5 ff. (xxxxxx) ausführlich und nachvollziehbar dokumentiert und dabei Unterschiede der Konzepte zu den einzelnen Unterkriterien hervorgehoben und dargelegt, ob das Konzept die jeweiligen Kriterien durchschnittlich, unterdurchschnittlich oder überdurchschnittlich berücksichtigt.

47

Die dokumentierte Konzeptbewertung im ergänzenden Vergabevermerk vom 13.07.2011 schließt auf S. 20 (xxxxxx) mit einer Zusammenfassung in Form einer Punktetabelle für alle Angebote. Durch die Dokumentation im ergänzenden Vergabevermerk wird die Konzeptbewertung nunmehr in einer den Anforderungen der §§ 16 Abs. 7, 20 VOL/A genügenden Weise nachvollziehbar. Die Bewertung nach den Unterkriterien zum Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports hat die Antragsgegnerin dabei in der Reihenfolge und nach den Ordnungsziffern in der Aufforderung zur Angebotsabgabe gegliedert. Dort wurden auf S. 12 und 13 Erläuterungen zu den einzelnen Wertungskriterien gegeben. Dazu und zur Bewertung der Kriterien im Einzelnen:

48

12.2.01 Effizienz des Personaleinsatzes

49

Hier war nach den Erläuterungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Effizienz des Personaleinsatzes anhand der Wirtschaftlichkeit des Arbeitszeitmodells durch die Zuordnung der Vorhaltezeiten zu den verschiedenen Arbeitsformen (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft) zu bewerten. Der Bieter sollte sein Arbeitszeitmodell entsprechend beschreiben. Die Antragstellerin hat für dieses Kriterium ebenso wie die Beigeladene zu 2 xxxxxx von fünf möglichen Punkten erhalten. Die höchste Punktzahl hat die Beigeladene zu 1 mit xxxxxx Punkten erhalten. Bei der Bewertung dieses Kriteriums hat die Antragsgegnerin ausweislich des ergänzenden Vergabevermerks für das Konzept der Antragstellerin positiv berücksichtigt, dass die üblichen Schichtzeiten im Rettungsdienst von 12 Stunden abgedeckt werden können. Ferner hat die Antragsgegnerin positiv bewertet, dass die Antragstellerin auf die Anwendung einer sog. opt-out-Regelung verzichtet. Bei der opt-out-Regelung handelt es sich um ein arbeitsrechtliches Instrument, dass es ermöglicht, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer individual-vertraglich eine höhere Wochenarbeitszeit als die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) grundsätzlich vorgeschriebenen 48 Stunden vereinbaren können. Die Antragsgegnerin hat festgehalten, dass sie diese Regelung in zweierlei Hinsicht als problematisch ansieht. Zum einen sei nicht absehbar, wie lange eine solche europarechtlich noch zulässig sein wird, da es entsprechende Bestrebungen der Kommission gebe. Zum anderen könne die opt-out-Regelung von jedem Mitarbeiter zu jeder Zeit gekündigt werden, was wiederum die Dienstplansicherheit gefährden könne. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin bei der Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 2 im ergänzenden Vergabevermerk negativ vermerkt, dass diese eine sog. opt-out-Regelung anwenden möchte. Die Beigeladene zu 1 hat ebenfalls wie die Antragstellerin, auf eine opt-out-Regelung verzichtet. Negativ hat die Antragsgegnerin für das Konzept der Antragstellerin vermerkt, dass sie in ihrem Konzept keine tarifvertragliche Grundlage für die Erhöhung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden genannt habe. Dies sei negativ zu bewerten, da eine Überprüfung der Angaben so nicht möglich ist. Korrespondierend damit hat sie für das Konzept der Beigeladenen zu 1 vermerkt, dass diese auf den entsprechenden xxxxxx-Tarifvertrag hingewiesen hat, der eine Verlängerung auf bis zu 12 Stunden möglich macht, so dass aktuelle Anforderungen an Schichtrhythmen durchführbar sind. Negativ hat die Antragsgegnerin für das Konzept der Antragstellerin ferner vermerkt, dass sie im Vergleich zu den anderen Bietern keine Nettoverfügbarkeitsquote (NVQ) angegeben habe. Für die Ermittlung der von der Antragsgegnerin berücksichtigten NVQ wurden von der Bruttoarbeitszeit die Zeiten für Krankheit, Fortbildung, Urlaub etc. abgezogen. Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin bewegt sich die NVQ im Rettungsdienst regelmäßig zwischen 77% und 83%. Die Antragsgegnerin hat im Vergabevermerk erläutert, dass der Personaleinsatz aus ihrer Sicht umso effizienter ist, je höher die NVQ ist. Wegen des Fehlens jeglicher Angaben zur NVQ und mangels detaillierter Ausführungen der Antragstellerin zur Dienstplanung wurde das Konzept der Antragstellerin zu diesem Punkt insgesamt mit xxxxxx Punkten und damit durchschnittlich bewertet. Die höchste Punktzahl hat hier die Beigeladene zu 1 mit xxxxxx von 5 möglichen Punkten erzielt, was mit der vergleichsweise hohen NVQ von xxxxxx%, dem Verzicht auf eine opt-out-Regelung und die Erwähnung einer EDV-gestützten Dienstplanung begründet wurde. Negativ hat die Antragsgegnerin auch für das Konzept der Beigeladenen zu 1 das Fehlen konkreter Angaben zur Dienstplanung und die Art und Weise der Aufstellung im Vergleich zu Konzepten anderer Bieter aufgeführt.

50

Anhaltspunkte für eine den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzende Bewertung sind nicht erkennbar. Vielmehr hat die Antragsgegnerin bei der Bewertung sämtlicher Konzepte die gleichen Kriterien, Unterkriterien und Maßstäbe zugrunde gelegt.

51

12.2.02 Ausfallsicherheit Personal

52

Hier sollte der Bieter nach den Erläuterungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe darlegen, wie auf Ausfälle des Personals (z.B. aufgrund von Krankheit) reagiert wird und welche Maßnahmen getroffen werden, um die Ausfallsicherheit zu optimieren. Das Konzept der Antragstellerin wurde bezüglich dieses Kriteriums mit xxxxxx von 5 möglichen Punkten und damit überdurchschnittlich bewertet. Die Höchstbewertung von 5 Punkten hat lediglich die Beigeladene zu 2 erzielt. Die Beigeladene zu 1 hat eine durchschnittliche Bewertung von xxxxxxx Punkten erhalten. Als besonders positiv hat die Antragsgegnerin für das Konzept der Antragstellerin hervorgehoben, dass sie ein umfangreiches Programm dargestellt habe, wie sie mittels Prävention und speziell einem Gesundheitsprogramm Personalausfälle grundsätzlich verhindern will. Negativ hat die Antragsgegnerin für die Antragstellerin lediglich hervorgehoben, dass diese zwar beschreibe, wie sie Personalausfälle durch eine hierfür im Dienstplan befindliche Vollzeitkraft auffangen wolle. Im Vergleich zu den anderen Bietern fehlten jedoch konkrete Ausführungen zu einer darüber hinaus gehenden Ausfallkompensation wie beispielsweise einem Springerdienstsystem. Auch habe die Antragstellerin keine Angabe zu einem Zeitraum gemacht, in dem ungeplante Personalausfälle spätestens kompensiert werden können. Korrespondierend damit hat die Antragsgegnerin für die in diesem Punkt am besten bewertete Darlegung der Beigeladenen zu 2 hervorgehoben, dass der Bieter ein umfangreiches Programm beschrieben hat, durch welches mittels Prävention Personalausfälle grundsätzlich verhindert werden sollen. Konkrete Personalausfälle werden danach durch einen Hintergrunddienst aufgefangen. Besonders positiv hat die Antragsgegnerin für die Beigeladene zu 2 vermerkt, dass der Bieter angegeben habe, dass Personalausfälle binnen eines Zeitraums von 30 Minuten kompensiert werden können. Auch hier ist nachvollziehbar, warum die Beigeladene zu 2 für dieses Unterkriterium eine noch höhere Bewertung erzielt hat als das Konzept der Antragstellerin.

53

12.2.03 Ausfallsicherheit Sachmittel

54

Hier sollte nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen dargelegt werden, wie seitens des Bieters auf kurzfristige Material- oder Fahrzeugausfälle reagiert wird und welche Maßnahmen getroffen werden, um solchen begegnen zu können. Hier wurde das Konzept der Antragstellerin als einziges mit lediglich xxxxxx Punkten und damit unterdurchschnittlich bewertet. Die Höchstpunktzahl hat das Konzept der Beigeladenen zu 1 mit xxxxxx Punkten erzielt. Das Konzept der Beigeladenen zu 2 wurde mit xxxxxx von 5 möglichen Punkten bewertet. Die unterdurchschnittliche Bewertung des Konzeptes der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin in ihrem ergänzenden Vergabevermerk damit begründet, dass die Antragstellerin nur sehr knapp dargelegt habe, dass es durch höchstmögliche Betriebssicherheit der Ausrüstung zu so wenig Ausfällen wie möglich kommen solle. Solle es zu einem Ausfall kommen, sollen Rettungswagen von anderen Stationen der Antragstellerin umpositioniert werden. Diese Ausfallbeschreibung sei jedoch im Vergleich zu anderen Bietern wenig detailliert. Problematisch sei insbesondere, dass nicht erkennbar sei, von welchen Standorten denn überhaupt Fahrzeuge entsandt werden können und welche Zeitfenster hierfür eingeplant werden. Wartungsabläufe, ein Management von Ausfällen, Angaben zu konkret zur Verfügung stehenden Ersatzmaterialien oder Fahrzeugen seien allenfalls in Grundzügen erkennbar. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin für das in diesem Punkt am besten bewertete Konzept der Beigeladenen zu 1 festgestellt, dass der Bieter die Sachmittel, Ersatzgeräte und Fahrzeugverwaltung nachvollziehbar über sein EDV-gestütztes Intranet steuere. Der Bieter habe konkrete Angaben gemacht, dass er über 14 Ersatz-RTW, 2 Ersatz-KTW und 1 Ersatz-NEF verfüge und entsprechende Ersatzgeräte vorgehalten werden. Hervorgehoben hat die Antragsgegnerin auch, dass die Beigeladene zu 1 beschrieben hat, dass sie binnen 24 Stunden von den Herstellern Ersatzgeräte erhalten kann. Auch bezüglich dieses Kriteriums ist die unterschiedliche Punktezumessung daher nachvollziehbar. Sie geht nicht von sachfremden Erwägungen aus.

55

12.2.04 Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen

56

Hier sollte der Bieter darlegen, wie die Durchführung der Hygieneschutzmaßnahmen in seinem Betrieb gewährleistet und umgesetzt wird. Die Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1 haben hier jeweils xxxxxx Punkte und damit eine durchschnittliche Bewertung erhalten. Überdurchschnittlich wurde das Konzept der Beigeladenen zu 2 mit xxxxxx Punkten bewertet. Für die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin in ihrem ergänzenden Vergabevermerk negativ festgehalten, dass die Angaben des Bieters zum Hygienemanagement sehr knapp seien. Es fehlten Angaben zur geplanten Organisation des Hygienemanagements. Eine personelle Struktur sei nicht erkennbar. Dies gelte insbesondere für die Anzahl von Desinfektoren oder Hygieneschutzbeauftragten und deren Einsatz an den jeweiligen Standorten. Auch fehlten Angaben zur konkreten Einweisung der Mitarbeiter an den Standorten und dem Vorhandensein eines Bekleidungsmanagements. Positiv hat die Antragsgegnerin für die Antragstellerin bewertet, dass der Bieter einen Hygieneplan vorgelegt habe, aus welchem sich auch ergibt, dass ein leitender Desinfektor vorgesehen ist und die Mitarbeiter in diesen eingewiesen werden. Damit korrespondierend hat die Antragsgegnerin auch für die Beigeladene zu 1, die für dieses Unterkriterium die gleiche Punktzahl erzielt hat, festgehalten, dass auch hier negativ anzumerken sei, dass genauere Ausführungen zur Organisation der Fachkräfte fehlen. Ferner fehlten hier Aussagen zur Mitarbeiterschulung und zu einem Bekleidungsmanagement. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin für die Beigeladene zu 2 hervorgehoben, dass auch das Hygienemanagement durch ein Qualitätsmanagementsystem gesteuert ist. Ferner existiere ein einheitlicher Hygiene- und Desinfektionsplan. Auch die personelle Struktur des Hygienemanagements sei positiv dargestellt. Ferner sei ein Bekleidungsmanagement vorhanden. Als negativ hat die Antragsgegnerin für die Beigeladene zu 2 lediglich berücksichtigt, dass diese keine Angaben zur konkreten personellen Struktur auf Ebene der einzelnen Rettungsdienstwachen gemacht hat. Die gegenüber der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1 etwas bessere Bewertung der Beigeladenen zu 2 mit xxxxxx Punkten wird daher ebenfalls nachvollziehbar von der Antragsgegnerin begründet und dokumentiert.

57

12.2.05 Effizienz der Materialverwaltung

58

Hier sollte nach den Erläuterungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe dargelegt werden, was zur Gewährleistung einer effizienten Materialverwaltung vorgesehen ist. Es sollte dargestellt werden, welche Verfahren im Hinblick auf die Lagerhaltung, Lagerverwaltung und Materialbestellung vorgesehen sind. Das Konzept der Antragstellerin hat hier ebenso wie das Konzept der Beigeladenen zu 2 die Höchstpunktzahl von 5 Punkten erzielt. Das Konzept der Beigeladenen zu 1 wurde diesbezüglich mit xxxxxx Punkten und damit ebenfalls überdurchschnittlich bewertet. Der Punktabzug wurde von der Antragsgegnerin im ergänzenden Vergabevermerk damit begründet, dass die Beigeladene zu 1 im Gegensatz zu den anderen Bietern keine expliziten Angaben zu kurzfristiger Beschaffung an den einzelnen Rettungswachen gemacht hat. Es wird im Konzept der Beigeladenen zu 1 lediglich ein Rückgriff auf das Zentrallager und andere Rettungswachen angedeutet. Auch diese Bewertung hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar begründet und dokumentiert.

59

12.2.06 Effizienz der Medizinprodukteverwaltung

60

Hier sollte der Bieter nach den Vorgaben der Antragsgegnerin die Verwaltung der einzusetzenden Medizinprodukte darlegen. Dabei sollte im Konzept insbesondere auf die Gewährleistung der Einsatzfähigkeit der Medizinprodukte, deren Wartung sowie auf die entsprechende Schulung der Mitarbeiter eingegangen werden. Hier hat die Antragstellerin ausweislich des ergänzenden Vergabevermerks auch nach der durchgeführten Neubewertung auf der Grundlage des Beschlusses der Vergabekammer vom 05.07.2011 im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-22/2011 nunmehr xxxxxx Punkt erhalten, nachdem die Antragstellerin bei der ersten Bewertung hier mit xxxxxx Punkten bewertet wurde, was die Vergabekammer in ihrem Beschluss beanstandet hatte. Die Antragsgegnerin hat nunmehr in ihrem ergänzenden Vergabevermerk festgehalten, dass sie es nicht als grundsätzlich negativ bewertet hat, dass die Antragstellerin eine Beschreibung dieses Kriteriums in einem eigenen Gliederungspunkt nicht vorgenommen hat. Die Antragstellerin hat bezüglich der Medizinprodukteverwaltung vielmehr Ausführungen innerhalb der Ausführungen zum Unterkriterium 12.2.05 Effizienz der Materialverwaltung gemacht. Die dortigen Angaben zum Management der Medizinprodukte seien jedoch äußerst knapp. Die Antragstellerin hat zu diesem Punkt auf S. 15 ihres Konzepts folgende Aussagen zu den Medizinprodukten gemacht:

"Oben genannte Kontrolltabellen werden in einem Wochenprotokoll zusammengefasst, das an einem festen Wochentag in die Rettungswagen gelegt wird, und das nachfolgend vom Rettungswachenleiter kontrolliert und abgezeichnet wird. Hinzu kommt eine externe Überwachung vonmedizintechnischen Ausrüstungen, wie Monitor, Defibrilator etc., um den Anforderungen an dasMedizinproduktegesetz und die entsprechende Betreiberverordnung voll umfänglich und nachweislich dokumentiert sicherzustellen. Diese Ausrüstungen werden von Spezialisten vom Hersteller inspiziert, um korrekte Wartung und Pflege zu garantieren. ... Die Einkaufsabteilung bewertet, kontrolliert und neuverhandelt laufend sämtliche Zuliefererverträge, um stets zu gewährleisten, dass wir die besten Produkte zu den besten Preisen erhalten."

61

Die Antragsgegnerin hat in ihrem ergänzenden Vergabevermerk vom 13.07.2011 für das Konzept der Antragstellerin zu diesem Unterkriterium negativ bewertet, dass dieses gerade im Verhältnis zu anderen Bietern keine Aussagen zum Management allgemein enthalte. Abläufe von Wartung und Fehlermanagement werden nicht beschrieben. Es gebe keine Aussagen zur Kontrolle der Medizintechnik durch den Bieter selbst. Eine personelle Struktur von Medizinproduktebeauftragten an den einzelnen Standorten oder im Unternehmen des Bieters finde sich nicht. Negativ hat die Antragsgegnerin auch bewertet, dass die Antragstellerin keine Aussagen zur Einweisung der Mitarbeiter in die Geräte und entsprechende Kontrollen gemacht hat. Auch existierten keine Aussagen zu Ersatzgeräten oder für die Wartungsintervalle. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin zum Konzept der Beigeladenen zu 1, die für dieses Unterkriterium xxxxxx Punkte erhalten hat, positiv festgestellt, dass der Bieter beschreibt, dass sie in jeder Rettungswache über einen speziell geschulten verantwortlichen Mitarbeiter für das Medizinproduktemanagement verfügt, so dass eine individuelle Überwachung und Hilfe direkt vor Ort gegeben ist. Auch sein Medizinproduktemanagement steuere der Bieter über ein EDV-System, so dass eine effektive Steuerung und Kontrolle möglich ist. Ferner hat die Beigeladene zu 1 in ihrem Konzept detailliert beschrieben, wie sie ihre Mitarbeiter in die Medizinprodukte einweist und schult und dass sie Ersatzgeräte zur Wartung vorhält, auf die auch ein kurzfristiger Zugriff möglich ist. Angesichts der Tatsache, dass sowohl die Beigeladene zu 1 als auch die Beigeladene zu 2 zu diesem Unterkriterium erheblich detailliertere Ausführungen in ihrem Konzept gemacht haben, hat die Antragsgegnerin die unterdurchschnittliche Bewertung der Antragstellerin nachvollziehbar begründet. Anhaltspunkte für eine sachfremde Bewertungsgrundlage oder einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sind nicht ersichtlich.

62

12.2.07 Effizienz des Melde- und Berichtswesens

63

Hier sollte der Bieter nach den Erläuterungen der Antragsgegnerin in der Aufforderung zur Angebotsabgabe darlegen, wie er die in der Leistungsbeschreibung unter Ziff. 5.5 und Ziff. 15 genannten Anforderungen an sein Melde- und Berichtswesen sicherstellt und die Leistungen möglichst effektiv erbringt. Dabei sollte er auf die in Ziff. 5.5 (interne Kommunikation/Betriebsabläufe) und Ziff. 15 (externe Kommunikation mit dem Auftraggeber und Kommunikation mit der Öffentlichkeit) der Leistungsbeschreibung genannten Punkte eingehen und darstellen, welche innerbetrieblichen Maßnahmen hierzu ergriffen werden. Bezüglich dieses Kriteriums hat ausweislich der Dokumentation im ergänzenden Vergabevermerk lediglich die Beigeladene zu 2 eine immerhin durchschnittliche Bewertung von xxxxxx Punkten erzielt. Das Konzept der Beigeladenen zu 1 wurde mit xxxxxx Punkten und damit unterdurchschnittlich bewertet. Die schlechteste Bewertung für dieses Unterkriterium hat wiederum das Konzept der Antragstellerin erhalten mit lediglich xxxxxx Punkt. Für das Konzept der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin als negativ bewertet, dass sie keine detaillierten Angaben zu Berichts- und Meldestrukturen im Unternehmen gemacht hat. Das Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems ändere hieran nichts. Gerade die konkrete Umsetzung sei nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen zum Kriterium 2.07 auszuführen gewesen. Negativ wurde auch festgestellt, dass im Konzept der Antragstellerin Aussagen zu Datenschutz, der Zusammenarbeit mit dem Träger bei der Öffentlichkeitsarbeit und dem Beschwerdemanagement fehlen. Auch enthält das Konzept der Antragstellerin zu diesem Unterkriterium keine Angaben zu Abläufen der Kommunikation mit dem Auftraggeber für die allgemeine Kommunikation oder entsprechende Ansprechpartner.

64

Die Antragsgegnerin hat im Vergabevermerk und auch noch einmal schriftsätzlich im Zuge des Nachprüfungsverfahrens darauf hingewiesen, dass es sich bei dem von der Antragstellerin zu diesem Konzeptpunkt erwähnten Qualitätsmanagementsystems nach der DIN/ISO 9000 ff. um ein Kriterium handelt, welches bereits im Rahmen der Eignung von den Bietern verlangt wurde. Tatsächlich hatte die Antragsgegnerin in der Angebotsaufforderung unter Ziff. 11.3, Unterziff. 13 als Eignungsnachweis gefordert:

"Zertifikat über ein Qualitätsmanagementsystem für die ausgeschriebene oder vergleichbare Leistung, welches zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht älter als 3 Jahre sein darf".

65

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin das Vorhandensein dieses Eignungsnachweises nicht noch einmal im Rahmen der Konzeptbewertung positiv herangezogen hat. Da das Konzept der Antragstellerin für diesen Unterpunkt keine Aussagen zum Datenschutz, der Zusammenarbeit mit dem Träger der Öffentlichkeitsarbeit und dem Beschwerdemanagement enthält, ist auch die diesbezügliche unterdurchschnittliche Bewertung nachvollziehbar dokumentiert.

66

12.2.08 Psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter

67

Hier sollte nach den Erläuterungen der Antragsgegnerin von den Bietern dargelegt werden, welche psycho-sozialen Betreuungsmöglichkeiten für Mitarbeiter vorgesehen werden und unter welchen Umständen diese zum Einsatz kommen. Für dieses Kriterium hat lediglich das Konzept der Beigeladenen zu 2 eine überdurchschnittliche Bewertung von xxxxxx Punkten erhalten. Sowohl das Konzept der Antragstellerin als auch das Konzept der Beigeladenen zu 1 wurde diesbezüglich lediglich mit xxxxxx Punkten bewertet. Für das Konzept der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin im ergänzenden Vergabevermerk hier positiv hervorgehoben, dass die Antragstellerin die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes mit praktischen Psychologen plant. Die Ausführungen diesbezüglich aber seien äußerst knapp, so dass die Praktikabilität und die geplante Umsetzung nicht erkennbar seien. Die Antragstellerin habe ferner zwar beschrieben, dass sie Richtlinien für die psychische und soziale Betreuung im Zusammenhang mit Unfällen, akuten Krisensituationen und schwerwiegenden Ereignissen, die Krisensituationen auslösen können, habe. Die Antragsgegnerin hat im Konzept der Antragstellerin jedoch hierzu nähere Angaben in den Ausführungen vermisst. Insgesamt sei eine klare Struktur von psycho-sozialer Betreuung der Mitarbeiter nicht erkennbar. Abläufe werden nach den Feststellungen der Antragsgegnerin zu wenig detailliert und für den Auftraggeber nicht oder nur schwer nachvollziehbar dargestellt. Ferner moniert die Antragsgegnerin, dass nicht erkennbar ist, wie die Antragstellerin die Umsetzung mit Personen vor Ort erbringen und welche Mitarbeiter sie mit welcher Qualifikation einsetzen und anbieten wird. Damit korrespondierend hat die Antragsgegnerin für das Konzept der Beigeladenen zu 2, das diesbezüglich mit xxxxxx Punkten bewertet wurde, positiv hervorgehoben, dass die Beigeladene zu 2 ein eigenes Einsatznachsorgeteam vorhält und anbietet, welches rund um die Uhr erreichbar ist. Ferner hat die Beigeladene zu 2 in ihrem Konzept angegeben, dass auch Fachkräfte mit Hochschulausbildung in die Einsatznachsorge eingebunden werden. Beim Konzept der Beigeladenen zu 1, das für dieses Unterkriterium ebenso wie das Konzept der Antragstellerin lediglich xxxxxx Punkte erzielt hat, hat die Antragsgegnerin negativ vermerkt, dass die Beigeladene zu 1 nach ihrem Konzept im Wesentlichen nur fortgebildete Mitarbeiter ohne professionellen Hintergrund einsetzen will. Auch diesbezüglich hat die Antragsgegnerin die unterschiedliche Bewertung nachvollziehbar dargelegt und sich nicht von sachfremden Gesichtspunkten leiten lassen.

68

Insgesamt ist daher festzustellen, dass die Antragsgegnerin auch bei der Konzeptbewertung ausschließlich die Kriterien, Maßstäbe und Festlegungen berücksichtigt hat, die sie den Bietern mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe und der Leistungsbeschreibung bekannt gemacht hatte. Eine Festlegung weiterer Unterkriterien wurde von den Bietern nicht vermisst, geschweige denn wurde das Fehlen weiterer Unterkriterien von den Bietern, die allesamt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der verfahrensgegenständlichen Rettungsdienstleistungen verfügen, gerügt. Da hier ausdrücklich Bieter konzepte bewertet werden sollten, wären noch detailliertere Vorgaben der Antragsgegnerin auch nicht zweckmäßig gewesen, weil sie die Möglichkeiten der Bieter zur konzeptionellen Darstellung zu weit eingeschränkt hätten. Entscheidend ist vielmehr, dass die Antragsgegnerin bei der Konzeptbewertung keine sachfremden, überraschenden oder unter die Kriterien nicht zu subsumierenden Gesichtspunkte hat einfließen lassen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin negative Feststellungen und positive, punkteerhöhende Aspekte bei allen Bieterkonzepten gleichermaßen berücksichtigt. Anhaltspunkte für eine willkürliche Beurteilung liegen nicht vor. Die Antragsgegnerin hat sich somit auch bei der Konzeptbewertung im Rahmen des den öffentlichen Auftraggebern auch durch § 16 Abs. 7 VOL/A verbleibenden Beurteilungsspielraums gehalten. Die Antragsgegnerin hat daher die Angebotswertung nunmehr in nicht zu beanstandender Weise erneut durchgeführt und in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

69

Auch soweit die Antragstellerin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht hat, die Beigeladene zu 1 habe sich gleichzeitig auch noch im Rahmen einer Bietergemeinschaft mit der xxxxxx am Vergabeverfahren beteiligt, was als Mehrfachbeteilung gegen den Grundsatz des geheimen Wettbewerbs und damit gegen den Wettbewerbsgrundsatz gemäß § 2 Abs. 1 VOL/A verstoßen könnte, ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Antragstellerin leitet diese Vermutung aus einem offensichtlichen Schreibfehler in der Vergabeakte ab (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.09.2011, 13 Verg 4/11). Ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte haben lediglich fünf Bieter für das verfahrensgegenständliche Los 1 Angebote abgegeben, von denen drei gewertet wurden. Eine Bietergemeinschaft ist nicht darunter.

70

Mit Ausnahme des von der Antragstellerin monierten oben unter II.2.a erörterten Fehlers bei der Information gemäߧ 101a GWB bezüglich der Festlegung des frühestmöglichen Zeitpunkts für den Zuschlag und den damit verbundenen Verstoß gegen § 118 Abs. 3 GWB war der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin daher zurückzuweisen.

71

III. Kosten

72

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.

73

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

74

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt für das verfahrensgegenständliche Los 1 für eine Vertragslaufzeit von 6 Jahren xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem von der Antragsgegnerin geprüften und dokumentierten Angebotspreis der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

75

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.

76

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.

77

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

78

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Aufteilung der Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag weitgehend erfolglos war. Begründet ist der Nachprüfungsantrag nur im Hinblick auf den von der Antragstellerin gerügten Verstoß gegen § 118 Abs. 3 GWB durch die fehlerhafte Festlegung des frühesten Zeitpunkts des Zuschlags im Informationsschreiben gemäß § 101a GWB. Es angemessen, der Antragstellerin 4/5 und der Antragsgegnerin 1/5 der Kosten aufzuerlegen.

79

Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

80

Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben in diesem Verfahren keine eigenen Anträge gestellt. Sie sind daher an der teilweisen Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin nicht zu beteiligen.

81

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu je 1/5 zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

82

Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/5 zu tragen.

83

Kosten der Antragsgegnerin

84

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragsgegnerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Antragsgegnerin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

85

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

86

Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i.V.m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, zitiert nach ibr-online; Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Grundsätzlich trifft es auch immer noch zu, dass die Nachprüfungsverfahren unter einem enormen Beschleunigungs- und Zeitdruck stehen und das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus dem nationalen Recht und dem Europarecht darstellt, welche nicht immer im Gleichklang stehen. Auf der anderen Seite wird die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig eher nicht notwendig sein, wenn sich die darin aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung darüber erschöpfen, ob die Vergabestelle das von ihr im Rahmen des streitbefangenen Vergabeverfahrens ohnehin zu beachtende "materielle" Vergaberecht zutreffend angewandt hat, d.h. im Wesentlichen die Bestimmungen der Verdingungsordnung eingehalten sind. Denn dann ist - zumindest bei größeren Auftraggebern, die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen, der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren Ergebnisse zu rechtfertigen eine Vergabestelle grundsätzlich auch ohne anwaltlichen Beistand in der Lage sein muss (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 0001/10, zitiert nach [...], Tz 15 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juni 2010 - 15 Verg 4/10, zitiert nach [...], Tz 54; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2008 - Verg 6/08, zitiert nach [...], Tz 13).

87

Nach dieser Maßgabe war es für die Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Denn der Nachprüfungsantrag betraf nicht allein Probleme des gewöhnlichen materiellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, das eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltlichen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertreten muss. Gegenstand war vorliegend die Erste Ausschreibung von Rettungsdiensten in Niedersachsen und insbesondere auch die Bewertung von Bieterkonzepten auf der Grundlage des NRettDG und spezifische, das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren betreffende Fragen, wie z.B. die Anforderungen an die Rügepflicht. Auch handelt es sich vorliegend bereits um den fünften Nachprüfungsantrag zur verfahrensgegenständlichen Ausschreibung der Antragsgegnerin. Sie bedurfte daher auch unter Kapazitätsgesichtspunkten anwaltlicher Unterstützung.

88

Da die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren zu einem geringen Teil unterlegen ist, ist ihr Erstattungsanspruch gegen die Antragstellerin auf 4/5 zu begrenzen.

89

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den auf sie entfallenden Betrag von xxxxxxEUR unter Angabe des Kassenzeichens

90

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

91

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

92

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist gem. § 117 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.

93

...

94

Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Gause
Schulte
Brinkmann