Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 03.11.2011, Az.: VgK-47/2011
Zulässigkeit der Nichtberücksichtigung eines Angebots in einem Vergabeverfahren wegen Verweigerung eines berechtigten Aufklärungsverlangens; Bestehen berechtigter Zweifel hinsichtlich der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Angebots
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 03.11.2011
- Aktenzeichen
- VgK-47/2011
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 31529
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 VOB/A
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 114 Abs. 1 GWB
In dem Nachprüfungsverfahren der ... Verfahrensbevollmächtigte: ... - Antragstellerin - gegen die ... Verfahrensbevollmächtigte: ... - Antragsgegnerin - beigeladen: die ... - Beigeladene - wegen ... Deponiestilllegung hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende RD' in Dr. Raab, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und den ehrenamtlichen Beisitzer Baudirektor Weyer auf die mündliche Verhandlung vom 11.10.2011 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
- 3.
Die Kosten werden auf ... EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsgegnerin notwendig.
Begründung
I.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom ....2010 hat die Stadt ... für ihren Eigenbetrieb "..." das VOB-Vergabeverfahren "... BA 3.1 Deponiestilllegung" als Nichtoffenes Verfahren ausgeschrieben. Der Auftrag umfasst die Herstellung des Oberflächenabdichtungssystems auf 45.000 m2 Fläche im Bauabschnitt 3.1 zur Stilllegung der .... Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen, Nebenangebote waren zugelassen. Der Zuschlag soll auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden.
Die ausgeschriebene Oberflächenabdichtung umfasst - nach vorbereitenden Maßnahmen am Deponiekörper - im Wesentlichen folgende Baumaßnahmen:
- Herstellung einer gasgängigen Ausgleichschicht, d = 50 cm
- Herstellung einer 15 cm dicken mineralischen Schutzlage unterhalb der Kunststoffdichtungsbahn
- Herstellung einer Kunststoffdichtungskomponente als PE-HD-Bahn
- Herstellung einer mineralischen Entwässerungsschicht, d = 25 cm
- Herstellung einer vorläufigen Rekultivierungsschicht, d = 50 cm,m Körnung 0/120 mm
Im Rahmen dieser Maßnahmen werden die Lieferung und der profil- und fachgerechte Einbau von Rekultivierungsböden ausgeschrieben. Die Leistungsbeschreibung enthält unter Ziffer 2.7 Oberflächenabdichtung Stufe 1 hierzu u.a. folgende Ausführungen:
"50 cm Bodenabdeckung als Abdeckschicht - vorläufige Rekultivierungsschicht Körnung 0/120 mm (unverbindlicher Hinweis: Ausführung im 2. BA aus Steinbruchmaterial der ... Körnung 0/120 mm).
Weitere darüber hinausgehende Anforderungen an Material und Einbau/Herstellung sind im beigefügten Qualitätsmanagementplan zusammengestellt. Daneben gelten die allgemeinen abfallrechtlichen Anforderungen der Verordnung über Deponien und Langzeitlager (Deponieverordnung - DepV), verkündet als Art. 1 VO zur Vereinfachung des Deponierechts vom 27.04.2009 (BGBl. I S. 900)."
Pos. 1.6.180 des Leistungsverzeichnisses beinhaltet die Auffüllung von ca.2.000,000 m³gemischtkörnigem Boden im Bereich der Westböschung. Von den Bietern werden Angaben zum Material, dessen Beschaffenheit und Herkunft abgefragt. Vom Auftragnehmer sind Nachweise zur Verdichtung zu führen.
Mit Pos.1.6.280 wird die Abdeckschicht oberhalb der Entwässerungsschicht ausgeschrieben. Zu liefern und filterstabil gegenüber der Entwässerungsschicht einzubauen sind ca. 25.000,000 m³gemischtkörniger Boden der Körnung 0/120 mm. Von den Bietern werden Angaben zum Material, dessen Beschaffenheit und Herkunft abgefragt.
Pos.1.9.10 bezieht sich auf die Lieferung und den fach- und profilgerechten Einbau von ca.9.000,000 m³gemischtkörnigem Boden im Rahmen der Herstellung der Bermenwege. Auch hier werden von den Bietern Angaben zum Material, dessen Beschaffenheit und Herkunft abgefragt.
Unter Pos. 1.6.420 "Versuchsfeld I Oberflächenabdichtung" wird die Herstellung eines Versuchsfeldes ausgeschrieben. Das Versuchsfeld dient zum Nachweis dafür, dass die mit der Planung beabsichtigte Wirksamkeit und Funktionsfähigkeit des Abdichtungssystems erzielt werden kann. Aus den einzelnen Schichten des Oberflächenabdichtungssystems werden zur Eigen- und Fremdprüfung Proben entnommen und untersucht. Die Einhaltung aller geforderten Qualitätsnachweise gemäß Qualitätsmanagementplan und Herstellerangaben sind durch Eigen- und Fremdüberwachung komponentenspezifisch nachzuweisen. Im Falle der Nichterfüllung gehen alle für eine Wiederherstellung erforderlichen Aufwendungen zu Lasten des Auftragnehmers.
Zum Leistungsumfang der Pos. 1.6.280 und 1.9.10 gehören die mit dem Qualitätsmanagementplan (Stand Januar 2011) vorgegebenen Untersuchungen im Rahmen der Eigenüberwachung und ihre Dokumentation. Die Ergebnisse sind jeweils spätestens 5 Tage nach Einbau dem Auftraggeber zu übergeben.
Der Qualitätsmanagementplan enthält unter Ziffer 6.1.1.5 "Eignungsprüfung der Abdeckschicht - vorläufige Rekultivierungsschicht (Stufe I)" folgende Vorgaben für die Auftragsdurchführung:
"Für alle Materialien der Abdeckschicht ist ein Eignungsnachweis vorzulegen, der den Vorgaben der DepV (2009) entspricht. Der Herkunftsort und die Verfügbarkeit sind anzugeben. Die Entnahmestelle ist repräsentativ zu beproben."
Zu den Verdingungsunterlagen gehört als Anlage 25 ein Bauzeitenplan, zu dem die Leistungsbeschreibung unter Ziffer 2.1 folgende Hinweise enthält:
"Projektzeit und Ablaufplan
Die Baumaßnahme ist eingebunden in den abfallrechtlich abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan zur Stilllegung der .... Daraus ergibt sich die zeitliche Anforderung, die Baumaßnahme zur Oberflächenabdichtung BA 3.1 im Jahr 2011 abzuschließen.
Grundlage der Angebotsbearbeitung und Bauausführung ist der vom ... vorgegebene, als Anlage 25 beigefügte Rahmenterminplan. Der AN hat die Kalkulation mit den zur Einhaltung des Terminplanes erforderlichen Geräten und Personal durchzuführen, mit dem Angebot die von ihm kalkulierten Leistungsansätze in Spalte 3 der Anlage 25 einzutragen und diese mit dem Angebot vorzulegen und durch Unterschrift zu bestätigen."
Nach Maßgabe der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung waren sechs Angebote fristgerecht bei der Vergabestelle eingegangen. Nach den ungeprüften Angebotssummen hat die Antragstellerin mit einer Angebotssumme von ... EUR das preislich günstigste Hauptangebot vorgelegt. Auf Rang 2 folgt das Angebot der Beigeladenen mit einer Angebotssumme von ... EUR.
Das mit der Prüfung und Wertung der Angebote beauftragte Ingenieurbüro ... stellte fest, dass vier der sechs Angebote, hierunter das Angebot der Antragstellerin, unvollständig sind.
Die Antragsgegnerin schloss das Angebot der Antragstellerin wegen Unvollständigkeit aus.
Die Antragstellerin wandte sich erfolgreich mit einem Nachprüfungsantrag gegen diesen Ausschluss. Mit Beschluss vom 23.06.2011 verpflichtete die Vergabekammer die Antragsgegnerin zum Wiedereintritt in die Wertung.
Mit Schreiben vom 05.07.2011 lud die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einem Aufklärungsgespräch ein. Dies geschah u.a., um sich zu Pos. 1.6.180 nachweisen zu lassen, dass es sich bei dem angebotenen Boden ausschließlich um nicht verunreinigtes, natürliches Bodenmaterial handelt. Im Falle der Pos. 1.6.280 bat sie um Aufklärung zum Material der Lieferkörnung 0/120 und zur Einhaltung der chemischen Untersuchungsparameter gemäß DepV (2009), (Anhang 3, Tabelle 2, Spalte 9). Auch zu Pos. 1.9.10 sollte die Antragstellerin nachweisen, dass es sich ausschließlich um nicht verunreinigtes, natürliches Bodenmaterial handelt, bei dem die chemischen Untersuchungsparameter gemäß DepV (2009), (Anhang 3, Tabelle 2, Spalte 9) eingehalten werden.
Das Aufklärungsersuchen enthält für alle aufzuklärenden Positionen folgende Hinweise:
"Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die aufgeführten materialtechnischen Nachweise für alle zum Einbau vorgesehenen Baustoffe / Deponieersatzbaustoffe hinsichtlich Beprobungen und Untersuchungen für die gesamte Liefermenge repräsentativ sein müssen.
Darüber hinaus sind für jedes Material Herkunft, Lieferant und Verfügbarkeit in der nachgewiesenen Qualität / Beschaffenheit prüffähig nachzuweisen. Dies gilt im Besonderen für die Materialien, deren Herkunft im Leistungsverzeichnis mit "Baustellenaushub ..." angegeben wurde. Die Verfügbarkeit ist anhand bestehender Verträge und Leistungsverzeichnisse schlüssig und prüfbar nachzuweisen.
Zur Ausführung gelangen nur Materialien, welche im Rahmen des Vergabeverfahrens zur fachtechnischen Beurteilung vorgelegt wurden, da evtl. genehmigungsrechtliche Abstimmungen erforderlich sind, mit den Naturschutzbehörden.
Die in den Verdingungsunterlagen aufgeführten weiteren Nachweise (Eignungsprüfungen etc.) werden gemäß QMP zusätzlich später erforderlich.
Die Vorlage der Materialspezifikationen, Materialnachweise und Kalkulationsunterlagen erwarten wir im Rahmen des Bietergespräches am 11.07.2011."
Die Antragstellerin hatte zu allen drei Positionen gemischtkörniges Bodenmaterial aus eigenem/konzerneigenem Baustellenaushub im Großraum ... und ... angeboten.
Mit Schreiben vom 07.07.2011 rügte die Antragstellerin die Forderung der Antragsgegnerin zur Vorlage von Nachweisen der Verfügbarkeit für das Material der Positionen 1.6.180, 1.6.280 und 1.9.10 im Rahmen der Angebotsaufklärung als vergaberechtswidrig. Das angebotene Material sei marktgängig. Aus den Vergabeunterlagen ergebe sich auch nicht, dass Eignungs- und Kontrollprüfungen bereits im Vergabeverfahren stattfinden sollten. Die Vergabeunterlagen enthielten einen Qualitätsmanagementplan, in welchem die Nachweisführung für jeden einzelnen Baustoff bzw. Deponieersatzbaustoff festgelegt sei. Vergaberechtswidrig sei auch die Forderung der Antragsgegnerin, dass nur Materialien zur Ausführung kämen, welche bereits im Vergabeverfahren zur fachtechnischen Beurteilung vorgelegt worden seien.
Über das Aufklärungsgespräch am 11.07.2011 fertigte die Antragsgegnerin einen mit dem 12.07.2011 datierten Vermerk. Hiernach gab die Antragstellerin Erläuterungen zum Bauablauf und legte für einige der von ihr angebotenen Materialien Materialnachweise vor. Hierbei wies sie darauf hin, dass nach ihrem Verständnis im Vergabeverfahren selbst noch keine Pflicht zur Vorlage von Materialnachweisen bestehe. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass im Rahmen des Vergabeverfahrens nur Nachweise der Materialverfügbarkeit gefordert würden, keine Eignungsnachweise, die gemäß Qualitätsmanagementplan im Auftragsfall vom Auftragnehmer zu erbringen sein würden. Für die streitbefangenen Positionen 1.6.180 Bodenauftrag Westböschung, 1.6.280 Abdeckschicht - vorläufige Rekultivierungsschicht und 1.9.10 Bodengemisch gemischt körnig, Bermenwege, wurde im Protokoll des Aufklärungsgespräches Folgendes festgehalten:
"Für das Material dieser drei Positionen lauten die Liefereintragungen im Leistungsverzeichnis übereinstimmend wie folgt:
Material: Bodenmaterial
Beschreibung: gemischt körniges Bodenmaterial
Baustellenaushub ... Großraum ...
Für diese Materialien werden vom Bieter keine Analysen oder sonstige Nachweise, z.B. Nachweis der Lieferkörnung, vorgelegt.
Nach Aussage von Herrn ... sieht die ... nicht die Notwendigkeit, jetzt bereits die Verfügbarkeit der gesamten benötigten Menge nachzuweisen. Durch das firmeneigene Bodenmanagement sei sichergestellt, dass während der Baumaßnahme ausreichend geeignetes Bodenmaterial zur Verfügung stehe. Grundlage der Kalkulation ist eigenes Material (Baustellenaushub) der Fa. .... Material der ... stände auch zur Verfügung, ist aber zu teuer.
Herr ... weist darauf hin, dass die Bietereintragungen im Leistungsverzeichnis nicht konkret seien. Es ist deshalb notwendig, im Rahmen der Angebotsprüfung konkretere Aussagen über die Beschaffenheit und die Verfügbarkeit geeigneter Materialien zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund konkretisiert die Fa. ... folgende Mengen verfügbaren Bodenaushubs:
5000 m³ Bodenaushub aus dem Bereich ...
5000 m³ Bodenaushub an der ... in ...
2500 m³ Bodenaushub in einer Bodenmiete im Bereich ...
Chemische Analysen oder Körnungslinien des Bodenaushubs liegen nicht vor.
Herr ... weist darauf hin, dass Bodenaushub aus Baustellen unter die Regelungen des KrW-/AbfG fällt und mit einer entsprechenden für den Bodenaushub geltenden Abfallschlüsselnummer (... Boden und Steine) belegt ist. Die projektspezifischen Eigen- und Fremdprüfungen ersetzen nicht die abfallrechtlichen Prüfvorgaben, z.B. gemäßDeponieverordnung Anhang 4. Entsprechend umfangreich sei auch die durchzuführende Probenahme und Analytik, die für jede Bodenentnahme durchzuführen ist.
Nach Aussage der Fa. ... stellt die umfangreiche Analytik für sie kein Problem dar."
Mit Schreiben vom 17.08.2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ihren Rügen nicht abhelfen werde.
Mit Schreiben vom 26.08.2011 informierte sie die Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot wegen Verweigerung der Angebotsaufklärung nicht berücksichtigt werde und der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle.
Die Antragstellerin rügte diese Entscheidung mit Schreiben vom 29.08.2011.
Die Antragsgegnerin wies diese Rüge am 31.08.2011 zurück und begründete ihr Aufklärungsverlangen damit, dass Baustellenaushub nach der Abfallverzeichnisordnung Abfall darstelle. Dementsprechend sei zu prüfen, ob im Falle des Einbaus des angebotenen Materials keine illegale Abfallverwertung erfolge.
Am 01.09.2011 wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer. Hierzu trägt sie vor, die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes wegen verweigerter Aufklärung sei vergaberechtswidrig. Im Rahmen der Aufklärung habe sie alle für die Angebotsprüfung notwendigen Auskünfte gegeben. Die von ihr gerügte Abforderung materialtechnischer Nachweise, Materialspezifikationen und Nachweise der Verfügbarkeit des angebotenen Rekultivierungsbodens seien nach den Vorgaben der Ausschreibung nicht zu rechtfertigen und im Übrigen unzumutbar.
In ihrem Angebot habe sie den ausgeschriebenen Boden angeboten, das Material bezeichnet, beschrieben und seine Herkunft hinreichend präzise erklärt. Konkrete Angaben des Herkunftsortes seien nach den Regelungen des Qualitätsmanagementplanes erst vom Auftragnehmer gefordert. In den Vergabeunterlagen habe die Antragsgegnerin eine exakte Zusammensetzung des zu liefernden Bodens nicht vorgegeben. Hieran sei sie gebunden und könne nunmehr von ihr vermisste Angaben zur Korngrößenverteilung nicht nachfordern bzw. zum Anlass für einen Angebotsausschluss nehmen. Die Vorlage von Nachweisen zur Materialqualität war zum Vergabeverfahren nicht verlangt worden. Nachweise hierzu sehe die Ausschreibung nach den Regelungen des Qualitätsmanagementplanes erst im Rahmen der Eigenüberwachung bei Auftragsdurchführung vor. Der Qualitätsmanagementplan war den Vergabeunterlagen als späterer Vertragsbestandteil beigefügt, er musste aber nicht ausgefüllt zurückgegeben werden.
Auch § 15 VOB/A berechtige die Antragsgegnerin nicht, im Rahmen der Aufklärung ihres Angebotes Nachweise für die Materialspezifikationen und für die Verfügbarkeit der Materialien zu verlangen. § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A regele abschließend, zu welchen Zwecken ein Auftraggeber Aufklärung verlangen darf.
Der in den streitbefangenen Positionen ausgeschriebene Boden sei marktgängig, komme mehr oder weniger überall vor und sei im Großraum ... ohne weiteres verfügbar und stehe ihr auch im erforderlichen Umfang zur Verfügung. Da ihre Leistungsfähigkeit im Teilnahmewettbewerb überprüft und bestätigt worden sei, stelle sich bei der Angebotswertung nicht mehr die Frage, ob sie in der Lage sei, ein marktgängiges Material zu liefern und es könne auch keine Rolle spielen, ob dieses bereits eingekauft oder für den Fall der Zuschlagserteilung reserviert sei.
Der Vorwurf, sie habe sich bei der Kalkulation ihres Angebotes nicht um die Qualität des einzubauenden Bodenmaterials gekümmert, sei nicht berechtigt.
Die Antragsgegnerin benötige die geforderten Nachweise auch nicht, um sicherzustellen, dass keine illegale Abfallverwertung erfolge. Baustellenaushub sei zwar zunächst Abfall. Der Einbau von als Abfall geltendem Bodenaushub in eine Rekultivierungsschicht sei bei Einhaltung der mit der DepV vorgegebenen Grenzwerte nicht unzulässig, sondern finde regelmäßig statt. Die Qualität des Bodens müsse nach dem Aushub gemäß Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz festgestellt werden. Hiernach werde das Material entsprechend dem Abfallverzeichnis verschlüsselt. Die Vergabe der Schlüsselnummer erfolge nach Aushub und Überprüfung durch Anmeldung bei der zuständigen Behörde. Wiederverwertet werden dürfe nur Baustellenaushub, dem die Verschlüsselung Nr. 17 05 04 zugeordnet worden sei. Auch der Qualitätsmanagementplan schließe den Einbau stark verunreinigten Bodens (Verschlüsselung Nr. 17 05 03) aus. Ihre Angabe im Angebot, es handele sich um Baustellenaushub, lasse nicht auf eine mindere Qualität und auch nicht auf eine illegale Abfallverwertung schließen.
Soweit die Antragsgegnerin ihre Forderungen damit zu begründen suche, dass ihr mit der Sicherungs- und Rekultivierungsverfügung Nachweispflichten auferlegt worden seien, die im Falle der Wiederholung von Bodenprüfungen ein Mehrkostenrisiko besorgen ließen, sei dem entgegenzuhalten, dass sie solche Risiken ggf. durch Aufnahme entsprechender Qualitätsanforderungen und Nachweispflichten in die Vergabeunterlagen hätte abwenden müssen. Nach den Vorgaben des Qualitätsmanagementplanes sei vor Einbau des Bodens ohnehin ein Versuchsfeld herzustellen, um nachzuweisen, dass die gestellten Anforderungen erfüllt würden. Mit ihrer Nachweisforderung ziehe die Antragsgegnerin unverhältnismäßig und unzumutbar Leistungen vor, die nach den Vorgaben der Ausschreibung erst bei Auftragsdurchführung zu erbringen sind.
Die Antragstellerin beantragt
- die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin nicht zu berücksichtigen, aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin fortzusetzen und die Wertung der Angebote zu wiederholen;
- die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für erforderlich zu erklären;
- der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin beantragt
- den Antrag zurückzuweisen
- festzustellen, dass es für die Antragsgegnerin erforderlich war, einen Verfahrensbevollmächtigten hinzuzuziehen.
Sie hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet.
Hierzu trägt sie vor, der Angebotsausschluss sei gerechtfertigt, weil die Antragstellerin ihrem berechtigten und zwingend gebotenen Aufklärungsverlangen nicht entsprochen habe.
Im Leistungsverzeichnis seien für die streitbefangenen Positionen Bieterangaben zu Material, dessen Beschreibung und Angaben zur Herkunft abgefragt. Anhand dieser Bieterangaben müsse sie überprüfen, ob das jeweils angebotene Bodenmaterial den geforderten Bodenspezifikationen entspreche und eine ordnungsgemäße Auftragsabwicklung erwartet werden könne. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die während der Bauausführung erforderlich werdenden Bodeneignungsprüfungen.
Die Antragstellerin habe sich im Angebot auf die Angaben
"Baustellenaushub ... Großraum ..."
beschränkt. Anhand dieser Angaben habe sie nicht feststellen können, ob das angebotene Bodenmaterial den in der Ausschreibung geforderten Bodenspezifikationen entspreche. Für Pos. 1.6.280 sei eine Korngrößenverteilung von 0 bis 120 mm gefordert. Diese Lieferkörnungsvorgabe habe nichts mit dem Korngrößenmassenanteil gemäß DIN 18196 zu tun. Verlangt sei vielmehr, dass der zu liefernde Boden die gesamte Bandbreite von 0 bis 120 mm abdecke. Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem angebotenen Material um Baustellenaushub handelt, beständen Zweifel an der Erfüllung dieser Vorgabe. Der Baustellenaushub solle von der Entnahmestelle direkt zur Deponie transportiert und eingebaut werden. Im Gegensatz zu marktgängigem Bodenmaterial aus gütetechnisch überwachten Aufbereitungsanlagen könne bei Baustellenaushub die erforderliche konstant gleich bleibende Lieferkörnung von 0/120 mm nicht gewährleistet werden - ein Grund, warum Baustellenaushub für diese Zwecke nicht eingesetzt werde.
Die unklaren Angaben zu den streitbefangenen Positionen ließen vermuten, dass sich die Antragstellerin nicht auf eine bestimmte Bodenqualität festlegen konnte oder wollte.
Nach der Abfallverzeichnisverordnung gelte zudem Baustellenaushub als Abfall, so dass im Falle seiner Verwertung besondere Anforderungen an die Projektdurchführung und die Qualitätsüberwachung zu stellen wären. So müsse jede Baustellenaushubstelleeinzeln beprobt und analysiert werden, was sich - anders als beim Einsatz von güteüberwachtem Material - massiv auf die zeitliche Projektabwicklung auswirken und die Einhaltung des von der Antragstellerin unterzeichneten Bauzeitenplanes infrage stellen würde. Dies gelte umso mehr im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin die Entnahmestellen nicht bezeichnen konnte. In ihrer Kalkulation habe die Antragstellerin zudem lediglich eine einzige Eignungs- und Bodenkontrollprüfung berücksichtigt, obwohl sie die Absicht habe, Bodenaushub aus verschiedenen Baustellen zu verwenden.
Das Verhalten der Antragstellerin lasse darauf schließen, dass sie sich bei Angebotsabgabe überhaupt keine Gedanken darüber gemacht habe, ob das von ihr vorgesehene Material den ausgeschriebenen Bodenspezifikationen entsprechen würde. Im Aufklärungsgespräch habe die Antragstellerin dargelegt, dass sie derzeit nur über ca. ein Drittel des erforderlichen Bodens verfüge. Sie habe lediglich auf ein "firmeneigenes Bodenmanagement" hingewiesen, mit welchem sichergestellt werde, dass für die Auftragsdurchführung immer ausreichend Bodenmaterial zur Verfügung stände. Sie habe zudem eingeräumt, dass sie das von ihr unterbreitete Nebenangebot Nr. 5 - Verlängerung der Bauzeit - im Hinblick auf die Risiken der Beschaffung geeigneter Aushubmaterialien unterbreitet habe.
Der Vorwurf, mit ihrem Nachweisverlagen ziehe sie Leistungen vor, welche erst vom Auftragnehmer zu erbringen seien, gehe ins Leere, da die von ihr im Rahmen der Aufklärung verlangten repräsentativen Qualitäts- und Verfügbarkeitsnachweise nichts mit dem Qualitätsmanagementplan zu tun hätten.
Dass sie im Rahmen dieser Aufklärung die bloßen Zusicherungen der Antragstellerin nicht akzeptiere, sondern konkrete Nachweise verlangt habe, sei nicht unverhältnismäßig und belaste die Antragstellerin nicht unzumutbar. Dagegen sei ihr als Auftraggeberin nicht zuzumuten, einen Bauvertrag auf der Grundlage eines Angebotes abzuschließen, das seinem Inhalt nach unklar geblieben sei.
Die Beigeladene hat sich schriftlich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2011 und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin wird nicht in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht wegen Verweigerung eines berechtigten Aufklärungsverlangens nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 VOB/A unberücksichtigt gelassen.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragsgegnerin ist eine öffentliche Auftraggeberin gemäߧ 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftragswert übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Der für die vorliegende Ausschreibung geltende Schwellenwert liegt bei der Vergabe von Bauaufträgen gemäß § 2 Nr. 3 VgV bei 4.854.000 EUR netto. Bereits für den streitgegenständlichen Bauabschnitt 3.1 liegt der Auftragswert nach Schätzung der Antragsgegnerin bei ... EUR netto. Somit übersteigt der Gesamtauftragswert für die Baumaßnahme den maßgeblichen Schwellenwert.
Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterunternehmen im Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, die Antragsgegnerin habe unter Verstoß gegen die Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A vergaberechtswidrig wegen Verweigerung der Aufklärung ihr Angebot unberücksichtigt gelassen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt, das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, das Aufklärungsverlangen der Antragsgegnerin überschreite aus ihrer Sicht den von § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A vorgegebenen Rahmen, so dass der Ausschluss ihres Angebots vergaberechtswidrig erfolgt sei. Da die Antragstellerin mit ihrem Angebot auf dem ersten Rang gelegen hat, ist sie ohne Weiteres antragsbefugt.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Voraussetzung ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt, und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden, vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/00.
Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von 1 bis 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/04; Bechtholt, GWB, § 107, Rdnr. 2). Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt eine Rügefrist von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB zumindest regelmäßig nicht (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtlage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Die Antragstellerin erhielt mit der per Fax abgesendeten Information gemäß § 101a GWB vom 26.08.2011 Kenntnis von der Entscheidung der Antragsgegnerin, ihr Angebot wegen Verweigerung geforderter Aufklärung auszuschließen. Mit Fax vom 29.08.2011, also bereits 3 Tage danach, rügte die Antragstellerin den Ausschluss als vergaberechtswidrig. Zur Begründung trug sie vor, es sei unberechtigt, im Rahmen der Aufklärung materialtechnische Qualitäts- und Verfügbarkeitsnachweise zu verlangen, sie habe Material angeboten, das den Anforderungen der Ausschreibung in jeder Hinsicht entspreche. Die innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt des Informationsschreibens gegenüber der Antragsgegnerin erhobene Rüge ist unverzüglich im Sinne des§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB erfolgt. Mit der Einlegung des Nachprüfungsantrags am 01.09.2011 ist auch die Frist des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB gewahrt. Die Antragstellerin hatte die Rüge hinsichtlich des unberechtigten Aufklärungsverlangens bereits mit Schreiben vom 07.07.2011 erhoben. Die Antragsgegnerin teilte am 17.08.2011 mit, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, so dass die 15-Tages-Frist des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB mit Einlegung des Nachprüfungsantrags am 01.09.2011 eingehalten war.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht in ihren Rechten i. S. der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht wegen Verweigerung eines berechtigten Aufklärungsverlangens nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VOB/A unberücksichtigt gelassen.
Nach Auffassung der Vergabekammer war das Aufklärungsverlangen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Verfügbarkeit des einzubauenden Materials im Grunde berechtigt und sie hat sich ohne Ermessensfehler dafür entschieden, das Angebot der Antragstellerin gemäß § 15 Abs. 2 VOB/A nicht zu berücksichtigen.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A darf der Auftraggeber bei Ausschreibungen nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung von einem Bieter nur Aufklärung verlangen, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen oder Bauteilen und über die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen (Kalkulationen) zu unterrichten.
Das Aufklärungsverlangen der Antragsgegnerin betraf mit der Nachfrage nach dem einzubauenden Material das Angebot selbst und ist damit grundsätzlich von der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. VOB/A umfasst.
Der Antragstellerin ist es nicht gelungen, die berechtigten Zweifel der Antragsgegnerin an der Verfügbarkeit des für das vorliegende Rekultivierungsvorhaben erforderlichen geeigneten Abdeckmaterials auszuräumen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestanden berechtigte Zweifel daran, dass sie das erwartete Abdeckmaterial aus eigenem/konzerneigenem Baustellenaushub im Großraum ... den materiellen und zeitlichen Vorgaben der Ausschreibung entsprechend liefern kann. Denn für die vorläufige Rekultivierungsschicht in der streitbefangenen Pos. 1.6.280 des Leistungsverzeichnisses war nach den Erkenntnissen der Kammer ein nicht marktgängiges Abdeckmaterial gefordert, das als Bodenaushub in dem von der Antragstellerin bezeichneten norddeutschen Raum äußerst selten vorkommt.
Gemäß § 9 Nr. 1 VOB/A ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Maßgeblich ist hierbei der Horizont eines sachverständigen Bieters.
An das Material der vorläufigen Rekultivierungsschicht in Pos. 1.6.280 des Leistungsverzeichnisses hat die Antragsgegnerin folgende Anforderung gestellt:
"Boden der Körnung 0/120mm, gemischtkörnig".
Darüber hinaus hatte die Antragsgegnerin von den Bietern Angaben zum Material, dessen Beschaffenheit und Herkunft abgefragt.
Unter Ziffer 2.7 der Leistungsbeschreibung hat sie hilfsweise darauf hingewiesen, dass die Rekultivierungsschicht im 2. BA aus Steinbruchmaterial der ..., Körnung 0/120 mm, ausgeführt worden ist.
Der Qualitätsmanagementplan enthält unter Ziffer 6.1.1.5 zur hier streitbefangenen Abdeckschicht die Regelung, dass zur Eignungsprüfung folgende Untersuchungen durchzuführen sind:
- Angabe der Bodengruppe nach DIN 18196
- Bestimmung der Kornverteilung nach DIN 18123
- Bestimmung der Scherfestigkeit nach DIN 18 137
- Bestimmung der Proctordichte nach DIN 18127
- Nachweis der Filterstabilität gegenüber angrenzenden Materialien
- Chemische Analyse gemäß DepV (2009).
In der mündlichen Verhandlung wurde einvernehmlich festgestellt, dass nach diesen Vorgaben der Ausschreibung gemäß DIN 18196 der Massenanteil von Korngrößen kleiner gleich 0,063 mm zwischen 5% und 40% liegen darf. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass sich die Angabe "0/120 mm" auf die gewünschte Kornverteilung beziehe. Dies sei definiert in den Technischen Lieferbedingen Gestein (TL Gestein), die in die VOB/C aufgenommen sei. Der sachverständige Bieter wisse dies, ihm sei in Kenntnis des Leistungsverzeichnisses, der technischen Vorbemerkungen und dem Hinweis in der Leistungsbeschreibung auf Steinbruchmaterial völlig klar, dass ein nicht marktgängiges Material anzubieten sei, welches in nicht geringen Anteilen Korngrößen über 50 mm aufweisen müsse. Die Beigeladene bestätigte dies und präzisierte, dass in der Branche die Angabe von 0/120 mm so verstanden werde, dass mindestens 10% Anteil von Steinen mit einer Größe von 90 bis 120 mm gefordert sei. Die Antragstellerin widersprach dem nur insoweit, als das auch aus ihrem Verständnis heraus das gesamte Spektrum der angegebenen Körnung bis hin zur Maximalkörnung enthalten sein müsse, sie könne aber eine bestimmte Anteilsverteilung der Körnungen aus der Angabe nicht ableiten. Hiervon unberührt ist sie der Meinung, dass sie mit ihrem Bodenmanagement rechtzeitig hinreichend geeignetes Material liefern könne. Hierzu trug die Antragsgegnerin vor, gemischtkörniger Boden aus Bodenaushub weise in den seltensten Fällen Korngrößen von mehr als 50 mm auf. Böden, welche die gestellten Anforderungen erfüllen, seien als Bodenaushub aus Baustellen sehr selten und keineswegs marktgängig. Die Antragstellerin erläuterte hierzu, dass sie mit Blick auf die Anforderungen damit rechne, ein 5 bis 10faches der unmittelbar für die Leistungserbringung benötigen Bodenmenge organisieren zu müssen. Es sei denkbar, dass sie Bodenmaterial aus 20 bis 30 verschiedenen Entnahmestellen einbauen werde.
Den Vortrag der Antragsgegnerin hinsichtlich Bieterhorizont und Marktgängigkeit des ausgeschriebenen Materials fand die Vergabekammer bei eigener Recherche dahingehend bestätigt, dass nach branchenüblichem Verständnis mit der Angabe gemischtkörniger Boden "0/120 mm" ein Material mit einem nicht geringen Anteil von größeren Steinen ab 50 mm bis 120 mm gefordert ist, das über die gängigen Sieblinien hinausgeht. Ein zusätzlicher Hinweis zur Klarstellung war auch noch der auf die Verwendung des Steinbruchmaterials der ... im 2. Bauabschnitt. Zudem ist gemischtkörniger Boden "0/120 mm" keinesfalls ein üblicher Bodenaushub im von der Antragstellerin für ihren Bodenaushub benannten norddeutschen Raum. Ein derartiges Bodenmaterial findet sich in diesem Gebiet als Bodenaushub äußerst selten, lässt sich aber insbesondere aus der teilverwitterten Schicht von Steinbrüchen gewinnen, das als sog. "Abraum" beim Steinbruchbetrieb anfällt. Betreffend das geforderte Bodenmaterial haben weder die Antragstellerin noch die Beigeladene den Wortlaut der Ausschreibung insoweit in Frage gestellt oder beanstandet.
Aus den TL Gestein ergeben sich keine weiteren Erkenntnisse. Die TL Gestein beschreiben Materialanforderungen für technische Funktionsschichten im Straßenbau (Tragschichten u. dgl.), die im Vergleich zur Rekultivierungsschicht im Deponiebau ganz andere Funktionen übernehmen sollen (nämlich die Ableitung von Kräften, damit die eigentlichen Straßendeckschichten stabil auflagern). Das Material wird hochverdichtet eingebaut. Bei Rekultivierungsschichten geht es im Regelfall dagegen um ein gutes Wasserspeichervermögen (deshalb der Parameter nutzbare Feldkapazität in Anhang 1 Nr. 2.3.1 DepV), ein geeignetes Substrat für die Begrünung (damit die Rekultivierungsschicht später vor Erosion geschützt ist und die Anlage in die Landschaft eingebunden wird), den Schutz der darunter liegenden Dichtelemente (vor äußerer Einwirkung, Durchwurzelung). Zudem muss die Schicht bei den gegebenen Böschungsneigungen standsicher und gegen unterliegende Schichten filterstabil sein. Das Material wird unverdichtet eingebaut (vgl. auch Ausschreibung). Hier sind die Lieferbedingungen für den Straßenbau nicht einschlägig.
Die Antragstellerin ist im großen Stil als Fachunternehmen in der Umwelttechnik tätig und bewegt nach eigenen Angaben mehr als 1.000.000 t Material jährlich in ihrem Bodenmanagement, so dass sie den von der Vergabekammer ermittelten Bieterhorizont gelten lassen muss.
Schließlich ist festzuhalten, dass es der Antragstellerin als Fachunternehmen, sofern die Angaben im Leistungsverzeichnis für sie dennoch missverständlich waren, ohne Weiteres zumutbar war, bei der Antragsgegnerin nachzufragen oder unklare Angaben zur geforderten Bodenqualität zu rügen. Beides hat die Antragstellerin versäumt.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass das Aufklärungsverlangen der Antragsgegnerin gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A grundsätzlich berechtigt war.
Klarzustellen ist zunächst, dass die Antragsgegnerin gerade nicht das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen hat, obgleich diese zur Abfrage von Material, Beschaffenheit, Herkunft mit "gemischtkörnigem Bodenmaterial aus eigenem/konzerneigenem Baustellenaushub im Großraum ..." eher vage Angaben gemacht hat. Es ist schon zweifelhaft, wie sich die Beschaffenheit des Bodenmaterials gemessen an der hier geforderten speziellen Qualität aus einem derart großen Gebiet Norddeutschlands überhaupt konkret angeben lässt und ob insoweit ein Angebotsausschluss in Betracht gekommen wäre.
Zu dieser "Schnittstelle" hat die Vergabekammer Hessen zutreffend ausgeführt: "Es gehört zu den originären Pflichten des Bieters, sein Angebot so eindeutig zu gestalten, dass es möglichst keine Fragen offen lässt: § 21 Nr. 1 VOB/A (jetzt § 13 VOB/A) betrifft den Inhalt des Angebots. § 21 Abs. 1 Satz 1 enthält den Grundsatz, dass das Vertragsangebot klar, vollständig und in jeder Hinsicht zweifelsfrei sein muss. Ergibt sich dennoch Anlass zur Aufklärung, so ist es in erster Linie Sache des Bieters, sich um eine umfassende Information des Auftraggebers zu kümmern. Es ist nicht die Aufgabe oder gar Pflicht des Auftraggebers, sich seinerseits so lange um Klärung zu bemühen, bis alle seine Zweifel oder Unklarheiten ausgeräumt sind. Die Vergabestelle kann unklare Angebotsinhalte aufklären, aber sie muss nicht, denn § 24 Nr. 1 VOB/A vermittelt keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber mit dem Bieter über den Angebotsinhalt verhandelt." (VK Hessen, Beschluss vom 24.09.2004 - 69d-VK-60/2004).
Die Frage des Angebotsausschlusses wegen unvollständigen Angebots kann hier letztlich dahinstehen, denn die Antragsgegnerin hat den milderen Weg der Aufklärung des Angebotsinhalts gemäß § 15 VOB/A gewählt und ist auf diesem Wege zur Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin gelangt.
Es bestand jedenfalls Anlass zur Aufklärung des Angebotsinhalts. Zu liefern war nicht marktgängiges Bodenmaterial mit einem nicht geringen Anteil an Steinen mit einer Größe über 50 mm bis zu 120 mm. Die Antragsgegnerin hat ihren schriftsätzlichen Vortrag, die Antragsgegnerin habe marktgängiges Bodenmaterial gefordert, in der mündlichen Verhandlung aufgegeben, indem sie vortrug, sie müsse zur Erfüllung der Anforderungen ein 5 bis 10 faches der zu liefernden Menge organisieren und es könne sich um 20 bis 30 Entnahmestellen handeln. Das Interesse der Antragsgegnerin an Aufklärung ist somit offensichtlich. Sie hatte im Leistungsverzeichnis die Herkunft und Beschreibung des Materials abgefragt, um sicher zu sein, dass die Abdeckschicht ihren materiellen und zeitlichen Anforderungen entsprechend eingebaut wird. Zudem bestehen laut Qualitätsmanagementplan umfangreiche Prüfpflichten für den Auftragnehmer vor Einbau des Bodenmaterials. Berechtigte Zweifel der Antragsgegnerin ergeben sich bereits daraus, dass die Antragsstellerin Bodenaushub aus einem Bereich angeboten hat, in dem Bodenmaterial der geforderten Beschaffenheit äußerst selten vorkommt. In diesem Zusammenhang lässt auch die von der Antragstellerin geplante "just in time"- Lieferung Bedenken zu, ob die Antragstellerin tatsächlich ihren Pflichten in zumutbarer Weise nachkommen kann. Denn selbst wenn die Antragstellerin pünktlich das passende Bodenmaterial liefern könnte, es aber - wie die Antragstellerin für denkbar hält - aus 20 bis 30 verschiedenen Entnahmestellen käme, können vor diesem Hintergrund die umfangreichen vom Auftragnehmer zu leistenden Prüfpflichten teils mit Laborleistungen, die dann für jede einzelne Bodenentnahmequelle gelten würden, auf problematische und aus Sicht der künftigen Auftraggeberin nicht hinnehmbare Verzögerungen hinauslaufen. Noch weitergehende Verzögerungen würden eintreten, wenn von der Antragstellerin gelieferter Bodenaushub nach den Eignungs- und Bodenkontrollprüfungen zurückzuweisen wäre, die Antragstellerin neuen Boden liefern müsste und die Prüfungen erneut begännen. Grundlage der Angebotsbearbeitung war laut Ziffer 2.1 der Leistungsbeschreibung ein verbindlicher Bauzeitenplan. Die Baumaßnahme ist eingebunden in den abfallrechtlich abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan zur Stilllegung der ..., aus dem sich die zeitliche Anforderung ergibt, die Baumaßnahme zur Oberflächenabdichtung BA 3.1 im Jahr 2011 abzuschließen.
Der begründete Aufklärungsbedarf zeigt sich im Nachhinein auch darin, dass die Antragstellerin bereits im Aufklärungsgespräch angedeutet und in der mündlichen Verhandlung ausgesprochen hat, dass sie für den Fall, dass ihr die Lieferung des passenden Bodenmaterials nicht gelingen sollte, optional Steinbruchmaterial der ... liefern werde. Doch dies ist nicht der Inhalt ihres Angebots und insoweit außerhalb des Verhandlungsverfahrens keine vergaberechtlich zulässige Lösung. Anlass für eine begründete Besorgnis der Antragsgegnerin angesichts der "just in time"-Planung der Antragstellerin ergab sich ebenfalls daraus, dass die drei von der Antragstellerin im Aufklärungsgespräch benannten Entnahmestellen für Bodenaushub sich nach Ausführungen der Beigeladenen, denen die Antragstellerin nicht widersprochen hat, als nicht geeignet erwiesen haben bzw. der Antragstellerin gar nicht zur Verfügung standen.
Nach allem erscheint das Verlangen der Antragsgegnerin nach Aufklärung hinsichtlich des zu liefernden Bodenmaterials dem Grunde nach berechtigt. Auch wenn die im Rahmen der Aufklärung erhobenen Nachweisforderungen (z.B. Forderung chemischer Analysen) teils unverhältnismäßig sein sollten, hätte es der Antragstellerin oblegen, die begründeten Bedenken der Antragsgegnerin an der rechtzeitigen Lieferung und am rechtzeitigen Einbau des geforderten Bodenmaterials auszuräumen.
Stattdessen hat die Antragstellerin keinerlei verwertbare Angaben gemacht und sich unter Hinweis auf die angebliche, aber nicht zutreffende Marktgängigkeit des Bodenmaterials dem berechtigten Aufklärungsverlangen entzogen. Die Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin war demnach rechtmäßig.
Die Antragsgegnerin ist angesichts der Tatsache, dass aufgrund der unklaren Angaben im Angebot auch ein unmittelbarer Ausschluss in Betracht gekommen wäre, zu Recht von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen. Entsprechend hat sie im Vergabevermerk vom 25.08.2011 unter Verweisung auf ihre Wertung des Angebots der Antragstellerin vom 24.08.2011 ausführlich dargelegt, dass es ihr wegen der Risiken bei der späteren Bauausführung (u.a. vorzunehmende Eignungs- und Bodenkontrollprüfung) unzumutbar sei, ein Angebot anzunehmen, bei dem die konkrete projektbezogene Herkunft und zeitgerechte Verfügbarkeit von Abdeckmaterial der geforderten Qualität noch völlig offen sei.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von ... EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt ... EUR brutto. Dieser Betrag entspricht ausweislich der Vergabeakte der Angebotssumme der Antragstellerin für ihr Angebot und damit dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einer Ausschreibungssumme von ... EUR brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von ... EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors geregelte der Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.
Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragsgegnerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im konkreten Verfahren erforderlich war.
Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Antragsgegnerin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber schwierig zu beurteilenden Situation dieses vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i.V.m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, zitiert nach ibr-online; Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.
Nach dieser Maßgabe war es für die Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Es handelt sich nicht nur um auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen. Vielmehr geht es um schwierige vergaberechtliche Fragen, die sich u.a. aus der Reichweite des Rechts auf Aufklärung (§ 15 Abs. 1 Satz Nr. 1 VOB/A) ergeben.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von ...EUR unter Angabe des Kassenzeichens
...
auf folgendes Konto zu überweisen:
....
IV. Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. ...
Rohn
Weyer