Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 07.02.2011, Az.: VgK-74/2010
Keine Einbeziehung von nachgelieferten, nicht gemäß den Vorgaben der Vergabeunterlagen in deutscher Sprache vorgelegten Unterlagen zum Angebot als Eignungsnachweis in die Wertung; Unzulässigkeit eines Nachprüfungsantrages mangels rechtzeitiger Rüge; Bekanntmachung der Modifizierung der Anforderungen im Vergabeverfahren durch ein gegenüber allen Bietern ergangenes Rundschreiben; Zertifizierung als geeignetes Instrument zum Nachweis der Qualität eines unbekannten Produktes
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 07.02.2011
- Aktenzeichen
- VgK-74/2010
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 15540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 107 Abs. 3 GWB
- § 108 Abs. 2 GWB
- § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A
- § 16 Abs. 1 Nr. 1b VOB/A
Verfahrensgegenstand
VOB-Verfahren "6-streifiger Ausbau BAB xxxxxx des Autobahnkreuzes xxxxxx, Großräumige Verkehrslenkung" (xxxxxx)
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gaus,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl. Ing. Roloff,
auf die mündliche Verhandlung vom 07.02.2011
beschlossen:
Tenor:
- 1
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese vollständig erneut durchzuführen und dabei die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
- 2.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens haben die Auftraggeberin und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.
- 4.
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Im Rahmen des 6-streifigen Ausbaus der BAB xxxxxx soll die Unterführung der xxxxxx zwischen den AD xxxxxx und xxxxxx abgebrochen und durch ein neues Bauwerk ersetzt werden. Hierzu sind im Bereich der xxxxxx und der xxxxxx Vollsperrungen vorzunehmen. Zur Vermeidung von Staus bei hohem Verkehrsaufkommen im Bereich der Umleitungsstrecken soll eine dynamische Verkehrslenkung durch die Verkehrsmanagementzentrale xxxxxx ermöglicht werden.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 hat die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr - Geschäftsbereich xxxxxx - als Vergabestelle das VOB-Verfahren "6-streifiger Ausbau der BAB xxxxxx im Bereich des Autobahnkreuzes xxxxxx - Großräumige Verkehrslenkung" als Offenes Verfahren ausgeschrieben. Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen. Einziges Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Die Arbeiten sollen durchgeführt werden zwischen dem 08.01.2011 und dem 01.05.2013. Gemäß Ziffer IV.3.6 der europaweiten Bekanntmachung ist als einzige Sprache zur Verfassung der Angebote die Sprache "Deutsch" festgelegt.
Gegenstand der Ausschreibung ist die Installation, Vorhaltung, Unterhaltung und Demontage einer für die gesamte Bauzeit stationären, teilautomatischen Routinganlage bestehend aus einer Unterzentrale, die über eine Steuereinheit aus der Verkehrsmanagementzentrale gesteuert wird, und diversen dynamischen Anzeigequerschnitten in LED-Technik. Die Anlage wird zu bestimmten Großveranstaltungen temporär durch mobile LED-Anzeigen erweitert.
In der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe hat die Auftraggeberin verschiedene Festlegungen zum Inhalt des Angebotes und zur Vorlage von Nachweisen, Angaben und Unterlagen getroffen. Hiernach sind als Angebot vorzulegen das Angebotesschreiben, die Kurzfassung der Leistungsbeschreibung und die Formblätter "Leistungen anderer Unternehmer", "Erklärung Bieter-/Arbeitsgemeinschaft" und "Eigenerklärung Eignung".
Mit dem Angebot vorzulegen ist gemäß Ziffer 5.2 das Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen. Unter Ziffer 5.3 legt die Auftraggeberin fest, dass auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle folgende Unterlagen vorzulegen sind:
Angaben und Nachweise nach § 6 Abs. 3 VOB/A,
Ergänzungen des Verzeichnisses der Leistungen anderer Unternehmer um die Namen der anderen Unternehmer,
Verpflichtungserklärung für Leistungen anderer Unternehmer,
Qualifikation des zu benennenden Verantwortlichen für die Sicherungsarbeiten,
vollständige Angaben zur Kalkulation und Preisaufgliederung sowie
verschiedene Nachweise des Bieters und jedes Nachunternehmers über die Erfüllung ihrer Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern und Abgaben.
Gemäß Ziffer 3.1 der EU-Bewerbungsbedingungen muss das Angebot in Deutscher Sprache abgefasst werden.
Die Baubeschreibung enthält eine Beschreibung der Leistung und Angaben zu den Rahmenbedingungen und zur Ausführung. Unter Ziffer 3.5.3 sind die Anforderungen an die einzusetzende Routinganlage festgelegt. Die Anlage soll bestehen aus insgesamt 37 für die Bauzeit fest installierten Anzeigenquerschnitten mit jeweils 1, 2 oder 4 LED-Anzeigetafeln und 23 mobilen Anzeigetafeln für den Einsatz zur Messelenkung. Unter Ziffer 3.5.3.4 trifft die Auftraggeberin bezüglich der LED-Anzeigetafeln folgende Festlegungen:
"Die zu verwendenden Tafeln müssen in ihrer optischen Charakteristik den Anforderungen der DIN EN 12966-1 entsprechen. Dies ist auf Verlangen durch ein Zertifikat der BASt nachzuweisen. Die sichtbare Anzeigefläche muss mindestens eine Größe von 1200 x 1600 (bxh) aufweisen und frei programmierbar für Texte und Symbole sein. Der Abstand der einzelnen Leuchtdioden in der Anzeigefläche darf einen Abstand von 20 mm untereinander nicht übersteigen. Alle Tafeln in mindestens weißer einfarbiger Ausführung. Bei mehrfarbiger Ausführung mind. immer weiß und rot."
Ziffer 3.5.3.6 enthält verschiedene konstruktive Anforderungen an die Aufstellvorrichtungen. Hiernach ist für alle Aufstellvorrichtungen einschließlich der Verkehrszeichenbrücken eine Windlast von 1,5 kN/m2 anzusetzen. Außerdem wird auf die Geltung der aktuellen Hinweise für das Anbringen von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HAV) verwiesen.
Ziffer 4.2 regelt vom Auftragnehmer zu erstellende bzw. zu beschaffende Ausführungsunterlagen. Hier wird unter Ziffer 4.2.3 "Ausführungsunterlagen" u.a. festgelegt:
"Die statischen Berechnungen der Konstruktion und der Fundamente für die Aufstellvorrichtungen der Stauwarnanlagen bei einer Windlast von 1,5 kN/qm sind von einem Prüfstatiker geprüft 2-fach vor Aufbau der Anlagen vorzulegen. ..."
Unter Ziffer 5 sind der Baubeschreibung die Zusätzlichen Technische Vertragsbedingungen angefügt.
Im Kapitel 00.03 "Dynamische LED Beschilderung" des Leistungsverzeichnisses hat die Auftraggeberin in den Positionen 00.03.002 bis 00.03.017 die Aufstellung und Vorhaltung der fest installierten Anzeigenquerschnitte und der mobilen Anzeigenquerschnitte ausgeschrieben. Hiernach sind die Anzeigeeinheiten gemäß Baubeschreibung und Skizze auf standsicheren, umfahrbaren Aufstellvorrichtungen aufzustellen, betriebsbereit herzurichten und nach Beendigung der Maßnahme ggf. einschließlich der Fundamente zu entfernen. Im Text der Positionen wurde die Beschreibung zur Optik der LED-Anzeigetafeln unter Ziffer 3.5.3.4 der Baubeschreibung berücksichtigt. Im Bieterangabenverzeichnis wurden Angaben über die Bezeichnung der Anlagen, die Nennung des Herstellers der LED-Tafeln, die Art der mobilen Datenübertragung und ggf. die Art der netzunabhängigen Stromversorgung erwartet.
Zur Submission am xxxxxx.2010 waren nach Maßgabe der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung sowohl die Beigeladene als auch die Antragstellerin anwesend. In der Niederschrift ist vermerkt, dass 4 Angebote fristgerecht bei der Vergabestelle eingegangen sind. Nach Maßgabe der Zusammenstellung der Angebotspreise hat die Beigeladene mit einer Angebotsendsumme von xxxxxx EUR brutto das preislich günstigste Angebot vorgelegt, auf Rang 2 folgt das Angebot der Antragstellerin mit einer Angebotsendsumme von xxxxxx EUR brutto.
Mit Schreiben vom 26.11.2010 hatte die Vergabestelle von dem im Angebotsschreiben enthaltenen Vorbehalt zur Nachforderung von Unterlagen Gebrauch gemacht und hatte die Beigeladene für den 07.12.2010 zu einem Aufklärungsgespräch und für den 16.12.2010 zur Vorstellung der Software eingeladen. Der Vergabeakte liegen Vermerke über das Aufklärungsgespräch und die Vorstellung der Software bei.
Die Antragstellerin bat mit Schreiben vom 26.11.2010 um ein Aufklärungsgespräch, um auf technische Details der DIN EN 12966 aufmerksam zu machen, welche aus ihrer Sicht von den Wettbewerbern nicht erfüllt werden. Nach Maßgabe eines Vermerkes der Auftraggeberin trug sie in einem Gespräch am 08.12.2010 vor, dass wegen eines Verweises der Neuauflage der DIN EN 12966 auf die seit 2007 geltende DIN 12899 auch diese Norm zur Anwendung kommen müsse. Hierauf habe sie in ihrem Angebotsanschreiben hingewiesen. Des Weiteren wies sie auf spezielle Anforderungen an die LED-Technik hin.
Die Auftraggeberin nahm diese Hinweise zur Kenntnis und zum Anlass, sich mit dem Vortrag der Antragstellerin zur Standsicherheit und zu den Anforderungen an die LED-Technik auseinanderzusetzen. In einem internen Aktenvermerk vom 15.12.2010 stellt die Auftraggeberin zur Standsicherheit fest:
"Die Zweifel des Bieters xxxxxx sind überaus gerechtfertigt, denn es wird explizit im Leistungsverzeichnis eine temporäre Aufstellungsvorrichtung gefordert. Diese fällt wie üblich in den Bereich der Baubehelfe und ist aufgrund der Forderung gem. LV: "standsicher" in allen Punkten der Standsicherheit gleichwertig mit einer dauerhaften VZB zu behandeln, jedoch nicht im Bereich der Dauerhaftigkeit. Die Argumentation aufgrund einer fehlenden Normung jeden Baubehelf als Ingenieurbauwerk zu betrachten ist praktisch und wirtschaftlich nicht haltbar. Die durch den Mindestbietenden bei Angebotsabgabe vorgelegte Statik für die temporäre VZB erfüllt alle Anforderungen und ist umsetzbar."
Des Weiteren ist vermerkt, dass die Anforderungen an die LED-Technik durch das Angebot der Beigeladenen erfüllt werden. Diese habe inzwischen ein Prüfzertifikat von einer akkreditierten EU-Prüfstelle vorgelegt. Die Tafeln seien optisch auf die neue Norm EN 12966-1 2009 getestet. Sie erfüllten die CE-Konformität und erreichten die Abstrahlbreitenklasse B3 bzw. sogar B4 (weiß). Auch die Werte für Leuchtdichte zu Leuchtdichteverhältnis lägen im optimalen Bereich. Die Tafeln seien daher zur Auftragserbringung geeignet.
Nach Maßgabe des Vergabevermerkes wurde keiner der Bieter wegen mangelnder Eignung ausgeschlossen. Die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen blieben unbeanstandet. Die Vergabestelle sah auch keinen Anlass, die Angemessenheit des Angebotes der Beigeladenen in Frage zu stellen und stellte fest, dass nach Maßgabe des Zuschlagskriteriums Preis der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen ist.
Mit Informationsschreiben vom 17.12.2010 wurden die Bieter darüber informiert, dass nach Maßgabe des Wertungskriteriums Preis der Zuschlag nach Ablauf der Informationsfrist gemäß § 101a GWB, frühestens am 03.01.2011, auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.12.2010, korrigiert durch Schreiben vom 21.12.2010, rügte die Antragstellerin diese Entscheidung als vergaberechtswidrig, da das Angebot der Beigeladenen nicht zuschlagsfähig, weil zwingend auszuschließen sei. Nach ihrer Kenntnis setze die Beigeladene Anzeigetafeln der Fa. xxxxxx ein, welche die Anforderungen der EN 12966-1 nicht erfüllen. Das Angebot der Beigeladenen entspreche damit nicht den Vorgaben der Vergabeunterlagen. Die Beigeladene sei auch nicht ausreichend leistungsfähig, da sie nach ihrer Kenntnis nicht über die zur Auftragsausführung erforderliche Anzahl von rot-weißen LED-Anzeigen verfüge. Zudem seien die von der Beigeladenen für die mobilen Verkehrszeichenbrücken eingesetzten Gitterrohrkonstruktionen nicht verbiegesteif ausgeführt, sodass die bei diesen Positionen gestellte Forderung, wonach diese Konstruktionen "nach den statischen und konstruktiven Erfordernissen standsicher aufzustellen" sind, nicht erfüllt werde. Unter Fristsetzung forderte sie die Auftraggeberin auf, ihrer Rüge abzuhelfen.
Mit Schreiben vom 22.12.2010 wies die Auftraggeberin die Rüge der Antragstellerin zurück.
Sie teilte mit, es gebe keinen Anlass, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen. Es sei das wirtschaftlichste Angebot und entspreche vollständig den Vorgaben der Ausschreibung. Die Zweifel der Antragstellerin an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen seien spekulativ und unbegründet. Das Angebot der Beigeladenen erfülle auch die Anforderungen an die LED-Technik. Die Beigeladene verfüge diesbezüglich über ein aktuelles Prüfzeugnis einer akkreditierten EU-Prüfstelle. Zum Nachweis der Standsicherheit ihrer Gitterkonstruktionen habe die Beigeladene bereits vorab mit Angebotsabgabe eine statische Berechnung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 23.12.2010, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihre Rüge vom 20.12.2010 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Das Angebot der Beigeladenen erfülle die Anforderungen der Ausschreibung an die einzusetzenden LED-Anzeigetafeln nicht. Die Forderung "Optische Charakteristik gem. EN 12966-1" im Leistungsverzeichnis stehe im Zusammenhang mit Ziffer 3.5.3.4 der Baubeschreibung. Hiernach sei ein Prüfzeugnis der Bundesanstalt für Straßenwesen vorzulegen, über welches die Beigeladene offensichtlich nicht verfüge. Mit der Akzeptanz eines Prüfzeugnisses einer akkreditierten EU-Prüfstelle - welches nach ihrer Recherche mangelhaft und für die LED-Tafeln der Beigeladenen auch nicht hinreichend aussagekräftig ist - weiche die Auftraggeberin von ihren Maßgaben zur Nachweisführung ab, bevorzuge die Beigeladene und verletze die Antragstellerin, die auf die Einhaltung dieser Vorgaben vertrauen darf, in ihren Rechten. Im Rahmen der Angebotsprüfung müsse die Vorlage mangelhafter und ungeeigneter Prüfzeugnisse zu der Feststellung führen, dass die gestellten Anforderungen nicht erfüllt werden.
Zudem entsprächen die von der Beigeladenen angebotenen mobilen Verkehrszeichenbrücken, wie in der Rüge dargelegt, nicht den statischen Erfordernissen. Bei ihrer Angebotsprüfung habe die Auftraggeberin nicht erkannt, dass wegen eines Verweises der Neuauflage der DIN EN 12966 auf die seit 2007 geltende DIN 12899 auch diese Norm zur Anwendung kommen müsse. Dies habe die Auftraggeberin vernachlässigt und sei damit hinter den von ihr gesetzten Anforderungen zurückgeblieben. Sie habe Anlass für die Annahme, dass die von der Beigeladenen vorgelegten Standsicherheitsnachweise diesbezüglich nicht den Anforderungen der DIN EN 12966-1 entsprechen.
Die Beigeladene sei auch nicht hinreichend technisch leistungsfähig, da sie nicht über die nach der Ausschreibung erforderlichen 88 LED-Anzeigetafeln verfüge.
Die Antragstellerin beantragt,
dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen;
den Antragsgegner zu verpflichten, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;
hilfsweise: alle sonstigen geeigneten Maßnahmen anzuordnen, um eine Rechtsverletzung der Antragstellerin zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern;
dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;
auszusprechen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vergabenachprüfungsverfahren notwendig ist.
Die Auftraggeberin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen;
hilfsweise:
das Vergabeverfahren in den Stand vor der Submission zu versetzen.
Sie hält die Rügen der Antragstellerin für unsubstantiiert und den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Hierzu trägt sie vor, der unter Ziffer 3.5.3.4 erwähnte, nur auf Verlangen des Auftraggebers zu führende Nachweis durch ein BASt-Prüfzeugnis gehöre nicht zu den in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Punkt 5 aufgeführten Unterlagen und Nachweisen, habe für das Vergabeverfahren nur eine nachgeordnete Bedeutung und diene als zusätzliche Kontrolle bei der Vertragsdurchführung. Vergaberechtlich wirke sich daher die Vorlage oder Nichtvorlage eines entsprechenden BASt-Prüfzeugnisses objektiv nicht aus, weil das nur unter Ziffer 3.5.3.4 erwähnte Verlangen nicht ausgeübt wurde. Hierfür habe auch kein Anlass bestanden, da sie aufgrund ihrer eigenen Produktkenntnis keine Zweifel hatte, dass die von der Beigeladenen zum Einsatz angebotenen LED-Tafeln in ihrer optischen Charakteristik den Anforderungen der DIN EN 12966-1 und damit den Vorgaben der Ausschreibung entsprechen. Allerdings habe die Beigeladene eine telefonische Nachfrage bezüglich der Einhaltung der gestellten Anforderungen zum Anlass genommen, Auszüge aus den ihr vorliegenden Prüfzeugnissen zu übersenden. Die Einhaltung der Vorgaben der Ausschreibung werde durch die von der Beigeladenen auf Anforderung erst im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens vorgelegten vollständigen aktuellen Prüfzeugnisse einer akkreditierten EU-Prüfstelle von September 2010 auch belegt. Sie selbst sehe keine Veranlassung, die Richtigkeit dieser Prüfzeugnisse anzuzweifeln. Die Antragstellerin sei einen Beweis für von ihr behauptete Mängel dieser Prüfzeugnisse schuldig geblieben.
Das Angebot der Beigeladenen gebe auch keinen Anlass für Zweifel an der Standsicherheit der Aufstellvorrichtungen der LED-Tafeln und der mobilen temporären Verkehrszeichenbrücken. Dies gelte umso mehr, als die Beigeladene hierfür die - erst vor Aufbau der Anlagen vom Auftragnehmer geforderten - Standsicherheitsnachweise bereits mit dem Angebot vorgelegt hat. Die von einem zugelassenen Prüfstatiker geprüften Statiken zeigten, dass diesbezüglich alle Anforderungen der Ausschreibung erfüllt werden. Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin, die zu ihrer Auffassung auch nicht detailliert vorgetragen habe, sei aus den Definitionen in Kapitel 1 und Kapitel 3 Nrn. 3.2 und 3.9 der DIN EN 12966-1 in ihrer aktuellen Fassung zu schließen, dass die Aufstellungsvorrichtungen der Wechselverkehrszeichen nicht erfasst sind und die Anwendung der Norm bezogen auf die statischen Anforderungen nicht gegeben ist.
Soweit die Antragstellerin die technische Leistungsfähigkeit der Beigeladenen in Frage stelle, weise bereits der Inhalt ihres Vortrages darauf hin, dass sie diesbezüglich keinerlei Erkenntnisse habe, ihre Rüge spekulativ sei und offenbar der Ausforschung diene. Nach den Angaben in den Informationsbroschüren der Beigeladenen bestehe kein Anlass für die Annahme, dass die Beigeladene nicht über die zur Auftragsdurchführung erforderlichen LED-Tafeln verfügt.
Die Beigeladene beantragt,
die Anträge zurückzuweisen;
der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen und
auszusprechen, dass für die Beigeladene die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwenig war.
Sie schließt sich dem Vortrag der Auftraggeberin an. Bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit trägt sie ergänzend vor, sie habe einen erheblich höheren Umsatz als die Antragstellerin und verfüge über erheblich mehr als die für diesen Auftrag erforderlichen 88 LED-Tafeln.
Die von ihr für die mobilen Verkehrszeichenbrücken - unaufgefordert bereits mit dem Angebot - vorgelegten, von einem zugelassenen Prüfstatiker der Ingenieurkammer geprüften Standsicherheitsnachweise trügen allen Vorgaben der Ausschreibung Rechnung und belegten, dass die statischen Anforderungen der Ausschreibung erfüllt werden. Für die Standsicherheit der hier ausgeschriebenen mobilen Verkehrszeichenbrücken sei die DIN-EN 12966-1 nicht maßgeblich, was sich bereits aus Anhang ZA.1 der Norm ergebe. Vermutlich aus diesem Grunde habe die Auftraggeberin auch nur die optische Konformität mit der DIN-EN 12966-1 gefordert.
Für die in ihrem Angebot bezeichneten LED-Tafeln habe sie keine BASt-Zertifikate vorgelegt, da die Auftraggeberin eine entsprechende Forderung gar nicht gestellt habe. Zu Unrecht leite die Antragstellerin aus den Vorgaben der Ausschreibung ab, dass unabhängig davon, ob die Vergabestelle Zweifel an der Erfüllung der Anforderungen der DIN EN 12966-1 hatte oder nicht, ein BASt-Zertifikat vorzulegen war.
Das in ihrem Besitz befindliche Prüfzeugnis der xxxxxx, das ausweislich der "Nando-Liste" dem Prüfinstitut der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) gleichzustellen ist, belege unmissverständlich die Übereinstimmung der von ihr angebotenen LED-Tafeln mit den Vorschriften der DIN EN 12966.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 19.01.2010 und vom 16.02.2011 gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 04.03.2011 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 07.02.2010 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig und in einem Punkt auch begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 1 und Abs. 7 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat im Rahmen der Angebotswertung von der Beigeladenen nachgelieferte Unterlagen zum Angebot als Eignungsnachweis in die Wertung mit einbezogen, die nicht gemäß den Vorgaben der Vergabeunterlagen in deutscher Sprache vorgelegt worden sind. Die Auftraggeberin hat die Ausübung des Ermessens, ob und in welchem Umfang Sie von ihrer Befugnis, sich Unterlagen vorlegen zu lassen, Gebrauch machen wollte, nicht dokumentiert. Es bleibt daher unklar, ob die Beigeladene geliefert hat, was die Auftraggeberin in Ausübung ihres Ermessens forderte, oder ob die Auftraggeberin akzeptierte, was die Beigeladene ad hoc nachzuliefern vermochte.
Legt ein Anbieter Erklärungen in englischer Sprache vor, obwohl gemäß den Vergabeunterlagen die Angebote in Deutsch vorzulegen sind, ist dies selbst dann unzulässig, wenn die Vergabestelle meint, die Unterlagen vollständig verstanden zu haben und die Abweichung akzeptiert hat.
Erklärungen und Nachweise sind auch dann Teile des Angebots, wenn sie nicht mit dem Angebot, sondern nachträglich auf gesondertes Verlangen vorgelegt werden.
Die BASt nimmt in ihrer Eigenschaft als Zertifizierungs- und Prüfstelle keine herausgehobene Funktion gegenüber anderen EU weit anerkannten Instituten ein. Sie befindet sich als Zertifizierungs- und Prüfstelle im Wettbewerb mit allen anderen Einrichtungen der NANDO Liste.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig.
Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Landesbehörde, die im Auftrag des Bundes handelt, und damit um einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB.
Ebenso handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag gemäß § 99 GWB, da die Auftraggeberin in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber einen entgeltlichen Vertrag über Bau- und Dienstleistungen im Rahmen eines Bauauftrags zu schließen beabsichtigt. Bei den ausgeschriebenen Leistungen der Gesamtmaßnahme, 6-streifiger Ausbau der BAB xxxxxx handelt es sich im Schwerpunkt um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A.
Der hier streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Gemäß § 2 Nr. 4 VgV in der zur Zeit der Bekanntmachung dieses Auftrages (27.11.2010) geltenden Fassung gilt ein Schwellenwert von 4.845.000 EUR (§ 2 Nr. 3, Nr. 6 VgV).
Gemäß Ziff. 1.7 des Vergabevermerks hat die Auftraggeberin zwar den Wert dieser Maßnahme nur auf xxxxxx Mio. EUR geschätzt, sie ist jedoch Teil einer Gesamtmaßnahme im Wert von xxxxxx EUR (Ziff. 1.9 des Vergabevermerks). Daher wird der Schwellenwert von dem Gesamtauftrag überschritten. Das hier streitgegenständliche Los überschreitet den geschätzten Wert von xxxxxx EUR (Ziffer 1.7 des Vergabevermerks), so dass der Auftraggeberin nicht die Möglichkeit offenstand, 20% der Werte aller Lose von der Vergabepflicht auszunehmen. Die Anwendung des 4. Teils des GWB ist auch nicht gemäß § 100 Abs. 2 GWB für den hier vorliegenden Fall ausgeschlossen.
Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 1 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie trägt vor, die Auftraggeberin habe ihr Angebot nur deshalb nicht als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt, weil sie ein Angebot gewertet habe, welches aus vergaberechtlichen Gründen nicht bezuschlagt werden dürfe. Daher rücke sie als zweitgünstigster Bieter nach dem Ausschluss der Beigeladenen an deren erste Rangstelle vor.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB, dass das den Nachprüfungsantrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rz. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Es wäre nicht erforderlich gewesen, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: 1/99, S. 24).
Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht mangels rechtzeitiger Rüge gem. § 107 Abs. 3 GWB unzulässig.
Die von der Antragstellerin bis zum 20.12.2010 erhobenen Rügen dass
die von der Beigeladenen eingesetzten LED-Anzeigetafeln der Firma xxxxxx nicht den Anforderungen der EN 12966-1 entsprechen, dass
die von der Beigeladenen eingesetzten LED-Anzeigetafeln nicht über ein CE- Zeichen verfügten, dass
die Beigeladene nicht ausreichend leistungsfähig sei, insbesondere nicht die ungewöhnlich zahlreichen nämlich 88 rot-weißen LED-Anzeigen vorhalte, und dass
die von der Beigeladenen vorgesehenen Verkehrszeichenbrücken den aktuellen statischen Erfordernissen nicht genügen würden, insbesondere nicht verbiegesteif ausgeführt seien,
erfolgten rechtzeitig und sind nicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1, GWB präkludiert.
Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Als unverzüglich gilt grundsätzlich ein Zeitraum innerhalb von ein bis drei Tagen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/03; Bechtold, GWB, § 107 Rz. 2).
Es handelt sich hier um bieterspezifische Rügen, die die Antragstellerin frühestens erheben konnte, nachdem ihr in der Submission vom xxxxxx.2010 die Beigeladene als Wettbewerberin bekannt war. Von der Teilnahme der Beigeladenen am Wettbewerb hat die Antragstellerin in der Submission vom xxxxxx.2010 Kenntnis erhalten. Der Inhalt des Schreibens vom 26.11.2010 in dem die Antragstellerin um ein Aufklärungsgespräch "über unseren Wettbewerber" bittet, deutet darauf hin, dass der Antragstellerin schon am 26.11.2010 konkrete Kenntnisse über die Beigeladene vorlagen, die sie darauf schließen ließen, dass die Beigeladene nicht angebotskonform habe anbieten können. Die Antragstellerin hat solche Kenntnisse in diesem Schreiben aber weder formal unter Verwendung des Begriffs "Rüge" noch inhaltlich konkret als Vergabeverstoß gerügt. Eine Rüge muss zwar nicht den Begriff "Rüge" enthalten, inhaltlich aber so klar formuliert sein, dass der Auftraggeber erkennen kann, welche konkreten Abhilfemaßnahmen er ergreifen soll (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2010, Verg W 6/10; Wiese in Kulartz/Kus/Portz GWB-Vergaberecht 2009, § 107 Rz. 98; Müller-Wrede § 107 Rz. 17). Dies lässt sich aufgrund des Schreibens der Antragstellerin vom 26.11.2010 nicht feststellen.
Darauf kommt es hier jedoch nicht an. Denn die Rügepflicht entsteht erst, sobald ein Bieter im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Ein vergaberechtlicher Fehler liegt aber nicht bereits vor, wenn sich ein Bieter mit einem angeblich nicht vergabekonformen Produkt an der Vergabe beteiligt, sondern erst, wenn die Vergabestelle unter - vermeintlicher - Verletzung ihrer Prüfungspflicht die Entscheidung trifft, diesem Bieter den Zuschlag erteilen zu wollen. Das ist regelmäßig erst mit Erhalt des Bieterinfomationsschreibens gemäß § 101a GWB der Fall. Die Antragstellerin hat somit ihre Verfahrensförderobliegenheit aus § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht verletzt, indem sie möglicherweise im Schreiben vom 26.11.2010 Fakten zurückhielt. Das Schreiben vom 20.12.2010 hat sie binnen drei Tagen nach Erhalt der Vorinformation gemäß § 101a GWB versandt. Die obigen Rügen hat die Antragstellerin rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB erhoben.
Soweit die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag auf die angeblich der Beigeladenen nicht zur Verfügung stehenden 88 LED-Tafeln bezieht, fehlt es an der gemäß § 108 Abs. 2 GWB notwendigen Sachverhaltsdarstellung zum Nachprüfungsbegehren. Die Antragstellerin stützt sich ausschließlich auf eine nicht näher inhaltlich ausgeführte "Marktkenntnis".
Gemäß § 108 Abs. 2 GWB muss die Begründung eines Nachprüfungsantrags zwingend eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit zugehöriger Sachverhaltsdarstellung enthalten. Um den Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu eröffnen, bedarf es der Darlegung zumindest einer konkreten, nicht völlig vagen und pauschal behaupteten Vergaberechtsverletzung. Eine aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und damit unbeachtlich (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 08.12.09, Az. 11 Verg 06/09). Das OLG München (Beschluss vom 07.08.07, Verg 08/07) führt ergänzend aus, dass reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen nicht ausreichen. Die Zulassung pauschaler und unsubstantiierter Behauptungen in der Erwartung, die Amtsermittlungspflicht der Vergabekammer werde zum Nachweis eines Vergabeverstoßes führen, sei abzulehnen. Denn bei einem Vortrag "ins Blaue hinein" ist die Vergabekammer von der Notwendigkeit einer Sachaufklärung von Amts wegen gem. § 110 Abs. 1 GWB entbunden (vgl. 1. VK Sachsen, Beschluss v. 24.03.2003, Az.: 1/SVK/018-03). Rügen sind jedenfalls dann unzureichend, wenn sie nur "ins Blaue hinein" erhobene Vorwürfe enthalten, denen keinerlei konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für einen möglichen Vergaberechtsverstoß zugrunde liegen (vgl. OLG München, Beschluss v. 26.06.2007, Az.: Verg 6/07). Rügen dürfen nicht lediglich völlig pauschal und indifferenziert sein (OLG Naumburg, Beschluss v. 14.12.2004, Az.: 1 Verg 17/04). Durch die Reform des § 110 GWB, insbesondere durch den neu eingefügten § 110 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Pflicht der Beteiligten zu einem substantiierten Vortrag erhöht worden. Andererseits kann Maßstab für die Anforderungen an den inhaltlichen Gehalt einer Rüge stets nur der Grad der Kenntnis des Bieters von der dem geltend gemachten Vergaberechtsverstoß zugrunde liegenden Tatsachenlage sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin, wie in der Regel alle Bieter in einem Vergabeverfahren, zum Submissionstermin lediglich Kenntnis von der ungeprüften Angebotssumme der Konkurrenten erhält. Über den Inhalt der Angebote der Konkurrenz erhalten die Bieter im Zuge des Vergabeverfahrens keine Kenntnis. Selbst im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens wird im Zuge der Akteneinsicht gem. § 111 GWB kein Einblick in die Originalangebote gewährt. Um den effektiven Rechtsschutz nicht zu vereiteln, muss es der Antragstellerin daher möglich sein, auch auf der Basis von auf Anhaltspunkte gestützten Behauptungen einen Nachprüfungsantrag zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006, XZB 14/06, Rz. 39).
Die Antragstellerin hat sich darauf beschränkt, unter Berufung auf "Marktkenntnis" vorzutragen, die Beigeladene halte nicht die erforderliche Zahl von 88 LED-Tafeln vor. In dieser vorgelegten Form ist der Einwand nicht hinreichend substantiiert. Die Antragstellerin hat insbesondere jegliche Möglichkeit im Nachprüfungsverfahren verstreichen lassen, diesen Einwand gegen die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen näher zu präzisieren. Die Aussage, dass die Beigeladene die erforderlichen LED-Tafeln nicht vorhalte, ist nicht geeignet, die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags zu begründen. Dies wäre allenfalls dann gegeben, wenn die Antragstellerin hinreichend konkrete Anhaltspunkte dargelegt hätte, auf welche Tatsachen oder Aussagen sie Ihre Darstellung stützt, oder eine substantiierte Darstellung, dass die Beigeladene auch nicht in der Lage sein werde, sich die erforderlichen LED-Tafeln bis zum Ausführungszeitpunkt zu beschaffen, sei es durch Erwerb, Miete oder Zugriff auf einen der Beigeladenen zur Verfügung stehenden Gerätepool. Obwohl die Antragstellerin die Zulieferin der Beigeladenen kannte, fehlt jedoch jeder notwendige weitere Vortrag, um bezogen auf diesen Aspekt zumindest die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags zu begründen.
2.
Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er teilweise begründet.
a)
Die Antragstellerin rügt, dass die von der Beigeladenen verwendeten LED-Tafeln der Firma xxxxxx nicht die optische Charakteristik gemäß EN 12966-1 aufwiesen. Damit bestreitet sie, dass das Angebot der Beigeladenen den in Ziffer 3.5.3.4 der Baubeschreibung enthaltenen technischen Leistungsanforderungen der Ausschreibung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A genüge. Es sei daher gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b VOB/A auszuschließen. Im Ergebnis hat der Einwand aus formalen Gründen Erfolg, weil die Auftraggeberin darauf verzichtet hat, sich die von der Beigeladenen angeforderten Zeugnisse in deutscher Sprache vorlegen zu lassen und weil die Auftraggeberin die Ausübung ihres Ermessens bei der Vorlage der Zeugnisse nicht dokumentiert hat.
Auf dem Titelblatt der Leistungsbeschreibung verweist die Auftraggeberin darauf, dass auch ohne den ausdrücklichen Zusatz "oder gleichwertig" immer gleichwertige technische Spezifikationen in Bezug genommen werden. Teil der Leistungsbeschreibung ist die Baubeschreibung. In Ziff. 3.5.3.4 der Baubeschreibung trifft die Auftraggeberin materielle Aussagen zur Qualität der anzubietenden LED-Anzeigetafeln. Darin heißt es u.a., die zu verwendenden Tafeln müssten in ihrer optischen Charakteristik den Anforderungen der DIN EN 12966-1 entsprechen. Dies sei auf Verlangen durch ein Zertifikat der BASt nachzuweisen. Die sichtbare Anzeigefläche müsse mindestens eine Größe von 1.200 x 1.600 (bxh) aufweisen und frei programmierbar für Texte und Symbole sein. Der Abstand der einzelnen Leuchtdioden in der Anzeigefläche dürfe einen Abstand von 20 mm untereinander nicht übersteigen. Alle Tafeln in mindestens weißer einfarbiger Ausführung. Bei mehrfarbiger Ausführung mindestens immer weiß und rot.
Mit dieser Beschreibung hat die Auftraggeberin objektive Qualitätsstandards vorgegeben. Sie hätte von diesen inhaltlichen Standards nur dann abweichen können, wenn diese Abweichung allen Bietern zugute gekommen wäre. Dazu hätte sie die Änderung vor dem Submissionstermin durch ein Bieterrundschreiben mitteilen müssen. Die Abweichungen hätten nicht so erheblich sein dürfen, dass sich potentielle Bieter wegen der ursprünglich gestellten höheren Anforderungen nicht am Vergabeverfahren beteiligt hätten (KG Berlin, Beschluss vom 31.08.2009, 2 Verg 6/09; Weyand Vergaberecht, ibr-online Kommentar, § 17 VOB/A 2006, Ziffer 94.6).
Eine solche gegenüber der ursprünglichen Vergabebekanntmachung nachträgliche geringe Modifizierung der Anforderungen durch ein gegenüber allen Bietern ergangenes Rundschreiben hat die Auftraggeberin nicht vorgenommen. Sie ist daher materiell an die obige Qualitätsanforderung zu den LED-Anzeigetafeln in der Baubeschreibung gebunden. Das bedeutet, dass jeder Anbieter LED-Anzeigetafeln gemäß den Vorgaben zur optischen Charakteristik der DIN EN 12966-1 verwenden muss, zusätzlich die LED-Tafeln die vorgegebene Größe aufweisen und frei programmierbar für Texte und Symbole sein müssen. Auf eine solche materielle Vorgabe bezieht sich die von der Antragstellerin herangezogene Entscheidung des OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.11.2010 - Verg W 14/10).
Da es sich nicht um eine "geforderte Erklärung" im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A handelt, müssen die Bieter nicht unaufgefordert bzw. bereits bei Abgabe des Angebotes einen Qualitätsnachweis durch ein Zertifikat nachweisen (vgl VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.03.2008 -VK-SH 2/08). Die Auftraggeberin hat sich vielmehr vorbehalten, bei Aufklärungsbedarf, wörtlich: "auf Verlangen" die optische Qualität der zu liefernden LED-Tafeln verifizieren zu lassen.
Die Auftraggeberin hat die Nachweismöglichkeiten zur Einhaltung der europaweit gültigen Norm in der Leistungsbeschreibung nicht auf ein Zertifikat der BASt beschränkt. Diese Regelung ist nämlich ausweislich der am Eingang der Leistungsbeschreibung von der Auftraggeberin getroffenen Festlegung um den Zusatz "oder gleichwertig" zu ergänzen. Das entspricht auch § 7 Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 VOB/A. Gleichwertig sind nach der sogenannten "NANDO Liste" ( N ew A pproach N otified and D esignated O rganisations ) der europäischen Kommission darin erwähnte Prüfeinrichtungen und Zertifizierungsstellen, zu denen das von der Beigeladenen ausgewählte Institut in Schweden gehört.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt der BASt keine besondere Funktion zu. Es gibt daher keinen sachlichen Grund für eine Verengung der auswählbaren Prüfungseinrichtungen auf die BASt. Weder ist sie übergeordnete nationale Qualifizierungsbehörde für die Anerkennung europäischer Zertifikate, noch können ihre Zertifikate rechtlich herausgehoben gewichtet werden. Die von der BASt selbst mitgeteilte Verfahrensdauer überschreitet die übliche Verfahrensdauer der vergaberechtlichen Aufforderungs- und Angebotsphase, also den Zeitraum von der Vergabebekanntmachung bis zur Submission deutlich.
Die Formulierung "auf Verlangen" beinhaltet, dass die Vergabestelle nicht in jedem Fall diesen Nachweis anfordern wird, sondern nur bei einzelfallbezogenem sachlich begründetem Prüfbedarf (vgl VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.03.2008 -VK-SH 2/08).
Diesen hat die Auftraggeberin bei der Beigeladenen nach ihrer schriftsätzlichen Einlassung zunächst nicht gesehen, weil sie der Auftraggeberin aus anderen Projekten bereits bekannt war und weil die Auftraggeberin die Qualität der von der Beigeladenen verwendeten LED-Anzeigetafeln in der praktischen Anwendung für gut befunden hatte. Das schwedische Zeugnis habe vorgelegen.
Nach ihrer Darstellung in der mündlichen Verhandlung sah sich die Auftraggeberin aufgrund des Gesprächs mit der Antragstellerin vom 08.12.2010 jedoch veranlasst, ihr Ermessen anders auszuüben und die Beigeladene nach einem Qualifikationsnachweis zu fragen. Dies sei telefonisch geschehen. Daher hat die Beigeladene um den 15.12.2010 herum die schwedischen Zertifikate in englischer Sprache nachgereicht.
Die Vergabekammer sieht nach inhaltlicher Beratung bereits in den praktischen Erfahrungen der Vergabestelle mit dem Produkt der Beigeladenen einen nachvollziehbaren und sachlich vollständig ausreichenden Grund, weiteren Prüfbedarf in der Phase vor Auftragserteilung zu verneinen und sich weitere Prüfungen als Qualitätssicherung in der Ausführungsphase vorzubehalten. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung ihre positiven Erfahrungen mit der LED-Technik der Firma xxxxxx ausführlich dargestellt. Für deren Produkte sind in der Vergangenheit Zeugnisse z.B. der BASt ausgestellt worden. Die Auftraggeberin hatte daher keine Zweifel an der Eignung der Zulieferin der Beigeladenen. Daher war die Auftraggeberin ermessensfehlerfrei berechtigt, das in Ziff. 3.5.3.4 der Baubeschreibung dargestellte "Verlangen" nicht auszuüben.
Die Kammer ist nicht der Überzeugung, dass ein Bieter, wenn er eine Rüge konkret vorträgt, das Ermessen des Auftraggebers zwangsläufig dahingehend reduziert, dass dieser trotz positiver Kenntnis der Produkte immer zur Anforderung eines Zertifikats für die Beigeladene verpflichtet wird. Die Zertifizierung ist ein geeignetes Instrument, die Qualität eines unbekannten Produktes nachzuweisen. Eine Vergabestelle, die eine solche Zertifizierung nicht verbindlich gefordert hat, sondern sich die Anforderung eines solchen Zertifikats unter Ausübung des Ermessens in Einzelfällen vorbehalten hat, muss eine konkrete Rüge in ihre Ermessensentscheidung einbeziehen. Das Ermessen der Vergabestelle wird aber durch die Rüge nicht eingeschränkt.
Die Auftraggeberin hat allerdings auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, indem sie die Beigeladene am 15.12.2010 aufforderte, die Qualifikation durch ein Zeugnis der BASt oder einer gleichwertigen Institution nachzuweisen. Sie war dabei aber an die formalen Vorgaben aus den Vergabeunterlagen gebunden.
Formal genügen die in englischer Sprache abgefassten schwedischen Zertifikate nicht den Anforderungen gemäß Ziffer IV 3.6 der europaweiten Bekanntmachung und Ziffer 3.1 der EU Bewerbungsbedingungen. Diese fordern, dass Angebote in deutscher Sprache abzugeben sind. Nachgereichte Erklärungen sind Teil des Angebots. Das folgt daraus, dass gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A Erklärungen und Nachweise im Angebot enthalten sind. Folglich sind sie Teil des Angebots geworden (Kratzenberg in Ingenstau/Korbion § 13 VOB/A Rz. 11). Durch die Möglichkeit, bestimmte Erklärungen nachreichen zu können, wird diese inhaltliche Zuordnung nicht aufgehoben.
Inhaltlich wurde in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass alle Verfahrensbeteiligten, die die Zeugnisse gelesen hatten, meinten, die Ausführungen in den schwedischen Prüfzeugnissen trotz der englischen Sprache inhaltlich vollständig und richtig erfasst zu haben. Die Auftraggeberin wies hierzu auf die europaweit gleichen Klassenbezeichnungen wie B3, L3, R3 etc. hin. Gleichwohl darf dies kein Grund sein, von einer verbindlichen Vorgabe der Vergabeunterlagen nachträglich absehen zu können. Eine zulässige Abweichung hätte ggf. durch Bieterrundschreiben vor Ende der Angebotsabgabefrist bekannt gemacht werden müssen. Eine nachträgliche Genehmigung der Abweichung ist hier zwar sehr naheliegend, scheidet im Vergaberecht aber wegen der zwingenden Transparenz ex ante aus. Das dient maßgelblich dem Schutz der Bieter, die nicht in eine Abhängigkeit von zufällig vorhandenen Sprachkenntnissen der Vergabestelle geraten dürfen.
Die Auftraggeberin hat sowohl gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1GWB wie die in § 20 Abs. 2 VOB/A normierte Dokumentationspflicht verstoßen, da sie weder ihre Entscheidung, wie sie das obige Ermessen ausübt, noch die Anforderung des Zertifikats von der Beigeladenen dokumentiert hat. Die Vergabekammer war ohne eine ergänzende Erläuterung in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, dem Vermerk vom 15.12.2010 zu entnehmen, dass die Prüfzeugnisse auf telefonische Nachfrage der Vergabestelle von der Beigeladenen vorgelegt worden waren. Ebenso blieb unklar, ob die Vergabestelle inhaltliche Vorgaben für die vorzulegenden Zeugnisse erstellt hatte, oder formale Vorgaben, z.B. eine Frist gesetzt hatte. Auch der Inhalt eines Telefonats hätte dokumentiert werden können und in diesem Fall dokumentiert werden müssen. Der förmlichen Anforderung von Unterlagen durch die Vergabestelle steht es gleich, wenn die Vergabestelle sich telefonisch nach etwaigen Qualifikationen erkundigt, die Beigeladene daraufhin Unterlagen anbietet und die Vergabestelle das Angebot stillschweigend oder ausdrücklich annimmt. Insbesondere kann der telefonische Kontakt mit einem Anbieter nicht dazu führen, dass er seinem Angebot fremdsprachige wertungsrelevante Unterlagen nachträglich beifügen darf, die bei förmlicher Nachforderung nicht berücksichtigungsfähig wären.
Das Vergaberecht ist zur Vermeidung von Manipulationsmöglichkeiten in besonderem Maße formenstreng. Die formellen wie materiellen Anforderungen an vorzulegende Nachweise sind sowohl von den Bietern, als auch von der Vergabestelle genau einzuhalten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2010 - Verg 56/10 zit. nach ibr). Der Auftraggeber muss zwingend die Dokumentationspflicht erfüllen und das Transparenzgebot beachten. Daran fehlt es in dieser kurzen, aber entscheidenden Phase.
b)
Die Antragstellerin rügt, die von der Beigeladenden angebotene Gitterrohrkonstruktion der mobilen Verkehrszeichenbrücken entspreche nicht den Vorgaben der Vergabeunterlagen. Die aktuellen technischen Anforderungen forderten von solchen Konstruktionen Biegesteifheit. Es bestünden begründete Zweifel an der Beachtung der statischen Erfordernisse der diesbezüglichen Produkte der Beigeladenen.
Die Konstruktion der Verkehrszeichenbrücken war unter Ziffer 3.5.3.6 der Baubeschreibung und in der Langfassung des geteilten Leistungsverzeichnisses unter Ziffer 00.03.000.02ff, 00.03.000.10 beschrieben. Daraus war eindeutig erkennbar, dass die Auftraggeberin weder die DIN EN 12966, noch die DIN 12899 als Grundlage der Statik der Verkehrszeichenbrücken ansah. Die Konstruktion der Verkehrszeichenbrücken war auch Gegenstand der Bieterrundschreiben vom 19.11.2010 und 21.11.2010. Die Auftraggeberin hat überzeugend dargelegt, dass die DIN EN 12966-1 wegen der Bezüge auf Anhang ZA.1 der Norm nicht für temporäre Anlagen gilt und die Einhaltung dieser Norm in diesem Vergabeverfahren nur bezüglich der optischen Charakteristika gefordert wurde. Das Angebot der Beigeladenen entspricht daher den Vorgaben der Ausschreibung. Wenn die Antragstellerin eine Erweiterung der statischen Anforderungen hätte fordern wollen, hätte sie vor der Submission - ggf. durch eine Rüge - auf eine entsprechende Änderung der Vergabeunterlagen hinwirken müssen.
c)
Soweit die Antragstellerin in dem Gespräch vom 08.12.2010, gerügt hat, hinsichtlich der LED-Technik gäbe es spezielle Anforderungen für Bundesautobahnen und die verwendeten LEDs müssten eine bestimmte CE-Kennung aufweisen, ist diese Rüge unbegründet. Die Auftraggeberin hat in den Vergabeunterlagen nicht auf CE-Kennungen hingewiesen. Sie hat die Qualitätsanforderung auf die optischen Eigenschaften der DIN EN 12966-1 beschränkt. Wenn die Antragstellerin der Meinung ist, die Auftraggeberin hätte weitergehende Anforderungen und Nachweise erheben müssen, wäre sie auch diesbezüglich gehalten gewesen, vor der Submission durch eine Rüge auf eine Änderung der Vergabeunterlagen hinzuwirken.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.
Eine Zurückversetzung in den Stand vor der Submission, wie von der Auftraggeberin hilfsweise beantragt, ist geeignet, die Verletzung der Rechte der Antragstellerin durch die mangelhafte Dokumentation der Ermessensausübung bei der Nachforderung der LED-Zertifikate zu heilen. Darüber hinaus ermöglicht die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Submission der Auftraggeberin die Option, mit Hilfe eines Bieterrundschreibens die Leistungsbeschreibung geringfügig zu modifizieren.
Diese umfassende Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist jedoch nicht das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe, um die gegenüber der Antragstellerin eingetretene Rechtsverletzung sicher zu beseitigen. Die Verpflichtung, die Wertung vollständig neu durchzuführen, verpflichtet die Auftraggeberin, das Ermessen über die Nachforderung der Zertifikate neu auszuüben. Hierbei hat sie sowohl die Möglichkeit, von der Beigeladenen Zeugnisse in deutscher Sprache anzufordern, oder aber gemäß den obigen Erwägungen das Verlangen auf Nachlieferung des Zeugnisses nicht auszuüben. Es ist daher nicht erforderlich, das Verfahren in den Stand vor Submission zurückzuversetzen, sondern es genügt die Verpflichtung der Auftraggeberin, die Wertung neu durchzuführen, um eine ergebnisoffene und zugleich rechtsfehlerfreie Durchführung des Vergabeverfahrens zu gewährleisten.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 GWB haften mehrere Kostenschuldner, hier also die Auftraggeberin und die Beigeladene als Gesamtschuldner.
Die Auftraggeberin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 905; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Es entspricht daher der Billigkeit im Sinne des 128 Abs. 3 Satz 5 GWB, die Pflicht der Beigeladenen zur Kostentragung auf die Hälfte der Gebührenschuld zu begrenzen.
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Auftraggeberin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung erforderlich.
Da die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Dagegen sieht die Kammer gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB keine Notwendigkeit, der Auftraggeberin die Kosten der anwaltlichen Vertretung der Beigeladenen aufzuerlegen. Für die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung gilt das zur Antragstellerin ausgeführte.
Zwar hat die Beigeladene Anträge gestellt, auch schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung das Verfahren wesentlich gefördert, aber auf Seite der Auftraggeberin.
Die Beigeladene wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxxEUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx.
IV. Rechtsbehelf
...
Rohn
Roloff