Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.12.2011, Az.: VgK-52/2011

Zulässigkeit der Auswahl eines sog. "Postkonsolidierer" für das Abholen, Sortieren und Frankieren von Briefen, Einschreiben, Nachnahmesendungen und Postkarten; Zulässigkeit der Wertung eines Angebots im Rahmen eines Vergabeverfahrens in einer nachträglich geänderten Fassung; Vereinbarkeit einer etwaigen Befugnis zur Änderung des Angebots nur einzelner Bieter nach Ablauf der Angebotsabgabefrist mit den Gleichbehandlungsgrundsatz

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
12.12.2011
Aktenzeichen
VgK-52/2011
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 33852
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Vergabe von Postdienstleistungen

B e s c h l u s s
in dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl. Ing. Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer Herrn Rechtsanwalt Hintz, auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2011 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der aus der Begründung ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu 2/3, die Antragsgegnerin zu 1/3 zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu 2/3 zu erstatten.

  5. 5.

    Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu 1/3 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Die Antragsgegnerin hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2011 Postdienstleistungen europaweit als Dienstleistungsauftrag gemäß VOL/A-EG losweise im offenen Verfahren für die Dauer von zwei Jahren ausgeschrieben. Das hier streitgegenständliche Los 1 umfasste gemäß Vergabebekanntmachung das Abholen, Sortieren und Frankieren von Briefen, Einschreiben, Nachnahmesendungen und Postkarten sowie deren Zustellung im gesamten Bundesgebiet bzw. die Gewährleistung der Zustellung durch Einlieferung von Teilmengen bei der Deutschen Post AG. Einziges Zuschlagskriterium sollte der niedrigste Preis sein. Schlusstermin für die Abgabe der Angebote war der 29.08.2011, 15:30 Uhr.

2

In dem Leistungsverzeichnis der Verdingungsunterlagen war zur Einlieferung von Sendungen bei der Deutschen Post AG unter 2.) Folgendes festgelegt:

"Sofern das Zustellgebiet des Anbieters - inkl. seiner Unterauftragnehmer - nicht das gesamte Bundesgebiet abdeckt, sind diejenigen Briefe, die außerhalb des jeweiligen Zustellungsgebietes liegen, bei einem Briefzentrum der Deutschen Post AG einzuliefern. Gleiches gilt, wenn der Auftragnehmer eine im Leistungsverzeichnis genannte Sendungsart (z.B. Nachnahme) nicht selbst zustellt. Die hierfür erforderliche Sortierung aller Versandstücke übernimmt der Auftragnehmer."

3

In den Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) der Verdingungsunterlagen ist in Abschnitt 1.1. "Art und Umfang der Lieferungen und Leistungen" unter der lfd. Nr. 2 Folgendes geregelt:

"Nr. 2) Bei Widersprüchen im Vertrag gelten nacheinander:

a) das Leistungsverzeichnis mit Vorrang gegenüber Plänen/Zeichnungen

b) Besondere Vertragsbedingungen

c) etwaige Ergänzende Vertragsbestimmungen

d) etwaige zusätzliche Vertragsbedingungen

e) etwaige Allgemeine Technische Vertragsbedingungen

f) die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B)"

4

Im Weiteren ist in den ZVB unter Nr. 1.2 Folgendes festgelegt:

"1.2 Regelungen in den Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers, die im Widerspruch zu den Inhalten der Ausschreibungsunterlagen stehen, werden nicht Bestandteil des Vertrags. Bei der Einschaltung der Deutschen Post AG für die Vergabe und Auftragsdurchführung darf sich der Auftragnehmer auf die AGB der Deutschen Post AG berufen. Abweichungen von den in Nr. 1.1 angegebenen Vertragsbestandteilen wie auch mündliche Abreden gelten nur, wenn der Auftraggeber sie schriftlich bestätigt hat. Dies gilt nicht für einen angebotenen Skontoabzug."

5

Bezogen auf Los 1 beteiligten sich insgesamt 3 Bieter am Vergabeverfahren. Nach der Angebotswertung belegte die Beigeladene Rang 1 und die Antragstellerin Rang 2. Der preisliche Abstand zwischen den Angeboten betrug ca. 3%. Am 11.10.2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Informationsschreiben gemäß § 101a GWB mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.

6

Nach Erhalt des Informationsschreibens rügte die Antragstellerin am 14.10.2011 das Vergabeverfahren:

7

Der von der Antragsgegnerin ausgewählte Bieter sei ein sog. "Postkonsolidierer", der lediglich postalische Vorbereitungsleistungen für den Absender erbringe. Die zu diesem Zwecke zwischen der Deutschen Post AG und dem Konsolidierungsunternehmen geschlossenen Teilleistungsverträge berechtigten dieses, die zum Versand vorbereiteten und mit dem Porto der Deutschen Post AG frankierten Sendungen bei einem Briefzentrum der Deutschen Post AG einzuliefern, damit diese dann für den Absender zustelle. Diese erhielten dann wegen der erbrachten Leistungen einen entsprechenden "Rabatt". Die eigentliche Zustelltätigkeit, die sich an die postalischen Vorbereitungsleistungen des Konsolidierers anschließe, werde für den Absender durch das Unternehmen der Deutschen Post AG auf Grundlage der dortigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen "AGB BRIEF NATIONAL" erbracht. Die AGB der Deutschen Post AG widersprächen aber in verschiedenen Punkten den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses der Antragsgegnerin, so dass eine vertragsgemäße Erfüllung der ausgeschriebenen Leistung durch die Beigeladene gar nicht möglich sei.

8

So sähe das Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin unter der lfd. 4.1 vor, dass der Auftragnehmer 90% der Sendungen in der Leitregion xxxxxx in einem Zeitfenster von einem Tag nach der Abholung bei der Antragsgegnerin zustellen müsse. Demgegenüber garantiere das Unternehmen der Deutschen Post AG unter Punkt 4 Abs. 1 ihrer AGB die Zustellung der durch ein Konsolidierungsunternehmen bei einem Briefzentrum eingelieferten Sendungen in keinem Falle und erst recht nicht vertraglich. Damit sei auch das Konsolidierungsunternehmen, das die Sendungen für den Absender bei der Deutschen Post AG einreiche, nicht in der Lage, eine entsprechende vertragliche Zusage zu geben. Die Beigeladene sei demgemäß nicht geeignet, die vorliegende Vereinbarung gemäß den Vertragsbedingungen und den Ausschreibungsbedingungen zu erfüllen. Dies verstoße gegen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB und gegen den § 19 Abs. 5 VOL/A-EG in Bezug auf die Auswahl eines vorliegend ungeeigneten Bieters.

9

Gleiches gelte sinngemäß auch in Bezug auf die Regelungen unter den lfd. Nr. 5 - 7 des Leistungsverzeichnisses der Antragsgegnerin zum Wegfall der Zustellungspflicht, der Behandlung von unzustellbaren Briefsendungen und der Behandlung von Einschreiben. Die diesbezüglichen Regelungen fänden sich unter Punkt 4 Abs. 3, 4 und 7 der AGB der Deutschen Post AG und korrespondierten ebenfalls nicht mit den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses.

10

Im Weiteren habe die Antragsgegnerin unter der lfd. Nr. 4.2 des Leistungsverzeichnisses gefordert, dass Briefsendungen an Adressaten innerhalb der Stadt xxxxxx am Tage der Abholung zwingend im Briefzentrum xxxxxx einzuliefern seien. Diese Leistung könne die Beigeladene aber gar nicht erfüllen. Diese unterhalte Unternehmensstandorte in Hamburg und Hannover, nicht aber in der Nähe von xxxxxx und xxxxxx. Da diese Sendungen gemäß Leistungsverzeichnis ab 15:15 Uhr bei der Antragsgegnerin zur Abholung bereit stehen würden, sei eine Verbringung, Frankierung und Verarbeitung dieser Sendungen an den Standorten in Hamburg oder Hannover nötig. Aus rein logistischen und zeitlichen Gründen sei eine anschließende Einlieferung zu den Öffnungszeiten des Briefzentrums xxxxxx am gleichen Tage nicht mehr möglich.

11

Außerdem sei davon auszugehen, dass die Beigeladene ein Unterkostenangebot abgegeben habe. Konsolidierungsunternehmen wie die Beigeladene würden mit der Deutschen Post AG sogenannte Teilleistungsverträge schließen, die sie berechtigten, die von ihr vorbereiteten Sendungen bei der Deutschen Post AG einzuliefern, damit diese dann die Sendungen für den Absender zustelle. Für diese Leistungen erhielten Konsolidierungsunternehmen dann im Gegenzug von der Deutschen Post AG einen Rabatt. Die Höhe dieses Rabattes sei der Antragstellerin bekannt, darüber hinaus dürfe die Deutsche Post AG als marktbeherrschendes Unternehmen einzelnen Konsolidierungsunternehmen auch keine weiteren Sonderkonditionen einräumen. Dies bedeute nach der eigenen Kalkulation der Antragstellerin, dass der von der Beigeladenen angebotene Versandpreis nur ein Unterkostenangebot sein könne.

12

Die Antragsgegnerin wies die Rüge mit Schreiben vom 19.10.2011 zurück.

13

Grundsätzlich sei die Antragsgegnerin darauf bedacht gewesen, möglichst vielen Postdienstleistern die Möglichkeit zu geben, an der vorliegenden Ausschreibung teilzunehmen. Der Kreis der Bieter habe deshalb sowohl aus Unternehmen bestanden, die bundesweit selbst zustellten als auch aus Unternehmen, die sich für die Zustellung ganz oder teilweise der Deutschen Post AG bedienten. Die Zustellung erfolge dann durch die Deutsche Post AG zu deren von der Antragstellerin richtig zitierten AGB Brief national. Die Deutsche Post AG trete in solchen Fällen nicht als Subunternehmer anderer Postdienstleister auf, so dass andere Postdienstleister bei Inanspruchnahme der Deutschen Post AG für deren Leistungen keine vertragliche Zusagen geben könnten.

14

Nach dem Kenntnisstand der Antragsgegnerin sei allein die Deutsche Post AG in der Lage, eine eigene bundesweite Zustellung zu gewährleisten. Alle anderen Postdienstleister müssten daher - in unterschiedlicher Intensität - die Leistungen der Deutschen Post AG in Anspruch nehmen, um eine bundesweite Zustellung anbieten zu können. Ausschreibungen, die eine bundesweite Zustellung erforderten, müssten daher eine Öffnungsklausel beinhalten, die den anderen Postdienstleistern die Möglichkeit gebe, zu den AGB Brief national bei der Deutschen Post AG einzuliefern. Diese Problematik habe die Antragsgegnerin erkannt und daher in Nr. 1.2 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen eine Öffnungsklausel aufgenommen. Mit dieser Öffnungsklausel sei es nun für alle anderen Postdienstleister möglich, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Sie bräuchten für die Leistungen der Deutschen Post AG nicht die Verantwortung übernehmen oder vertragliche Zusagen treffen. Dies beträfe alle Rügen der Antragstellerin in Bezug auf die abweichenden Regelungen in den AGB der Deutschen Post AG im Vergleich zu den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses. Inhaltlich gingen die Rügen der Antragstellerin damit ins Leere.

15

Im Übrigen sei auch die Antragstellerin ein Unternehmen, das auch unter Einbeziehung ihrer Subunternehmer keine eigene bundesweite Zustellung anbieten könne. Ihr eigenes Zustellgebiet und das ihrer Subunternehmen decke nicht das gesamte Bundesgebiet ab. Darüber hinaus biete die Antragstellerin auch keine eigene Zustellung von Nachnahmesendungen an. Die Antragstellerin stehe seit dem 01.07.2011 in einem Vertragsverhältnis mit der Antragsgegnerin. Während dieser Zeit lieferte sie Nachnahmesendungen der Antragsgegnerin bei der Deutschen Post AG ein, gleiches gelte für alle Auslandssendungen. Die Grundlagen, aus denen die Antragstellerin Vergabeverstöße herleite, seien bereits aus den Vergabeunterlagen für die Antragstellerin erkennbar gewesen. Die Antragstellerin hätte zu der Erkenntnis gelangen müssen, dass sie selbst die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht ganzheitlich erfüllen könne und dadurch in ihren Rechten verletzt würde. Dieser Umstand hätte sie veranlassen müssen, die von ihr jetzt festgestellten angeblichen Rechtsverletzungen bereits während der Angebotsfrist, die am 29.08.2011 endete, zu rügen.

16

Soweit die Antragstellerin im Zusammenhang mit den geforderten Zustellzeiten auf eine Ungleichbehandlung von Bietern, die selber zustellten, im Vergleich mit Bietern, die sich der Deutschen Post AG bedienten, schließe, sei festzustellen, dass die Antragsgegnerin für den Fall der eigenen Zustellung diesen anderen Postdienstleistern gerade eben nicht die Ausführungsart der Deutschen Post AG vorgeschrieben habe, sondern in dem Leistungsverzeichnis alternative Möglichkeiten zugelassen und entsprechende Mindeststandards formuliert habe, die aus ihrer Sicht und für ihre Zwecke geeignet seien und die anderen Postdienstleister auch nicht gegenüber der Deutschen Post AG benachteiligen würden. So habe sie bei der Festlegung der in Nr. 4.1 des Leistungsverzeichnisses zu Los 1 festgelegten Laufzeiten die Qualitätsstandards der Deutschen Post als Maßstab angesetzt. So stelle die Deutsche Post AG nach eigenen Angaben 93,8% aller Briefsendungen in der Leitregion xxxxxx einen Tag nach Einlieferung zu. Dies entspräche auch den Erfahrungen, die die Antragsgegnerin mit der Deutschen Post AG in der Vergangenheit gemacht habe. Insoweit würden anderen Postdienstleistern damit auch keine höheren Standards auferlegt.

17

Soweit die Antragstellerin rüge, dass es der Beigeladenen aus rein logistischen und zeitlichen Gründen nicht möglich sei, die für den Bereich der Stadt xxxxxx vorgesehenen Sendungen rechtzeitig am gleichen Tag der Abholung beim Briefzentrum xxxxxx einzuliefern, sei dies lediglich eine Unterstellung. Die Antragsgegnerin habe die vergaberechtlich erforderliche Prüfung der Eignung der Beigeladenen detailliert vorgenommen. Anhaltspunkte, dass die Beigeladene die Vorgaben der Verdingungsunterlagen nicht erfülle, bestünden nicht. Die Leistungsfähigkeit der ausgewählten Bieterin sei daher nicht in Frage zu stellen.

18

Auch in Bezug auf das angebliche Unterkostenangebot der Beigeladenen handele es sich lediglich um eine Unterstellung. Die Stadt xxxxxx habe das Angebot der Beigeladenen entsprechend den vergaberechtlichen Vorschriften geprüft. Anhaltspunkte, dass gemäß § 19 Abs. 6 VOL/A-EG das Angebot der Beigeladenen im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheine, seien nicht ersichtlich.

19

Nach der Rügezurückweisung der Antragsgegnerin rügte die Antragstellerin noch am gleichen Tage erneut das Vergabeverfahren. Die Antragsgegnerin berufe sich in ihrer Rügeerwiderung nunmehr auf eine Öffnungsklausel in Nr. 1.2 der ZVB. In diesem Zusammenhang sei jedoch festzustellen, dass die ZVB entsprechend der dortigen Festlegung in Abschnitt 1.1 Nr. 2 nachrangig hinter den Vorgaben der Leistungsbeschreibung, den Besonderen Vertragsbedingungen und den Ergänzenden Vergabebestimmungen stehen würden. Die Anforderungen der Leistungsbeschreibung stünden deshalb über den Regelungen der ZVB. Ein "Hineinlesen einer Öffnungsklausel" in den zweiten Satz des Punktes 1.2 der ZVB sei für die Antragstellerin auch in keiner Weise erkennbar gewesen. Insbesondere finde sich keine korrespondierende Regelung in der Leistungsbeschreibung.

20

Mit Schriftsatz vom 20.10.2011 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens. Sie argumentiert wie in ihren Rügen gegenüber der Antragsgegnerin.

21

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist;

  2. 2.

    der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Zuschlag auf den Dienstleistungsauftrag "Postdienstleistungen, Los 1, Briefversand, Vergabe-Nr. xxxxxx" nicht der Beigeladenen zu erteilen, sondern unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin vom 25.08.2011 eine Neubewertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vorzunehmen;

  3. 3.

    die Antragsgegnerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin;

  4. 4.

    die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

22

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

23

Die Antragsgegnerin argumentiert wie in ihrer Rügeerwiderung vom 19.10.2011. Soweit die Antragstellerin nunmehr in ihrem Schreiben vom 19.10.2011 rüge, dass keine der Ziff. 1.2 der ZVB korrespondierende Regelung im Leistungsverzeichnis vorhanden sei, sei darauf hinzuweisen, dass im Leistungsverzeichnis zu Los 1 unter "Auftragsinhalt" auf S. 1 die Einlieferung bei der Deutschen Post AG explizit als Alternative aufgeführt werde. Es ergebe sich aus der Natur der Sache, dass dafür die AGB der Deutschen Post AG Anwendung finden müssten. Wäre dies nicht der Fall, wäre es Bietern faktisch gar nicht möglich, Briefsendungen einzuliefern, was die vorliegende Ausschreibung ad absurdum geführt hätte.

24

Die Beigeladene äußert sich nicht zum Verfahren.

25

Am 07.12.2011 forderte die Vergabekammer von der Antragsgegnerin die Seite 2 des Schreibens der Beigeladenen vom 01.09.2011 an.

26

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2011 Bezug genommen.

27

II.

Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig und begründet. Die Antragstellerin wird durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat in rechtsfehlerhafter Weise das Angebot der Beigeladenen in einer unzulässig geänderten Fassung gewertet (im Folgenden 2. a).

28

Die Antragstellerin hat allerdings ihre Substantiierungspflicht zum angeblichen Unterkostenangebot der Beigeladenen nicht beachtet (im Folgenden 1. c). Sie hat die von ihr gesehene Kollision von Leistungsverzeichnis und AGB der Deutschen Post AG, die dazu führe, dass Konsolidierungsunternehmen keine vertragliche Zusage über die Einhaltung der Zustellzeiten abgeben könnten, daher nicht geeignet seien, nicht rechtzeitig gerügt (im Folgenden 1. d).

29

1.a) Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um die Stadt xxxxxx und damit um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 1 GWB. Gegenstand des vorliegenden Vergabeverfahrens ist die Vergabe von Postdienstleistungen und damit ein Dienstleistungsauftrag i. S. des § 99 Abs. 1 u. Abs. 4 GWB. Der streitbefangene Auftrag erreicht auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 Nr. 1 GWB festgelegt sind. Für Dienstleistungsaufträge gilt gem. § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 193.000 EUR (netto). Ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen Vergabevermerks vom 21.10.2011 hat die Auftraggeberin den Wert des hier streitbefangenen Loses 1 (Briefversand) vorab gem. §§ 1, 3 VgV auf xxxxxx EUR geschätzt.

30

b) Die Antragstellerin ist gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterunternehmen im Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht.

31

Die Antragstellerin trägt vor, durch die beabsichtigte Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu werden. Die vorgesehene Vergabeentscheidung verletze ihr Recht auf Erteilung des Zuschlags. Durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften entstünde ihr ein Schaden mindestens in Form des entgangenen Gewinns. Sie trägt ferner vor, dass eine Vergabe an die Beigeladene als Post-Konsolidiererin gegen die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses verstoße. Im Leistungsverzeichnis sei keine Öffnungsklausel zugunsten von sog. Konsolidierungsunternehmen enthalten. Die zusätzlichen Vertragsbedingungen seien gegenüber dem Leistungsverzeichnis nachrangig und könnten solche Ausnahmen nicht begründen. Daher seien solche Unternehmen vom Wettbewerb auszuschließen.

32

Außerdem sei die Beigeladene nicht in der Lage, die Post rechtzeitig gemäß den Vorgaben der Vergabeunterlagen im Briefzentrum xxxxxx einzuliefern.

33

Überdies habe die Beigeladene ein Unterkostenangebot abgegeben.

34

Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB, dass das den Nachprüfungsantrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107 Rz. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis zunächst dargelegt. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Antragsgegnerin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: 1/99, S. 24).

35

Ob sich die dargestellte Rechtsverletzung bestätigt, hier insbesondere ob das Angebot der Beigeladenen aufgrund deren Eigenschaft als Konsolidierer, der nicht selbst zustellt, wirklich hätte ausgeschlossen werden müssen, und ob die Beigeladene wirklich nicht die Einlieferungsfristen einzuhalten vermag, ist grundsätzlich keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2006, VII-Verg 23/06, Ziff. 1a, zitiert nach VERIS).

36

Erst wenn die Zuschlagerteilung auf das Angebot der jeweiligen Antragstellerin von vornherein und offensichtlich ausgeschlossen ist, weil z.B. etwaige Gründe zum Ausschluss der Antragstellerin evident vorliegen, führt dies zum Wegfall der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB (Ruhland in Müller-Wrede § 107 Rz. 11; Reidt in Reidt/ Stickler/Glahs Vergaberecht 3. Auflage § 107 Rz.36 m.w.N.)

37

Die Vergabekammer schließt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ein auf die vorgetragenen Unklarheiten im Leistungsverzeichnis gestütztes Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin nicht generell aus. Zwar hat die Vergabekammer im Jahr 2010 zum identischen Verfahrensgegenstand bei im Kern gleicher Vertragskonstellation und unter Beteiligung der Antragstellerin bereits eine Entscheidung getroffen (Beschluss vom 30.06.2010, Az.: VgK-26/2010). In diesem Beschluss hat die Vergabekammer es unter Ziff. 2a am Ende als unproblematisch weil den Wettbewerb erweiternd angesehen, dass die Antragsgegnerin

"den Bietern die Möglichkeit einräumte, Postdienstleistungen nicht nur mit eigenen Mitarbeitern, sondern auch durch Einschaltung von Dritten einschließlich der Einlieferung bei der Deutschen Post AG - ggf. unter Einschaltung von Briefkonsolidierern - zu erbringen",

38

Dennoch ist die Übereinstimmung wegen der in diesem Nachprüfungsverfahren eher bieterbezogenen Argumentation nicht so evident, dass die Vergabekammer daraus ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis und somit daraus die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages herleitet.

39

c) Soweit sich die Antragstellerin auf das angebliche Unterkostenangebot der Beigeladenen bezieht, fehlt es am Mindestmaß der gemäß § 108 Abs. 2 GWB notwendigen Sachverhaltsdarstellung zum Nachprüfungsbegehren. Die Antragstellerin stellt im Kern lediglich die Behauptung auf, dass die Beigeladene nach der Kalkulation der Antragstellerin aufgrund der ihr bekannten Rabatte der Deutschen Post AG ein Unterkostenangebot vorgelegt habe. Die Substantiierungen bleiben hinter dem der Antragstellerin Möglichen deutlich zurück.

40

Gemäß § 108 Abs. 2 GWB muss die Begründung eines Nachprüfungsantrags zwingend eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit zugehöriger Sachverhaltsdarstellung enthalten. Um den Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu eröffnen, bedarf es der Darlegung zumindest einer konkreten, nicht völlig vagen und pauschal behaupteten Vergaberechtsverletzung. Eine aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und damit unbeachtlich (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 08.12.09, Az. 11 Verg 06/09). Das OLG München (Beschluss vom 07.08.07, Verg 08/07) führt ergänzend aus, dass reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen nicht ausreichen. Die Zulassung pauschaler und unsubstantiierter Behauptungen in der Erwartung, die Amtsermittlungspflicht der Vergabekammer werde zum Nachweis eines Vergabeverstoßes führen, sei abzulehnen. Denn bei einem Vortrag "ins Blaue hinein" ist die Vergabekammer von der Notwendigkeit einer Sachaufklärung von Amts wegen gem. § 110 Abs. 1 GWB entbunden (vgl. 1. VK Sachsen, Beschluss v. 24.03.2003, Az.: 1/SVK/018-03). Rügen sind jedenfalls dann unzureichend, wenn sie nur "ins Blaue hinein" erhobene Vorwürfe enthalten, denen keinerlei konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für einen möglichen Vergaberechtsverstoß zugrunde liegen (vgl. OLG München, Beschluss v. 26.06.2007, Az.: Verg 6/07). Rügen dürfen nicht lediglich völlig pauschal und indifferenziert sein (OLG Naumburg, Beschluss v. 14.12.2004, Az.: 1 Verg 17/04). Durch die Reform des § 110 GWB, insbesondere durch den neu eingefügten § 110 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Pflicht der Beteiligten zu einem substantiierten Vortrag erhöht worden.

41

Zwar kann stets nur der Grad der Kenntnis des Bieters von dem geltend gemachten Vergaberechtsverstoß Maßstab für die Anforderungen an den inhaltlichen Gehalt einer Rüge sein. Dabei ist jeweils einzelfallbezogen zu berücksichtigen, dass eine Antragstellerin, wie in der Regel alle Bieter in einem Vergabeverfahren nach VOL/A-EG, keine Kenntnis von der Angebotssumme der Konkurrenten erhält. Um den effektiven Rechtsschutz nicht zu vereiteln, muss es der Antragstellerin daher möglich sein, auch auf der Basis von auf Anhaltspunkte gestützten Behauptungen einen Nachprüfungsantrag zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006, XZB 14/06, Rz. 39).

42

Allerdings belässt es die Antragstellerin in ihrer Rüge bei der Behauptung, dass die Beigeladene ein Unterkostenangebot abgegeben habe. Sie benennt nicht einmal die ihr angeblich bekannten Rabatte der Beigeladenen. Damit unterlässt sie eine ihr nach eigener Darstellung mögliche nähere Substantiierung des Vorwurfs des Unterkostenangebots der Beigeladenen. Die Amtsermittlungspflicht der Vergabekammer dient nicht dazu, Vergabeverstöße erst zu recherchieren. Sie setzt vielmehr voraus, dass bereits ein zulässig gestellter Antrag existiert. Die Antragstellerin kann sich daher nicht unter Berufung auf den Untersuchungsgrundsatz des§ 110 GWB ihrer Darlegungslast entziehen (Nowak in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 108 Rz: 19).

43

Vor allem aber unterlässt die Antragstellerin jegliche nachvollziehbare Erläuterung zur Notwendigkeit ihres eigenen amtsbekannten Preissprungs von 25% innerhalb eines Jahres.

44

Die Antragsgegnerin hat zum selben Verfahrensgegenstand mit identischer Losaufteilung und identischer Mengenannahme bereits im Jahre 2010 eine Vergabe durchgeführt, in der auch die Antragstellerin auf das hier streitgegenständliche Los 1 ein Angebot abgegeben hat. Das Angebot der Antragstellerin aus Jahr 2010 betrug xxxxxx EUR, während es jetzt nur ein Jahr später auf xxxxxx EUR, also um etwas über 25% gestiegen ist. Wenn die Antragstellerin darlegen will, dass ein Angebot, welches geringer ist, als ihr eigenes, ein Unterkostenangebot sei, ist sie jedenfalls bei einer so erheblichen Preissteigerung in nur einem Jahr zunächst verpflichtet, die notwendigen Änderungen der eigenen Kalkulation binnen dieses Jahres in der gemäß § 108 Abs. 2 GWB zwingend erforderlichen Sachverhaltsdarstellung des Nachprüfungsantrags darzustellen. Das ist Folge der aus § 110 Abs. 1 GWB abzuleitenden Verfahrensförderpflicht bzw. Mitwirkungslast (Schneevogl in Müller-Wrede § 110 Rz. 5 GWB; Reidt in Reidt/Stickler/Glahs § 110, Rz.1) der Antragstellerin, die ihr gegebenen Möglichkeiten zur Substantiierung des Sachvortrags zu nutzen.

45

In der mündlichen Verhandlung ist zwar deutlich geworden, dass der Antragstellerin durch die Insolvenz des regionalen Konkurrenten "xxxxxx" eine Marktstellung zugewachsen war, die ihr eine solche drastische Preisanhebung erlaubte, aber nicht, dass jede Unterschreitung dieses erhöhten Preises ein Unterkostenangebot sei.

46

d) Die Antragstellerin hat nicht alle von ihr im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt.

47

Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB muss ein Antragsteller Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zu Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber rügen.

48

aa) Die Antragstellerin hat ihre Rüge und den Nachprüfungsantrag im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin Regelungen enthalte, die mit den AGB "Brief national" der Deutschen Post AG nicht übereinstimmten. Daher könnten Konsolidierungsunternehmen keine vertragliche Zusage über die Einhaltung der Zustellzeiten abgeben. Die Beigeladene erfülle daher nicht die Eignungskriterien. Die Vorgaben der Leistungsbeschreibung seien eindeutig und enthielten selbst keine Ausnahme bei einem Einsatz des Unternehmens der Deutschen Post AG. Daraus folgert sie, dass ein Unternehmen, welches wie die Beigeladene die ausgeschriebenen Postdienstleistungen nicht selbst erbringe, sondern durch die Deutsche Post AG erbringen lasse, gegen zwingende Leistungsvorgaben verstoße, die für alle übrigen Bieter gälten.

49

Für die Erkennbarkeit geltend gemachter Verstöße aus den Vergabeunterlagen gemäß § 107 Abs. 3 Ziff. 3 GWB kommt es auf einen objektiven Maßstab unter Beachtung der üblichen Sorgfalt und der üblichen Erkenntnismöglichkeiten an (Ruhland in Müller-Wrede GWB § 107 Rz. 25). Mit der Rügeobliegenheit soll der Bieter dem Auftraggeber die Möglichkeit eröffnen, sich zu korrigieren, eigene Fehler frühzeitig zu beseitigen und das Vergabeverfahren so wenig wie möglich zu verzögern oder zu verhindern (Hattig in Hattig/Maibaum § 107 Rz. 49). Zudem soll verhindert werden, dass Bieter und Bewerber mit erkannten Fehlern spekulieren und sie erst dann, wenn sie sich entweder zu ihren Lasten, oder nicht mit dem gewünschten Erfolg ausgewirkt haben, vor der Vergabekammer geltend machen. Die Unternehmen werden so zu einem kooperativen Verhalten gegenüber der Vergabestelle angehalten (Hattig in Hattig/Maibaum § 107 Rz. 49).

50

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bezieht sich ihre Rüge nicht auf die bieterbezogene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin, sondern greift bereits den Inhalt der Vergabeunterlagen an. Da nicht nur einzelne Bieter, sondern alle potentiellen Bieter mindestens teilweise auf die Zustelldienste der Deutschen Post AG zurückgreifen müssen, entsteht die von der Antragstellerin dargestellte Kollision von Leistungsverzeichnis und den AGB der Deutschen Post bei jedem Bieter, mit Ausnahme der Deutschen Post AG.

51

Der von der Antragstellerin vorgetragene Widerspruch des Leistungsverzeichnisses der Antragsgegnerin zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen "Brief national" der Deutschen Post AG war allen potentiellen Bietern bereits aus den Vergabeunterlagen des Vergabeverfahrens 2011 erkennbar. Die Antragsgegnerin hatte mit Schreiben vom 25.07.2011 allen potentiellen Anbietern die Vergabeunterlagen gemeinsam mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes übersandt. Bereits dem am Anfang des Leistungsverzeichnisses dargestellten "Auftragsinhalt" ist zu entnehmen, dass der Auftrag auch die Einlieferung von Briefsendungen bei einem Briefzentrum der Deutschen Post AG umfasst. Gemäß Ziffer 2 und Ziffer 4.2 des Leistungsverzeichnisses sollen Auftragnehmer, die nicht im gesamtem Bundesgebiet (Ziffer 2), oder in dem mit Abstand großvolumigsten Zustellgebiet, dem Stadtgebiet xxxxxx (Ziffer 4.2), zustellen, die Briefe in einem Briefzentrum bzw. im Briefzentrum xxxxxx der Deutschen Post AG einliefern. Daraus wird deutlich, dass die Antragsgegnerin mindestens auch Bieter berücksichtigen wollte, die nur teilweise selbst zustellen. Das schließt auch Anbieter ein, die im Stadtgebiet xxxxxx nicht zustellen, damit allenfalls in einem untergeordneten Umfang selbst zustellen. Gleiches ergibt sich aus der in Ziffer 1.2 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen vorgesehenen Einschaltung der Deutschen Post AG für die Auftragsdurchführung.

52

Es gehört auch zu der allgemein üblichen Marktkenntnis, die von jedem Bieter angenommen werden kann, dass außer der Deutschen Post AG kein Briefzusteller bundesweit zustellt, so dass jeder Bieter zumindest auch auf deren Dienste zurückgreifen muss.

53

Es ist unerheblich, dass die Antragsgegnerin nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG in die Vergabeunterlagen aufgenommen und mit übersandt hatte. Da die Antragstellerin nicht bundesweit selbst zustellt, musste auch sie zur Abgabe des Angebotes notwendigerweise auf die Dienste der Deutschen Post AG zurückgreifen. Die Kenntnis der AGB der Deutschen Post AG ist daher für die Antragstellerin und alle anderen potentiellen Bieter, weil sie zumindest jenseits des Zustellgebietes der Stadt xxxxxx nicht flächendeckend selbst zustellen, notwendige Voraussetzung für die Abgabe des Angebotes.

54

Aufgrund dieser Vorkenntnisse war für die Antragstellerin wie für jeden anderen Anbieter der in der Rüge und im Nachprüfungsverfahren geltend gemachte Verstoß gegen Vergabevorschriften spätestens aus den Vergabeunterlagen erkennbar.

55

Der Antragstellerin war darüber hinaus die Unterscheidung zwischen Bietern, die selbst zustellen, und den sogenannten Postkonsolidierern bereits aus dem Vergabeverfahren der Antragsgegnerin des Jahres 2010 bekannt. In diesem Verfahren hatte ein Teil-Postkonsolidierer den Zuschlag erhalten. Aus dem oben zitierten Beschluss der Vergabekammer war der Antragstellerin auch bekannt, dass die Vergabekammer bei Verwendung der im Jahr 2010 in den Vergabeunterlagen verwendeten Formulierungen davon ausging, dass die Beauftragung eines zumindest in Teilen nicht selbst zustellenden Unternehmens, auch eines Postkonsolidierers zulässig sei. Es musste ihr auffallen, dass die Antragsgegnerin genau diese Formulierungen aus dem Vergabeverfahren 2010 umfänglich und ohne inhaltliche Änderungen auch in der Vergabe 2011 verwendete.

56

Somit war für die Antragstellerin bereits aus den Vergabeunterlagen erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Beteiligung von Postkonsolidierern am Vergabeverfahren zulassen wollte.

57

Die Antragstellerin hätte hier sowohl aufgrund allgemein verfügbarer Daten, als auch aufgrund ihrer besonderen verfahrensbedingten Vorkenntnisse aus dem von ihr im Jahr 2010 angestrengten Nachprüfungsverfahren die von ihr gesehene Abweichung des Leistungsverzeichnisses zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber der Auftraggeberin rügen müssen. Tatsächlich jedoch hat sie die Rüge erst am 14.10.2011 erhoben, nachdem ihr mit Schreiben vom 11.10.2011 mitgeteilt worden war, dass der Zuschlag der Beigeladenen erteilt werden solle. Damit ist dieser Vortrag der Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert.

58

bb) In der mündlichen Verhandlung am 06.12.2011 hat die Antragstellerin die These aufgestellt, dass zumindest sogenannte Vollkonsolidierer, die gar keine eigenen Zustellleistungen erbringen, und alle Sendungen bei einem Briefzentrum der Deutschen Post AG einliefern, nach den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses auszuschließen wären. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Regelung zu Ziffer 2 Absatz 2 des Leistungsverzeichnisses "sofern... nicht selbst zustellt" von einem Anteil eigener Zustellung ausgehe. Auch die auf Blatt 6 des Leistungsverzeichnisses enthaltene Mischkalkulation aus eigner Zustellung und Einlieferungspreisen weise darauf hin.

59

Dieser Vortrag ist gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB präkludiert. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Als unverzüglich gilt ein Zeitraum innerhalb von ein bis drei Tagen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rz. 2). Teilweise wird auch eine Erweiterung der Rügefrist auf eine Woche angenommen (OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010 - WVerg 6/10).

60

Da der Einwand nicht alle potentiellen Bieter betrifft, war er zwar bieterbezogen, somit erstmals nach Erhalt der Bieterinformation gemäß § 101a GWB zu rügen. Dieser Vortrag war aber nicht Gegenstand der schriftlichen Rüge vom 14.10.2011, sondern wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung des Nachprüfungsverfahrens erhoben. Damit ist dieser Vortrag gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB präkludiert.

61

cc) Die Antragstellerin hat ihre Rüge vom 14.10.2011 unter Ziff. 7 auch darauf gestützt, dass die Beigeladene nicht in der Lage sei, die am Nachmittag von der Antragsgegnerin abgeholte Post zu sortieren und rechtzeitig im Briefzentrum xxxxxx einzuliefern. Die Beigeladene habe lediglich Unternehmensstandorte in Hamburg und Hannover, nicht jedoch in der Nähe von xxxxxx oder xxxxxx. Dieser Vortrag ist nicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 präkludiert.

62

Diese Rüge bezieht sich auf Einwendungen zur Person der Beigeladenen, konnte daher von der Antragstellerin im Vergabeverfahren erst erkannt werden, nachdem ihr die Person der Beigeladenen offen gelegt geworden war. Die Rüge wurde drei Tage, nachdem sie am 11.10.2011 die Bieterinformation gemäß § 101a GWB erhalten hatte erhoben. Somit hat die Antragstellerin diesen Sachverhalt unverzüglich gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB gerügt.

63

2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er auch begründet. Die Antragstellerin ist i. S. der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Antragsgegnerin hat in rechtsfehlerhafter Weise das Angebot der Beigeladenen in einer unzulässig geänderten Fassung gewertet.

64

Gegen die Dokumentation der Vergabeentscheidung bestehen im Ergebnis keine Einwände. Sie genügt im Ergebnis und in der nachgereichten Fassung den Anforderungen des § 24 VOL/A-EG. Allerdings weist die Vergabekammer darauf hin, dass ihr stets das Original der Vergabeunterlagen zu übersenden ist, keine Farbkopien.

65

a) Die Antragsgegnerin hat die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen gemäß den §§ 18, 19 Abs. 2 VOL/A-EG rechtsfehlerhaft festgestellt, indem sie das Angebot der Beigeladenen in einer nachträglich geänderten Fassung wertete.

66

Gemäß § 18 VOL/A-EG dürfen die Auftraggeber von den Bietern nur Aufklärungen über das Angebot oder deren Eignung verlangen. Verhandlungen sind unzulässig.

67

Gemäß § 19 Abs. 2 VOL/A-EG können jedoch Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden.

68

Die Antragsgegnerin hatte mit dem Angebot bestimmte Erklärungen gefordert. Gemäß Ziff. 5d der Bewerbungsbedingungen hat die Antragsgegnerin von allen Bietern zum Nachweis der Eignung Angaben zum Qualitätsmanagement und Logistikkonzept gefordert. Dies beinhaltet insbesondere die Darstellung der technischen Infrastruktur sowie eine ausführliche Darstellung der Prozessabläufe von der Abholung bis zur Zustellung bzw. Einlieferung bei der Deutschen Post AG.

69

Während die Antragstellerin konkrete Angaben zum Weg der Briefsendungen zwischen der Stadt xxxxxx und dem Briefzentrum xxxxxx mit dem Angebot abgab, stellte die Beigeladene lediglich allgemein dar, dass sie acht Sortierzentren in ganz Deutschland betreibe, was flächendeckenden Service, kurze Wege und schnelle Abwicklung der täglichen Geschäftspost aller Kunden gewährleiste. "Eine taggleiche Verarbeitung und Einlieferung bei der Deutschen Post AG ist auch bei Schwankungen gewährleistet" (Ziff. 1.1, 1.2, 1.5 und 2.1 der Angebotsunterlagen der Beigeladenen). Konkrete Angaben, wo die Post sortiert und frankiert werde, sowie zum Zeitablauf enthielt das Angebot der Beigeladenen nicht.

70

Die Antragsgegnerin forderte daher die Beigeladene mit E-Mail vom 01.09.2011 auf, bis zum 02.09.2011 den Weg und den zeitlichen Ablauf bis zur Einlieferung beim Briefzentrum in xxxxxx unter Nennung der Uhrzeiten darzustellen, den die Briefe an xxxxxx Adressen nach Abholung bei der zentralen Poststelle der Stadt xxxxxx nehmen. Dabei nahm sie Bezug auf Ziff. 4.2 des Leistungsverzeichnisses. Diese Nachforderung einer fehlenden Erklärung erfolgte gemäß dem Tatbestand des § 19 Abs. 2 VOL/A-EG rechtsfehlerfrei.

71

Die Beigeladene antwortete mit Schreiben vom 01.09.2011, dass die Briefsendungen in xxxxxx abgeholt und nach Hamburg transportiert und dort verarbeitet würden. Von dort würden sie in das Briefzentrum in xxxxxx zugestellt.

72

In der übersandten Vergabeakte war von diesem Schreiben nur eine einseitig beschriftete Seite 1 enthalten. Darin bestätigt die Beigeladene, dass sie die Anforderungen des Satzes 2 der Nr. 4.2 des Leistungsverzeichnisses erfülle. Das Schreiben enthält den handschriftlichen Zusatz, "Sortierung/Frankierung erfolgt in xxxxxx", und eine Unterschrift rechts.

73

Auf der nach der mündlichen Verhandlung von der Vergabekammer angeforderten Seite 2 des Schreibens hat die Beigeladene eine zeitliche Ablaufbeschreibung abgegeben. Die S. 2 des Schreibens ist von der Beigeladenen links unterzeichnet. Der Nachsendung wurde ferner E-Mail-Verkehr mit der Beigeladenen vom 09.09.2011 bis zum 12.09.2011 beigefügt. Darin bestätigt die Beigeladene, die Briefe nach xxxxxx zum Frankieren und Sortieren zu bringen.

74

Die Beigeladene hat innerhalb der mit E-Mail gesetzten Frist ihr Angebot um die nachgeforderten Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 VOL/A-EG ergänzt, indem sie angab, die Post werde in Hamburg sortiert und frankiert. Diese im Rahmen einer zulässigen Aufklärung abgegebene Nachreichung ist aufgrund des § 19 Abs. 2 VOL/A-EG zulässig.

75

Dagegen ist die spätere, deutlich nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebrachte Veränderung des am 01.09.2011 konkretisierten Angebotsinhaltes der Beigeladenen, die Sortierung und Frankierung geschehe in xxxxxx statt in Hamburg, eine nachträgliche Änderung des Angebots und als solche gemäß § 18 Satz 2 VOL/A-EG nicht zulässig. Die in § 18 VOL/A-EG enthaltene allgemeine Aufklärungsbefugnis ist mit einem Nachverhandlungsverbot verbunden. Die Aufklärungsbefugnis dient in Verbindung mit dem Verhandlungsverbot der Verfahrenstransparenz. Sie soll einerseits den Auftraggeber in die Lage versetzen, Unklarheiten im Angebot aufklären zu können, zugleich aber die anderen Bieter davor schützen, dass einem Bieter die Gelegenheit eingeräumt wird, durch nachträgliche Änderung seines Angebots einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu erzielen (Stolz in Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht 2. Auflage 7. Los § 18 VOL/A-EG Rz. 29). Eine etwaige Befugnis zur Änderung des Angebots nur einzelner Bieter nach Ablauf der Angebotsabgabefrist verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber anderen Bietern (VK Niedersachsen, Beschluss vom 18.01.2011, VgK 61/2010; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.12.2004, Az: 47/04) und verstößt gegen das Nachverhandlungsverbot aus§ 18 VOL/A-EG (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 29.07.2010, Az.: 9/10, ebenso VK Bund zu § 24 VOL/A, Beschluss vom 13.07.2005 VK 1-59/05, beide zitiert nach ibr; Zeise in Kulartz/Marx/Portz/ Prieߧ 18 VOL/A-EG Rz. 13). Die Beigeladene durfte ihr Angebot zwar auf Anforderung einmal konkretisieren, aber nicht mehr von der Konkretisierung abweichen.

76

Die Antragsgegnerin hätte somit das Angebot der Beigeladenen nur unter Berücksichtigung des am 01.09.2011 genannten Standortes Hamburg für die Sortierung und Frankierung werten dürfen.

77

b) Selbst unter der Annahme, die Antragstellerin habe das angebliche Unterkostenangebot der Beigeladenen in einer für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags hinreichend substantiierten Weise gerügt, wäre der Nachprüfungsantrag insoweit unbegründet. Die Antragsgegnerin hatte keine Veranlassung zu einer Angebotsaufklärung gemäß § 19 Abs. 6 VOL/A-EG.

78

Der Abstand zwischen dem Angebot der Beigeladenen und dem Angebot der Antragstellerin lag nur bei 3%. Die Vergabekammer verweist auf die Ausführungen in dem vorangehenden Beschluss der Vergabekammer (Beschluss vom 30.06.2010, Az.: VgK-26/2010) aus dem Jahr 2010 unter Ziffer 2 b). Danach ist der öffentliche Auftraggeber bei einer geringen Abweichung von (damals nur 11%) nicht zur weiteren Aufklärung des Preises nach § 19 Abs. 6 VOL/A-EG als ungewöhnlich niedrig verpflichtet. Dies trifft auch für diesen Fall zu. Das OLG Celle hat kürzlich mit Beschluss vom 17.11.2011 (Az: 13 Verg 6/11 m.w.N.) ausgeführt, dass die Nachprüfungspflicht des Auftraggebers erst ab einer Abweichung von 20% entstehe. Dabei hat das OLG Celle auf eine überwiegende Meinung der Oberlandesgerichte zu dem mit § 19 Abs. 6 VOL/A-EG inhaltsgleichen § 16 Abs. 6 VOL/A Bezug genommen. Die Antragsgegnerin hatte daher hier überhaupt keine Veranlassung, das Angebot der Beigeladenen gemäß § 19 Abs. 6 VOL/A-EG wegen eines im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung niedrigen Angebots aufzuklären.

79

c) Die Antragsgegnerin hat das Vergabeverfahren in einer den Anforderungen des § 24 VOL/A-EG genügenden Form dokumentiert. Gemäß § 24 VOL/A-EG ist das Vergabeverfahren von Anbeginn an fortlaufend zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Darüber hinaus benennt § 24 Abs. 2 VOL/A-EG einen Katalog der Mindestinhalte der Dokumentation.

80

Die Dokumentation der Antragsgegnerin ist hinsichtlich des Katalogs gemäß § 24 Abs. 2 VOL/A-EG vollständig. Die zwei Vermerke der Dokumentation vom 21.10.2011 und vom 09.09.2011 lassen erkennen, dass die Antragsgegnerin eine fortlaufende Dokumentation gemäß § 24 VOL/A-EG erstellt hat. Der Vermerk vom 09.09.2011 gibt in transparenter und schlüssiger Form Aufschluss über die von der Antragsgegnerin angestellten Erwägungen zur Angebotswertung und wird in Verbindung zum gesamten Schreiben der Beigeladenen vom 01.09.2011 auch nachvollziehbar. Allerdings weist die Vergabekammer darauf hin, dass der öffentliche Auftraggeber gemäß § 110 Abs. 2 Satz 3 GWB stets die Originale der Vergabeakten an die Vergabekammer zu übersenden hat. Es darf nicht sein, dass der Vergabekammer wichtige Dokumente fehlen, weil sie sich zufällig auf der Rückseite eines Blattes in der Vergabeakte befinden.

81

Vorsorglich weist die Vergabekammer für das weitere Verfahren darauf hin, dass eine Aufhebung des Vergabeverfahrens gemäß § 20 Abs. 1 c) VOL/A-EG nur möglich ist, wenn die ursprüngliche Kostenschätzung wesentlich überschritten worden ist, oder ein maßgebliches Missverhältnis zwischen Preis und Leistung auf der Grundlage einer objektiv richtigen Kostenschätzung gegeben ist (Portz in Kulartz/Marx/Portz/Prieߧ 20 VOL/A-EG Rz. 2 mit Verweis auf § 17 VOL/A Rz. 34; vgl. Fett in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 2. Auflage, 8. Los, § 20 VOL/A-EG Rdnr. 4 mit Verweis auf § 17 VOB/A, Rdnr. 9; VgK Niedersachsen, Beschluss vom 21.06.2011, VgK 18/2011). Es ist vorab nicht möglich, einen festen Prozentsatz zu benennen, ab dem die Wesentlichkeit oder das maßgebliche Missverhältnis anzunehmen wären. Vielmehr bedarf es einer Einzelfallprüfung, in die neben der Überschreitung der Kostenschätzung auch im Einzelfall jüngere atypische Preisentwicklungen einbezogen werden können.

82

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB entscheidet die Vergabekammer, ob die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.

83

Da die von der Antragsgegnerin durchgeführte Wertung in einem Teilbereich fehlerhaft war, ist sie zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen. Ein weiterer Eingriff in das Vergabeverfahren, insbesondere eine Zurückversetzung in den Stand vor Angebotsabgabe oder sogar vor Versendung der Vergabeunterlagen ist nicht erforderlich, um die bestehenden Mängel des Vergabeverfahrens aufzuheben, da der Fehler der Antragsgegnerin ausschließlich in der Wertung unterlaufen ist.

84

III. Kosten

85

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).

86

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Gebührenrahmens nach § 128 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.

87

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

88

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

89

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

90

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Für die Ermittlung des anteiligen Unterliegens ist nicht auf den Antrag abzustellen, der sich aktuell auf die Feststellung der Rechtsverletzung, ein Zuschlagsverbot für die Beigeladene und eine neue Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer beschränkt. Gemäß § 114 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.

91

Das Oberlandesgericht Celle (Beschluss vom 14.07.2003, Az.: 13 Verg 12/03) hat einem sehr offen formulierten Nachprüfungsantrag die Bedeutung unterlegt, dass sich die Vergabekammer die Auffassung der Antragstellerin zu eigen und zum Maßstab der Wertung machen möge. Wenn die Antragstellerin mit ihren Argumenten nicht vollständig durchdringe, sei eine entsprechende Kostenquotelung angezeigt. Bleibe das Ergebnis einer vorzunehmenden Bewertung offen, so sei nach Auffassung des OLG Celle die Kostenhalbierung angezeigt.

92

Hier waren im Wesentlichen die drei Komplexe Unterkostenangebot, Kollision von Leistungsverzeichnis mit den AGB der Deutschen Post sowie die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen streitig. Die Antragstellerin ist in zwei Punkten unterlegen. Die anteilige Kostentragungspflicht entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Nachprüfungsverfahren (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.06.2003, Az.: 13 Verg 5/03).

93

Die Antragsgegnerin ist von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

94

GemäßZiffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 128 Abs. 4 GWB zu 2/3 zu erstatten. Die Feststellung ergibt sich aus dem überwiegenden Unterliegen der Antragstellerin. Da eine anwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin nicht vorlag, umfasst der Erstattungsanspruch Fahrtkosten und andere notwendige Aufwendungen.

95

GemäßZiffer 5 des Tenors ist gemäß § 128 Abs. 4 GWB Entsprechendes für die Antragstellerin in Höhe von 1/3 festgelegt. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung jedenfalls für die Antragstellerin erforderlich.

96

Eine Kostenfestsetzung im Verhältnis zur Beigeladenen war nicht auszusprechen, da sich die Beigeladene weder schriftsätzlich, noch durch Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am Verfahren beteiligt hat.

97

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens

98

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

99

xxxxxx.

Gaus
Peter
Hintz