Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 01.09.2011, Az.: VgK- 42/2011
Verstoß gegen das Transparenzgebot sowie gegen das Gleichbehandlungsgebot während der Bieterverhandlungen im Rahmen eines Vergabeverfahrens; Berücksichtigung des Feststellungsinteresses im Rahmen eines Fortsetzungsfeststellungsantrags nach § 114 Abs. 2 S. 2 GWB; Bestehen einer echten Chance auf Zuschlagserteilung bei einem Bieter
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 01.09.2011
- Aktenzeichen
- VgK- 42/2011
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 30145
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A
- § 2 Abs. 2 VOB/A
- § 97 Abs. 1 GWB
- § 97 Abs. 2 GWB
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 114 Abs. 1 GWB
- § 124 GWB
In dem Nachprüfungsverfahren d
er xxxxxx, Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx, - Antragstellerin -
gegen xxxxxx, Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx, - Antragsgegnerin -
wegen VOB-Vergabeverfahren Neubau xxxxxx, Leistung Dachabdichtung 2 (xxxxxx) Vergabenummer
xxxxxx
hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende RD' in Dr. Raab, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl. Volkswirt Nierychlo, ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Tenor:
- 1.
Das Nachprüfungsverfahren hat sich in der Hauptsache erledigt. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der Einlegung des Nachprüfungsantrags in ihren Rechten verletzt war.
- 2.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils befreit.
- 4.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
- 5.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Die xxxxxx plant im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von drei Krankenhäusern am Standort des xxxxxx-Krankenhauses in xxxxxx den Neubau eines Krankenhauses. Mit Datum vom xxxxxx.2011 wurde für dieses Projekt die Leistung Abdichtung 2 (xxxxxx) europaweit als Offenes Verfahren ausgeschrieben. Nebenangebote waren nicht zugelassen, einziges Zuschlagskriterium sollte der Preis sein.
Diese Ausschreibung wurde aufgrund eines unwirtschaftlichen Ergebnisses aufgehoben.
Mit Schreiben vom 14.07.2011 wurden die Bieter des Offenen Verfahrens mit der Übersendung inhaltlich identischer Vergabeunterlagen zum Verhandlungsverfahren aufgefordert. Sie wurden darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Verhandlungsverfahrens eine Stoffpreisgleitklausel für Dämmmaterialien vereinbart wird und die jeweiligen Preise entsprechend zu kalkulieren sind. Der Kalkulationsnachweis ist dem Angebot beizufügen und mit einzureichen. Nach Ziffer 7 und 9 der Aufforderung zur Angebotsabgabe sollten auch in diesem Verfahren Nebenangebote nicht zulässig und der Preis einziges Zuschlagskriterium sein.
Nach Maßgabe der Niederschrift über die Öffnung der Angebote vom 20.07.2011 waren zwei Angebote fristgerecht eingegangen. Die Antragstellerin hatte mit einer Angebotssumme von xxxxxx EUR das günstigste Angebot abgegeben. Die Angebotssumme des zweiten Bieters, der Fa. xxxxxx, betrug xxxxxx EUR.
Beide Bieter wurden mit Schreiben vom 21.07.2011 für den 28.07.2011 zu Verhandlungsgesprächen eingeladen.
Über die Verhandlungsgespräche wurden jeweils handschriftliche Vermerke gefertigt. In diesen Vermerken sind verschiedene Hinweise zur Baustelle und zur Auftragsdurchführung enthalten. Außerdem ist vermerkt, dass beide Bieter ihre Angebote bis zum 29.07. bzw. 01.08.2011 überarbeiten werden. Den Vermerken ist nicht zu entnehmen, worüber mit den beiden Bietern konkret verhandelt worden ist.
Beide Bieter legten mit Schreiben vom 29.07.2011 jeweils mehrere Nebenangebote vor. Die Fa. xxxxxx bot außerdem Skonto und einen Nachlass in Höhe von 3,25% an.
Das Ergebnis der Prüfung und Wertung wurde im "Prüfbericht & Vergabevorschlag" vom 05.08.2011 festgehalten. Die technische Prüfung der Nebenangebote hatte ergeben, dass keines der Nebenangebote gewertet werden kann, sodass die angebotenen Einsparungen nicht in die Wertung eingestellt werden konnten. Im Ergebnis wurde für die Antragstellerin ein Gesamtpreis von xxxxxx EUR notiert und in die Gesamtwertung eingestellt. Nach Korrektur eines Rechenfehlers im Angebot und unter Berücksichtigung des von ihr angebotenen Nachlasses beträgt der gewertete Gesamtpreis der Fa. xxxxxx xxxxxx EUR.
Der Vergabevorschlag sieht einen Zuschlag auf das Hauptangebot der Fa. xxxxxx vor.
Die Antragsgegnerin machte sich den "Prüfbericht & Vergabevorschlag" mit ihrer Unterschrift zueigen und informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 05.08.2011 über den beabsichtigten Zuschlag auf das Hauptangebot der Fa. xxxxxx.
Mit anwaltlicher Rüge vom 08.08.2011 beanstandete die Antragstellerin das von der Antragsgegnerin geführte Verhandlungsverfahren und den beabsichtigten Zuschlag auf das Hauptangebot der Fa. xxxxxx als vergaberechtswidrig. Sie forderte die Antragsgegnerin auf, den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen, welches nach dem Ergebnis der Submission - mit deutlichem Abstand vor dem Hauptangebot der Fa. xxxxxx - das preislich niedrigste Angebot sei. Mit der Submission und der anschließenden Bekanntgabe des Submissionsergebnisses habe die Antragsgegnerin die Angebotspreise offengelegt. In den hieran anschließenden Verhandlungsgesprächen habe die Antragsgegnerin die Bieter vergaberechtswidrig gegeneinander ausgespielt, um den Preis zu drücken. Auch im Verhandlungsverfahren sei das Nachverhandeln eines Submissionsergebnisses nicht zulässig. Zudem sei nicht vorstellbar, dass das Angebot der Fa. xxxxxx nach Reduzierung des Preises noch auskömmlich ist.
Mit Schreiben vom 11.08.2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie der Rüge nicht abhelfen werde. Die Antragstellerin habe im Laufe des Verhandlungsverfahrens keinerlei Rügen vorgetragen. Das Verfahren sei auch nicht zu beanstanden.
In den am 28.07.2011 geführten Verhandlungen hätten die Bieter Optimierungsmöglichkeiten im Leistungsangebot vorgestellt. Daraufhin habe sie die Bieter zur erneuten Angebotsabgabe unter Beachtung der Optimierungsmöglichkeiten aufgefordert. Beide Bieter hätten entsprechende Angebote vorgelegt. Für die Zuschlagsentscheidung ausschlaggebend sei schließlich der von der Fa. xxxxxx gewährte Nachlass gewesen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.08.2011 wiederholte und erweiterte die Antragstellerin ihre Rügen. Sie sieht in den mit den Bietern geführten Verhandlungen einen Verstoß gegen § 3a Abs. 1 Nr. 4 VOB/A, denn Verhandlungen dürften nur geführt werden mit dem Ziel einer Anpassung an Anforderungen, die den Teilnehmern in der Bekanntmachung, den Vergabeunterlagen und etwaigen sonstigen Unterlagen bekannt gegeben worden seien. Dies sei hier nicht der Fall.
Am 15.08.2011 wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer. Bezüglich der Unverzüglichkeit ihrer Rüge trug sie vor, der Vergaberechtsverstoß sei für sie erst aus dem Inhalt des Absageschreibens erkennbar gewesen.
Die geführten Verhandlungen seien mit § 3a Abs. 1 Nr. 4 VOB/A nicht vereinbar, da hiermit der mit den Vergabeunterlagen vorgegebene Rahmen überschritten werde. Dieser werde bestimmt durch die - gegenüber dem Offenen Verfahren unveränderten - Ausschreibungsunterlagen, die Aufforderung zur Angebotsabgabe und das Schreiben vom 14.07.2011. Mit diesem Schreiben wurde für die Verhandlungen eine Stoffgleitklausel für Dämmmaterialien in Aussicht gestellt. Nebenangebote wurden nicht zugelassen. Der Preis blieb einziges Zuschlagskriterium.
Abweichungen von der Bau- und Leistungsbeschreibung seien auch im Verhandlungsverfahren nur zulässig, wenn dadurch der gleiche Maßstab und die geforderte Transparenz gewährleistet sind.
Im Hinblick auf das einzige Zuschlagskriterium Preis habe nur eine Verhandlung über den Preis stattfinden dürfen. Hierbei wirke sich wettbewerbswidrig aus, dass den Bietern die Ergebnisse der Submission vor den Verhandlungen bekannt gegeben worden seien.
Sie vermutet, dass der in der Submission festgestellte Vorsprung ihres um mehr als xxxxxx EUR günstigeren Angebotes nur durch inhaltliche Angebotsänderungen nach unzulässigen Verhandlungen über eine materielle Angebotsoptimierung mit der Fa. xxxxxx aufgeholt worden sei. Derartige Verhandlungen habe die Antragsgegnerin auch eingeräumt. In ihren Verhandlungen habe die Antragsgegnerin die vorher gesetzten Maßstäbe fallen lassen und es den Bietern überlassen, ob und in welchem Umfang von ihren Vorgaben abgewichen wird.
Die Antragstellerin beantragte derzeit
- 1.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, erneut in Verhandlungen einzutreten, das Vergabeverfahren auf den Stand der Öffnung der Angebote am 19.05.2011 zurückzuversetzen und den Zuschlag nur entsprechend den Hinweisen der Vergabekammer zu erteilen;
- 2.
hilfsweise:
die Ausschreibung aufzuheben;
- 3.
der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte zu gewähren;
- 4.
die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
- 5.
dem Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Nachprüfungsantrag wurde der Antragsgegnerin zugestellt.
Die Antragsgegnerin ließ mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.08.2011 mitteilen, dass sie das Vergabeverfahren aufhebe. Die Rügen der Antragstellerin seien zwar teilweise unbegründet bzw. präkludiert. Nach nochmaliger Überprüfung sei jedoch festgestellt worden, dass das Verhandlungsverfahren in einigen Punkten nicht transparent durchgeführt worden sei.
So sei nicht erkennbar, inwiefern mit dem jeweiligen Bieter über eine Optimierung des Angebotes verhandelt wurde. In den Verhandlungen wurde - ohne vorherige Festlegung von Mindestanforderungen - die Abgabe von im Ergebnis nicht vergleichbaren Nebenangeboten zugelassen.
Eine Fortsetzung bzw. nochmalige Durchführung des Verhandlungsverfahrens sei nicht sinnvoll. Das Verhandlungsverfahren werde aufgehoben und es bestehe die Absicht, die beiden Bieter im Nichtoffenen Verfahren erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern. Mit der Aufhebung erledige sich das Nachprüfungsverfahren.
Mit Schriftsatz vom 19.08.2011 widersprach die Antragstellerin einer Aufhebung des Verfahrens und teilte mit, dass sie ihre bisherigen Anträge weiter stellt. Nur hilfsweise beantragte sie
festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorliegt und
der Antragsgegnerin sowohl die Kosten des Verfahrens als auch die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Mit Schriftsatz vom 23.08.2011 stellte sie klar, dass aus dem Schriftsatz vom 19.08.2011 nur der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag als Hauptantrag gestellt wird.
Das erforderliche Feststellungsinteresse begründet die Antragstellerin mit der Gefahr, dass die Antragsgegnerin die festgestellten Rechtsverletzungen im bevorstehenden Nichtoffenen Verfahren wiederholen wird. Auch habe sie im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung des BGH über die vom OLG Naumburg mit Beschluss vom 14.01.2011, 2 Verg 2/11, vorgelegte Rechtsfrage ein Interesse daran, die gegebene Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Kostenfolge aus § 128 GWB durch den Fortsetzungsfeststellungsantrag abzuwenden.
In der Tatsache, dass der Bieter Fa. xxxxxx aufgrund dieses Nachprüfungsverfahrens Kenntnis von den Preisen der Antragstellerin hat, sei eine Benachteiligung der Antragstellerin zu sehen. Unstreitig sei, dass die Antragsgegnerin in den sogenannten Optimierungsgesprächen gegen das Gebot zur Gleichbehandlung und das Transparenzgebot verstoßen hat.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin hat während der Verhandlungen mit den Bietern gegen das Transparenzgebot aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A und das Gleichbehandlungsgebot aus § 2 Abs. 2 VOB/A verstoßen. Dadurch war die Antragstellerin im Zeitpunkt der Einlegung des Nachprüfungsantrags im Sinne der§§ 97 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 7 GWB, § 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt.
1. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig.
Der ursprüngliche Nachprüfungsantrag war im Zeitpunkt der Antragstellung zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der ausgeschriebene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach§ 127 GWB festgelegt sind. Bei der ausgeschriebenen Leistung handelt es sich um einen Teil eines Bauauftrags, für den gemäߧ 2 Nr. 6 der Vergabeverordnung (VgV) der Schwellenwert von 1 Million Euro überschritten ist. Das Angebot der Antragstellerin beläuft sich auf xxxxxx EUR netto. Der Auftrag wurde europaweit ausgeschrieben. Das Vergabeverfahren war damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer grundsätzlich zugänglich.
Die Antragstellerin war auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hatte und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie u.a. vorträgt, dass die Antragsgegnerin gegen das Gleichbehandlungsgebot aus § 2 Abs. 2 VOB/A verstoßen habe.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht zur rechtzeitigen Rüge gem. § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB nachgekommen. Danach ist ein Antragsteller verpflichtet, vor Anrufung der Vergabekammer Verstöße gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren unverzüglich zu rügen. Die Antragsgegnerin hatte am 05.08.2011, zugestellt am 05.08.2011, der Antragstellerin die Information gemäß § 101 a GWB erteilt. Die Antragstellerin hatte mit Datum vom 08.08.2011 per Fax Vergabeverstöße gerügt. Die nach Hinzuziehung anwaltlicher Hilfe erhobenen Rügen erfolgten innerhalb von 3 Tagen und somit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
Der ursprüngliche Nachprüfungsantrag war somit zulässig.
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB ist weiterhin, dass sich das Nachprüfungsverfahren vor Entscheidung der Vergabekammer erledigt hat. Dies ist vorliegend der Fall. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB spricht von einer Erledigung durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder von einer Erledigung in sonstiger Weise.
Das Nachprüfungsverfahren hat sich durch Aufhebung bzw. durch den Beschluss auf erneute Einleitung gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB erledigt. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 18.08.2011 mitgeteilt, dass sie das Vergabeverfahren aufhebe und die Bieter im Nichtoffenen Verfahren erneut zur Angebotsabgabe auffordern werde. Daraufhin hat auch die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23.08.2011 erklärt, dass hinsichtlich des Primärrechtsschutzes Erledigung in der Hauptsache eingetreten sei, sie das Nachprüfungsverfahren nunmehr als Fortsetzungsfeststellungsverfahren nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB fortsetzen möchte. Sie beantragt nunmehr festzustellen, dass sie zum Zeitpunkt der Einlegung des Nachprüfungsantrags in ihren Rechten verletzt war. Mit diesem Antrag hat sie das ursprüngliche Nachprüfungsverfahren auf ein Fortsetzungsfeststellungsverfahren umgestellt.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt nach überwiegender Auffassung jedoch als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 02.03.2005; Az. Verg. 70/04; Kulartz, Kus, Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2. Auflage 2009, § 114 Rn. 75). Dieses Interesse ergibt sich für einen Antragsteller häufig aus der Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches, da die Entscheidung der Vergabekammer für einen solchen Sekundäranspruch gem. § 124 GWB ausdrücklich Bindungswirkung entfaltet. Ferner ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse immer dann in Betracht zu ziehen, wenn eine (konkrete) Wiederholungsgefahr in Bezug auf einen nach Auffassung des Antragstellers vor Erledigung begangenen Vergabeverstoß zu besorgen ist (Kulartz, Kus, Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2. Auflage 2009, § 114 Rn. 76 ff, 83).
Die Antragsstellerin kann Schadensersatzansprüche geltend machen. Da lediglich 2 Bieter am Verfahren beteiligt waren und das Verfahren das Stadium kurz vor Erteilung des Zuschlags erreicht hatte, bestand eine echte Chance auf Zuschlagserteilung, so dass insoweit ein Feststellungsinteresse besteht. Die Antragsgegnerin hat Fehler in den für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Bietergesprächen eingeräumt. Vor diesen Gesprächen lag die Antragstellerin mit ihrem Angebot auf Platz 1.
Für ein Feststellungsinteresse wegen konkreter Wiederholungsgefahr gibt es hingegen keine Anhaltspunkte, da die Antragsgegnerin die Verstöße erkannt und zugegeben hat.
Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist allerdings nicht auf diese beiden Fallkonstellationen beschränkt. Vielmehr genügt darüber hinaus jedes nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (Gause, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 2. Auflage 2011, § 114 GWB Rn. 12; Byok, in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage 2005, § 114 GWB, Rdnr. 1078). Vorliegend ergibt sich ein in diesem Sinne anzuerkennendes wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin aus der Tatsache, dass die Antragstellerin durch die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens aufgrund des Regelungsgehaltes des § 128 Abs. 3 S. 5 GWB möglicherweise ihre eigenen Rechtsanwaltskosten selbst tragen müsste, wenn sie keinen Fortsetzungsfeststellungsbeschluss der Vergabekammer herbeiführt. Das OLG Naumburg hält die Regelung des § 128 Abs. 3 S. 5 GWB, nach der bei der zu treffenden Ermessensentscheidung i. d. R. die Erfolgsaussichten im Nachprüfungsverfahren ohne die Erledigung maßgeblich sind, nicht auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen für übertragbar. Wegen der insoweit von den Beschlüssen des OLG Düsseldorf und OLG Dresden abweichenden Auffassung hat das OLG Naumburg die Frage dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (OLG Naumburg, Beschluss v. 14.04.2011, Az. 2 Verg 2/11).
Die Antragstellerin kann angesichts dieser Rechtsunsicherheit die für sie negative Kostenfolge des § 128 GWB daher sicher nur im Wege eines stattgebenden Fortsetzungsfeststellungsbeschlusses abwenden.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist daher zulässig.
2. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist auch begründet.
Die Antragsgegnerin hat eingeräumt, in den abschließenden Bietergesprächen im Verhandlungsverfahren das Transparenzgebot aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A sowie das Gleichbehandlungsgebot aus § 2 Abs. 2 VOB/A missachtet zu haben. Dies entspricht dem Vorbringen der Antragstellerin. Auch die Vergabekammer hat dies bestätigt gefunden. Die Antragsgegnerin hatte zum 28.07.2011 zu Verhandlungsgesprächen eingeladen. Über die Verhandlungsgespräche wurden jeweils handschriftliche Vermerke gefertigt. In diesen Vermerken sind zwar verschiedene Hinweise zur Baustelle und zur Auftragsdurchführung enthalten. Außerdem ist vermerkt, dass beide Bieter ihre Angebote bis zum 29.07. bzw. 01.08.2011 überarbeiten werden. Den Vermerken ist aber nicht zu entnehmen, worüber mit den beiden Bietern konkret verhandelt worden ist.
Dabei ist von konkreten negativen Auswirkungen der Verstöße zu Lasten der Antragstellerin auszugehen, so dass das Vergabeverfahren zu beenden war. Denn die Antragstellerin lag vor den abschließenden Gesprächen mit ihr sowie einem weiteren Bieter mit ihrem Angebot auf Rang 1. Dadurch war die Antragstellerin im Zeitpunkt der Einlegung des Nachprüfungsantrags im Sinne der §§ 97 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 7 GWB, § 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt.
Die Antragsgegnerin hat das Vergabeverfahren wegen der festgestellten Verstöße gegen Vergaberecht im Ergebnis zu Recht beendet.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem Angebot der Antragstellerin und damit dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR(§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin unterlegen ist, so dass sie die Kosten zu tragen hat.
Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie laut Ziffer 4 des Tenors gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin und damit die Anwaltskosten zu erstatten.
Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gemäß Ziffer 5 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.