Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.08.2011, Az.: VgK-34/2011
Rechtmäßigkeit einer Bewertung von Bieterkonzepten für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports; Anforderungen an die Durchführung einer Angebotswertung i.R.e. Vergabeverfahrens; Dokumentation einer Angebotswertung in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 26.08.2011
- Aktenzeichen
- VgK-34/2011
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 31531
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 114 Abs. 1 GWB
- § 20 VOL/A
in dem Nachprüfungsverfahren der xxxxxx, und xxxxxx, Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx, - Antragstellerin - gegen die xxxxxx, Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx, - Antragsgegnerin und Auftraggeberin - beigeladen: xxxxxx Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx - Beigeladene zu 1.- xxxxxx Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx - Beigeladene zu 2. - und die Bietergemeinschaft xxxxxx und xxxxxx - Beigeladene zu 3. - wegen VOL-Vergabeverfahren "Stadt xxxxxx - Vergabe der Durchführung der Leistungen des Rettungsdienstes" - hier: Los 2 hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden, MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin, BOR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ök. Brinkmann, auf die mündliche Verhandlung vom 19.08.2011 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin ist verpflichtet, der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragsgegnerin notwendig.
Begründung
I.
Die Antragsgegnerin hat mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2011, veröffentlicht am xxxxxx.2011, die Rettungsdienstleistungen für 6 Jahre europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die zu vergebende Leistung ist in 2 Lose aufgeteilt. Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass sich die Bieter jedoch nur auf ein Los bewerben konnten. Bietergemeinschaften waren zugelassen. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort war unter Ziffer 12 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausgeführt, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgen soll, wobei der Leistungspreis und das Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports mit jeweils 50% gewichtet werden soll. Die Antragsgegnerin erläuterte in der Aufforderung, wie sich der Leistungspreis zusammensetzt und an Hand welcher Formel die Punktzahl dafür ermittelt wird. Hinsichtlich des anderen Zuschlagskriteriums teilte die Antragsgegnerin 8 Unterkriterien mit und erläuterte, dass sie diese mit jeweils 12,5% gewichten will. Ferner erläuterte sie diese Wertungskriterien. Aufgrund zahlreicher Bieteranfragen, u.a. auch von der Antragstellerin, versandte der mit dem Verfahren beauftragte Berater insgesamt 9 Bieterinformationen an die Bieter. In der Bieterinformation 4, Frage 3, führte die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Konzeptbewertung und dem Begriff "mangelhaft" u.a. aus:
Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgt oder je weiter ein Bieter hierüber hinaus geht oder innovative und taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter. |
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Der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung am 08.04.2011 ist zu entnehmen, dass u.a. die Antragstellerin und Beigeladenen ein Angebot für das hier streitige Los 2 eingereicht hatten. Im Rahmen der Angebotswertung bat die Antragsgegnerin die Beigeladene zu 1 um Vorlage bestimmter Nachweise und lud sie zu einem Aufklärungsgespräch am 20.04.2011 ein, um u. a auch bestimmte Preise zu hinterfragen. Die Antragsgegnerin sah beim Angebotspreis die Möglichkeit eines Unterkostenangebotes, da der Angebotspreis der Beigeladenen zu 1 ca. xxxxxxx% unter dem des zweitplazierten Bieters (Beigeladene zu 2) liegt. Die Antragsgegnerin bat auch die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.04.2011 ebenfalls um Aufklärung zu einem bestimmten Preis.
In dem gemeinsamen Vergabevermerk für beide Lose vom 29.04.2011 kam die Antragsgegnerin seinerzeit letztendlich zu dem Ergebnis, dass das Angebot der Antragstellerin mit insgesamt xxxxxx Punkten an letzter Stelle lag.
Die Antragstellerin rügte die Wertung und die Entscheidung und stellte einen Nachprüfungsantrag. Im Zuge des Nachprüfungsverfahrens - Az. VgK - 21/2011 - stellte die Vergabekammer mit Beschluss vom 28.06.2011 fest, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Sie verpflichtete die Antragsgegnerin, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Bewertung der Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Ebenso wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, die Prüfung der Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 1 geforderten Angebotspreises auf der Grundlage des Vermerks über das Aufklärungsgespräch vom 20.04.2011 zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren.
Die Antragsgegnerin trat erneut in die Wertung ein und erstellte mit Datum vom 01.07.2011 einen ergänzenden Vergabevermerk für das Los 2. Sie kam dabei erneut zu dem Ergebnis, dass das Angebot der Beigeladenen zu 1 nicht als Unterkostenangebot auszuschließen ist, da der maßgebliche Preis sowohl die Mindest- als auch ihre Musterkalkulation deutlich überschreite, und zwar schon ohne den von der Beigeladenen zu 1 im Aufklärungsgespräch dargelegten Puffer. Ferner hielt die Antragsgegnerin nunmehr fest, warum die Bieter bei den einzelnen Unterkriterien der Kriteriengruppe II (Konzeptbewertung) wie viele Punkte erzielten. Die Beigeladene zu 1 erzielte dabei erneut xxxxxx Punkte und die Antragstellerin lag mit xxxxxx Punkten wieder an vierter und damit an letzter Stelle. Nachdem der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin der beabsichtigten Vergabe zugestimmt hatte, teilte diese mit Bieterinformation nach § 101 a GWB vom 04.07.2011 der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 frühestens am 15.07.2011 erteilt werden soll.
Mit Schreiben vom 06.07.2011 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene zu 1. Sie geht weiterhin davon aus, dass das Angebot der Beigeladenen zu 1 unauskömmlich ist. Sie unterstellt ferner, dass die Antragsgegnerin das Verfahren nicht ordnungsgemäß dokumentiert hat. Aus ihrer Sicht ist immer noch nicht nachvollziehbar, dass ihr Angebot bei der Konzeptbewertung lediglich xxxxxx von 100 Punkten erzielte.
Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 07.07.2011 zu den Ausführungen der Antragstellerin Stellung genommen hatte, beantragte diese mit Schreiben vom 11.07.2011, eingegangen bei der Vergabekammer per Telefax am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die bereits in dem Rügeschreiben gegenüber der Antragsgegnerin monierte beabsichtigte Beauftragung der Beigeladenen zu 1. Die Antragstellerin bezieht sich auch auf die Ausführungen der Vergabekammer in dem o. g. Beschluss.
Sowohl in ihrem Nachprüfungsantrag als auch nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht geht sie erneut davon aus, dass das Angebot der Beigeladenen zu 1 wegen Unauskömmlichkeit auszuschließen ist. Ferner unterstellt sie, dass keine bzw. nur unzureichende Ermittlungen über die Angemessenheit der von der vorgesehenen Zuschlagsbieterin angebotenen Preise angestellt wurden, obwohl die Preise unangemessen niedrig erscheinen mussten. Sie unterstellt auch, dass die Antragsgegnerin ihre Feststellungen zur Auskömmlichkeit der Preise nicht ordnungsgemäß dokumentiert hat.
Sie geht auch davon aus, dass die besser platzierten Angebote der Beigeladenen wegen Unauskömmlichkeit und fehlender Dokumentation von Angemessenheitsprüfung und
-ergebnis von der Wertung auszuschließen sind. Zwar unterliege die Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin bei der Frage, ob Unterkostenangebote vorliegen, nur dem beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, dies müsse aber aufgrund feststehender, gesicherter Tatsachenumstände erfolgen. Ein Auftraggeber dürfe das Ausmaß der Unterdeckung weder offen lassen noch unrealistisch einschätzen. Aus ihrer Sicht ist immer noch nicht nachvollziehbar, ob eine Angemessenheitsprüfung durchgeführt und dokumentiert wurde.
Ferner geht die Antragstellerin davon aus, dass die Antragsgegnerin bei der Konzeptbewertung die von ihr vorgegebenen Kriterien teilweise nicht bzw. nicht richtig angewandt und nicht erkennbare Kriterien zu Grunde gelegt hat. Sie unterstellt, dass die Antragsgegnerin daher das angebotene Konzept falsch bewertet hat. Sie vertritt die Auffassung, dass das von ihr vorgelegte Konzept optimal und bei den einzelnen Unterkriterien ihres Konzeptangebotes mit sehr gut zu bewerten ist. Sie rügt auch, dass die Antragsgegnerin bis heute keine Musterlösung zur Beurteilung der unterschiedlichen Konzepte erstellt hat, so dass die erneute Bewertung ohne einheitlichen Bewertungsmaßstab und damit rein willkürlich erfolgt sein könne.
Auch geht sie davon aus, dass die Anforderungen der Vergabekammer an die Wertung und Dokumentation nicht beachtet, geschweige denn umgesetzt wurden. Es sei nicht ersichtlich, an welchen Stellen eine Neubewertung vorgenommen wurde. Es sei immer noch nicht erkennbar, welcher Sachverhalt jeweils zu einer Vergabe der Höchstpunktzahl geführt hat. Es sei auch nicht ansatzweise ersichtlich, dass sich die Antragsgegnerin damit auseinander gesetzt hat, ob und wie gut die gesetzlichen Mindeststandards von den einzelnen Bietern eingehalten werden.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Antragsgegnerin anzuweisen, den von der xxxxxx geforderten Angebotspreis zu überprüfen, die Angebotswertung unter ermessensfehlerfreier Berücksichtigung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu treffen und in einer den Anforderungen § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren;
- 2.
die Vergabeakten der Antragsgegnerin beizuziehen und der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten der Antragsgegnerin zu gewähren;
- 3.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
- 4.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
- 2.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
- 3.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin tritt den Ausführungen und der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen. Sie hält den Nachprüfungsantrag teilweise für unzulässig, da die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt sei. Der Antragstellerin fehle es an der Antragsbefugnis, da die vor ihr platzierten Bieter nicht wegen Unauskömmlichkeit von der Wertung auszuschließen seien. Soweit die Antragstellerin in Ihrem Schriftsatz vom 15.08.2011 jetzt unterstellt, dass sie der Konzeptbewertung nicht erkennbare "Unter-Unterkriterien" zu Grunde gelegt habe, geht die Antragsgegnerin davon aus, dass die Antragstellerin mit diesem Vortrag präkludiert ist. Bereits bei ihrer Information nach§ 101 a GWB habe sie der Antragstellerin die Einzelbewertung ihrer Konzepte und die genannten und erzielten Punkte mitgeteilt.
Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er aber insgesamt unbegründet. Die Angebote der vor der Antragstellerin platzierten Bieter seien nicht wegen Unauskömmlichkeit auszuschließen. Sie habe die Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen zu 1 ordnungsgemäß dokumentiert. Sie habe sich aufgrund der Vorgaben des o. g. Beschlusses der Vergabekammer nochmals ausführlich mit den Ergebnissen des Aufklärungsgespräches und den Abweichungen von der Musterkalkulation sowie den Abstand zu den nächst teureren Bietern auseinander gesetzt und die Ergebnisse im neuen ergänzenden Vergabevermerk umfangreich dokumentiert. Aufgrund ihrer Wertung und Dokumentation sieht sie daher keine Anhaltspunkte, das Angebot der Beigeladenen zu 1 wegen Unauskömmlichkeit von der Wertung auszuschließen.
Auch die Annahme der Antragstellerin, dass die Konzeptbewertung nicht vergaberechtskonform erfolgt sei, weist die Antragsgegnerin zurück. Sie erläutert, dass sie entsprechend den Vorgaben der Vergabekammer die Angebotswertung wiederholt und die Ergebnisse der Bewertung entsprechend in einer den Anforderungen genügenden Weise dokumentiert habe. Auch die inhaltliche Bewertung der Konzepte sei vergaberechtskonform erfolgt. Die vorgetragenen Argumente lassen aus ihrer Sicht keine andere Bewertung der Konzepte der Bieter zu.
Es sei auch keine "Musterlösung" für die Konzeptbewertung erforderlich, da es unterschiedliche Lösungswege für eine optimale Leistungserbringung gebe. Ihr sei es darauf angekommen, dass die Bieter darlegten, wie sie eine möglichst optimale Leistungserbringung gewährleisten wollen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich auch nicht zum Verfahren geäußert,
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 03.08.2010 gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 29.08.2011 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 19.08.2011 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1. zu erteilen, nicht in ihren Rechten i. S. der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Sie hat ausweislich der vorliegenden Dokumentation in der Vergabeakte die Angebotswertung unter Beachtung der Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 28.06.2011 im Nachprüfungsverfahren VgK 21/2011 wiederholt und das Angebot der Beigeladenen zu 1. in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage der bekannt gemachten Zuschlagskriterien, der acht Unterkriterien und der bekannt gemachten Gewichtung als wirtschaftlichstes Angebot i. S. des § 18 Abs. 1 VOL/A ermittelt. Sie hat ferner die Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 1. angebotenen Preises gem. § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A geprüft und Prüfung und Ergebnis der Angemessenheitsprüfung wie auch der Angebotswertung im Übrigen in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Die Antragsgegnerin war nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen zu 1. wegen eines unangemessen niedrigen Preises gem. § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A von der Angebotswertung auszuschließen.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit eine öffentliche Auftraggeberin i. S. des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach§ 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Durchführung der Leistungen des Rettungsdienstes in der Stadt xxxxxx und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gem. § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 193.000 EUR gilt. Werden Dienstleistungsaufträge, wie vorliegend, losweise ausgeschrieben, so beträgt der Schwellenwert 80.000 EUR oder bei Losen unterhalb von 80.000 EUR deren addierter Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks vom 25.02.2011 (Vergabeunterlagen, xxxxxx) beträgt der Wert des für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2017 ausgeschriebenen Gesamtauftrages ca. xxxxxx Euro. Allein der Wert des hier verfahrensgegenständlichen Loses 2 liegt ausweislich der in der Vergabeakte dokumentierten Gesamtwertung der eingegangenen Angebote (xxxxxx) bei über xxxxxx Euro über die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterunternehmen ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Beigeladenen zu Unrecht als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt hat. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz,GWB-Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06).
Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, dass sie auf der Grundlage der eigenen Kalkulation davon ausgehen müsse, dass die Antragsgegnerin unter Verstoß gegen § 16 Abs. 6 VOL/A offenbar keine bzw. nur unzureichende Ermittlungen über die Angemessenheit der von der Beigeladenen zu 1. und der übrigen, ebenfalls von Beigeladenen vor ihr platzierten Bieter angebotenen Preise durchgeführt habe, obwohl ihr diese Preise unangemessen niedrig erscheinen mussten. Angesichts ihres Ansatzes, dass 95% des Angebotspreises durch Personalkosten bestimmt würden und nach den Ausschreibungsbedingungen ein Betriebsübergang für die zurzeit noch bei ihr selbst im verfahrensgegenständlichen Bereich beschäftigten Mitarbeiter erfolgen soll, könne der von der Beigeladenen zu 1. angebotene Preis nur unauskömmlich sein. Die Antragsgegnerin sei auch bei der erneuten Wertung nicht ihren Prüfungs- und Dokumentationspflichten nachgekommen.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht dieser Vortrag der Antragstellerin zur vermeintlichen Unauskömmlichkeit der Konkurrenzangebote einer Antragsbefugnis nicht entgegen. Zwar dient § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers, der davor bewahrt werden soll, Verträge mit Auftragnehmern einzugehen, die wegen einer unauskömmlichen Preiskalkulation in Gefahr geraten, ihren Leistungsverpflichtungen nicht auftragsgemäß nachkommen zu können. Einen Bieterschutz entfaltet diese Vorschrift daher grundsätzlich nur, wenn das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, den Ausschluss des als unangemessen niedrig gerügten Preisangebots fordert (vgl. Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A,
Auflage, § 16, Rdnr. 224). Diese Voraussetzungen sind zum einen gegeben, wenn Angebote mit einem unverhältnismäßig niedrigen Preis in der zielgerichteten Absicht einer Marktverdrängung abgegeben werden oder zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz (und nicht nur von einer einzelnen Auftragsvergabe) verdrängt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 - Verg 49/06, zitiert nach VERIS). Für eine derartige, zielgerichtete Marktverdrängungsabsicht der Beigeladenen zu 1. bietet der vorliegende Sachverhalt allerdings keinen Anhaltspunkt. Der Bieterrechtsschutz des § 16 Abs. 6 VOL/A beschränkt sich jedoch entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht nur auf die Fallgruppe des marktverdrängenden Dumpingpreises. Die Vorschriften schützen auch den Wettbewerber, der sich gleichfalls an der Ausschreibung beteiligt hat und zu Recht erwartet, dass seinem Angebot nicht ein unseriös unkalkuliertes Angebot vorgezogen wird, bei dem die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung möglicherweise nicht sichergestellt ist (vgl.OLG Celle, Beschluss vom 18.12.2003, Az.: 13 Verg 22/03 = VergabeR 3/2004, Seite 397 ff., Seite 405). Die Bieter im Vergabeverfahren haben deshalb einen Anspruch darauf, dass der Zuschlag nicht auf ein Angebot erteilt wird, bei dem die Preisgestaltung den Auftragnehmer voraussichtlich in so große wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt, dass er die Vertragsausführung abbrechen muss. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung ist in jenen Fällen in der begründeten Besorgnis zu sehen, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Wettbewerber, welche die Leistung zu einem angemessenen Preis angeboten haben, aus welchen Gründen auch immer nicht mehr in die Ausführung des Auftrages eintreten können, weil eine Übernahme aufgrund der weiteren Entwicklung ihrer geschäftlichen Verhältnisse, insbesondere wegen einer anderweitigen Bindung der Leistungskapazitäten, ausgeschlossen ist (vgl. Dicks, a.a.O., § 16 VOL/A, Rdnr. 224, m.w.N.). Einen derartigen Sachverhalt macht die Antragstellerin geltend, in dem sie als derzeit im verfahrensgegenständlichen Bereich eingesetztes Unternehmen darauf hinweist, dass die Beigeladene erheblich niedrigere Preise als sie selbst gefordert habe, obwohl sie nach der Ausschreibung im Wege des Betriebsüberganges das derzeit eingesetzte Personal übernehmen müsse und ca. 95% des Angebotspreises durch Personalkosten bestimmt werden. Die Frage, ob der von der Beigeladenen zu 1. angebotene Preis tatsächlich i. S. des § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht und ob die Antragsgegnerin die Angemessenheit des Angebotspreises in einer den Anforderungen des § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A genügenden Weise geprüft hat, ist vielmehr im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrages zu entscheiden.
Antragsbefugt ist die Antragstellerin auch hinsichtlich ihres Vortrages, die Antragsgegnerin habe das von ihr angebotene Konzept auch bei der erneuten Angebotswertung falsch bewertet. Ihr Konzept sei nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen optimal und daher bei allen Unterkriterien mit sehr gut zu bewerten. Im Übrigen sei die Bewertung ohne einheitlichen Bewertungsmaßstab und damit rein willkürlich erfolgt. Schließlich habe die Antragsgegnerin auch bei der erneuten Angebotswertung nicht die Anforderungen der Vergabekammer an die Wertung und Dokumentation beachtet. Es sei insbesondere immer noch nicht ersichtlich, welcher Sachverhalt jeweils zu einer Vergabe der Höchstpunktzahl geführt habe.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht aus § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragsgegnerin hatte die Antragstellerin mit Bieterinformation gem.§ 101a GWB vom 04.07.2011 darüber informiert, dass ihr Angebot auch nach der erneuten Angebotswertung nicht das wirtschaftlichste sei und der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1. erteilt werden solle. Bereits mit Schreiben vom 06.07.2011 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene zu 1. unter Darlegung ihrer Auffassung, dass und warum der von der Beigeladenen zu 1. angebotene Preis als unangemessen niedrig bewertet werden müsse. Darüber hinaus sei auch nach der erneuten Angebotswertung nicht nachvollziehbar, dass ihr Angebot bei der Konzeptbewertung lediglich xxxxxx von 100 möglichen Punkten erhalten habe. Diese nur innerhalb von zwei Tagen nach Erhalt der Information abgesetzte Rüge erfolgte unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag für das verfahrensgegenständliche Los auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 zu erteilen, verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten im Sinne der§§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB. Die Antragsgegnerin hat ausweislich des mit der Vergabeakte vorgelegten ergänzenden Vergabevermerks vom 01.07.2011 die Angebotswertung unter Beachtung der Vorgaben des bestandskräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 28.06.2011 im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-21/2011 wiederholt und Prüfung und Ergebnis nunmehr in einer den Anforderungen des§ 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Die Antragsgegnerin ist nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen zu 1 wegen eines unangemessen niedrigen Preises gemäß § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A von der Angebotswertung auszuschließen. Sie hat nunmehr die Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 1 angebotenen Preises in einer den Maßstäben des § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A genügenden Weise geprüft (im Folgenden a). Auch die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 18 Abs. 1 VOL/A ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat sämtliche Angebote nicht nur anhand des Zuschlagskriteriums des niedrigsten Preises, sondern auch anhand der als zweites Zuschlagskriterium festgelegten Konzeptbewertung unter Zugrundelegung der 8 festgelegten und bekannten Unterkriterien und der bekannt gemachten Gewichtung gewertet. Die Antragsgegnerin hat daher zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat (im Folgenden b).
a)
Die Antragsgegnerin hat ausweislich der vorliegenden Vergabeakte die Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 1 geforderten Preises gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A geprüft und Prüfung und Ergebnis im ergänzenden Vergabevermerk vom 01.07.2011 in einer den Vorgaben des § 20 VOL/A genügenden Weise dokumentiert. Die Antragsgegnerin hatte keine Veranlassung, das Angebot der Beigeladenen zu 1 wegen eines unangemessen niedrigen Preises von der Angebotswertung auszuschließen.
Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Erscheint dem Auftraggeber ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, so hat er gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Die Prüfung der Angemessenheit der Preise auf der dritten Wertungsstufe verfolgt den Zweck, auf der vierten und letzten Wertungsstufe, die die abschließende Angebotswertung zum Gegenstand hat, nur ernsthaft kalkulierte Angebote zuzulassen (vgl. Müller-Wrede/Horn, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rdnr. 172). Zu diesem Zweck muss der Auftraggeber vom Bieter die Erläuterung der Kalkulation des Angebotes verlangen und bei der Entscheidung über die Berücksichtigungsfähigkeit des Angebotes das Ergebnis dieser Überprüfung berücksichtigen. Der Eindruck eines unangemessen niedrigen Preises kann aufgrund eines Vergleichs mit Preisen eingegangener Konkurrenzangebote, aber auch auf der Grundlage von Erfahrungswerten bei wettbewerblicher Preisbildung - z.B. anhand früherer vergleichbarer Ausschreibungen - gewonnen werden (vgl. Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 213, und § 19 EG, Rdnr. 225). Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Bezugspunkt für die prozentuale Abweichung ist das nächst höhere Angebot (= xxxxxx%). Eine Vereinheitlichung dieser Werte ist allerdings nicht geboten. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an (vgl. Müller-Wrede/Horn, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rdnr. 178). Gemäß § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes (LVergabeG) in der Fassung vom 15.12.2008 (Nds. GVBl., S. 411) kann die Vergabestelle die Kalkulation eines unangemessen niedrigen Angebotes, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, überprüfen; bei einer Abweichung von mindestens 10 v. H. vom nächst höheren Angebot ist sie dazu verpflichtet. Das Landesvergabegesetz gilt jedoch ausweislich seiner Präambel und seiner Regelung in § 2 Abs. 1 Landesvergabegesetz ausdrücklich nur für öffentliche Bauaufträge. Für Liefer- und Dienstleistungen im Sinne der VOL/A gibt es eine derart verbindliche Auftragsschwelle nicht. Rechtsprechung und Schrifttum orientieren sich zumindest für den Liefer- und Dienstleistungsbereich mehrheitlich an einer 20%-Schwelle (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2005, VII-Verg 77/04; OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 30.03.2004, Az.: 11 Verg 4/04; BayObLG, VergabeR 2004, S. 842 ff.; Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 215, m.w.N.; Müller-Wrede/Horn, a.a.O., § 19, Rdnr. 178). Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom23.01.2008, Az.: VII-Verg 36/07) hat ebenfalls entschieden, dass in einem Fall, in dem der Abstand des Angebotes der dort erstplatzierten Beigeladenen zu 1 zu dem nächst höheren Angebot der dortigen Beigeladenen zu 2 sowie der Abstand zwischen diesem und dem nächst platzierten Angebot eines dritten Bieters weniger als 20% betrug, die Aufgreifschwelle, die einen im Verhältnis zur angebotenen Leistung ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis indiziert, nicht erreicht ist.
Wie die Vergabekammer bereits zu dem in dieser Sache ergangenen Beschluss vom 28.06.2011 im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-21/2011 festgestellt hat, war eine Überprüfung des von der Beigeladenen zu 1 angebotenen Preises nach den Maßstäben der oben genannten Rechtsprechung zumindest nicht zwingend. Denn der Abstand zwischen dem preislich niedrigsten Angebot der Beigeladenen zu 1 zum nächst höheren, zweitplatzierten Angebot der Beigeladenen zu 3 betrug lediglich knapp unter xxxxxx% (xxxxxx).
Da die Antragsgegnerin diesen Preisabstand jedoch ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte zum Anlass genommen hatte, die Angemessenheit des Angebotes der Beigeladenen zu überprüfen, hat die Vergabekammer die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28.06.2011 verpflichtet, nicht nur die Tatsache der Prüfung selbst, sondern auch die Ergebnisse und ihre Bewertung in angemessener, transparenter Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren und dabei das Aufklärungsgespräch, dass die Antragsgegnerin am 20.04.2011 mit der Beigeladenen über die Angemessenheit des Angebotspreises geführt hat (xxxxxx), zu berücksichtigen. Ausweislich dieses Vermerks war Gegenstand des Aufklärungsgesprächs insbesondere auch die Frage der Berücksichtigung der Personalkosten des im Wege des Betriebsübergangs zu übernehmenden, bisher beschäftigten Personals bei der Kalkulation des Angebotes. Ausweislich des von der Antragsgegnerin nunmehr vorgelegten Vergabevermerks vom 01.07.2011 (xxxxxx) hat die Antragsgegnerin die Prüfung der Angemessenheit des Angebotes der Beigeladenen zu 1 unter Beachtung der Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 28.06.2011 wiederholt und Prüfung und Ergebnis ausführlich dokumentiert. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Angemessenheitsprüfung berücksichtigt, dass die Beigeladene zu 2 im protokollierten Aufklärungsgespräch vom 20.04.2011 erklärt hatte, dass sie den Betriebsübergang bei der Kalkulation berücksichtigt habe und ein eventuelles Risiko bei den Personalkosten, sofern sie diesem nicht mit personellen Maßnahmen begegnen kann, durch einen berücksichtigten Puffer in den Verwaltungskosten und in den Materialkosten auffangen will. Dieser Risikozuschlag in Form eines Kostenpuffers beläuft sich nach den Erklärungen der Beigeladenen zu 1 hinsichtlich der Verwaltungskosten für das Los 2 auf ca. xxxxxx% und hinsichtlich der Materialkosten auf ca. xxxxxx% der von der Beigeladenen zu 1 für diese Kostenpositionen jeweils kalkulierten Gesamtkosten.
Um die Plausibilität der Kalkulation der Beigeladenen zu 1 zu überprüfen, hat die Antragsgegnerin die Kosten für den Regelrettungsdienst (Gesamtpreis und unter besonderer Berücksichtigung der Personalkosten) auf der Grundlage des Angebotes der Beigeladenen zu 1 den entsprechenden Positionen einer von der Antragsgegnerin selbst erstellten Musterkalkulation gegenübergestellt. Wie die Vergabekammer bereits im bestandskräftigen Beschluss vom 28.06.2011 festgestellt hat, ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei der Angemessenheitsprüfung die von ihr in der Vergabeakte als Anlage 10 beigefügte Musterkalkulation (xxxxxx) berücksichtigt hat. Eine derartige Musterkalkulation kann für die Angemessenheitsprüfung - ebenso wie die Ergebnisse vergleichbarer Ausschreibungen - unterstützend herangezogen werden. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelnen Kalkulationsansätze nicht mit den Ansätzen der Antragstellerin, die die Leistungen im Bereich des verfahrensgegenständlichen Loses 2 aufgrund des aktuell noch laufenden Vertrages erbringt und daher über das Leistungsverzeichnis hinaus auch über eigene, genaue Kalkulationsgrundlagen verfügt, nicht übereinstimmt. Bei der Angemessenheitsprüfung des § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A und § 19 Abs. 6 Satz 1 VOL/A-EG handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung, die sich auf die Frage der Angemessenheit des Gesamtpreises des niedrigsten Angebotes richtet. Zwar ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, eine derartige Überprüfung im Wege der Aufklärung vorzunehmen, wenn ihm - wie im vorliegenden Fall - das preislich günstigste Angebot ungewöhnlich niedrig erscheint. Auch kann sich der Auftraggeber nicht allein auf eigene Kalkulationen stützen, sondern er muss darauf hinwirken, die erforderlichen Informationen über die konkrete Preisbildung vom betreffenden Bieter zu erlangen (vgl. Müller-Wrede/Horn, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rdnr. 180). Dies hat die Antragsgegnerin jedoch vorliegend, wie bereits erläutert, durch das in der Vergabeakte dokumentierte Aufklärungsgespräch vom 20.04.2011 in nicht zu beanstandender Weise getan und die Überprüfung und die Schlüsse, die die Antragsgegnerin aus diesem Aufklärungsgespräch gezogen hat, in dem ergänzenden Vergabevermerk vom 01.07.2011 nunmehr auch vergaberechtsgemäß dokumentiert. Trägt der Bieter durch nachvollziehbare Angaben zur Aufklärung bei, ist der Auftraggeber nicht per se gehindert, den Zuschlag sogar auf ein Unterkostenangebot (unauskömmliches Angebot) zu erteilen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 217 m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne eines Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Leistung keine Zweifel bestehen. Das in § 16 VOL/A und § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A geregelte Verbot, Zuschläge auf Angebote zu erteilen, deren (End-) Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, hat nur einen eingeschränkt bieterschützenden Charakter (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.05.2011 - Verg 45/2011, zitiert nach ibr-online). Einen Bieterschutz im Rechtssinn entfaltet die Bestimmung nur, wenn das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, wettbewerbswidrige Praktiken im Vergabeverfahren zu verhindern, den Ausschluss des unangemessen niedrig gerügten Angebots gebietet. Selbst dann, wenn das Angebot preislich eine bestimmte Aufgreifschwelle unterschreitet, kann dies für sich allein genommen einen Ausschluss des Angebotes keinesfalls rechtfertigen. Auch die bloße Unauskömmlichkeit eines Preisangebotes stellt für sich allein betrachtet keinen zwingenden Grund zu der Annahme dar, der betreffende Bieter werde die ausgeschriebene Leistung nicht zuverlässig und vertragsgerecht erbringen können.
Vorliegend hätte die Antragsgegnerin ihren Beurteilungsspielraum bei der Angemessenheitsprüfung allenfalls dann überschritten, wenn sie bei der Plausibilitätsprüfung von einem unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen wäre und insbesondere bei der Überprüfung der Kostenpositionen von irrealistischen eigenen Vergleichszahlen ausgegangen wäre. Anhaltspunkte dafür bietet der Sachverhalt jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht. Vielmehr hat die Antragsgegnerin ihre Musterkalkulation auf der Grundlage der den Bietern mit den Vergabeunterlagen mitgeteilten Personalkosten der derzeitigen Leistungserbringer für die jeweiligen Lose erstellt. Für das Zuschlagskriterium 1 - Leistungspreis - hatten die Bieter gemäß Nr. 12.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Kosten für den Ausschreibungszeitraum anzugeben. Der Leistungspreis sollte sich zusammensetzen aus dem Preis für die Regelvorhaltung im gesamten Zeitraum, den Preis für die Option in der Regelvorhaltung (sofern Option vorhanden) und den Preis für den erweiterten Rettungsdienst. Dabei wurde festgelegt, dass für das verfahrensgegenständliche Los 2 der Preis für die Regelvorhaltung mit 95% und der Preis für den erweiterten Rettungsdienst mit 5% in die Kalkulation einfließen sollte. Der Preis für den den Gesamtpreis beherrschenden Regelrettungsdienst setzt sich dabei zusammen aus den Kosten, die dem Bieter für Räumlichkeiten, Fahrzeuge, Material und Personal im Rahmen der Regelvorhaltung entstehen. Unter der lfd. Nr. 4 der Leistungsbeschreibung (xxxxxx) wurde den Bietern für jedes Los vorgegeben, wie viel Mehrzweckfahrzeuge (MZF), Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) und jeweilige Reservefahrzeuge mit jeweils wie viel Wochenstunden nach dem Rettungsdienstbedarfsplan in der derzeitigen Fassung vorzuhalten sind. Ferner wurden als Kalkulationsgrundlage die Personalüberstunden je Rettungswache der Jahre 2006 bis 2009 aufgeführt. Auf S. 9 der Leistungsbeschreibung wurde unter Nr. 5.1.16 (xxxxxx) auf das bisher auf den Rettungswachen eingesetzten Personal und Material hingewiesen. Dort heißt es:
"Der Auftragnehmer wird auf den selben Rettungswachen tätig wie der bisherige Leistungserbringer. Der Auftragnehmer wird zudem zumindest den überwiegenden Teil der Fahrzeuge und Teile des Materials des derzeitigen Leistungserbringers benutzen. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich um eine sogenannte Betriebsübergangskonstellation handelt (vgl. LAG Köln, Urteil vom 25.10.2007 - 5 Sa 785/07). Es ist somit davon auszugehen, dass der Auftragnehmer gemäß § 613a BGB in die Rechte und Pflichten des bisherigen Beauftragten gegenüber dem bei diesem beschäftigten Personal eintreten muss. Zum Zwecke der Kalkulation gibt die Stadt xxxxxx die Personalkosten des derzeitigen Leistungserbringers in der anliegenden anonymisierten Form bekannt (xxxxxx)."
Zur Fahrzeugübernahme heißt es unter 5.2.1:
"Der Auftragnehmer wird verpflichtet, in dem jeweiligen Los die derzeit vom bisherigen Leistungserbringer benutzten Fahrzeuge mit der entsprechenden Ausrüstung gemäß der Anlage 19 A und 19 B zu übernehmen ... Für die Übernahme der Fahrzeuge hat der Auftragnehmer an den bisherigen Leistungserbringer die sich aus der Anlage 19 A und 19 B ergebenden Preise zu bezahlen ..."
Als Anlage 11 wurden den Bietern für beide Lose und nach Mitarbeitern aufgeschlüsselt die Personalkosten der derzeitigen Leistungserbringer als "Jahressumme brutto AG" mitgeteilt. Die Anlagen 19 A und 19 B (xxxxxx) listen die zu übernehmenden Rettungsmittel und Ausrüstungen mit dem bei der Kalkulation zu berücksichtigenden Buchwert auf.
Die von der Antragsgegnerin bei der der Kalkulation berücksichtigte eigene Musterkalkulation basiert auf der den Bietern mitgeteilten derzeitigen Fahrzeug- und Personalvorhaltung, der geschätzten Einsatzauslastung der Fahrzeuge, der Netto-Jahresarbeitszeit unter Annahme einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden und des Personalbedarfs in Vollzeitstellen und Qualifikationsmix, wobei die Musterkalkulation sowohl ohne Berücksichtigung ehrenamtlicher Einsatzkräfte wie auch unter Berücksichtigung maximal zulässiger Einbindung ehrenamtlicher Einsatzkräfte durchgeführt wurde. Unter 1.2 (xxxxxx) wird in der Musterkalkulation erläutert, von welchen Personalkosten die Antragsgegnerin bei ihrer Schätzung ausgegangen ist. Ein von der Vergabekammer durchgeführter rechnerischer Abgleich mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung (Anlage 11) hat ergeben, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Schätzung die den Bietern mitgeteilten Personalkosten (für Los 2 insgesamt xxxxxx EUR brutto p.a.) aufgerundet berücksichtigt hat. Zu Los 2 heißt es in der Musterkalkulation:
"Auf Basis der vorigen Ermittlungen ergab sich für Los 2 ohne Ehrenamtliche eine quantitative Überschreitung des betriebsnotwendigen hauptamtlichen Personals von xxxxxx VzSt (minus xxxxxx%). Auch hier wurde der RettAss-Überschuss nicht durch Änderungskündigungen verändert. Allerdings sollte davon ausgegangen werden, dass die Reduktion um xxxxxx VzSt sowie die Reduktion um das Äquivalent der beiden einzubindenden RAiP (xxxxxx VzSt) von zum Jahr 2013 vorzugsweise im Bereich der RettAss erfolgt.
Daher wurden die bisherigen Personalkosten von xxxxxx EUR ab 2013 anhand der durchschnittlichen Personalkosten pro VzSt RettAss (xxxxxx EUR) bzw. RettSan (xxxxxx EUR) bzw. RAiP (xxxxxx EUR) und des neu ermittelten effizienten Personalbedarfs auf xxxxxx% oder xxxxxx EUR reduziert. Dabei wurde eine durchschnittliche effektive Personalkostensteigerung aufgrund von automatischen Stufensteigerungen (auch nach Betriebsübergang, allerdings nicht bei AiP und RAzA) von xxxxxx% p.a., allerdings keine Tarifsteigerung unterstellt. Daraus ergibt sich eine Personalkostensteigerung von xxxxxx% p.a., die auf die Jahre 2013 bis 2017 angewandt wurde.
Dies führt zu durchschnittlichen Einsatzdienstpersonalkosten (ohne Überstunden und Verwaltungspersonalkosten) von xxxxxx EUR von 2012 bis 2017. Dazu kommen im Jahr 2012 noch Fortführungs-/Abfindungskosten in Höhe von ca. xxxxxx EUR (dies entspricht xxxxxx% der Jahresmehrkosten des abzubauenden Personals)."
In der Folge hat die Antragsgegnerin in ihrer Musterkalkulation dann noch Personalkosten inkl. maximales Ehrenamt mit und ohne Entschädigung sowie für sämtliche Varianten noch sonstige Personalkosten wie Zuschläge für Schichtarbeit und Überstunden sowie für die Verwaltung berücksichtigt. Bei den Sachkosten wurden Kosten für die Fahrzeuge (durchschnittliche Abschreibungskosten und Betriebskosten auf der Grundlage der mit den Ausschreibungsunterlagen mitgeteilten Kilometerleistungen), Kosten für medizinisches Verbrauchsmaterial, Abschreibungskosten für die Einrichtung der Rettungswachen, Betriebskosten für die Rettungswachen auf Basis der mit den Ausschreibungsunterlagen mitgeteilten Miet- und Nebenkosten, Bekleidungskosten und Sachkosten für die Rettungsdienstverwaltung berücksichtigt. Auf die gesamten Sachkosten hat die Antragsgegnerin darüber hinaus einen Risikopuffer von bis zu xxxxxx% aufgeschlagen.
Die Musterkalkulation basiert nach den Feststellungen der Vergabekammer somit maßgeblich auf den derzeitigen, den Bietern mit den Verdingungsunterlagen für die Kalkulation bekannt gegebenen Kostenpositionen und tatsächlichen Kosten für beide Lose und geht daher nicht von sachfremden Erwägungen aus. Die Vergabekammer hält daher entgegen der Auffassung der Antragstellerin eine Überprüfung der Musterkalkulation im Wege eines Sachverständigengutachtens nicht für erforderlich.
Die Antragsgegnerin hat die Angemessenheitsprüfung ausweislich des ergänzenden Vergabevermerks vom 01.07.2011 sowohl anhand einer Mindestkalkulation, die einen absoluten Mindestpreis abbildet, bei dem keinerlei Sicherheitspuffer vorgesehen ist, sowie im Abgleich mit einer Musterkalkulation, die eine sehr wirtschaftliche Leistungserbringung unter Zugrundelegung einer Personalreduktion im bereits laufenden Beauftragungszeitraum voraussetzt, durchgeführt. Dabei hat sie im Vergabevermerk dargelegt, dass sie eine Unterschreitung der Werte der Musterkalkulation als kritisch ansehen würden. Umgekehrt sei jedoch bei Überschreitung der Werte der Musterkalkulation von einem auskömmlichen Angebot auszugehen. Die Antragsgegnerin hat rechnerisch in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass das Angebot der Beigeladenen zu 1 den Preis der Mindestkalkulation pro Jahr um xxxxxx EUR = xxxxxx% und den Preis der Musterkalkulation um xxxxxx EUR = xxxxxx% übersteigt und eine aufgeschlüsselte tabellarische Auflistung als Anlage 12 dem ergänzenden Vergabevermerk vom 01.07.2011 beigefügt.
Die Angemessenheitsprüfung der Antragsgegnerin genügt daher Anforderungen des § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A und den Anforderungen an die Dokumentation gemäß § 20 VOL/A. Die Antragsgegnerin hat sich im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums gehalten, als sie den von der Beigeladenen zu 1 angebotenen Preis als angemessen bewertet hat. Die Antragstellerin - die im Übrigen auch von allen anderen Bietern unterboten wurde - hat vielmehr im Ergebnis deshalb nicht das wirtschaftlichste Angebot im Sinne des § 18 Abs. 1 VOL/A abgegeben, weil sie mit Abstand den höchsten Angebotspreis gefordert hat.
Im Übrigen weist die Vergabekammer darauf hin, dass ein öffentlicher Auftraggeber nicht per se gehindert ist, den Zuschlag ggf. sogar auf ein Unterkostenangebot (unauskömmliches Angebot) zu erteilen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 217, m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne eines Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Leistung keine Zweifel bestehen. Zu derartigen Zweifeln hatte die Antragsgegnerin weder bei dem Angebot der Beigeladenen zu 1 noch bei den Angeboten der übrigen Bieter Anlass.
b)
Die Antragsgegnerin hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte ausschließlich unter Zugrundelegung der den Bietern bekannt gemachten Zuschlagskriterien und Unterkriterien und der ebenfalls festgelegten und bekannt gemachten Gewichtung durchgeführt. Im Gegensatz zur ersten Bewertung, die Gegenstand des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens VgK-21/2011 war, hat die Antragsgegnerin nunmehr jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch die Bewertung der Bieterkonzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports, die nach der Festlegung der Antragsgegnerin mit 50% bei der Gesamtwertung der Angebote berücksichtigt werden sollte, unter Beachtung der Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 28.06.2011 in einem ergänzenden Vergabevermerk vom 21.07.2011 ausführlich und in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.
Gemäß § 97 Abs. 5 GWB und § 18 Abs. 1 VOL/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 VOL/A ist der niedrigste Angebotspreis - grundsätzlich - nicht allein entscheidend. Die Vergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Bieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Bieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 53 und 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR)). Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebotes im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rdnr. 144).
Die Antragsgegnerin hatte ihre Zuschlagskriterien, die Unterkriterien und ihre Gewichtung, wie unter der lfd. Nr. 12 (xxxxxx) ihrer Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt, bekannt gemacht. Danach wurden zwei Wertungskriterien (Kriteriengruppen) festgelegt, die jeweils zu 50% bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt werden sollten. Festgelegt wurden zum einen der Leistungspreis und zum anderen das Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes. Die Kriteriengruppe 2 - Bewertung des Konzeptes - sollte gemäß Nr. 12.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe anhand von 8 Unterkriterien bewertet werden, die jeweils mit 12,5% bei der Bewertung des Konzeptes und 6,25% bei der Gesamtwertung Berücksichtigung finden sollten. Es handelt sich dabei um die Unterkriterien Effizienz des Personaleinsatzes, Ausfallsicherheit Personal, Ausfallsicherheit Sachmittel, Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen, Effizienz der Materialverwaltung, Effizienz der Medizinprodukteverwaltung, Effizienz des Melde- und Berichtwesens und Psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter. Es wurde festgelegt, dass die Bewertung anhand eines Schulnotensystems (sehr gut bis ungenügend) erfolgt, wobei für die Note sehr gut jeweils 5 Punkte und für die Note ungenügend 0 Punkte vergeben werden sollten.
Die Kriterien selbst wurden in der Aufforderung zur Angebotsabgabe jeweils kurz erläutert. Weitere Erläuterungen erfolgen aufgrund mehrerer Bieteranfragen. Der von der Antragsgegnerin mit der Durchführung des Verfahrens beauftragte Berater versandte insgesamt 9 Bieterinformationen. In der Bieterinformation Nr. 4 vom 14.03.2011 hatte die Antragsgegnerin ihren Bewertungsmaßstab wie folgt erläutert:
"Mindestvoraussetzung für die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistung ist die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben. Ein Konzept, welches daher erkennen lässt, dass es die im jeweiligen Bereich gesetzlichen Mindeststandards nicht einhält, entspricht daher nicht der geforderten Leistung. Insofern ist der Begriff "mangelhaft" bei der Konzeptbewertung missverständlich. Keinesfalls erhält ein Konzept in dem jeweiligen Wertungsbereich einen Punkt, wenn es die gesetzlichen Mindeststandards nicht einhält. Sofern ein Konzept in diesem Punkt nur den absoluten Mindeststandard einhält, bekommt der Bieter für diesen Bereich einen Punkt.
Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgt, oder je weiter ein Bieter hierüber hinausgeht oder innovative und taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter. Der Begriff "mangelhaft" in der Konzeptbewertung aus Ziff. 12.2 der Angebotsaufforderung wird daher in "gerade noch ausreichend" verändert."
Die Antragsgegnerin hatte bereits die erste Wertung der Bieterkonzepte ausweislich einer in der Vergabeakte (xxxxxx) als Anlage 11 beigefügten Bewertungsmatrix zwar in nicht zu beanstandender Weise ausschließlich auf der Grundlage der bekannt gemachten Wertungskriterien und Unterkriterien durchgeführt und die Bieterkonzepte für jedes Unterkriterium mit 0 bis 5 Punkten bewertet. Zur Erläuterung der Punktebewertung hatte die Antragsgegnerin jedoch lediglich stichwortartig für jedes Konzept und für jedes Unterkriterium Angaben und/oder Feststellungen auf der Grundlage der in den Angeboten dargelegten Konzepte in der Bewertungsmatrix festgehalten. Ob diese Angaben und Feststellungen sich positiv auf das Bewertungsergebnis und damit punkteerhöhend oder nicht ausgewirkt haben, war aus der Bewertungsmatrix allerdings nicht ersichtlich. Die Punktevergabe und damit die Bewertung der Bieterkonzepte war daher allein anhand der Bewertungsmatrix, aber auch aufgrund der Vergabeakte im Übrigen weder für die Vergabekammer noch für die Bieter nachvollziehbar. Die Vergabekammer hatte die Antragstellerin daher im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-21/2011 mit Beschluss vom 28.06.2011 verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Bewertung der Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
Die im nunmehr von der Antragsgegnerin vorgelegten ergänzenden Vergabevermerk vom 01.07.2011 dokumentierte erneute Angebotswertung genügt entgegen der Auffassung der Antragstellerin den Anforderungen der VOL/A und den Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 28.06.2011.
Die Antragsgegnerin hat die Wertung der Konzepte für sämtliche Angebote wiederholt und Prüfung und Ergebnis im ergänzenden Vergabevermerk vom 01.07.2011 auf den Seiten xxxxxx (xxxxxx) ausführlich dokumentiert und dabei Unterschiede der Konzepte zu den einzelnen Unterkriterien hervorgehoben und dargelegt, ob das Konzept die jeweiligen Kriterien durchschnittlich, unterdurchschnittlich oder überdurchschnittlich berücksichtigt.
Die dokumentierte Konzeptbewertung im ergänzenden Vergabevermerk vom 01.07.2011 schließt auf S. xxxxxx (xxxxxx) mit einer Zusammenfassung in Form einer Punktetabelle für alle Angebote. Durch die Dokumentation im ergänzenden Vergabevermerk wird die Konzeptbewertung nunmehr in einer den Anforderungen der §§ 16 Abs. 7, 20 VOL/A genügenden Weise nachvollziehbar. Die Bewertung nach den Unterkriterien zum Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports hat die Antragsgegnerin dabei in der Reihenfolge und nach den Ordnungsziffern in der Aufforderung zur Angebotsabgabe gegliedert. Dort wurden auf S. 12 und 13 Erläuterungen zu den einzelnen Wertungskriterien gegeben. Dazu und zur Bewertung der Kriterien im Einzelnen:
12.2.01 Effizienz des Personaleinsatzes
Hier war nach den Erläuterungen der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Effizienz des Personaleinsatzes anhand der Wirtschaftlichkeit des Arbeitszeitmodells durch die Zuordnung der Vorhaltezeiten zu den verschiedenen Arbeitsformen (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft) zu bewerten. Der Bieter sollte sein Arbeitszeitmodell entsprechend beschreiben. Die Antragstellerin hat für dieses Kriterium ebenso wie die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 xxxxxx von fünf möglichen Punkten erhalten. Die höchste Punktzahl hat die Beigeladene zu 3 mit xxxxxx Punkten erhalten. Bei der Bewertung dieses Kriteriums hat die Antragsgegnerin ausweislich des Vergabevermerks für das Konzept der Antragstellerin positiv berücksichtigt, dass die üblichen Schichtzeiten im Rettungsdienst von 12 Stunden abgedeckt werden können. Negativ hat die Antragsgegnerin berücksichtigt, dass die Antragstellerin eine sog. opt-out-Regelung anwenden möchte. Bei der opt-out-Regelung handelt es sich um ein arbeitsrechtliches Instrument, das ermöglicht, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer individual-vertraglich eine höhere Wochenarbeitszeit als die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) grundsätzlich vorgeschriebenen 48 Stunden vereinbaren können. Die Antragsgegnerin hat festgehalten, dass sie diese Regelung in zweierlei Hinsicht problematisch ansieht. Zum einen sei nicht absehbar, wie lange eine solche europarechtlich noch zulässig sein wird, da es entsprechende Bestrebungen der Kommission gebe. Zum anderen könne die opt-out-Regelung von jedem Mitarbeiter jederzeit gekündigt werden, was wiederum die Dienstplansicherheit gefährden könne. Bei den übrigen Bietern wurde demgegenüber positiv vermerkt, dass diese auf eine opt-out-Regelung verzichten.
Ferner wurde bei der Bewertung dieses Kriteriums die vom Bieter anzugebenden Nettoverfügbarkeitsquote (NVQ) berücksichtigt, die sich nach den Feststellungen der Antragsgegnerin im Rettungsdienst regelmäßig zwischen xxxxxx% und xxxxxx% bewegt. Für die Ermittlung der NVQ werden von der Bruttoarbeitszeit die Zeiten für Krankheit, Fortbildung, Urlaub etc. abgezogen. Die Antragsgegnerin hat im Vergabevermerk erläutert, dass der Personaleinsatz aus ihrer Sicht um so effizienter ist, je höher die NVQ ist. Die von der Antragstellerin angegebene Nettoverfügbarkeitsquote von xxxxxx% wurde als durchschnittlich eingestuft. Bei der Beigeladenen zu 1 fehlten Angaben zur Nettoverfügbarkeitsquote. Aufgrund des Fehlens dieser Angaben und der fehlenden Darlegung, wie die grundsätzlich positiv bewertete Möglichkeit eines tarifvertraglich vereinbarten Jahresarbeitszeitkontos auch auf die Mitarbeiter anzuwenden ist, die infolge des Betriebsübergangs Besitzstandsansprüche gemäß § 613a BGB haben, wurde das Angebot der Beigeladenen zu 1 trotz Verzichts auf eine opt-out-Regelung ebenfalls lediglich mit xxxxxx Punkten bewertet. Die höchste Punktzahl für dieses Kriterium erlangte die Beigeladene zu 3. Die Bewertung mit xxxxxxPunkten wurde dort insbesondere mit der im Bietervergleich höchsten Nettoverfügbarkeitsquote von xxxxxx% begründet. Negativ beurteilt wurden fehlende konkrete Angaben zur Dienstplanung.
Anhaltspunkte für eine den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzende Bewertung sind nicht erkennbar. Auch ist der von der Antragsgegnerin negativ bewertete Aspekt einer opt-out-Regelung im Konzept der Bieter zumindest nicht sachfremd. Zwar ist eine opt-out-Regelung mit den Vorgaben des ArbZG vereinbar. Denn gemäß § 21a Abs. 4, 6 ArbZG kann von dem Grundsatz, dass die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten darf, in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- und Dienstvereinbarung aus objektiven, technischen oder arbeitszeitorganisatorischen Gründen abgewichen werden, sofern die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von 6 Kalendermonaten nicht überschritten wird. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin berücksichtigt, dass sich durch eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit über die ohnehin schon über Ausnahmeregelungen auf 48 Wochenstunden ausgedehnte Arbeitszeit hinaus die körperliche Belastung der Mitarbeiter noch weiter erhöht, was wiederum zu Leistungsminderungen des Personals führen kann. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin ein Konzept, das die Möglichkeit eines erhöhten Personalbedarfs und längerer Einsatzzeiten und Verzicht auf eine opt-out-Regelung stattdessen z.B. über eine höhere Personaldecke gewährleistet, auch unter Effizienzgesichtspunkten höher bewertet.
12.2.02 Ausfallsicherheit Personal
Hier sollte der Bieter nach den Erläuterungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe darlegen, wie auf Ausfälle des Personals (z.B. aufgrund von Krankheit) reagiert wird und welche Maßnahmen getroffen werden, um die Ausfallsicherheit zu optimieren. Das Konzept der Antragstellerin wurde bezüglich dieses Kriteriums als einziges mit der Höchstpunktzahl 5 bewertet. Die Beigeladene zu 1 erhielt xxxxxx Punkte. Negativ wurde dort ausweislich der Dokumentation lediglich berücksichtigt, dass der Bieter nach den Feststellungen der Antragsgegnerin keinerlei Angaben zur Kompensationszeit bei Personalausfall gemacht hat. Die Konzepte der Beigeladenen zu 2 und zu 3 wurden bezüglich dieses Kriteriums mit xxxxxx Punkten bewertet. So wurde neben fehlenden bzw. unzureichenden Angaben zu Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung von Personalausfällen auch negativ berücksichtigt, dass diese Konzepte mit einem Personalausfall nicht über ein eigenes Springerdienstsystem oder Hintergrunddienste kompensieren, sondern im Falle der Beigeladenen zu 2 durch freie Mitarbeiter, Aushilfen und über einen bezirksübergreifenden Mitarbeiterpool und nach dem Konzept der Beigeladenen zu 3 durch einen Rückgriff auf benachbarte, befreundete Gliederungen. Auch bei diesen beiden Konzepten stellte die Antragsgegnerin fest, dass Angaben zur Kompensationszeit bei Personalausfall im Gegensatz zum Konzept der Antragstellerin fehlten.
12.2.03 Ausfallsicherheit Sachmittel
Hier sollte nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen dargelegt werden, wie seitens des Bieters auf kurzfristige Material- oder Fahrzeugausfälle reagiert wird und welche Maßnahmen getroffen werden, um solchen begegnen zu können. Das Konzept der Antragstellerin hat für dieses Kriterium als einziges Konzept lediglich xxxxxx Punkte erhalten, während die anderen Konzepte durchweg mit der Höchstpunktzahl 5 bewertet wurden. Den Punktabzug bei der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin im ergänzenden Vergabevermerk damit begründet, dass im Konzept keine konkrete Anzahl an Ersatzfahrzeugen und Ersatzmaterialien beschrieben wird. Zwar sei durch den Hinweis auf ein Reservefahrzeug eine kurzfristige Kompensation durchaus sichergestellt. Insgesamt seien die Ausführungen aber - auch im Verhältnis zu den Ausführungen der anderen Bieter - nicht mit der vollen Punktzahl zu bewerten. Für das Konzept der Beigeladenen zu 1 wird diesbezüglich z.B. hervorgehoben, dass eine Zahl von xxxxxx% der vorzuhaltenden Fahrzeuge als Ersatzfahrzeuge zur Verfügung gestellt wird und dass die Beigeladene zu 1 ausführt, wie sie von den Herstellern der Geräte Ersatzgeräte bekommen kann. Ferner würden Fahrzeuge und Geräte über eine zentrale Rufnummer jederzeit abrufbar als Ausfallreserve vorgehalten. Auch bezüglich dieses Kriteriums ist die unterschiedliche Punktezumessung daher nachvollziehbar und geht nicht von sachfremden Erwägungen aus.
12.2.04 Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen
Hier sollte der Bieter darlegen, wie die Durchführung von Hygieneschutzmaßnahmen in seinem Betrieb gewährleistet und umgesetzt wird. Die Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 haben xxxxxx Punkte erhalten. Lediglich dem Konzept der Beigeladenen zu 1 wurde die Höchstpunktzahl zugemessen. Der einzelne Punktabzug bei der Antragstellerin wird damit begründet, dass im Konzept Ausführungen zur konkreten personellen Struktur auf Ebene der einzelnen Rettungswachen bestehen. Zwar seien in den Personallisten pauschal Desinfektoren am Standort xxxxxx aufgeführt. Diese pauschale Angabe finde sich jedoch auch in den Angeboten der Antragstellerin für andere ausgeschriebene Lose, so dass nach den Feststellungen der Antragsgegnerin nicht ohne weiteres erkennbar ist, wo und ob auch tatsächlich im vorliegenden Los ein Desinfektor letztlich eingesetzt wird. Ferner seien die Angaben der Antragstellerin für dieses Kriterium im Vergleich zu den Konzepten anderer Bieter weniger detailliert. Außerdem wurde diesbezüglich beim Angebot der Beigeladenen zu 1 die dort beschriebene regelmäßige Kontrolle der Hygieneschutzmaßnahmen (Hygieneplan, Hygienebelehrung der Mitarbeiter einmal jährlich) besonders positiv hervorgehoben. Auch hier ist die Punktezumessung nachvollziehbar und zeigt keinen Anhaltspunkt für eine willkürliche Bewertung.
12.2.05 Effizienz der Materialverwaltung
Hier sollte nach den Erläuterungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe dargelegt werden, was zur Gewährleistung einer effizienten Materialverwaltung vorgesehen ist. Es sollte dargestellt werden, welche Verfahren im Hinblick auf Lagerhaltung, Lagerverwaltung und Materialbestellung vorgesehen sind. Das Konzept der Antragstellerin hat hier ebenso wie die Konzepte der Beigeladenen zu 1 und der Beigeladenen zu 2 die Höchstpunktzahl 5 erhalten. Lediglich das Konzept der Beigeladenen zu 3 erhielt xxxxxx Punkte, was damit begründet wurde, dass dieses Konzept im Gegensatz zu allen anderen Bieterkonzepten keine expliziten Angaben zu einer kurzfristig notwendigen Beschaffung an den einzelnen Rettungswachen gemacht hat. Auch hier hat die Antragsgegnerin offensichtlich gleiche Maßstäbe zugrunde gelegt.
12.2.06 Effizienz der Medizinprodukteverwaltung
Hier sollte der Bieter nach den Vorgaben der Antragsgegnerin die Verwaltung der einzusetzenden Medizinprodukte darlegen. Dabei sollte im Konzept insbesondere auf die Gewährleistung der Einsatzfähigkeit der Medizinprodukte, deren Wartung sowie auf die entsprechende Schulung der Mitarbeiter eingegangen werden. Hier hat ausweislich des ergänzenden Vergabevermerks lediglich das Konzept der Antragstellerin die Höchstpunktzahl um einen Punkt verfehlt. Begründet wird der einzelne Punktabzug von der Antragsgegnerin mit einer im Gegensatz zu den Konzepten der anderen Bieter fehlenden konkreten personellen Struktur auf Ebene der einzelnen Rettungswachen. Eine genaue Zuordnung, ob ein Medizinproduktebeauftragter pro Rettungswache angeboten wird, lässt sich nach den Feststellungen der Antragsgegnerin nicht zweifelsfrei erkennen. Ferner sei dieses Konzept im Vergleich zu den Konzepten anderer Bieter weniger detailliert. Demgegenüber wird etwa beim Angebot der Beigeladenen zu 1 hervorgehoben, dass der Bieter über einen Medizinproduktebeauftragten pro Rettungswache verfügt, so dass eine individuelle Überwachung und Hilfe direkt vor Ort gegeben ist. Ferner habe die Beigeladene zu 1 die Struktur der Schulung und Einweisung der Mitarbeiter und auch die täglichen Funktionskontrollen detailliert beschrieben. Die Ausführungen im Vergabevermerk rechtfertigen nach Auffassung der Vergabekammer zumindest diesen geringen Punkteunterschied.
12.2.07 Effizienz des Melde- und Berichtswesens
Hier sollte der Bieter nach den Erläuterungen der Antragsgegnerin in der Aufforderung zur Angebotsabgabe darlegen, wie er die in der Leistungsbeschreibung unter Ziff. 5.5 und Ziff. 15 genannten Anforderungen an sein Melde- und Berichtswesen sicherstellt und die Leistungen möglichst effektiv erbringt. Dabei soll er auf die in Ziff. 5.5 (interne Kommunikation/Betriebsabläufe) und Ziff. 15 (externe Kommunikation mit dem Auftraggeber und Kommunikation mit der Öffentlichkeit) der Leistungsbeschreibung genannten Punkte eingehen und darstellen, welche innerbetrieblichen Maßnahmen hierzu ergriffen werden. Bezüglich dieses Kriteriums haben nach der Dokumentation im Vergabevermerk alle Konzepte nur eine durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Bewertung erhalten. Die Antragstellerin und die Beigeladene zu 1 haben mit ihren Konzepten xxxxxx Punkte, die Beigeladene zu 2 und die Beigeladene zu 3 lediglich xxxxxx Punkte erhalten. Für alle Angebote wird negativ auf das Fehlen von genauen Abläufen der für die Auftraggeberin besonders wichtigen Kommunikation zwischen ihr und dem Bieter hingewiesen bzw. angemerkt, dass der Bieter die einzelnen Abläufe der Kommunikationswege nicht immer detailliert geschildert hat. Vermisst werden darüber hinaus bei allen Angeboten Angaben zum Datenschutz. Negativ hat die Antragsgegnerin für das Konzept der Antragstellerin angemerkt, dass das Angebot auf den S. 12 ff. unter Nr. 8 und 9 Aussagen zu einer eigenen Öffentlichkeitsarbeit enthält, was befürchten lasse, dass die vom Träger des Rettungsdienstes geforderte Zurückhaltung in Bezug auf Auskünfte nach außen nicht durchgehalten werde. Hintergrund ist die Festlegung der Antragsgegnerin unter Nr. 15 der Leistungsbeschreibung (xxxxxx). Dort heißt es:
"Auskünfte gegenüber der Öffentlichkeit (einsatzbezogen wie bezogen auf die Organisation und die Abläufe im Rettungsdienst) dürfen vom Auftragnehmer nur nach Absprache mit dem Auftraggeber erfolgen. Dieses betrifft auch Beschwerden. Daher sind alle Beschwerden, die sich auf Einsätze des Rettungsdienstes beziehen, auf- bzw. entgegenzunehmen und unverzüglich an den Auftraggeber des Rettungsdienstes weiterzuleiten ..."
Die Antragsgegnerin wollte somit ausdrücklich keine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit bezüglich des verfahrensgegenständlichen Rettungsdienstes zulassen, was von den Bietern auch nicht gerügt wurde. Die Antragstellerin hatte in ihrem vorliegenden Angebot vom 06.04.2011 zum Kriterium 2.07 auf S. 4 zwar ausdrücklich erklärt, dass Auskünfte gegenüber der Öffentlichkeit (einsatzbezogen wie auch bezogen auf organisatorische Belange und die Abläufe im Rettungsdienst) von den xxxxxx nur nach Absprache mit dem Auftraggeber erteilt werden. Beschwerden würden ausschließlich vom Auftraggeber beantwortet. Unter der gleichen Ordnungsziffer hatte die Antragstellerin jedoch auf den S. 12 ff. des Konzepts unter den Gliederungspunkten 8 "Personalmarketing und Image: Personalentwicklung nur mit Öffentlichkeitsarbeit und Werbung" und 9 "Synergieeffekte für den Auftraggeber: Fachabteilung für Mediengestaltung und Medienservice" die eigene Leistungsfähigkeit im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit hervorgehoben.
Allerdings sieht die Vergabekammer die dortigen Aussagen im Konzept entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht im Widerspruch zur Verpflichtung der Bieter, gegenüber der Öffentlichkeit (einsatz- und ablaufbezogen) Auskünfte zum konkreten Rettungsdienst nur nach Rücksprache mit dem Auftraggeber zu geben. Denn auch hier weist die Antragstellerin ausdrücklich darauf hin, dass sie sich an die Vorgaben der Antragsgegnerin halten wird. So heißt es auf S. 14 des Konzepts zum Kriterium 2.0.7. im vierten Absatz:
"Medienanfragen werden im xxxxxx ebenfalls über den Fachbereich Kommunikation angenommen. Dieser Medienservice im Fachbereich Kommunikation wird Medienanfragen, die das Thema Rettungsdienst (einsatzbezogen sowie auf die Organisation und die Abläufe) betreffen,aufnehmen und an den Auftraggeber umgehend weiterleiten." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Die von der Antragsgegnerin zitierten Ausführungen im Konzept der Antragstellerin durften sich nach Auffassung der Vergabekammer daher nicht punktemindernd auswirken. Dieser Beurteilungsfehler hat jedoch keine Auswirkungen auf das Wertungsergebnis. Selbst wenn die Antragstellerin für dieses Kriterium einen Punkt mehr erhalten würde, bleibt die Rangfolge der Bieter bei der Konzeptbewertung und bei der Gesamtwertung gleich.
12.2.08 Psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter
Hier sollte nach den Erläuterungen der Antragsgegnerin von den Bietern dargelegt werden, welche psycho-sozialen Betreuungsmöglichkeiten für Mitarbeiter vorgesehen werden und unter welchen Umständen diese zum Einsatz kommen. Für dieses Kriterium haben nur die Antragstellerin und die Beigeladene zu 2 eine vergleichsweise hohe Bewertung von xxxxxx von 5 möglichen Punkten erhalten, während die Antragstellerin nur xxxxxx und die Beigeladene zu 3 nur xxxxxx Punkte erhalten haben. Bei der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin positiv hervorgehoben, dass der Bieter ein eigenes Einsatznachsorgeteam vorhält, welches rund um die Uhr erreichbar ist. Auch seien Fachkräfte mit Hochschulausbildung und Einsatznachsorge eingebunden. Negativ wurde lediglich festgestellt, dass das Konzept der Antragstellerin neben der geforderten psycho-sozialen Betreuung der Mitarbeiter eine Tätigkeit des gleichen Teams für die Krisenintervention als Betreuung von Überlebenden, Angehörigen, Zeugen und Hinterbliebenen beinhaltet. Durch diese Doppelfunktion der Mitarbeiter des Teams für die psycho-soziale Betreuung sowohl für die eigenen Mitarbeiter als auch für Überlebende und Angehörige, das zudem vom gleichen Team für ganz Niedersachsen vorgenommen werden soll, sei eine jederzeitige Erreichbarkeit für die Mitarbeiter im Rettungsdienstbereich xxxxxx zumindest in Frage gestellt. Diese Erwägungen der Antragsgegnerin sind nach Auffassung der Vergabekammer zumindest nicht sachfremd, zumal das Konzept der Antragstellerin für dieses Kriterium insgesamt keinesfalls negativ, sondern mit xxxxxx von 5 Punkten und damit im Gegensatz zu den Konzepten der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 3 überdurchschnittlich bewertet wurde.
Insgesamt ist daher festzustellen, dass die Antragsgegnerin auch bei der Konzeptbewertung ausschließlich die Kriterien, Maßstäbe und Festlegungen berücksichtigt hat, die sie den Bietern mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe und der Leistungsbeschreibung bekannt gemacht hatte. Eine Festlegung weiterer Unterkriterien wurde von den Bietern nicht vermisst, geschweige denn wurde das Fehlen weiterer Unterkriterien von den Bietern, die allesamt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der verfahrensgegenständlichen Rettungsdienstleistungen verfügen, gerügt. Da hier ausdrücklich Bieterkonzepte bewertet werden sollten, wären noch detailliertere Vorgaben der Antragsgegnerin auch nicht zweckmäßig gewesen, weil sie die Möglichkeiten der Bieter zur konzeptionellen Darstellung zu weit eingeschränkt hätten. Entscheidend ist vielmehr, dass die Antragsgegnerin bei der Konzeptbewertung keine sachfremden, überraschenden oder unter die Kriterien nicht zu subsumierenden Gesichtspunkte hat einfließen lassen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin negative Feststellungen und positive, punkteerhöhende Aspekte bei allen Bieterkonzepten gleichermaßen berücksichtigt. Anhaltspunkte für willkürliche Beurteilung liegen nicht vor. Die Antragsgegnerin hat sich somit auch bei der Konzeptbewertung im Rahmen der den öffentlichen Auftraggebern auch durch § 16 Abs. 7 VOL/A verbleibenden Beurteilungsspielraum gehalten. Die Antragsgegnerin hat daher die Angebotswertung nunmehr in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt und in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war daher zurückzuweisen.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt für das verfahrensgegenständliche Los 2 für eine Vertragslaufzeit von 6 Jahren xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem von der Antragsgegnerin geprüften und dokumentierten Angebotspreis der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der z. Zt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR
(§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Aufteilung der Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet ist.
Kosten der Antragsgegnerin
Die Erstattungspflicht der Antragstellerin bezüglich der Kosten der Antragsgegnerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Antragsgegnerin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i.V.m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, zitiert nach ibr-online; Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Grundsätzlich trifft es auch immer noch zu, dass die Nachprüfungsverfahren unter einem enormen Beschleunigungs- und Zeitdruck stehen und das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus dem nationalen Recht und dem Europarecht darstellt, welche nicht immer im Gleichklang stehen. Auf der anderen Seite wird die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig eher nicht notwendig sein, wenn sich die darin aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung darüber erschöpfen, ob die Vergabestelle das von ihr im Rahmen des streitbefangenen Vergabeverfahrens ohnehin zu beachtende "materielle" Vergaberecht zutreffend angewandt hat, d.h. im Wesentlichen die Bestimmungen der Verdingungsordnung eingehalten sind. Denn dann ist - zumindest bei größeren Auftraggebern, die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen, der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren Ergebnisse zu rechtfertigen eine Vergabestelle
grundsätzlich auch ohne anwaltlichen Beistand in der Lage sein muss (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 0001/10, zitiert nach [...], Tz 15 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom16. Juni 2010 - 15 Verg 4/10, zitiert nach [...], Tz 54; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2008 - Verg 6/08, zitiert nach [...], Tz 13).
Nach dieser Maßgabe war es für die Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Denn der Nachprüfungsantrag betraf nicht allein Probleme des gewöhnlichen materiellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, das eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltlichen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertreten muss. Gegenstand war vorliegend die erste Ausschreibung von Rettungsdiensten in Niedersachsen und insbesondere auch die Bewertung von Bieterkonzepten auf der Grundlage des NRettDG. Auch handelt es sich vorliegend bereits um den vierten Nachprüfungsantrag zur verfahrensgegenständlichen Ausschreibung der Antragsgegnerin. Sie bedurfte daher auch unter Kapazitätsgesichtspunkten anwaltlicher Unterstützung.
Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragsgegnerin zu tragen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx |
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auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx. |
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Schulte
Herr Brinkmann kann aufgrund dienstlich bedingter Abwesenheit nicht selbst unterschreiben.
Gause