Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 20.06.2011, Az.: VgK-23/2011
Verstoß gegen das Transparenzgebot bei fehlender Orientierung der in der Vergabeakte enthaltenen Dokumentation der Auswertung und Bewertung der Angebote an den Anforderungen des § 20 VOL/A; Zwingender Ausschluss eines Angebots bei Fehlen wesentlicher Preisangaben für dessen Wertung bzgl. der Vergabe des Rettungsdienstes; Zuschlagserteilung eines Angebots bei offenbarem Missverhältnis des Preises zur Leistung
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 20.06.2011
- Aktenzeichen
- VgK-23/2011
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 23932
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs. 3 VOL/A
- § 16 Abs. 3a VOL/A
- § 20 VOL/A
- § 97 Abs. 1 GWB
Verfahrensgegenstand
VOL-Vergabeverfahren "Vergabe des Rettungsdienstes in der Stadt xxxxxx" - hier: Los 1
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Hintz,
auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2011
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes erneut durchzuführen und dabei auch das Angebot der Antragstellerin zu berücksichtigen. Dabei hat sie auch die Bewertung der Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes zu wiederholen, Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten. Ebenso ist sie verpflichtet, die Prüfung der Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 2 geforderten Angebotspreises, die das preislich günstigste in der Wertung verbliebene Angebot abgegeben hat, auf der Grundlage des Vermerks über das Aufklärungsgespräch vom 20.04.2011 zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Die Antragsgegnerin hat mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2011, veröffentlicht am xxxxxx.2011, die Rettungsdienstleistungen für 6 Jahre europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die zu vergebende Leistung war in 2 Lose aufgeteilt. Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass sich die Bieter nur auf ein Los bewerben konnten. Bietergemeinschaften waren zugelassen. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort war unter Ziffer 12 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausgeführt, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgen soll, wobei der Leistungspreis und das Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports mit jeweils 50% gewichtet werden soll. Die Antragsgegnerin erläuterte in der Aufforderung, wie sich der Leistungspreis zusammensetzt und an Hand welcher Formel die Punktzahl dafür ermittelt wird. Hinsichtlich des anderen Zuschlagskriteriums, der Konzeptbewertung, legte die Antragsgegnerin die 8 Unterkriterien fest und teilte mit, dass sie diese mit jeweils 12,5% gewichten wollte. Ferner erläuterte diese Wertungskriterien. Die Antragsgegnerin beauftragte die Niederlassung der xxxxxx mit der Vorbereitung und Begleitung des Vergabeverfahrens. Aufgrund zahlreicher Bieteranfragen, u.a. auch von der Antragstellerin, versandte der mit dem Verfahren beauftragte Berater insgesamt 9 Bieterinformationen an die Bieter. In der Bieterinformation 4, Frage 3, führte die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Konzeptbewertung und dem Begriff "mangelhaft" u.a. aus:
Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgt oder je weiter ein Bieter hierüber hinaus geht oder innovative und taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter.
Ebenfalls führte die Antragsgegnerin in der Bieterinfo 4 zu Frage 11 im Zusammenhang mit dem Leistungspreis und der Berechnung des Gesamtpreises auf die Frage, ob der Stundenpreis mit der Gesamtvorhalteerweiterung in Stunden multipliziert werden soll u.a. aus:
"Der Optionspreis soll hierbei nicht mit den Stunden addiert werden."
In der Vergabeakte befindet sich ein Vermerk der Antragsgegnerin vom 25.02.2011 zur Wahl des Vergabeverfahrens, in dem sie ausführt, warum sie der Auffassung ist, dass es sich um eine Dienstleistung nach Anhang I, Teil B, Kategorie 25, handelt.
Der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung am 08.04.2011 ist zu entnehmen, dass u.a. die Antragstellerin und die beiden Beigeladenen ein Angebot für das hier streitige Los 1 eingereicht hatten.
Die Antragsgegnerin bat die Antragstellerin im Rahmen der Angebotswertung mit Schreiben vom 26.04.2011 um Aufklärung zum Preis für die Option in der Regelvorhaltung.
Die Antragsgegnerin bat die Beigeladene zu 2 um Vorlage bestimmter Nachweise und lud sie zu einem Aufklärungsgespräch am 20.04.2011 ein, um u. a auch ihren Angebotspreis zu hinterfragen. Über das Aufklärungsgespräch wurde ein von beiden Seiten abgezeichneter Vermerk gefertigt.
Im o. g. Vergabevermerk hielt die Antragsgegnerin als Ergebnis der formalen Angebotsprüfung fest, dass das Angebot der Antragstellerin trotz der Erläuterungen im Antwortschreiben vom 27.04.2011 auszuschließen ist, da die Preise nicht so wie gefordert, abgegeben wurden. Wörtlich hielt sie auf Seite 7 des Vergabevermerks als Zwischenergebnis fest:
"Die Preise sind nicht so wie gefordert abgegeben worden. Selbst der nachgereichte Preis kann bei Zugrundelegung der Vorgehensweise der xxxxxx bei der Kalkulation nicht der Preis sein, der die tatsächlichen Kosten dieser Leistungsposition widerspiegelt. Es liegen demnach immer noch unvollständige Preisangaben vor."
Die Antragsgegnerin hielt als Gesamtergebnis der formalen Angebotsprüfung auf Seite 10 fest, dass das Angebot der Antragstellerin in Los 1 zwingend aus formalen Gründen auszuschließen ist.
Die Antragsgegnerin prüfte lt. Vergabevermerk, ob ev. Unterkostenangebote von der Beigeladenen zu 2 und einer weiteren Bieterin für das Los 1 vorgelegt wurden. Aufgrund des Aufklärungsgesprächs kam die Antragsgegnerin zu folgendem Ergebnis:
"Ein vermutetes Unterkostenangebot hat sich nicht bestätigt. Daher ist eine ordnungsgemäße Leistungserbringung mit dem Angebotspreis zu erwarten. Das Angebot der Firma xxxxxx ist daher auskömmlich und nicht auszuschließen."
Hinsichtlich der Bewertung der vorzulegenden Konzepte hat die Antragsgegnerin stichwortartig die Angaben der Bieter in eine Matrix übertragen und die angebotene Leistung anschließend bewertet. Warum welcher Bieter wie viele Punkte erzielte, ist der Matrix nicht zu entnehmen.
Einer Tabelle zur Gesamtwertung ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin bei Los 1 nur die Angebote der beiden Beigeladenen gewertet hat. Insgesamt erreichte die Beigeladene zu 2 unter Hinzuziehung der Punkte aus der Konzeptbewertung xxxxxx Punkte weniger als die Beigeladene zu 1. Die Verwaltung der Antragsgegnerin empfahl, der Beigeladenen zu 1 den Zuschlag für das Los 1 zu erteilen. Diesem Vorschlag stimmte das Rechnungsprüfungsamt der Antragsgegnerin zu.
Mit Bieterinformation nach § 101 a GWB vom 16.05.2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot wegen fehlerhafter Preisangaben aus formalen Gründen zwingend ausgeschlossen wurde, da nicht alle Preise, so wie gefordert, vollständig und mit dem Betrag angegeben wurden, der für die betreffende Leistung beansprucht wird. Die Antragsgegnerin begründete ihre Entscheidung und teilte der Antragstellerin ferner mit, dass ihr Angebot selbst bei einer hypothetischen Auswertung nicht das wirtschaftlichste gewesen wäre.
Mit Schreiben vom 19.5.2011 rügte die Antragstellerin, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss ihres Angebotes nicht vorliegen. Sie habe den Stundenpreis einer Vorhaltestundenerhöhung angegeben. Die Antragsgegnerin habe durch ihre Antwort 11 in der Bieterinfo 4 nochmals darauf hingewiesen, dass der Optionspreis nicht mit der Gesamtvorhalteerweiterung in Stunden multipliziert werden soll. Dies sei so zu verstehen, dass eine Stunde der Option mit der Anzahl der Schichten pro Jahr zu multiplizieren sei. Sie weist ferner darauf hin, dass ein Ausschluss aus dem Vergabeverfahren nur dann in Betracht komme, wenn der Auftraggeber unmissverständlich die beanstandete oder fehlende Position vom Bieter verlangt hat.
Sie rügt ferner die Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes, da das zugrunde gelegte Bewertungssystem in der Kriteriengruppe 1 - Leistungspreis - von vornherein ungeeignet sei.
Die Antragstellerin geht auch davon aus, dass das Angebot, das preislich mit 100 Punkten bewertet worden ist, nicht auskömmlich ist und daher ausgeschlossen werden muss. Sie geht davon aus, dass keine bzw. nur unzureichende Ermittlungen über die Angemessenheit der Preise des Bestbieters angestellt wurden. Das Angebot des Bestbieters müsse unauskömmlich sein, da xxxxxx% des Gesamtangebotspreises Personalkosten seien. Sie geht davon aus, dass eine Fehlkalkulation durch die Neuanbieter erfolgte, da diesen nicht die Besonderheiten des Rettungsdienstes in der Stadt xxxxxx bekannt sind.
Auch sei nicht nachvollziehbar, dass ihr Angebot bei der Konzeptbewertung lediglich xxxxxx von 100 Punkten erzielte. Aus ihrer Sicht hätte sie in allen Unterkriterien mit sehr gut bewertet werden müssen.
Die Antragsgegnerin nahm mit Schreiben vom 23.05.2011 zu den Ausführungen der Antragstellerin Stellung. Die Antragsgegnerin schlüsselte ferner die von ihr erzielte Punktzahl bei der Konzeptbewertung auf.
Mit Schreiben vom 25.05.2011, eingegangen in der Vergabekammer per Telefax am selben Tage, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die bereits in dem Rügeschreiben gegenüber der Antragstellerin monierte beabsichtigte Beauftragung der Beigeladenen zu 1.
Sie weist darauf hin, dass ein Ausschluss eines Angebotes dann nicht gerechtfertigt sei, wenn eine Wettbewerbsrelevanz ausgeschlossen ist. Diese Situation läge hier vor, da die Abweichung zwischen den zugrunde gelegten 51 Schichten/Tagen des Basisjahres 2012 gegenüber den im Durchschnitt 50,33 Schichten/Tagen für die Kalenderjahre 2012 bis 2017 minimal seien.
Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht führt sie aus, dass die Antragsgegnerin gerade nicht den "Preis pro Stunde" sondern den "Preis pro Stunde der Vorhalteerweiterung" gefordert habe. Dies habe man objektiv nur so verstehen können, dass damit ein Optionspreis für die Erhöhung einer Jahresvorhaltestunde anzugeben war. Denn das Preisblatt beziehe sich auch hinsichtlich dieses Preises auf die einzelnen Jahre, so dass auch nur ein "Jahrespreis" angegeben werden konnte.
Selbst unterstellt, ihre Angaben seien unzutreffend, müsse sie davon ausgehen, dass die Angebotsunterlagen unklar seien, da die geforderte Preisangabe nicht eindeutig und unmissverständlich (zweifelsfrei) gefordert wurde. Außerdem könne die Antragsgegnerin den Optionspreis rechnerisch nachvollziehen. Ihre Berechnung gehe von einem einheitlich kalkulierten Stundensatz für 51 Schichten/Tage in jedem Jahr aus. Diese Berechnung führe für alle Jahre zu dem eingetragenen Preis für die Option in der Regelvorhaltung und somit zu einem gemeinsamen Stunden-Optionspreis.
Die Antragstellerin weist ferner darauf hin, dass der Optionspreis nicht wettbewerbsrelevant sei. Ein mittlerer Optionspreis in Höhe von xxxxxx EUR falle im Verhältnis zu den angebotenen Preisen für den Rettungsdienst in Höhe von mehreren Millionen Euro nicht einmal minimal ins Gewicht. Es handele sich damit um eine unwesentliche Einzelposition, der jegliche wettbewerbliche Relevanz fehle.
Sie führt ferner aus, dass die Antragsgegnerin keine bzw. nur unzureichende Ermittlungen über die Angemessenheit der von der vorgesehenen Zuschlagsbieterin und der anderen vor ihr platzierten Bieter angebotenen Preise angestellt habe, obwohl ihr die Preise unangemessen niedrig erscheinen mussten. Sie ist der Auffassung, dass § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A drittschützende Wirkung hat und geht davon aus, dass sich die Unauskömmlichkeit der Angebote der billigeren Bieter auch daraus ergeben, dass nach den Ausschreibungsbedingungen ein Betriebsübergang erfolgen wird und damit auch ihr Personal zu übernehmen ist. In diesem Fall sei zu berücksichtigen, dass ihre Arbeitsvertragsrichtlinien als unmittelbare individuelle arbeitsvertragliche Bedingungen weiter gelten und nicht automatisch durch einen anderen Tarifvertrag abgelöst werden können.
Die Wertung des von ihr vorgestellten Konzeptes sei fehlerhaft erfolgt und unzureichend dokumentiert. Zwar habe die Antragsgegnerin einen Beurteilungsspielraum bei der Wertung der eingereichten Konzepte, dieser dürfe aber nicht überschritten werden. Sie unterstellt, dass die Antragsgegnerin von falschen Tatsachen ausgegangen ist und den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt hat. Sie weist darauf hin, dass die Wertung der Konzepte, wie die Antragsgegnerin sie praktiziert hat, nicht zu einer gleichwertigen Gewichtung von Leistungspreis und Konzeptbewertung, wie eigentlich vorgesehen, führt. Da kein Konzept mit der Höchstpunktzahl bewertet wurde, entstehe eine ungewollte Höhergewichtung des Leistungspreises.
Der Dokumentation könne auch nicht entnommen werden, welche Anforderungen die Antragsgegnerin an die Konzepte gestellt habe und warum welches Konzept wie viele Punkte erhalten habe.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Antragsgegnerin anzuweisen, den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin zurückzunehmen, die Angebotspreise der preislich vor der Antragstellerin platzierten Bieter zu überprüfen und die Angebotswertung unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin sowie unter ermessensfehlerfreier Berücksichtigung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu treffen;
- 2.
hilfsweise:
der Antragsgegnerin zu untersagen, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen;
- 3.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
- 4.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschl. der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
- 2.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
- 3.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschl. der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin tritt den Behauptungen und der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen. Sie hält den Nachprüfungsantrag teilweise für unzulässig, da die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt ist.
Soweit die Antragstellerin einer Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes durch die festgelegten Zuschlagskriterien und Bewertungsmaßstäbe unterstellt, sei sie mit ihrer Rüge präkludiert. Unstreitig habe die Antragstellerin die vermeintliche Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes nicht bis zur Angebotsabgabe gerügt. Hinzu käme, dass der Antragstellerin spätestens nach der Aufklärungsfrage vom 26.04.2011 hätte klar sein müssen, welcher Preis abzugeben war und wie die Preise bewertet werden.
Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er jedenfalls unbegründet. Das Angebot der Antragstellerin sei zwingend auszuschließen gewesen, da es fehlerhafte Preisangaben enthalte, die nicht unwesentlich waren und auch nicht anderweitig geheilt werden konnten. Die Antragsgegnerin legt die Gesichtspunkte dar, die zum Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin führten. Aus der Antwort zur Frage 11 in der Bieterinfo 4 ergebe sich, wie der Preis anzugeben sei. Im Übrigen seien selbst die Preise, die die Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung nachgereicht hat, nicht richtig. Es lägen somit fehlerhafte Preisangaben vor. Der richtige Preis sei auch nicht aus dem Angebot nachzuvollziehen, sondern insgesamt nicht ermittelbar, nicht einmal nach der Erklärung der Antragstellerin. Eine nachträgliche Heilung sei daher ausgeschlossen. Ferner handele es sich nicht um unwesentliche Preisangaben, die zulässigerweise nachgefordert werden dürfen, zumal auch die nachgelieferten Preise unvollständig seien.
Die Angebote der vor der Antragstellerin platzierten Bieter seien nicht wegen Unauskömmlichkeit auszuschließen. Sie habe bei der von ihr zu Grunde gelegten Musterkalkulation selbstverständlich alle in den Vergabeunterlagen gemachten Vorgaben, insbesondere auch die Regelung zum Betriebsübergang berücksichtigt. Sie habe dabei festgestellt, dass das Angebot der Beigeladenen zu 2 zwar unterhalb ihrer Musterkalkulation liege, aber aufgrund des Aufklärungsgesprächs kein Unterkostenangebot vorliege. Das Angebot der Beigeladenen zu 1 liege auf Höhe ihrer Musterkalkulation und sei damit ebenfalls auskömmlich kalkuliert. Die Antragstellerin habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass einer der vor ihr platzierten Bieter aus Marktverdrängungsabsicht ein Angebot abgegeben habe oder warum aus anderen Gründen die vor ihr liegenden Angebote wettbewerbswidrig sein sollen, insbesondere warum die Gefahr bestehe, dass bei einer Zuschlagserteilung die begründete Besorgnis besteht, dass eine vertragsgemäße Ausführung nicht gewährleistet ist.
Soweit die Antragstellerin unterstellt, dass die Konzeptbewertung nicht vergaberechtskonform erfolgt sei, weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass sie ausschließlich die bekannt gemachten Kriterien berücksichtigt habe und den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten habe.
Die Antragsgegnerin sieht auch keine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes. So haben sich durch die Ausschreibung der Rettungsdienstleistungen ihre Kosten erheblich reduziert. Insoweit werde der Vorwurf bereits durch das Ergebnis der Ausschreibung widerlegt. Da der Angebotspreis der Antragstellerin sehr viel höher ist als der der anderen Bieter, hätte diese selbst bei einer Bestbewertung ihres Konzeptes keine Chance auf eine Zuschlagserteilung.
Soweit die Antragstellerin im Rahmen der der eingeschränkten Akteneinsicht auch Einsicht in die Musterkalkulation fordere, sei diese zu versagen, da die Antragstellerin dann zukünftig einen erheblichen Kalkulationsvorteil gegenüber anderen Bietern hätte. Dies gelte umso mehr bei einem Bieter, dessen Angebot eben nicht wegen Unangemessenheit des Preises ausgeschlossen wurde.
Die Beigeladene zu 1 hat keine Anträge gestellt. Sie unterstützt die Auffassung des Auftraggebers hinsichtlich des Ausschlusses des Angebotes der Antragstellerin und der Auskömmlichkeit ihres Angebotes.
Die Beigeladene zu 2 hat keine Anträge gestellt. Sie unterstützt die Auffassung des Auftraggebers hinsichtlich der Auskömmlichkeit ihres Angebotes. Sie hebt hervor, dass sie kein Unterkostenangebot abgegeben habe. Eine erhebliche Differenz zwischen dem zu überprüfenden und dem nächst höheren Angebot reiche nicht aus, um einen ungewöhnlich niedrigen Preis anzunehmen. Vielmehr dürfe der niedrige Preis auch nicht wettbewerblich begründet sein. Die Ausführungen der Antragstellerin zu angeblichen Unterkostenangeboten erfolgten diesbezüglich ins Blaue. Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag unzulässig, da die Antragstellerin offensichtlich ein unvollständiges Angebot abgegeben habe.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 27.06.2010 gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 11.07.2011 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 20.06.2011 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin zu Unrecht gemäß § 16 Abs. 3 lit. a VOL/A i.V.m. § 13 Abs. 3 VOL/A von der Angebotswertung ausgeschlossen. Eine zum Ausschluss führende, fehlende Preisangabe liegt nicht vor. Die Antragstellerin hat vielmehr einen zu hohen Preis für eine Stunde der Vorhalteerweiterung eingetragen, weil sie irrtümlicherweise davon ausgegangen ist, dass sie den von ihr zu kalkulierenden Vorhaltestundensatz mit der Anzahl der Schichten/Tage der Vorhalteerweiterung eines Jahres multiplizieren sollte. Zu dieser Fehlinterpretation der Vorgaben in den Vergabeunterlagen hatte sie zwar spätestens nach Beantwortung einer entsprechenden Bieteranfrage in der Bieterinformation Nr. 4 keinen Anlass mehr. Die Antragsgegnerin hat jedoch mit Schreiben vom 26.04.2011 von der Ihr nach § 15 VOL/A eingeräumten Möglichkeit der Angebotsaufklärung Gebrauch gemacht. Mit ihrer ausführlichen Antwort vom 27.04.2011 hat die Antragstellerin daraufhin umgehend ihre Kalkulation erläutert und schlüssig dargelegt, das sie von einem Vorhaltestundensatz von xxxxxx EUR für die einzelne Stunde der Vorhalteerweiterung ausgegangen ist. Mit dieser Angabe kann und muss die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin werten. Dem steht auch nicht die (entsprechend anzuwendende) Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 VOL/A entgegen, weil die Berücksichtigung des im Wege der Aufklärung mitgeteilten Einzelstundenpreises unstreitig keine Auswirkung auf die Wertungsreihenfolge hinsichtlich des Gesamtangebotspreises hat.
Die Antragsgegnerin hat ferner gegen das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, da die in der Vergabeakte enthaltene Dokumentation der Auswertung und Bewertung der Angebote in wesentlichen Punkten nicht den Anforderungen des § 20 VOL/A genügt. Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Bewertung der Konzepte der Bieter für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes, die mit 50% bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt werden sollte, auf der Grundlage der bekannt gemachten 8 Unterkriterien und der bekannt gemachten Gewichtung unter Verwendung einer Bewertungsmatrix durchgeführt hat, wobei sie, ebenfalls wie in den Vergabeunterlagen bekannt gegeben, Punkte anhand eines Schulnotensystems vergeben hat. Sie hat es jedoch versäumt, die Punktevergabe und damit die Bewertung der Angebote in einer transparenten und angemessenen Weise nachvollziehbar zu begründen.
Darüber hinaus genügt auch die Dokumentation der von der Antragsgegnerin durchgeführte Prüfung der Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 2 geforderten Preises gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A im Vergabevermerk vom 29.04.2011 nicht den Anforderungen des § 20 VOL/A. Einer Überprüfung sämtlicher gegenüber dem Angebotspreis der Antragstellerin niedriger Preise bedurfte es allerdings nach § 16 Abs. 6 VOL/A entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um eine öffentliche Antragsgegnerin im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach§ 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Durchführung der Leistungen des Rettungsdienstes in der Stadt xxxxxx und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gemäß § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 193.000 EUR gilt. Werden Dienstleistungsaufträge, wie vorliegend, losweise ausgeschrieben, so beträgt der Schwellenwert 80.000 EUR oder bei Losen unterhalb von 80.000 EUR deren addierter Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks vom 25.02.2011 (Vergabeunterlagen, Ordner I, Bl. xxxxxx) beträgt der geschätzte Wert des für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2017 ausgeschriebenen Gesamtauftrags ca. xxxxxx EUR. Allein der Wert des hier verfahrensgegenständlichen Loses 1 liegt ausweislich der in der Vergabeakte dokumentierten Gesamtwertung der eingegangenen Angebote (Anlage 11, Bl. xxxxxx der Vergabeakte) über xxxxxx EUR für die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterunternehmen ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, dass die Antragsgegnerin zu Unrecht ihr Angebot ausgeschlossen und das Angebot der Beigeladenen zu 1 als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt hat. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03; Möllenkamp in: Kulartz/ Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06).
Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, das die Voraussetzungen für einen Ausschluss ihres Angebotes nicht vorliegen, weil sie aus ihrer Sicht vollständige und korrekte Preisangaben gemacht hat. Auch müsse sie auf der Grundlage der eigenen Kalkulation davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin unter Verstoß gegen § 16 Abs. 6 VOL/A offenbar keine bzw. nur unzureichende Ermittlungen über die Angemessenheit der von der Beigeladenen zu 2 und der anderen vor ihr platzierten Bieter angebotenen Preise durchgeführt hat, obwohl ihr diese Preise unangemessen niedrig erscheinen mussten. Angesichts ihres Ansatzes, dass xxxxxx% des Angebotspreises durch Personalkosten bestimmt würden und nach den Ausschreibungsbedingungen ein Betriebsübergang für die zurzeit noch bei ihr im verfahrensgegenständlichen Bereich beschäftigten Mitarbeiter erfolgen soll, könne der von der Beigeladenen angebotene Preis nur unauskömmlich sein. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht dieser Vortrag der Antragstellerin einer Antragsbefugnis nicht entgegen. Zwar dient § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers, der davor bewahrt werden soll, Verträge mit Auftragnehmern einzugehen, die wegen einer unauskömmlichen Preiskalkulation in Gefahr geraten, ihren Leistungsverpflichtungen nicht auftragsgemäß nachkommen zu können. Einen Bieterschutz entfaltet diese Vorschrift daher grundsätzlich nur, wenn das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, den Ausschluss des als unangemessen niedrig gerügten Preisangebots fordert (vgl. Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 224). Diese Voraussetzungen sind zum einen gegeben, wenn Angebote mit einem unverhältnismäßig niedrigen Preis in der zielgerichteten Absicht einer Marktverdrängung abgegeben werden oder zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz (und nicht nur von einer einzelnen Auftragsvergabe) verdrängt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 - Verg 49/06, zitiert nach VERIS). Für eine derartige, zielgerichtete Marktverdrängungsabsicht der Beigeladenen bietet der vorliegende Sachverhalt allerdings keinen Anhaltspunkt. Der Bieterrechtschutz des § 16 Abs. 6 VOL/A beschränkt sich jedoch entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht nur auf die Fallgruppe des marktverdrängenden Dumpingpreises. Die Vorschriften schützen auch den Mitbewerber, der sich gleichfalls an der Ausschreibung beteiligt hat und zu Recht erwartet, dass seinem Angebot nicht ein unseriös kalkuliertes Angebot vorgezogen wird, bei dem die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung möglicherweise nicht sichergestellt ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.12.2003, Az.: 13 Verg 22/03 = VergabeR 3/2004, S. 397 ff., S. 405). Die Bieter im Vergabeverfahren haben deshalb einen Anspruch darauf, dass der Zuschlag nicht auf ein Angebot erteilt wird, bei dem die Preisgestaltung den Auftragnehmer voraussichtlich in so große wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt, dass er die Vertragsausführung abbrechen muss. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung ist in jenen Fällen in der begründeten Besorgnis zu sehen, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Wettbewerber, welche die Leistung zu einem angemessenen Preis angeboten haben, aus welchen Gründen auch immer nicht mehr in die Ausführung des Auftrags eintreten können, weil eine Übernahme wegen der weiteren Entwicklung ihrer geschäftlichen Verhältnisse, insbesondere einer anderweitigen Bindung der Leistungskapazitäten, ausgeschlossen ist (vgl. Dicks, a.a.O., § 16 VOL/A, Rdnr. 224, m.w.N.). Einen derartigen Sachverhalt macht die Antragstellerin geltend, indem sie als derzeit im verfahrensgegenständlichen Bereich eingesetztes Unternehmen darauf hinweist, dass die Beigeladenen erhebliche niedrigere Preise als sie selbst gefordert haben, obwohl sie nach der Ausschreibung im Wege des Betriebsüberganges das derzeit eingesetzte Personal übernehmen müsse und ca. xxxxxx% des Angebotspreises durch Personalkosten bestimmt werden. Die Frage, ob die von den Beigeladenen angebotene Preise tatsächlich im Sinne des § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen und ob die Antragsgegnerin - sofern erforderlich - die Angemessenheit des Angebotspreises in einer den Anforderungen des § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A genügenden Weise geprüft hat, ist vielmehr im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrags zu entscheiden.
Antragsbefugt ist die Antragstellerin im Übrigen auch hinsichtlich der nach Durchführung der Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren gerügten unzureichenden Dokumentation des Vergabeverfahrens und des Vortrags, dass die Bewertung des von ihr mit dem Angebot unterbreiteten Konzeptes nicht nachvollziehbar sei. Insbesondere sei nicht ersichtlich, was konkret zu den Punkteabzügen geführt habe.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des§ 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht aus § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragsgegnerin hatte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16.05.2011 gemäß § 101a GWB darüber informiert, dass ihr Angebot wegen fehlerhafter Preisangaben aus formalen Gründen ausgeschlossen wurde und sie im übrigen auch nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 erteilt werden. Bereits mit Schreiben vom 19.05.2011 rügte die Antragstellerin daraufhin die beabsichtigte Vergabe unter Darlegung ihrer Auffassung, das und warum ihr eigenes Angebot berücksichtigt werden und der von der Beigeladenen angebotene Preis als unangemessen niedrig bewertet werden müsse. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass ihr Angebot bei der Konzeptbewertung lediglich xxxxxx von 100 Punkten erhalten habe. Diese nur innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt der Information abgesetzte Rüge erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB.
Präkludiert ist die Antragsgegnerin dagegen mit ihrem Vortrag, soweit sie erstmals im Zuge des Nachprüfungsverfahrens moniert hat, dass die durchgeführte Wertung der Konzepte nicht zu einer gleichwertigen Gewichtung zwischen Leistungspreis und Konzeptbewertung führt, weil auch die von der Antragsgegnerin hinsichtlich des Konzeptes ermittelte Bestbieterin lediglich xxxxxx von 40 möglichen Punkten erzielt hat. Die Antragstellerin hat darauf hingewiesen, dass dies im Ergebnis zu einer nachrangigen Gewichtung des Konzeptes gegenüber dem Preis führt, was gerade eine Bevorzugung von Dumpingangeboten begünstige. Die Antragsgegnerin hat sich jedoch ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte bei der Bewertung exakt an ihre bekannt gemachte Gewichtung der Zuschlagskriterien und ihrer Unterkriterien gehalten. An diese bekannt gemachten Vorgaben, die weder von der Antragstellerin noch von anderen Bietern gerügt wurden, war und ist die Antragsgegnerin in der Wertung gemäß § 16 Abs. 7 VOL/A und zur Wahrung des Transparenzgrundsatzes gemäß § 97 Abs. 1 GWB gebunden. Da die Antragsgegnerin die Wertungskriterien, die Unterkriterien, ihre Gewichtung und die Bewertungsmaßstäbe den Bietern auf S. 9 ff. der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gegeben und erläutert hat, war diese Verfahrensweise auch für die Antragstellerin spätestens bei der Legung ihres Angebotes erkennbar. Die Antragstellerin ist daher diesbezüglich mit ihrem Vortrag gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss wegen fehlender Preisangaben gemäß § 16 Abs. 3 lit. a VOL/A i.V.m. § 13 Abs. 3 VOL/A liegen unter Berücksichtigung der dokumentierten, von der Antragsgegnerin durchgeführten Angebotsaufklärung nicht vor (im Folgenden a). Die Antragsgegnerin hat wesentliche Schritte ihrer Angebotswertung nicht in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Sie hat zum einen versäumt, die Punktevergabe und damit die Bewertung der Konzepte der Bieter für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes nachvollziehbar zu begründen (im Folgenden b). Außerdem hat sie die rechtliche Bewertung und das Ergebnis der Prüfung der Angemessenheit gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A des von der Beigeladenen zu 2 geforderten Angebotpreises, die das preislich günstigste in der Wertung verbliebene Angebot abgegeben hat, nicht hinreichend dokumentiert (im Folgenden c).
a)
Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin zu Unrecht aufgrund einer zwar nicht fehlenden, aber fehlerhaften Preisangabe von der Angebotswertung ausgeschlossen. Gemäß § 13 Abs. 3 VOL/A müssen die Angebote alle geforderten Angaben, Erklärungen und Preise enthalten. Gemäß § 16 Abs. 3 lit. a VOL/A werden Angebote ausgeschlossen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise enthalten. Auch wenn die Ausschlussregelung des § 13 Abs. 3 VOL/A fehlende Preisangaben im Gegensatz zu § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A a.F. nicht mehr erwähnt, ist daraus nicht abzuleiten, dass durch die Neufassung der VOL/A die frühere Rechtslage, wonach ein Angebot zwingend auszuschließen war, wenn für dessen Wertung wesentliche Preisangaben fehlen, erheblich geändert werden sollte (vgl. Dittmann in: VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 45). Hieran ist auch unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren voraussetzt, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder Hinsicht untereinander vergleichbar sind, was bei Angeboten mit unvollständigen Preisen nicht der Fall ist, festzuhalten. Der Bundesgerichtshof hat für die in der Rechtsfolge der vormaligen Fassung der VOL/A identische Regelung des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A a.F. in drei Entscheidungen den zwingenden Charakter dieser Regelung betont und die damit verbundene Beschränkung des Beurteilungs- und Entscheidungsspielraums des Auftraggebers herausgestellt. Mit Urteil vom 07.01.2003 (Az.: X ZR 50/01 = VergabeR 5/2003, S. 558 ff.) hat der BGH betont, dass ein Angebot, das nicht alle geforderten Preisangaben enthalte, und deshalb nicht § 21 Nr. 1 VOB/A a.F. entspricht, zwingend auszuschließen ist. Ein Ausschluss komme nicht etwa nur dann in Betracht, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die Vertragsordnungen gewährleisten sollen, sei nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden. Der BGH hat betont, dass der öffentliche Auftraggeber im Rahmen des § 25 Nr. 1 Abs. VOB a.F. bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe habe, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen.
Diese Rechsprechung gilt nach Auffassung der Vergabekammer auch nach der Neufassung der VOL/A vom 20.11.2009 grundsätzlich fort. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 16 Abs. 2 VOL/A. Danach dürfen Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt werden, zwar bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Frist nachgefordert werden. Dies soll aber nach § 16 Abs. 2 Satz 2 VOL/A grundsätzlich nicht für die Nachforderung von Preisangaben gelten, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen. Danach bleibt es bei dem Grundsatz, dass das Fehlen von Preisangaben zum zwingenden Angebotsausschluss führt, sofern diese wesentlich sind. Der Ausschluss eines Angebots, das nicht die geforderten Preise enthält, kann daher grundsätzlich auf § 16 Abs. 3 lit. a VOL/A gestützt werden. Es ist jedoch zu differenzieren zwischen Angeboten, denen wesentliche und solchen, denen unwesentliche Preisangaben fehlen (vgl. Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 46). Soweit fehlende Preisangaben unwesentliche Einzelpositionen betreffen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen, so können sie gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz VOL/A bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden.
Vorliegend hat nicht eine fehlende, sondern eine fehlerhafte Preisangabe zum Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin geführt. Ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte hatte die Antragsgegnerin im Zuge der Angebotswertung festgestellt, dass die Antragstellerin für den anzugebenden "Preis pro Stunde der Vorhalteerweiterung" einen auch im Vergleich zu allen anderen Angeboten ungewöhnlich hohen Preis eingetragen hat. Hintergrund dieser Preisabfrage ist, dass die Antragsgegnerin auf S. 4 ihrer Leistungsbeschreibung unter der lfd. Nr. 4 (Ordner xxxxxx, Bl. xxxxxx ff. der Vergabeakte) den Leistungsumfang für die Durchführung der Leistungen des Rettungsdienstes nach Maßgabe des jeweiligen Rettungsdienstbedarfsplanes festgelegt und die derzeitige Vorhaltung im Regelrettungsdienst dargestellt hat. Nr. 4 der Leistungsbeschreibung enthielt jedoch darüber hinaus folgende Hinweise und Festlegungen:
"Im Los 1 ist ein Reserve-Mehrzweckfahrzeug (MZF) vorzuhalten und im Los 2 ein Reserve-MZF und ein Reserve-Notarzteinsatzfahrzeug (NeF) vorzuhalten. Im Laufe der Beauftragung wird die Notfallvorhaltung gegenüber dem dargestellten Stand voraussichtlich wie folgt erweitert werden (Hinweis: unter Umständen erfolgt die Erweiterung bereits im laufenden Jahr):
- Los 1: Freitag MZF 24 von 16.00 bis 23.00 Uhr (7 Stunden) und ... Los 2: Freitag MZF 11 von 15.00 bis 16.00 Uhr (1 Stunde)
Für diese Vorhalteerweiterung fragt der Auftraggeber einen Preis pro Stunde ab. Die Kosten für die feste Vorhaltung sind mit dem Preis für die Regelvorhaltung zu bepreisen. Lediglich die hinzukommenden Vorhaltestunden werden pro Stunde mit dem Preis für die Option in der Regelvorhaltung bepreist (vgl. Angebotsaufforderung, Ziff. 12.1)." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Bei der lfd. Nr. 12.1 der Angebotsaufforderung (Ordner xxxxxx, Bl. xxxxxx der Vergabeakte) wird das Zuschlagskriterium Leistungspreis wie folgt erörtert:
"Der Leistungspreis setzt sich zusammen aus dem Preis für die Regelvorhaltung im gesamten Zeitraum, dem Preis für die Option in der Regelvorhaltung (sofern Option vorhanden) und dem Preis für den erweiterten Rettungsdienst und wird pro Los anhand folgender Formeln ermittelt:
Los 1 Stadt:
Leistungspreis = (Preisregelvorhaltung 93%) + (Optionspreis in der Regelvorhaltung 2%) + (Preis erweiterter Rettungsdienst 5%) ...
Der Preis für den Regelrettungsdienst setzt sich zusammen aus den Kosten, die dem Bieter für Räumlichkeiten, Fahrzeuge, Material und Personal im Rahmen der Regelvorhaltung entstehen.
Bei dem Optionspreis gibt der Bieter an, zu welchem Preis er bei den in der Leistungsbeschreibung unter Ziff. 4 genannten Standorten jeweils 1 Stunde länger die jeweilige Vorhaltung aufrecht erhalten würde. Es ist pro Los ein gemeinsamer Stunden-Optionspreis anzugeben. "
(Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Der Leistungsbeschreibung war als Anlage 7 A ein Preisblatt Los 1 beigefügt (Bl. xxxxxx der Vergabeakte), wo u.a. für die ausgeschriebenen Vertragsjahre 2012 bis 2017 jeweils der Preis für die Option in der Regelvorhaltung einzutragen war. Dort heißt es zur Erläuterung:
"Beim Preis für die Option im Regelrettungsdienst ist ein Peis pro Stunde anzugeben, der die Ausweitung der Regelvorhaltung um eine weitere Stunde an den angegebenen Standorten abdeckt. Es handelt sich somit wieder um einen vorhaltebezogenen Preis. Preis pro Stunde der Vorhalteerweiterung."
Die Antragstellerin hatte dort als Preis pro Stunde der Vorhalteerweiterung in ihrem Angebot für alle Jahre jeweils einen Preis von xxxxxx EUR eintragen. Diese Preisangabe erschien der Antragsgegnerin bei der Angebotswertung unrealistisch hoch, da nach ihrer Auffassung eindeutig ein Preis pro Stunde anzugeben war. Alle übrigen Bieter hätten dort nach den Feststellungen der Auftraggeberin erheblich geringere Preise, maximal xxxxxx EUR pro Jahr eingetragen.
Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 26.04.2011 um Aufklärung zu den Preisangaben gebeten, und ihr eine Frist für die Erläuterungen bis zum 27.04.2011, 16.30 Uhr, gesetzt. Dort heißt es:
"Sie haben für das Los 1 einen jährlichen Betrag in Höhe von xxxxxx EUR für die Option in der Regelvorhaltung geboten. Dieser Preis erscheint ungewöhnlich hoch.
Hierzu stellen wir Ihnen die folgenden Fragen:
1. Haben Sie beim "Preis für die Option der Regelvorhaltung" bei dem dort anzugebenden "Preis pro Stunde der Vorhalteerweitung" diesen Preis bereits mit der optionalen Vorhalteerweiterung multipliziert?
2. Wenn ja, warum ist der "Preis pro Stunde der Vorhalteerweiterung" dann derartig niedrig?
3. Wenn nein, warum ist der "Preis pro Stunde der Vorhalteerweiterung" dann derartig hoch?"
Die Antragstellerin hat daraufhin umgehend mit Telefax vom 27.04.2011 fristgerecht den von ihr angegebenen Preis für die Option in der Regelvorhaltung für das Los 1 ausführlich erläutert. Sie hat dargelegt, dass sie für alle 6 ausgeschriebenen Vertragsjahre von einem Vorhaltestundensatz von xxxxxx EUR für die Option in der Regelvorhaltung ausgegangen ist. Diesen Vorhaltestundensatz habe sie im nächsten Schritt mit der Anzahl der Schichten/Tage eines Kalenderjahres multipliziert. Ausgegangen ist sie dabei vom Basisjahr 2012 und daher 51 Schichten/Tage. Aus der Multiplikation des Vorhaltestundensatzes mit der Anzahl zu erwartender Schichten errechnete sich dann der von der Antragstellerin im Kostenblatt eingetragene Stundensatz in Höhe von xxxxxx EUR. Lediglich eine weitere Multiplikation mit der maximal möglichen Erhöhung der Wochenstundenzahl sei nicht erfolgt, da der Preis für eine einzelne Stunde abgefragt wurde.
Die Vergabekammer teilt vorliegend die Auffassung der Antragsgegnerin, dass der Preis für die Option in der Regelvorhaltung ausdrücklich als Preis für eine einzelne Stunde abgefragt wurde und dass die Antragstellerin im Ergebnis keinen Anlass hatte, diesen Vorhaltestundensatz noch mit der Anzahl der Schichten/Tage eines Kalenderjahres (Freitage) zu multiplizieren war. Zwar ist der Auslegung der Antragstellerin zugute zu halten, dass auf S. 11 der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt wurde, dass der Bieter angeben musste, "zu welchem Preis er bei den in der Leistungsbeschreibung unter Ziff. 4 genannten Standorten jeweils 1 Stunde länger die jeweilige Vorhaltung aufrecht erhalten würde". Auch weist die Antragstellerin zu Recht darauf hin, dass der Preis für eine einzelnen Optionsstunde angesichts der geringen Gewichtung und den Gesamtkosten der ausgeschriebenen Leistungen nahezu überhaupt keine Auswirkung auf den Leistungspreis und damit auf das Zuschlagskriterium der Kriteriengruppe 1 hat. Denn der Leistungspreis setzt sich gemäß Ziff. 12.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe (S. 10, Ordner xxxxxx, Bl. xxxxxx der Vergabeakte) für das hier streitbefangene Los 1 ausdrücklich aus dem Preis für die Regelvorhaltung, die mit 93% berücksichtigt werden sollte, dem Preis für den erweiterten Rettungsdienst, der mit 5% berücksichtigt werden sollte, und schließlich dem Optionspreis in der Regelvorhaltung, der aber lediglich mit 2% berücksichtigt werden sollte, zusammen. Der Preis für eine einzelne Optionsstunde hat daher bezogen auf die Jahreskosten und erst recht bezogen auf den gesamten ausgeschriebenen Vertragszeitraum nahezu überhaupt keine Auswirkung. Dies gilt im Übrigen sogar für den von der Antragstellerin nach Multiplikation der Einzelstunde mit der Anzahl der Schichten/ Tage eines Kalenderjahres kalkulierten Betrag. Die Abfrage der Antragsgegnerin in den Ausschreibungsunterlagen war gleichwohl eindeutig auf die Abfrage der Kosten für eine Optionsstunde ausgerichtet. Denn in dem als Anlage 7 A der Leistungsbeschreibung beigefügten Preisblatt war in der entsprechenden Spalte ausdrücklich "der Preis pro Stunde der Vorhalteerweiterung" abgefragt. Erläuternd war dort darüber hinaus festgelegt:
"Beim Preis für die Option im Regelrettungsdienst ist ein Preis pro Stunde anzugeben, der die Ausweitung in der Regelvorhaltung um eine weitere Stunde an den angegebenen Standorten abdeckt."
Die Antragsgegnerin hatte jedoch spätestens mit ihrer Bieterinformation Nr. 4 vom 14.03.2011 bezüglich des Preises für die Optionsstunde für Klarheit gesorgt. Dort ist unter Frage 11 c (S. 6, Ordner xxxxxx, Bl. xxxxxx) eine Bieteranfrage zur Berechnung des Gesamtpreises dokumentiert. Der Bieter hatte u.a. folgende Frage:
"In der vorletzten Zeile des Preisblattes soll, bezogen auf die jeweilige Jahresscheibe, der Preis für die Stunde der Vorhalteerweiterung angegeben werden. Soll der Stundenpreis vor der Summenbildung in der Zeile "Leistungspreis" (letzte Zeile im Preisblatt) mit der auf den Seiten 4 und 5 der Leistungsbeschreibung (Anlage 1 der Angebotsaufforderung) angegebenen Gesamtvorhalteerweiterung in Stunden multipliziert werden?"
Diese Bieteranfrage beantwortete die Antragsgegnerin auf S. 9 der Bieterinfo 4 (Bl. xxxxxx) unter c) wie folgt:
"Der Optionspreis soll hierbei nicht mit den Stunden addiert werden."
Spätestens aufgrund der Bierinfo Nr. 4 musste somit für alle Bieter klar sein, dass hinsichtlich der Option für die Vorhalteerweiterung tatsächlich nur der Preis für eine einzelne Stunde abgefragt wurde. Dies ist ausweislich der vorliegenden Dokumentation in der Vergabeakte und den vorliegenden Originalangeboten auch von allen anderen Bietern so verstanden worden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Antwort auf die Bieteranfrage (offensichtlich versehentlich) die Formulierung "addiert" anstelle von "multipliziert" gebraucht hatte. Im Kontext mit der korrekt formulierten und in der Bieterinfo Nr. 4 wiedergegebenen Bieteranfrage und unter Berücksichtigung der eindeutigen Vorgaben im Preisblatt mussten die Bieter davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin den Preis für eine Einzelstunde abgefragt hatte.
Die Vergabekammer teilt jedoch nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass sie selbst auf der Grundlage der Angebotsaufklärung nicht in der Lage war, das Angebot der Antragstellerin zu werten. Die Antragsgegnerin hat dies im Vergabevermerk vom 29.04.2011 (S. 7, Ordner xxxxxx, Bl. xxxxxx) und im Nachprüfungsverfahren damit begründet, dass der von der Antragstellerin dargelegte Vorhaltestundensatz von xxxxxx EUR ausgehend von dem geforderten Preis von xxxxxx EUR zumindest für die Jahre nicht schlüssig ist, in denen nicht 51 Freitage anzusetzen sind (2014 und 2015). Diese Unschärfe rechtfertigt jedoch keinen Angebotsausschluss. Denn die Antragstellerin hat im Rahmen der Angebotsaufklärung eindeutig dargelegt, dass sie bei ihrer Kalkulation das Jahr 2012 zugrunde gelegt hat, einen gerundeten Vorhaltestundensatz von xxxxxx EUR ermittelt hat und diesen Stundensatz mit 51 Schichten/Tagen multipliziert hat. Da die Antragstellerin diesen Preis einheitlich für alle ausgeschriebenen Vertragsjahre als Preis für die Vorhalteerweiterung eingetragen hat, ist der Stundenansatz von xxxxxx EUR plausibel und von der Antragsgegnerin ohne weiteres bei der Angebotswertung zu berücksichtigen. Wenn ein Bieter - wie vorliegend - den Inhalt des Angebotes hinsichtlich einer nicht einmal fehlenden, sondern offensichtlich (nur) fehlerhaften Preisangabe nachvollziehbar klarstellt, kann der daraus hervorgehende Preis im Wege der Auslegung vom Auftraggeber eingesetzt und die vermeintliche "Lücke" dadurch aufgefüllt werden. Dabei handelt es sich dann nicht um eine unstatthafte Änderung des Angebotes, sondern um ein zulässige Klarstellung des Angebotsinhalts (vgl. Kulartz, Dicks in: VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 108, unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 10.12.2009 - T 195/08). Unter Berücksichtigung dieses von der Antragstellerin im Rahmen der Angebotsaufklärung nach§ 15 VOL/A genannten Preises steht auch nicht die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 VOL/A entgegen. Denn es ist zwischen den Beteiligten unstreitig und angesichts der in der Vergabeakte dokumentierten Gesamtkosten von über xxxxxx EUR für das ausgeschriebene Los auch evident, dass weder der von der Antragstellerin zugrunde gelegte Ansatz für eine einzelne Optionsstunde noch der von ihr fehlerhafterweise im Preisblatt eingetragene Betrag angesichts der Preisabstände zwischen den Bietern Auswirkungen auf die Wertungsreihenfolge haben könnten oder den Wettbewerb in sonstiger Hinsicht beeinträchtigen könnten. Die Antragsgegnerin war daher nicht berechtigt, dass Angebot der Antragstellerin auszuschließen.
b)
Die Antragsgegnerin hat vorliegend die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ausweislich der Vergabeakte zwar ausschließlich unter Zugrundelegung der den Bietern bekannt gemachten Zuschlagskriterien nebst Unterkriterien und der ebenfalls festgelegten und bekannt gemachten Gewichtung durchgeführt. Sie hat es jedoch versäumt, hinsichtlich der Bewertung der Bieterkonzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports, die unter Festlegung der Antragsgegnerin mit 50% bei der Gesamtbewertung der Angebote berücksichtigt werden sollte, in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren.
Gemäß § 97 Abs. 5 GWB und § 18 Abs. 1 VOL/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 VOL/A ist der niedrigste Angebotspreis - grundsätzlich - nicht allein entscheidend. Die Vergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Bieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Bieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 53 und 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR)). Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebotes im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rdnr. 144).
Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Angebotswertung an die von ihm festzulegenden und bekannt zu machenden Zuschlagskriterien im Sinne des § 16 Abs. 8 VOL/A gebunden. Dies gilt auch für die vom Auftraggeber festgelegte und bekannt gemachte Gewichtung der Zuschlagskriterien und Unterkriterien. Dies folgt im vorliegenden Fall zwar nicht aus § 9 Abs. 2 VOL/A-EG und § 19 Abs. 8 VOL/A-EG, die diese Bindung an die bekannt gemachte Gewichtung auch ausdrücklich regeln. Denn die Antragsgegnerin hat die verfahrensgegenständlichen Rettungsdienstleistungen zu Recht als Dienstleistungen nach Anhang I Teil B der VOL/A eingestuft. Es handelt sich dabei um Dienstleistungen der Kategorie 25 - Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen - des Anhangs I Teil B. Für die Vergabe von Aufträgen, deren Gegenstand Dienstleistungen im Sinne des Anhangs I Teil B sind, findet gemäß § 1 Abs. 3 VOL/A-EG, § 4 Abs. 4 VgV Anwendung. Nach § 4 Abs. 4 VgV gelten für die Vergabe von Dienstleistungen nach Anhang I Teil B der VOL/A aus dem zweiten Abschnitt der VOL/A nur die §§ 8, 15 Abs. 10 und 23 VOL/A-EG. Im Übrigen sind dagegen die Regelungen des Abschnitts 1 der VOL/A mit Ausnahme von § 7 VOL/A anzuwenden. Eine Bindung an die festgelegte und bekannt gemachte Gewichtung der Zuschlagskriterien und ihrer Unterkriterien folgt jedoch für die Vergabe von privilegierten Dienstleistungen im Sinne des Anhangs I Teil B zur VOL/A bereits aus dem vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB. Mit dieser Verpflichtung soll erreicht werden, dass die Bieter vorhersehen können, auf was es dem Auftraggeber bei den Angeboten ankommt. Nur so können die Bieter Zielstellung und Wünsche des Auftraggebers bei der Angebotserstellung berücksichtigen. Für den Auftraggeber hat die Angabe der Zuschlagskriterien den Vorteil, dass er auf seine konkreten Bedürfnisse zugeschnittene Angebote erhält. Zugleich werden dadurch Manipulationen des Verfahrens ausgeschlossen und die Zuschlagsentscheidung wird transparent sowie nachprüfbar. Eine Festlegung der Zuschlagskriterien kann den Auftraggeber durch die damit eintretende Selbstbindung auch vor der Einflussnahme Dritter schützen (vgl. Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 9 VOL/A-EG, Rdnr. 13, m.w.N.). Dabei ist zudem zu beachten, dass es nicht immer ausreicht, lediglich die Hauptzuschlagskriterien und ihre Gewichtung bekannt zu geben. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe von Unterkriterien und deren Gewichtung besteht jedenfalls auch dann, wenn sich für die Bieter die Kenntnis davon auf den Inhalt ihrer Angebote auswirken kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.01.2008 - Verg 15/07).
Die Antragsgegnerin hatte ihre Zuschlagskriterien, die Unterkriterien und ihre Gewichtung, wie unter der lfd. Nr. 12 (S. 9 ff.) ihrer Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt, bekannt gemacht. Danach wurden zwei Wertungskriterien (Kriteriengruppen) festgelegt, die jeweils zu 50% bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt werden sollten. Festlegt wurden zum einen der Leistungspreis und zum anderen das Konzept für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes. Die Kriteriengruppe 2 - Bewertung des Konzeptes - sollte gemäß Nr. 12.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe anhand von 8 Unterkriterien bewertet werden, die jeweils mit 12,5% bei der Bewertung des Konzepts und 6,25% bei der Gesamtwertung Berücksichtigung finden sollten. Es handelt sich dabei um die Unterkriterien Effizienz des Personaleinsatzes, Ausfallsicherheit Personal, Ausfallsicherheit Sachmittel, Effizienz der Hygieneschutzmaßnahmen, Effizienz der Materialverwaltung, Effizienz der Medizinprodukteverwaltung, Effizienz des Melde- und Berichtswesens und psycho-soziale Betreuung der Mitarbeiter. Es wurde festgelegt, dass die Bewertung anhand des Schulnotensystems (sehr gut bis ungenügend) erfolgt, wobei für die Note sehr gut jeweils 5 Punkte und für die Note ungenügend 0 Punkte vergeben werden sollten.
Die Kriterien selbst wurden in der Aufforderung zur Angebotsabgabe jeweils kurz erläutert. Weitere Erläuterungen erfolgten aufgrund mehrerer Bieteranfragen. Der von der Antragsgegnerin mit der Durchführung des Verfahrens beauftragte Berater versandte insgesamt 9 Bieterinformationen. Unter anderem bat eine Bieterin um Erläuterung des Begriffs "mangelhaft" im Rahmen der Bewertung des Konzeptes für die Durchführung des Rettungsdienstes und des qualifizierten Krankentransportes (Frage 3). Mit der am 14.03.2011 versandten Bieterinformation Nr. 4 beantwortete die Antragsgegnerin die Frage wie folgt:
"Mindestvoraussetzung für die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen ist die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben. Ein Konzept, welches daher erkennen lässt, dass es die im jeweiligen Bereich gesetzlichen Mindeststandards nicht einhält, entspricht daher nicht der geforderten Leistung. Insofern ist der Begriff "mangelhaft" bei der Konzeptbewertung unmissverständlich. Keinesfalls erhält ein Konzept in dem jeweiligen Wertungsbereich einen Punkt, wenn es die gesetzlichen Mindeststandards nicht einhält, sofern ein Konzept in diesem Punkt nur den absoluten Mindeststandard einhält, bekommt der Bieter für diesen Bereich einen Punkt.
Je besser die Ausführungen erkennen lassen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Mindeststandards erfolgt oder je weiter ein Bieter hierüber hinausgeht oder innovative und taugliche Konzepte zur Leistungserbringung einreicht, desto mehr Punkte erhält der Bieter. Der Begriff "mangelhaft" in der Konzeptbewertung aus Ziff. 12.2 der Angebotsaufforderung wird daher in "gerade noch ausreichend" verändert."
Die Antragsgegnerin hat die Wertung der Bieterkonzepte ausweislich einer in der Vergabeakte (Ordner IV) als Anlage 11 beigefügten Bewertungsmatrix zunächst in nicht zu beanstandender Weise ausschließlich auf der Grundlage der bekannt gemachten Wertungskriterien und Unterkriterien durchgeführt und die Bieterkonzepte für jedes Unterkriterium mit 0 bis 5 Punkten bewertet. Zur Erläuterung der Punktebewertung hat die Antragsgegnerin stichwortartig für jedes Konzept und für jedes Unterkriterium Angaben und/oder Feststellungen auf der Grundlage der in den Angeboten dargelegten Konzepte in der Bewertungsmatrix festgehalten. So findet sich etwa in der Angebotswertung Los 1 zum Unterkriterium "Effizienz des Personaleinsatzes" (Ordner IV, Blatt xxxxxx der Vergabeakte) der Vermerk "Keine opt-out-Regelung" oder aber "opt-out-Regelung gewollt und angewendet". Ob diese Angaben und Feststellungen sich positiv auf das Bewertungsergebnis und damit punkteerhöhend oder nicht ausgewirkt haben, ist aus der Bewertungsmatrix allerdings nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens dargelegt, dass mit der opt-out-Regelung eine arbeitsvertragliche Regelung gemeint ist, die es ermöglicht, einen Rettungsdienstmitarbeiter kurzfristig bei Bedarf auch über die regelmäßig vereinbarte tägliche Arbeitszeit einzusetzen. Die Antragsgegnerin hat darauf hingewiesen, dass sie das Fehlen einer opt-out-Regelung positiv bewertet hat, weil zumindest langfristig nicht gesichert sei, dass die EU-Kommission derartige Regelungen weiterhin akzeptieren wird. Auch die übrigen Erläuterungen zur Punktevergabe beschränken sich auf stichwortartige Feststellungen aufgrund der Angaben der Bieter in ihren Konzepten. Es wird nicht ersichtlich, welche Faktoren punkteerhöhend oder punktevermindernd berücksichtigt wurden. Die Punktevergabe und damit die Bewertung der Bieterkonzepte ist daher allein anhand der Bewertungsmatrix auch aufgrund der Vergabeakte im Übrigen weder für die Vergabekammer noch für die Bieter nachvollziehbar. Eine derartig gestaltete Bewertungsmatrix genügt daher nicht den Anforderungen an eine transparente Dokumentation gemäß § 20 VOL/A.
Gemäß § 20 VOL/A ist das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Die Dokumentation der einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens sowie der Maßnahmen und der Begründung der einzelnen Entscheidungen ist ein Ausfluss des in § 97 Abs. 1 GWB normierten sowie EU-rechtlich verankerten Transparenzgrundsatzes (vgl. Diehl in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 24 EG, Rdnr. 2, m.w.N.). Zwar betrifft § 20 VOL/A den Unterschwellenbereich und dient damit nicht der Umsetzung von EG-Richtlinienvorgaben. Dennoch kann Unionsrecht auch in diesem von den Vergaberichtlinien grundsätzlich nicht erfassten Bereich Wirkung entfalten. So hat die EU-Kommission für solche Aufträge in ihrer Mitteilung aus dem Jahre 2006 (EG-ABl. 2006, C 179, 2 (unter 1.1) festgehalten, dass u.a. auch der unionsrechtliche Transparenzgrundsatz gilt (vgl. Diehl, a.a.O., § 20 VOL/A, Rdnr. 2). Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB/A, § 30, Rdnr. 1, m.w.N.; Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 8, Rdnr. 33).
Der Anwendungsbereich des § 20 VOL/A erstreckt sich dabei ebenso wie der Anwendungsbereich des § 24 VOL/A-EG sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellungen und Begründungen der einzelnen Entscheidungen. Im Gegensatz zu § 24 Abs. 2 VOL/A-EG, der einen Katalog über den Mindestgehalt der Dokumentation enthält, fehlen bei § 20 VOL/A entsprechende Anforderungen. Dennoch kann sich der öffentliche Auftraggeber an diesen Vorgaben orientieren (vgl. Zeise, VOL/A, 2. Auflage, § 20, Rdnr. 19). Insbesondere auf die Dokumentation der Angebotswertung und der Zuschlagsentscheidung als der Kernaufgabe des Auftraggebers im Vergabeverfahren muss die größte Sorgfalt verwandt werden. Es muss nachvollziehbar sein, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll (vgl. Zeise, a.a.O., § 2, Rdnr. 25). Hierzu müssen die Tatsachen, Umstände und Überlegungen, welche die in Aussicht genommene Zuschlagsentscheidung tragen, vollständig, wahrheitsgemäß und verständlich mitgeteilt werden. Aus der Dokumentation sollen alle Erwägungen hervorgehen, die bei der Entscheidung über den Zuschlag eine Rolle gespielt haben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.08.2003, Az.: 46/03). Um den Anforderungen der Transparenz zu genügen, muss das Ergebnis sachlich nachvollziehbar sein. Dies gilt in besonderem Maße für die Wertung, bei der dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. VK Bund, Beschluss vom 06.04.2004 - VK2-148/03). Hier müssen nicht nur die Tatsachenumstände, sondern auch die Überlegungen, die die geplante Zuschlagsentscheidung tragen, vollständig, wahrheitsgemäß und verständlich mitgeteilt werden.
Der Wertungsvorgang ist dabei ausreichend dokumentiert, wenn er für nicht am Verfahren beteiligte, aber gleichwohl sachkundige Dritte nachvollziehbar ist (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 10.01.2008 - 1/SVK 051-08; Diehl, a.a.O., § 24 EG, Rdnr. 29, m.w.N.). Dabei muss die Dokumentation nicht notwendigerweise in einem zusammenhängenden Vergabevermerk erfolgen. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass das Verfahren lückenlos dokumentiert wird, wobei die Dokumentation aus mehreren Teilen bestehen kann (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 20.03.2008, Az.: 1 Verg 6/07; OLG Koblenz, Beschluss vom 06.11.2008, Az.: 1 Verg 3/08). Dies galt bereits nach alter Rechtslage, wo der Wortlaut der Norm noch den Begriff des Vergabevermerks verwandte. Die Dokumentation muss gemäß § 20 VOL/A jedoch ausdrücklich laufend fortgeschrieben werden. Die einzelnen Entscheidungen und deren Gründe sind daher jeweils zeitnah zu dokumentieren (vgl. Diehl, a.a.O., § 24 EG, Rdnr. 43; BayObLG, Beschluss vom 01.10.2001, Az.: Verg 6/01 = VergabeR 2001, S. 63 ff., 69). Es ist nicht ausreichend, dass der Vermerk etwa erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens und Zuschlagserteilung oder gar erst anlässlich einer (drohenden) rechtlichen Überprüfung angefertigt wird (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 20.03.2008, Az.: 1 Verg 6/07).
Eine den Anforderungen des § 20 VOL/A genügende Dokumentation muss dabei nicht ausschließlich in Textform verfasst sein. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber zur Dokumentation seiner Angebotswertung eine Bewertungsmatrix verwendet. Eine derartige Bewertungsmatrix ist gerade bei Angebotswertungen, die, wie im vorliegenden Fall, anhand von mehreren Unterkriterien erfolgen, durchaus sinnvoll und kann einen ausführlichen Wertungs- und Entscheidungsvermerk in der Vergabeakte ergänzen und präzisieren. Sie kann eine textliche Dokumentation jedoch nicht völlig ersetzen. Vielmehr muss in der Vergabeakte im Interesse einer ex-post-Transparenz wenigstens kurz erläutert werden, warum welcher Bieter für welches Kriterium welche Punkte erzielt hat, damit die Bewertung nicht nur rechnerisch, sondern auch inhaltlich nachvollziehbar ist (vgl. Diehl, a.a.O., § 24 EG, Rdnr. 30). Andernfalls kann die zugrunde liegende Wertung nicht nachvollzogen und damit die Rechtmäßigkeit dieses bedeutenden Verfahrensschrittes nicht überprüft werden. Dabei genügt eine stichpunktartige Begründung. Hängt die Punktevergabe, wie im vorliegenden Fall, davon ab, ob und in welchem Maße ein Angebot den Anforderungen der Verdingungsunterlagen nach den jeweiligen Zuschlagskriterien und Unterkriterien entspricht, so ist eine aussagekräftige verbale Begründung zumindest hinsichtlich jener Punktevergaben erforderlich, hinsichtlich derer der Auftraggeber bei den Angeboten Unterschiede festgestellt und dies auch in der unterschiedlichen Punktezumessung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. VK Brandenburg, Beschluss vom 12.11.2008 - VK 35/08, zitiert nach VERIS). Andernfalls ist es den Bieterunternehmen und den Nachprüfungsinstanzen nicht möglich zu erkennen, aus welchen Gründen ein Angebot gut oder schlecht bzw. besser oder schlechter bewertet wurde.
Durch die unzureichende Dokumentation einer nachzuvollziehenden Begründung der Punktevergabe ist die Antragstellerin im Sinne von§§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Antragstellerin möglicherweise im Ergebnis auch dann nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, wenn sie, wie von ihr eingefordert, für alle 8 Unterkriterien zur Konzeptbewertung die Höchstpunktzahl 5 erhält. Es ist in Ermangelung einer aussagefähigen Dokumentation der Bewertung nicht auszuschließen, dass die Konzepte anderer Bieter in einzelnen Kriterien auch gegenüber dem Konzept der Antragstellerin zu hoch bewertet wurden. In diesem Fall könnte die Bewertung der Angebotskonzepte daher trotz der festgestellten Preisabstände und der hohen Gewichtung des Kriteriums Preis durchaus auch rangverändernde Wirkung entfalten.
Die Antragsgegnerin ist daher gehalten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Bewertung der Bieterkonzepte zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Dabei ist insbesondere zu begründen, welche Angaben und Feststellungen auf der Grundlage der Bieterkonzepte sich für die einzelnen Unterkriterien punkteerhöhend und punktevermindernd ausgewirkt haben.
c)
Die Antragsgegnerin hat es darüber hinaus versäumt, die Prüfung der Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 2 geforderten Preises gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A für das hier verfahrensgegenständliche Los 1 in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise zu dokumentieren.
Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Erscheint dem Auftraggeber ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, so hat er gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Die Prüfung der Angemessenheit der Preise auf der dritten Wertungsstufe verfolgt den Zweck, auf der vierten und letzten Wertungsstufe, die die abschließende Angebotswertung zum Gegenstand hat, nur ernsthaft kalkulierte Angebote zuzulassen (vgl. Müller-Wrede/Horn, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rdnr. 172). Zu diesem Zweck muss der Auftraggeber vom Bieter die Erläuterung der Kalkulation des Angebotspreises verlangen und bei der Entscheidung über die Berücksichtigungsfähigkeit des Angebotes das Ergebnis dieser Überprüfung berücksichtigen. Der Eindruck eines unangemessen niedrigen Preises kann aufgrund eines Vergleichs mit den Preisen eingegangener Konkurrenzangebote, aber auch auf der Grundlage von Erfahrungswerten bei wettbewerblicher Preisbildung - z.B. anhand früherer vergleichbarer Ausschreibungen - gewonnen werden (vgl. Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 213, und § 19 EG, Rdnr. 225). Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Bezugspunkt für die prozentuale Abweichung des preislich niedrigsten gewerteten Angebotes ist das nächst höhere Angebot (= 100%). Maßstab ist nicht das preislich höchste Angebot des gesamten Bieterfeldes.
Eine Vereinheitlichung dieser Werte ist nicht geboten. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an (vgl. Müller-Wrede/Horn, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rdnr. 178). Gemäß § 5 Abs. 1 des Nds. Landesvergabegesetzes (LVergabeG) in der Fassung vom 15.12.2008 (Nds. GVBl., S. 411) kann die Vergabestelle die Kalkulation eines unangemessen niedrigen Angebotes, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, überprüfen; bei einer Abweichung von mindestens 10 v. H. vom nächst höheren Angebot ist sie hierzu verpflichtet. Das Landesvergabegesetz gilt jedoch ausweislich seiner Präambel und seiner Regelung in § 2 Abs. 1 Landesvergabegesetz ausdrücklich nur für öffentliche Bauaufträge. Für Liefer- und Dienstleistungen im Sinne der VOL/A gibt es eine derart verbindliche Aufgreifschwelle nicht. Rechtsprechung und Schrifttum orientieren sich zumindest für den Liefer- und Dienstleistungsbereich mehrheitlich an einer 20%-Schwelle (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2005, VII-Verg 77/04, OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 30.03.2004, Az.: 11 Verg 4/04; BayObLG, VergabeR 2004, S. 842 ff.; Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 215, m.w.N.; Müller-Wrede/Horn, a.a.O., § 19 EG, Rdnr. 178). Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 23.01.2008, Az.: VII-Verg 36/07) hat ebenfalls entschieden, dass in einem Fall, in dem der Abstand des Angebotes der dort erstplatzierten Beigeladenen zu 1 zu dem nächst höheren Angebot der Beigeladenen zu 2 sowie der Abstand zwischen diesem und dem nächst platzierten Angebot eines dritten Bieters weniger als 20% betrug, die Aufgreifschwelle, die ein im Verhältnis zur angebotenen Leistung ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis indiziert, nicht erreicht ist.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs war eine Überprüfung der Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 2 angebotenen Preises zumindest nicht zwingend. Denn der Abstand zwischen dem preislich niedrigsten Angebot der Beigeladenen zu 2 zum nächst höheren, hinsichtlich des Kriteriums der Kosten zweitplatzierten Angebot der Beigeladenen zu 1 beträgt lediglich knapp unter xxxxxx%.
Da die Antragsgegnerin diesen Preisabstand jedoch ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte zum Anlass genommen hat, die Angemessenheit des Angebotspreises der Beigeladenen zu 2 zu überprüfen, ist sie gehalten, nicht nur die Tatsache der Prüfung selbst, sondern auch die Ergebnisse und ihre Bewertung in angemessener transparenter Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Ordnungsgemäß dokumentiert ist ein Aufklärungsgespräch, das die Antragsgegnerin am 20.04.2011 (Ordner IV, Bl. xxxxxx der Vergabeakte) mit der Beigeladenen über die Angemessenheit des Angebotspreises geführt hat. Dort sind die Fragen der Antragsgegnerin, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der Personalkosten des im Wege des Betriebsübergangs zu berücksichtigenden, bisher beschäftigten Personals und die entsprechenden Antworten der Beigeladenen zu 2, dokumentiert. Die Antragsgegnerin hat in der Folge auch im Vergabevermerk vom 29.04.2011 auf S. 26 (Bl. xxxxxx der Vergabeakte) unter 4.4.2.2 das Ergebnis der Prüfung des Angebotes der Beigeladenen zu 2 festgehalten.
Während allerdings hinsichtlich des ursprünglich nach dem Ergebnis der Submission (Ordner IV, Bl. xxxxxx d. Vergabeakte) zum hier verfahrensgegenständlichen Los 1 preislich günstigsten, aber ausgeschlossenen Angebotes eines weiteren Bieters ausdrücklich auch eine "Auswertung und rechtliche Bewertung" unter der lfd. Nr. 3, S. 24 f., aufgenommen wurde, enthält der Vergabevermerk eine diesbezügliche Feststellung und Bewertung des Angebotspreises der Beigeladenen zu 2 nicht.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass der von der Beigeladenen zu 2 angebotene Preis auf der Höhe der Musterkalkulation der Antragsgegnerin liegt, während das Angebot Beigeladenen zu 1, die zwar nur das zweitgünstigste, aber nach der Wertung der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Konzeptbewertung insgesamt das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, sogar ca. xxxxxx% über dem Referenzpreis der Musterkalkulation liege. Sie hat insbesondere auf die in der Vergabeakte in Anlage 10 auf Seite 6 und 7 gegebenen Erläuterungen zur Musterkalkulation verwiesen. Im Vergabevermerk selbst oder in der Vergabeakte im Übrigen sind diese Bewertungen und Erwägungen hinsichtlich des Angebotes der Beigeladenen zu 2 jedoch nicht dokumentiert.
Aus § 20 VOL/A folgt, dass das Vergabeverfahren von Anbeginn ausdrücklich fortlaufend zu dokumentieren ist. Die Rechtsprechung hat den Begriff der Zeitnähe nicht genau definiert. Nach Sinn und Zweck der Norm muss es jedoch entscheidend sein, dass die Dokumentation zu einem Zeitpunkt erfolgt, zudem davon ausgegangen werden kann, dass die Dokumentation noch den Verlauf des Entscheidungsprozesses widerspiegelt (vgl. Zeise in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 20, Rdnr. 14). Nach der Rechtsprechung der OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 14.08.2003 - Verg 46/03 - und vom 17.03.2004 - Verg 1/04, zitiert nach VERIS) kann eine fehlende Dokumentation nicht während des Nachprüfungsverfahrens durch schriftsätzlichen Vortrag oder ergänzendes mündliches Vorbringen in der Verhandlung geheilt werden. Eine Ausnahme soll danach nur in den Fällen bestehen, in denen entscheidungserhebliche Fakten erst zu einem späteren Zeitpunkt zutage getreten waren bzw. bei denen sich der zu beurteilende Sachverhalt nachträglich verändert hat, so dass eine frühzeitigere Dokumentation nicht möglich war. Nur in solchen Fällen, in denen ein mangelhaft dokumentierter Sachverhalt in keiner Weise die Zuschlagsentscheidung, insbesondere die Reihenfolge der Angebote beeinflussen konnte, wurde auf ein Festhalten an einer zeitnahen Dokumentation als unnötige Förmelei bewertet und eine teilweise Nachholung der Dokumentation zugelassen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.08.2003, Verg 34/03; VK Bund, Beschluss vom 10.12.2003, Az.: VK2-116/03; VK Bremen, Beschluss vom 10.09.2004, VK 3/04; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.11.2008 - Verg 54/08 - und vom 21.07.2010 - Verg 19/10, zitiert nach ibr-online).
Zwar können im Einzelfall nach der Rechtsprechung Dokumentationen und sogar unterlassene Ermessensentscheidungen im Wege von anwaltlichen Schriftsätzen im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nachgeholt werden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.11.2011 - 13 Verg 15/10, zitiert nach ibr-online). Voraussetzung ist jedoch, dass dies so zeitnah geschieht (im vom OLG Celle entschiedenen Fall z.B. nur 4 Tage später), dass die maßgeblichen Feststellungen hinreichend detailliert und zutreffend erfasst und Manipulationen ausgeschlossen sind (OLG Celle, Beschluss vom 11.02.2010 - 13 Verg 16/09 - zitiert nach VERIS). Im Hinblick auf die Prüfung der Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 2 angebotenen niedrigsten Preises liegt jedoch auch eine entsprechend zeitnah nachgeholte Dokumentation der Ermessensausübung nicht vor.
Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB war daher festzustellen, dass die Antragstellerin auch durch die mangelhafte Dokumentation der Angemessenheitsprüfung des Angebotes der Beigeladenen zu 2 in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin war daher auch diesbezüglich zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Angemessenheitsprüfung auf Basis des Protokolls über das Aufklärungsgespräch vom 20.04.2011 zu wiederholen und Bewertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Vermerk zu dokumentieren.
Dabei ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin allerdings nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei der Angemessenheitsprüfung - auch - die von ihr in der Vergabeakte als Anlage 10 beigefügte Musterkalkulation (Bl. xxxxxx ff. der Vergabeakte) berücksichtigt, die sie selbst aufgestellt hat. Eine derartige Musterkalkulation kann für die Angemessenheitsprüfung - ebenso wie Ergebnisse vergleichbarer Ausschreibungen - unterstützend herangezogen werden. Dies gilt selbst dann, wenn - wovon die Antragstellerin ausgeht - die einzelnen Kalkulationsansätze nicht mit den Ansätzen der Antragstellerin, die die Leistungen im Bereich des verfahrensgegenständlichen Loses 2 aufgrund des aktuell noch laufenden Vertrages erbringt und daher über das Leistungsverzeichnis hinaus auch über eigene, genaue Kalkulationsgrundlagen verfügt, übereinstimmen. Bei der Angemessenheitsprüfung des § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A und § 19 Abs. 6 Satz 1 VOL/A-EG handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung, die sich auf die Frage Angemessenheit des Gesamtpreises des niedrigsten Angebotes richtet. Zwar ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, eine derartige Überprüfung im Wege der Aufklärung vorzunehmen, wenn ihm - wie im vorliegenden Fall - das preislich günstigste Angebot ungewöhnlich niedrig erscheint. Insoweit handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung. Auch kann sich der Auftraggeber nicht allein auf eigene Kalkulationen stützen, sondern er muss darauf hinwirken, die erforderlichen Informationen über die konkrete Preisbildung vom betreffenden Bieter zu erlangen (vgl. Müller-Wrede/Horn, VOL/A, 3. Aufl., § 19 EG, Rdnr. 180). Das hat die Antragsgegnerin vorliegend durch das in der Vergabeakte dokumentierte Aufklärungsgespräch vom 20.04.2011 aber auch in nicht zu beanstandender Weise getan. Es fehlt lediglich an einer nachvollziehbaren Dokumentation der Bewertung der Antworten der Beigeladen zu 2 im Aufklärungsgespräch. Trägt der Bieter durch nachvollziehbare Angaben zur Aufklärung bei, ist der Auftraggeber nicht per se gehindert, den Zuschlag sogar auf ein Unter-Kosten-Angebot (unauskömmliches Angebot) zu erteilen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 217 m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne eines Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Leistung keine Zweifel bestehen.
Die Antragsgegnerin war und ist im übrigen auch nicht verpflichtet, über das preislich niedrigste Angebot hinaus die Angemessenheit sämtlicher Angebotspreise zu prüfen, weil die Antragstellerin als derzeit mit den verfahrensgegenständlichen Leistungen beauftragte Einrichtung den mit Abstand höchsten Preis gefordert hat. Bezugspunkt für die Angemessenheitsprüfung nach § 16 Abs. 6 VOL/A ist grundsätzlich die prozentuale Abweichung des preislich niedrigsten gewerteten Angebotes zum nächst höheren Angebot (= 100%). Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Angebotes der Beigeladenen zu 1, die unter den in der Wertung verbliebenen Angeboten lediglich das zweitgünstigste Angebot abgegeben hat, hatte die Antragsgegnerin nach dem in der Vergabeakte dokumentierten Preisniveau des Bieterfeldes zum verfahrensgegenständlichen Los 1 nicht.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Aufgrund der unter II.2. festgestellten Tatsache, dass die Antragsgegnerin durch den ungerechtfertigten Angebotsausschluss und die mangelnde Dokumentation der Konzeptbewertung gegen das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB und ihre Dokumentationspflichten aus § 20 VOL/A verstoßen hat, war die Antragsgegnerin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin zu wiederholen, dabei auch die Bewertung der Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Dabei hat sie die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten. Ebenso ist sie verpflichtet, die Prüfung der Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 2 geforderten Angebotspreises auf der Grundlage des Vermerks über das Aufklärungsgespräch vom 20.04.2011 zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt für das verfahrensgegenständliche Los 1 für eine Vertragslaufzeit von 6 Jahren xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem von der Antragsgegnerin geprüften und dokumentierten Angebotspreis der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der z. Zt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR(§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin unterlegen ist. Von einer Kostenquote für die Beigeladenen hat die Vergabekammer aus Billigkeitsgründen abgesehen, da sie keinen eigenen Antrag gestellt haben.
Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom
13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.
Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
IV. Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden.
...
Schulte
Hintz