Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 10.02.2011, Az.: VgK-70/2010
Berücksichtigung von Nebenangeboten ist bei einer fehlenden Festlegung der Mindestanforderungen für die Wertung von Nebenangeboten in der Vergabebekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen unzulässig; Vergabe bzw. Ausschreibung des Neubaus von Institutsgebäuden in einem Offenen Verfahren zum niedrigsten Preis als einzigem Zuschlagskriterium; Unterschied sowie Differenzierung zwischen dem Kriterium des niedrigsten Preises und dem des wirtschaftlich günstigsten Angebotes
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 10.02.2011
- Aktenzeichen
- VgK-70/2010
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 15777
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 16a Abs. 3 VOB/A
- Art. 24 Abs. 1 RL 2004/18/EG
Verfahrensgegenstand
Neubau von Institutsgebäuden am Standort xxxxxx, Hochbau 2 - Gewerke Trockenbau und Innentüren
In den Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ing. Dierks,
auf die mündliche Verhandlung vom 10.02.2011
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin und der Beigeladenen zu 2 die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war sowohl für die Auftraggeberin als auch für die Beigeladene zu 2 notwendig.
Begründung
I.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 hat die xxxxxx das VOB-Verfahren "Neubau von 7 Institutsgebäuden (Seminarräume, Labore, Bibliothek, Büros) in der Halle I/II - Hochbau 2" in 5 Losen für die Gewerke Schlosserarbeiten, Innentüren, Trockenbau, mobile Trennwände und Estricharbeiten als Offenes Verfahren ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Die Arbeiten sollen durchgeführt werden zwischen dem 01.06.2011 und dem 29.02.2012. Gegenstand des Loses 2 ist das Gewerk Innentüren, Los 3 betrifft das Gewerk Trockenbau. Angebote können für ein Los, mehrere oder alle Lose (Gewerke) abgegeben werden. Nebenangebote sind zulässig.
Unter Ziffer 6 der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe hat die Auftraggeberin durch Ankreuzen folgende Festlegung getroffen:
Die Vergabe nach Losen wird vorbehalten, Angebote können abgegeben werden
für ein oder mehrere Lose und für alle Lose.
Außerdem hat sie festgelegt, dass Preisnachlässe bei Vergabe mehrerer oder aller Lose als Nebenangebot abzugeben sind. Gemäß Ziffer 7 sind Nebenangebote grundsätzlich für alle Lose und Positionen zugelassen. Sie müssen die im Formblatt Mindestanforderungen an Nebenangebote EG 226EG genannten Mindestanforderungen erfüllen.
Unter Ziffer 9 wird nochmals darüber informiert, dass der Preis einziges Zuschlagskriterium ist. Unter Ziffer 13 findet sich folgender Hinweis:
"Es gibt für alle Lose (Gewerke) nur einen Abgabetermin. Zu diesem Termin müssen alle Angebote vorgelegt werden. Eine spätere Abgabe, auch zu den zeitlich versetzt durchgeführten Eröffnungsterminen, ist nicht möglich."
Der Eröffnungstermin fand für beide Lose am xxxxxx.2010 um 10 Uhr statt.
Nach Maßgabe der Niederschriften über die Verdingungsverhandlung gingen zum Los 2 Innentüren 8 Angebote und zum Los 3 Trockenbau 11 Angebote fristgerecht bei der Vergabestelle ein. Die Antragstellerin hat Hauptangebote für beide streitbefangenen Lose vorgelegt. Die Beigeladene zu 1 hat auf das Los 2 Innentüren angeboten, die Beigeladene zu 2 hat ein Angebot auf das Los 3 Trockenbau vorgelegt.
Die Antragstellerin hat zu beiden Hauptangeboten am 18.10.2010 auch folgendes - in den Niederschriften nicht aufgeführtes - Nebenangebot vorgelegt:
"... wir bieten Ihnen im Falle der Beauftragung beider Lose (Los ... Türen sowie Los ... Trockenbau) einen Nachlass in Höhe von 3% an."
Nach Maßgabe der Zusammenstellung der Angebotspreise hat die Beigeladene zu 1 mit einer Angebotsendsumme von xxxxxx EUR - nach rechnerischer Prüfung korrigiert auf xxxxxx EUR - das preislich günstigste Angebot vorgelegt, auf Rang 2 folgt das Angebot der Antragstellerin mit einer Angebotsendsumme von xxxxxx EUR.
Die Angebotssumme der Beigeladenen zu 2 beträgt xxxxxx EUR - nach rechnerischer Prüfung korrigiert auf xxxxxx EUR -, das Hauptangebot der Antragstellerin auf dieses Los endet auf eine Angebotssumme von xxxxxx EUR, auch bei diesem Los liegt ihr Angebot auf Rang 2. Unter Berücksichtigung des angebotenen Nachlasses ergäbe sich für ihr Angebot zu Los 2 Innentüren ein Angebotspreis von xxxxxx EUR und für ihr Angebot zu Los 3 Trockenbau ein Angebotspreis von xxxxxx EUR.
Bei der Angebotswertung hat sich die Auftraggeberin der Hilfe des Ingenieurbüros xxxxxx bedient. Ihre nach Formblatt 331 gefertigten Vergabevermerke nehmen Bezug auf einen "Vergabevermerk gem.§ 16 VOB/A/Vergabevorschlag" des Ingenieurbüros vom 22.11.2010 Bezug, in denen das Ingenieurbüro seine Ergebnisse der Angebotswertung für beide Lose festgehalten hat.
Unter Ziffer 3 hat das Büro zur Überschrift Nebenangebote u.a. Folgendes vermerkt:
"... Im Zuge der Angebotsprüfung wurde weiter festgestellt, dass die Fa. xxxxxx ein Nebenangebot unterbreitet hat, in dem der Bieter mitteilt bei der Vergabe des Auftrages Innentüren und des Auftrages Trockenbau ein Nachlass in Höhe von 3% auf beide Lose gewährt. Entsprechendes Nebenangebot ist jedoch nicht im Formblatt 213EH unter 4.2 mit dem Angebot benannt worden. Aus Sicht des Prüfers darf das Nebenangebot der Fa. xxxxxx nicht gewertet werden, da ein Wettbewerb nur unter Bietern eines Loses erfolgen darf. Im Gewerk Innentüren würde sich auch unter Berücksichtigung des Nebenangebotes keine Rangverschiebung ergeben.
....
Nach ganz aktueller Rechtsprechung dürfen Nebenangebote unabhängig von der Frage, ob der öffentliche Auftraggeber sie zugelassen hat, nicht gewertet werden, wenn in den Vergabeunterlagen bzw. in der Vergabebekanntmachung der Preis als einziges Zuschlagkriterium vorgesehen ist. Weiter sind Mindestanforderungen an die Zulassung von Nebenangeboten nicht bekannt.
Aus vorstehenden Gründen wird in der weiteren Prüfung nicht mehr auf die Nebenangebote eingegangen."
Nach Maßgabe dieser Vergabevermerke blieben die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen unbeanstandet. Die Vergabestelle stellte fest, dass nach Maßgabe des Zuschlagskriteriums Preis der Zuschlag auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen ist.
Die Auftraggeberin machte sich beide Vergabevorschläge des Ingenieurbüros zu Eigen.
Mit Informationsschreiben 334 EG vom 23.11.2010 wurden die Bieter darüber informiert, dass nach Maßgabe des Wertungskriteriums Preis der Zuschlag zum Los 2 Innentüren am 06.12.2010 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 erteilt werden soll. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass ihr Hauptangebot nicht das wirtschaftlichste gewesen sei. Über die Nichtwertung ihres losübergreifenden Nebenangebotes wurde sie nicht informiert.
Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 24.11.2010 die beabsichtigte Vergabe zu Los 2 als vergaberechtswidrig. Ihr Nebenangebot sei im Preis günstiger als die Summe der Angebote der Bestbietenden der Lose 2 und 3. Nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen habe sich die Auftraggeberin die losweise Vergabe lediglich vorbehalten. Grundsatz war damit die Gesamtvergabe. Nach Maßgabe des Zuschlagskriteriums Preis sei daher bei Berücksichtigung des angebotenen Nachlasses ihr Angebot das wirtschaftlich günstigste. Sie forderte die Auftraggeberin auf, den Zuschlag nicht auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 zu erteilen, die Lose 2 und 3 gemeinsam zu vergeben und den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen.
Mit Rügeantwort vom 02.12.2010 wies die Auftraggeberin die Rüge zurück. Hierzu trug sie vor, der niedrigste Preis sei zwar einziges Zuschlagskriterium, auch sei die Vorgabe, wonach eine Vergabe nach Losen vorbehalten werde, zunächst missverständlich und deute auf eine Gesamtvergabe hin. Allerdings werde in Ziffer 6 der Aufforderung zur Angebotsabgabe, wonach Angebote für ein oder mehrere Lose abgegeben werden können, hinreichend klargestellt, dass keine Gesamtvergabe vorgegeben war. Unabhängig hiervon könne der Zuschlag zum Los Innentüren aber auch deshalb nicht auf ihr Angebot erteilt werden, da dieses auch bei Berücksichtigung des im Nebenangebot angebotenen Nachlasses von 3% nicht das günstigste sei. Nach der aktuellen Rechtsprechung sei im Rahmen der Angebotswertung den einschlägigen mittelständischen Interessen durch eine ausschließlich losweise Wertung Rechnung zu tragen. Ein Wettbewerb dürfe nur zwischen den Bietern eines Loses stattfinden. Jedes Los sei daher in der Wertung gesondert zu betrachten und der Zuschlag dürfe nur auf das zum jeweiligen Los vorgelegte wirtschaftlichste Angebot erteilt werden.
Auf die von ihr angebotene Loskombination könnte folglich der Zuschlag nur erteilt werden, wenn die Rabattangebote in beiden Einzellosen die jeweils günstigsten Angebote sind, was für Los 2 nicht der Fall sei.
Das Nebenangebot könne aber bereits deshalb nicht gewertet werden, weil es nach ganz aktueller und bei Einleitung des Vergabeverfahrens noch nicht bekannter Rechtsprechung aufgrund vorrangiger europarechtlicher Regelungen nicht zulässig sei, Nebenangebote zu werten, wenn der Preis einziges Zuschlagskriterium ist.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.12.2010 bekräftigte die Antragstellerin ihre Rüge. Mit den Vorgaben der Ausschreibung habe die Auftraggeberin Angebote für ein oder mehrere Lose zugelassen und verlangt, dass Preisnachlässe bei Vergabe mehrerer oder aller Lose als Nebenangebot abzugeben sind. Hieran sei die Auftraggeberin gebunden. Sie selbst habe sich mit ihrer Angebotskalkulation hierauf eingestellt und dürfe auf die Einhaltung dieser Vorgaben vertrauen. Von der Auftraggeberin nunmehr erkannte, gar nicht gerügte Vergaberechtsverstöße dürften sich jedenfalls nicht zu ihren Lasten auswirken. Sie forderte die Auftraggeberin auf, den Zuschlag auf ihr Nebenangebot zu erteilen oder aber die als rechtswidrig erkannte Ausschreibung aufzuheben und neu auszuschreiben.
Mit Schriftsatz vom 02.12.2010, per Fax eingegangen am 03.12.2010, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Nachprüfungsantrag wurde der Auftraggeberin am 06.12.2010 zugestellt. Mit Verweisungsbeschluss vom 15.12.2010 verwies die 2. Vergabekammer des Bundes den Nachprüfungsantrag wegen Unzuständigkeit an die Vergabekammer Niedersachsen.
Mit Informationsschreiben 334 EG vom 03.12.2010 wurden die Bieter über die Entscheidung zur Vergabe des Loses 3 Trockenbau informiert. Nach Maßgabe des Sendeberichtes wurde das Absageschreiben am 03.12.2010 um 14:48 Uhr versandt. Hiernach sollte der Zuschlag zum Los 3 Trockenbau am 14.12.2010 auf das Angebot der Beigeladenen zu 2 erteilt werden. Der Antragstellerin wurde wiederum mitgeteilt, dass ihr Hauptangebot nicht das wirtschaftlichste sei. Über die Nichtwertung ihres losübergreifenden Nebenangebotes wurde sie auch in diesem Schreiben nicht informiert.
Mit anwaltlichem Rügeschreiben vom 03.12.2010, per Fax bei der Auftraggeberin eingegangen um 14:51 Uhr, trug die Antragstellerin eine inhaltsgleiche Rüge auch zur Vergabe des Loses Trockenbau vor. Eine Rügeantwort der Auftraggeberin liegt der Vergabeakte nicht bei.
Am 14.12.2010 wandte sich die Antragstellerin per Fax auch für das Los 3 Trockenbau mit einem im Wesentlichen inhaltsgleichen Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer Niedersachsen. Auch dieser Nachprüfungsantrag wurde der Auftraggeberin zugestellt.
Zur Begründung ihrer Nachprüfungsanträge trägt die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihre unverzüglich erhobenen Rügen vor, für die streitbefangenen Lose dürfe der Zuschlag nicht auf die Angebote der Beigeladenen erteilt werden. Die Auftraggeberin habe in den Vergabeunterlagen ausdrücklich dazu aufgefordert, Preisnachlässe anzubieten, wenn und soweit mehrere Lose angeboten sind. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Die Auftraggeberin sei an diese Bedingungen ihrer Ausschreibung gebunden und dürfe hiervon nicht abweichen. Sie habe sich eine Einzellosvergabe lediglich vorbehalten und sei daher gehalten, die angebotene Loskombination in die Wertung einzubeziehen und hierbei den angebotenen Nachlass für beide Lose zu berücksichtigen. Die Auftraggeberin könne nicht frei zwischen Einzellosvergabe, Vergabe auf eine Loskombination oder Gesamtvergabe wählen. Kriterien für eine solche Entscheidung habe sie nicht vorgegeben.
Soweit die Auftraggeberin meine, dass sie zur Wahrung mittelständischer Interessen einen Wettbewerb nur innerhalb der einzelnen Lose zulassen dürfe und dies bei der Wertung berücksichtigen müsse, sei dem entgegenzuhalten, dass sich aus § 97 Abs. 3 GWB eine solche Verpflichtung nicht herleiten lasse. Auch widerspreche dies den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit. Zudem kämen im vorliegenden Fall ohnehin nur mittelständische Unternehmen für die Vergabe der Lose in Betracht.
Die Auftraggeberin habe auch keinen Anlass, ihr Nebenangebot dahin gehend auszulegen, dass der Nachlass von 3% erst dann gewährt werde, wenn sie mit beiden Hauptangeboten erfolgreich sei. Dies werde dem Wortlaut des Nebenangebotes nicht gerecht und mache auch keinen Sinn.
Bei korrekter Wertung sei der Zuschlag auf die von ihr im Nebenangebot angebotene Loskombination zu erteilen, denn dies sei wirtschaftlicher als die von der Auftraggeberin beabsichtigte Einzellosvergabe an die Beigeladenen.
Die von der Auftraggeberin vorgenommene Wertung sei nach alledem vergaberechtswidrig, auch habe die Auftraggeberin ihre Dokumentationspflichten nicht hinreichend erfüllt.
Selbst wenn die Auftraggeberin meint, das Nebenangebot aufgrund der aktuellen Rechtsprechung nicht werten zu dürfen, dürfe aus Gründen der Gleichbehandlung nicht auf die Angebote der Beigeladenen zugeschlagen werden. Durch die vergaberechtswidrigen Vorgaben der Ausschreibung leide das Vergabeverfahren an einem schwerwiegenden Mangel. Es müsse aus Gründen der Gleichbehandlung aufgehoben werden, um ihr die Vorlage neuer Angebote zu ermöglichen, denn in Kenntnis der Nichtwertbarkeit von Nebenangeboten hätte sie ihre Angebote auf die streitbefangenen Lose anders kalkuliert.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;
der Antragsgegnerin aufzugeben, den Zuschlag für das Los 2 Innentüren nicht an die Beigeladene zu 1 und den Zuschlag für das Los 3 Trockenbau nicht an die Beigeladene zu 2 zu vergeben;
die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten;
hilfsweise:
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Ausschreibung für die Lose Innentüren und Trockenbau aufzuheben und die Leistungen neu auszuschreiben;
der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen; die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Die Auftraggeberin beantragt,
die Nachprüfungsanträge zurückzuweisen;
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen und
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
Sie hält den Nachprüfungsantrag zu Los 3 Trockenbau bereits wegen Verletzung der Rügeobliegenheit für unzulässig. Zu diesem Los habe die Antragstellerin eine unzulässige vorsorgliche Rüge erhoben, denn im Zeitpunkt der Rüge habe sie noch keine Kenntnis von der Zuschlagsentscheidung zu diesem Los gehabt. Nach Erhalt des Informationsschreibens hätte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagerteilung auf Los 3 Trockenbau noch einmal rügen müssen, was sie aber nicht getan habe.
Darüber hinaus seien die Anträge unbegründet.
Der Vorwurf, sie sei bei ihrer Wertung von den Vorgaben der Ausschreibung abgewichen, sei unbegründet, denn die ungerügten Vorgaben der Ausschreibung verpflichteten die Auftraggeberin nicht zur Einzellosvergabe, Vergabe auf eine Loskombination oder zur Gesamtvergabe, sondern räumten ihr ein Wahlrecht ein, von dem sie vergaberechtskonform Gebrauch gemacht habe. Bereits nach der aktuellen Rechtsprechung, welche sich auf europarechtliche Vorgaben beruft, sehe sie sich an der Wertung von Nebenangeboten gehindert, da der Preis einziges Zuschlagskriterium ist. Diese Rechtsprechung sei ihr zu Beginn der Ausschreibung nicht bekannt gewesen.
Das Nebenangebot der Antragstellerin wäre im Falle einer Wertung auch nicht erfolgreich. Abgesehen davon, dass die Vergabeunterlagen keine Vorgaben für eine Wertung enthielten, bei welcher die Angebotssummen einer Loskombination mit den Summen der Angebote der Bestbieter auf diese Lose verglichen werden müssten, verbiete sich eine solche Wertung auch deshalb, weil nach der aktuellen Rechtsprechung zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen Wettbewerb nur zwischen den Bietern eines Loses stattfinden dürfe. Außerdem habe die Antragstellerin in ihrem Nebenangebot selbst eine Bedingung formuliert, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt wird. Sie habe den Nachlass von 3% "im Falle der Beauftragung beider Lose" angeboten. Bei Abzug des angebotenen Nachlasses wäre jedoch nur das Angebot zu Los 3 Trockenbau wirtschaftlichstes Angebot, ihr Angebot zu Los 2 Innentüren läge unverändert auf Rang 2.
Soweit die Antragstellerin wegen der vergaberechtswidrigen Vorgabe der Zulassung von Nebenangeboten hilfsweise eine Aufhebung der Ausschreibung verlange, sei dieser Antrag zurückzuweisen. Es bestehe kein Anlass, das Verfahren in den Zustand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen oder die Ausschreibung aufzuheben. Diesbezüglich habe die Auftraggeberin von dem ihr zustehenden Entschließungsermessen fehlerfreien Gebrauch gemacht und sich vergaberechtskonform zur Einzellosvergabe entschieden. Die Antragstellerin werde durch die Entscheidung zur Einzellosvergabe auch nicht in ihren Rechten verletzt, denn die vergaberechtswidrig eröffnete Möglichkeit für Rabatte bei Loskombinationen könne sich auf die Kalkulation ihrer Hauptangebote zu beiden Losen nicht ausgewirkt haben.
Die von ihr gefertigten Vergabevermerke genügten auch der Dokumentationspflicht und seien nicht zu beanstanden.
Die Beigeladene zu 1 beantragt
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.
Sie unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin und trägt vor, die vorgenommene Wertung sei vergaberechtskonform und nicht zu beanstanden. Auch die Entscheidung der Auftraggeberin, das Vergabeverfahren trotz der im Nachhinein als vergaberechtswidrig erkannten Vorgaben der Ausschreibung fortzuführen und nicht in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen, sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Antragstellerin werde hierdurch nicht in ihren Bieterrechten beeinträchtigt, denn sie habe für jedes der streitbefangenen Lose ein eigenständiges Hauptangebot kalkuliert und vorgelegt. Einen Anspruch auf eine Chance zur Abgabe wirtschaftlicherer Hauptangebote könne sie daher nicht geltend machen.
Die Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert.
Die Vergabekammer hat mit Verfügungen des Vorsitzenden vom 20.12.2010 und vom 28.01.2011 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus zunächst bis zum 31.01.2011 und sodann bis zum 28.02.2011 verlängert. Die Vergabekammer hat die Nachprüfungsverfahren VgK-70/2010 und VgK-72/2010 verbunden und am 10.02.2011 zusammen mündlich verhandelt, da Antragstellerin und Auftraggeberin identisch sind, das gleiche Vergabeverfahren betroffen ist und die Nachprüfungsanträge lediglich unterschiedliche Lose zum Gegenstand haben.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 10.02.2011 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist in beiden Verfahren zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat sich zu Recht entschieden, das Nebenangebot der Antragstellerin, mit der sie für den Fall der Beauftragung beider verfahrensgegenständlicher Lose (Innentüren und Trockenbau) einen Nachlass in Höhe von 3% angeboten hat, bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes nicht zu berücksichtigen. An einer Berücksichtigung von Nebenangeboten ist der Auftraggeber vorliegend gemäß § 16a Abs. 3 VOB/A gehindert, weil er es versäumt hat, in der Vergabebekanntmachung oder den Vergabeunterlagen Mindestanforderungen für die Wertung von Nebenangeboten festzulegen und bekannt zu machen. Ein weiteres Hindernis an der Wertbarkeit von Nebenangeboten liegt nach der aktuellen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 18.10.2010 - Verg 39/10) darin begründet, dass Nebenangebote trotz entsprechender Aufforderung zur Angebotsabgabe unzulässig sind, wenn - wie vorliegend - der Preis als einziges Zuschlagskriterium festgelegt ist. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG lässt ebenso wie Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17/EG in einer derartigen Situation Varianten (in der deutschen Terminologie: Nebenangebote) ausdrücklich nicht zu. Die Auftraggeberin war unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung auch nicht gehindert, das Vergabeverfahren ohne die Berücksichtigung von Nebenangeboten fortzuführen. Sie war nicht gehalten, die mangelnde Festlegung von Mindestanforderungen und die aktuelle Rechtsprechung zum Anlass zu nehmen, das Verfahren in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Stiftung öffentlichen Rechts gemäß § 55 Nds. Hochschulgesetz (NHG), die gemäß § 62 Abs. 1 NHG der Rechtsaufsicht des Landes Niedersachsen untersteht. Sie ist damit öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB.
Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer erforderlichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A, für den gemäß § 2 Nr. 3 VgV ein Schwellenwert von 4.845.000 EUR gilt. Die vorliegend verfahrensgegenständlichen Bauleistungen sind Teil des Gesamtbauvorhabens "Neubau von sieben Institutsgebäuden (Seminarräume, Labore, Bibliothek, Büros). Werden Gesamtbaumaßnahmen, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, gilt gemäß § 2 Nr. 6 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20% des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich der Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 beträgt der von der Auftraggeberin nach den§§ 1 Abs. 1, 3 VgV geschätzte Wert des Gesamtauftrags für alle fünf Teile Hochbau 1 bis 3, Technische Anlagen und Fördertechnik ohne Mehrwertsteuer xxxxxx. EUR. Ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte überschreitet zwar der Wert der hier verfahrensgegenständlichen Lose nicht den Teilschwellenwert von 1 Mio. EUR. Die Auftraggeberin hat jedoch die streitbefangenen Lose EU-weit im offenen Verfahren gemäß § 3a VOB/A ausgeschrieben und die Vergabekammer Niedersachsen als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren in der europaweiten Bekanntmachung angegeben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie die streitgegenständlichen Lose nicht dem 20-%-Kontingent nach § 2 Nr. 6 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20.08.2001, Az.: Verg 9/01 = BGH NJW, S. 3636 ff, 3638). Der Wert der streitbefangenen Lose steht daher einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht entgegen.
Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Rechtsauffassung vorträgt, die Auftraggeberin habe bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ihr Nebenangebot zu Unrecht nicht berücksichtigt. Unter Berücksichtigung des mit dem Nebenangebot für den Fall eines Zuschlags auf beide verfahrensgegenständliche Lose (2 und 3) angebotenen Nachlasses in Höhe von 3% habe sie das wirtschaftlichste, weil preislich niedrigste Angebot abgegeben. Mit den Vorgaben der Ausschreibung habe die Auftraggeberin ausdrücklich Angebote für ein oder mehrere Lose zugelassen und verlangt, dass Preisnachlässe bei der Vergabe mehrerer oder aller Lose als Nebenangebote abzugeben sind. Die Auftraggeberin sei daher gehalten, den Zuschlag auf ihr Nebenangebot zu erteilen oder aber die als rechtswidrig erkannte Ausschreibung aufzuheben und den Auftragsgegenstand neu auszuschreiben. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, dass sie bei Berücksichtigung ihres Nebenangebotes eine Chance auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte. Zumindest aber hätte sie im Falle einer Aufhebung oder Zurückversetzung des Vergabeverfahrens die Chance, sich erneut mit einem konkurrenzfähigen Angebot zu beteiligen. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu von Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Die Antragstellerin wurde wie die anderen Bieter mit Informationsschreiben der Auftraggeberin vom 23.11.2010 über den beabsichtigten Zuschlag zum Los 2 Innentüren informiert. Aussagen zur Nichtwertung ihres losübergreifenden Nebenangebotes enthielt das Informationsschreiben nicht. Bereits mit Schreiben vom 24.11.2010 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe zu Los 2 als vergaberechtswidrig. Ihr Nebenangebot sei im Preis günstiger als die Summe der Bestbietenden der Teillose 2 und 3. Mit Informationsschreiben vom 03.12.2010 wurde die Antragstellerin über die Entscheidung der Auftraggeberin zu Los 3 Trockenbau informiert. Diese Entscheidung rügte die Antragstellerin unverzüglich, sogar noch am gleichen Tage mit per Fax übermitteltem anwaltlichem Rügeschreiben. Beide Rügen erfolgten ohne weiteres unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Der Auftraggeber hat das losübergreifende Nebenangebot und den damit verbundenen Preisnachlass in Höhe von 3% zu Recht nicht bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes für die verfahrensgegenständlichen Lose 2 und 3 berücksichtigt, weil er es versäumt hat, in der Vergabebekanntmachung oder den Vergabeunterlagen Mindestanforderungen für die Wertung von Nebenangeboten festzulegen und bekannt zu machen. Eine Berücksichtigung von Nebenangeboten wäre daher mit § 16 a Abs. 3 VOB/A nicht vereinbar (im Folgenden a). Darüber hinaus steht einer Berücksichtigung von Nebenangeboten vorliegend die Regelung des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG entgegen, weil die Auftraggeberin den Preis als einziges Zuschlagskriterium festgelegt hat. Zu Recht ist die Auftraggeberin daher ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte davon ausgegangen, dass sie auf Grund der aktuellen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 18.10.2010 - Verg 39/10; dort ging es um einen Sektorenauftrag und dementsprechend um Art. 26 Abs. 1 derRichtlinie 2004/17/EG) Nebenangebote nur hätte berücksichtigen dürfen, wenn sie mehrere Zuschlagskriterien festgelegt hätte (im Folgenden b). Aber auch soweit die Antragstellerin hilfsweise beantragt hat, der Auftraggeberin aufzugeben, die Ausschreibung für die Lose Innentüren und Trockenbau aufzuheben und die Leistungen neu auszuschreiben, ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Auftraggeberin war und ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung nicht gehindert, das Vergabeverfahren ohne Berücksichtigung von Nebenangeboten fortzuführen und für jedes Los die wirtschaftlichsten Hauptangebote zu ermitteln (im Folgenden c).
a)
Die Auftraggeberin ist weder gehalten noch berechtigt, das losübergreifende Nebenangebot der Antragstellerin und den damit verbundenen Preisnachlass in Höhe von 3% bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu berücksichtigen. Die Auftraggeberin hat zwar gem. Ziff. 6 der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich festgelegt, dass die Vergabe nach Losen vorbehalten werde. Wörtlich heißt es dort:
"Angebote können abgegeben werden für ein oder mehrere Lose und für alle Lose."
Als Bedingung für die Abgabe von Losen hat die Auftraggeberin festgelegt:
"Preisnachlässe bei Vergabe mehrerer oder aller Lose sind als Nebenangebote abzugeben."
Unter Ziff. 7 der Aufforderung zur Angebotsabgabe heißt es zudem:
"Nebenangebote sind für folgende Teilleistungen (Positionen)/Fachlose (Gewerke)/ Gesamtleistung zugelassen: Nebenangebote sind grundsätzlich für alle Lose und Positionen zugelassen. Nebenangebote müssen die im Formblatt 226 EG genannten Mindestanforderungen erfüllen."
Die Auftraggeberin hat es jedoch in der Folge entgegen der Ankündigung in der Aufforderung zur Angebotsabgabe versäumt, Mindestanforderungen an Nebenangebote festzulegen und bekannt zu machen. Im entsprechenden Formblatt 226 EG (VHB-Bund - Ausgabe 2000 - Stand: Mai 2010), das die Auftraggeberin den an die Bieter übersandten Vergabeunterlagen beigefügt hatte, heißt es lediglich:
"Nebenangebote müssen die folgenden Mindestanforderungen erfüllen: Die Gleichwertigkeit ist mit dem Angebot nachzuweisen."
Diese pauschale Formulierung genügt jedoch den Anforderungen des § 16 a Abs. 3 VOB/A nicht. Danach berücksichtigt der Auftraggeber nur Nebenangebote, die die von ihm verlangten Mindestanforderungen erfüllen. § 16 a Abs. 3 VOB/A setzt (wie zuvor bereits § 25 a Abs. 3 a.F.) die Regelungen des Art. 24 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2004/18/EG um. Diese Richtlinie schreibt dem öffentlichen Auftraggeber, der Nebenangebote - ausdrücklich - zulassen und den Auftrag nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebotes vergeben will, vor, in den Verdingungsunterlagen die inhaltlichen Mindestanforderungen zu erläutern, die diese Nebenangebote erfüllen müssen (vgl. Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage, § 16 VOB/A, Rdnr. 132). Der EuGH hatte in einem auf eine österreichische Vorlage hin ergangenen Urteil vom 16.10.2003 in der Rs. C-421/01 ("Traunfellner" = NZBau 2004, 279 ff. und VergabeR 2004, 50 ff.) entschieden, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, die inhaltlichen (materiellen) Mindestanforderungen an Nebenangebote zu erläutern. Dabei hat sich in Rechtsprechung und Schrifttum die Auffassung durchgesetzt, dass die Mindestanforderungen grundsätzlich nicht auf die Beschreibung rein formaler Kriterien beschränkt werden können, sondern leistungsbezogene, sachlich-technische Vorgaben enthalten müssen, wobei allerdings die Bezugnahme auf Regelwerke als ausreichende Angabe sachlich-technischer Mindestbedingungen angesehen wird, wenn diese einen für jeden vergleichbaren Auftrag geltenden Qualitätsstandard darstellen (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 20.03.2007, Verg W 12/06 und Beschluss vom 29.07.2008, Verg W 10/08; OLG Koblenz, Beschluss vom 31.05.2006 - 1 Verg 3/06, NZBau 2006, Seite 600). Der Auftraggeber hat sachlich-technische Mindestanforderungen zu formulieren. Werden solche formuliert, ist z.B. auch eine rein negative Abgrenzung jedenfalls dann ausreichend, wenn dadurch inhaltliche Anforderungen gestellt worden sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.12.2008 - Verg 51/08). So können bestimmte Materialien ausgeschlossen werden oder bestimmte verlangt werden (vgl. Vavra in: Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, VOB/A, § 16 a, Rdnr. 33).
Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre muss der Auftraggeber aber Nebenangebote ausschließen, wenn er keine Mindestanforderungen formuliert hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22.06.2004 - Verg 13/04; OLG München vom 11.08.2005 - Verg 12/05; OLG Schleswig vom 15.02.2005 - 6 Verg 6/04; OLG Koblenz vom 21.05.2006 - 1 Verg 3/06; Vavra, a.a.O., § 16 a, Rdnr. 36, m.w.N.). Dieser Pflicht zum Ausschluss von Nebenangeboten wegen fehlender Festlegung von Mindestanforderungen steht vorliegend auch nicht der Beschluss des OLG Celle vom 11.02.2010 - 13 Verg 16/09 entgegen. Im dortigen Fall hat das OLG entschieden, dass der Auftraggeber trotz fehlender Mindestbedingungen nicht gehindert war, Nebenangebote der dortigen Beigeladenen zu berücksichtigen, weil die Antragstellerin es versäumt hatte, das Fehlen der Festlegung und Benennung von Mindestbedingungen gem. § 107 Abs. 3 GWB zu rügen. Die Präklusion der Rüge der fehlenden Mindestanforderungen für Nebenangebote erfasse auch deren Wertbarkeit.
Im vorliegenden Fall hat die Auftraggeberin ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte jedoch im Zuge der Angebotswertung selbst festgestellt, dass sie es versäumt hat, Mindestanforderungen an Nebenangebote festzulegen und bekannt zu machen. Das von der Auftraggeberin mit der Begleitung des Vergabeverfahrens beauftragte Ingenieurbüro xxxxxx hatte in seiner Vergabeempfehlung vom 22.11.2010 unter der lfd. Nr. 2.3 dokumentiert, dass sie sich mit der Wertbarkeit von Nebenangeboten auseinandergesetzt hat und u.a. festgestellt, dass Mindestanforderungen zur Zulassung von Nebenangeboten nicht benannt wurden. Die Ausführungen schließen mit dem Hinweis:
"Aus vorstehenden Gründen wird in der weiteren Prüfung nicht mehr auf die Nebenangebote eingegangen".
Die Auftraggeberin ist diesem Vergabevorschlag gefolgt. Die Antragstellerin kann sich daher vorliegend nach Auffassung der Vergabekammer nicht darauf berufen, dass kein Bieter das Fehlen von Mindestanforderungen an Nebenangebote gerügt hat. Anderenfalls liefen die eindeutige Vorgabe des§ 16 a Abs. 3 VOB/A und damit auch die Vorgaben des Art. 24 Abs. 3 und 4 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG ins Leere.
b)
Aber auch soweit die Auftraggeberin die Nichtberücksichtigung von Nebenangeboten in erster Linie auf die aktuelle Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 18.10.2010 - Verg 39/10 - zitiert nach ibr-online) gestützt hat, ist die Entscheidung der Auftraggeberin nicht zu beanstanden. Das beauftragte Ingenieurbüro hatte in seinem Vergabevermerk vom 22.11.2010 auf diese aktuelle Rechtsprechung hingewiesen. Dort heißt es:
"Nach aktueller Rechtsprechung dürfen Nebenangebote unabhängig von der Frage, ob der öffentliche Auftraggeber sie zugelassen hat, nicht gewertet werden, wenn in den Vergabeunterlagen bzw. in der Vergabebekanntmachung der Preis als einziges Zuschlagskriterium vorgesehen ist. Weiter sind Mindestanforderungen an die Zulassung von Nebenangeboten nicht benannt."
Entsprechendes Nebenangebot sei darüber hinaus nicht in der dafür vorgesehenen Stelle im Formblatt 213 EG benannt worden. Aus vorstehenden Gründen werde in der weiteren Prüfung nicht mehr auf die Nebenangebote eingegangen.
Das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 18.10.2010 wie auch zuvor in einer Zwischenentscheidung vom 23.03.2010 - Verg 61/09 - entschieden, dass Nebenangebote trotz Aufforderung zur Angebotsabgabe unzulässig sind, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Zur Begründung hat das OLG Düsseldorf ausgeführt, dass Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17/EG (Sektorenaufträge) in einer derartigen Situation Varianten (in der deutschen Terminologie: Nebenangebote) nicht zulasse. Die Vergabekammer Schleswig-Holstein hat in ihrem Beschluss vom 08.10.2010 - VK-SH 13/10 - unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 23.03.2010 - Verg 61/09 - die gleiche Auffassung vertreten und - da sie im Gegensatz zum OLG Düsseldorf - über eine Auftragsvergabe außerhalb des Sektorenbereichs zu entscheiden hatte, auf Art. 24 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG gestützt.
Demgegenüber hat das OLG Brandenburg in seinem Beschluss vom 07.12.2010 - Verg W 16/10 - dem Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB in einem ähnlich gelagerten Fall stattgegeben. Zur Begründung hat das OLG Brandenburg darauf hingewiesen, dass die Frage, ob Nebenangebote zulässig sind, wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist, von den Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet werde. Deshalb müsse bei einer derartigen Sachlage erwogen werden, ob wegen dieser Divergenz in der Rechtsprechung der Vergabesenate die Sache entweder dem BGH zugänglich gemacht oder der EuGH um Entscheidung zur Auslegung der beiden EU-Richtlinien und zur Entscheidung darüber, ob das deutsche Vergaberecht hiermit vereinbar ist, angerufen werden muss. Die Oberlandesgerichte Koblenz, Beschluss vom 16.07.2010 - 1 Verg 6/10 - und Celle, Beschluss vom 03.06.2010 - 13 Verg 6/10 - hätten noch im Nachgang zur ersten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf auch die Zuschlagserteilung auf Nebenangebote im reinen Preiswettbewerb akzeptiert.
Die Entscheidung des OLG Brandenburg im Hauptsacheverfahren und dementsprechend die angekündigte Vorlage zum BGH oder zum EuGH liegt der Vergabekammer gegenwärtig noch nicht vor.
Für die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf und der VK Schleswig-Holstein spricht jedoch der eindeutige Wortlaut der jeweils in Bezug genommenen europarechtlichen Regelungen. So heißt es in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG zur Berücksichtigungsfähigkeit von Varianten:
"Bei Aufträgen, die nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebotes vergeben werden, können die öffentlichen Auftraggeber es zulassen, dass die Bieter Varianten vorlegen."
Die Richtlinie 2004/18/EG differenziert im Folgenden ausdrücklich zwischen dem Kriterium des niedrigsten Preises und dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebotes. So heißt es in Art. 53:
"Zuschlagskriterien
(1)
Der öffentliche Auftraggeber wendet unbeschadet der für die Vergütung von bestimmten Dienstleistungen geltenden einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bei der Erteilung des Zuschlags folgende Kriterien an:a)
entweder - wenn der Zuschlag auf das aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt - verschiedene mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Kriterien, z.B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- und Ausführungsfristb)
oder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises."
(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)
Auch wenn mit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf über das gesetzliche Erfordernis der Festlegung von inhaltlichen, technischen Mindestanforderungen eine weitere Erschwernis für die Wertbarkeit von Nebenangeboten verbunden ist, ist sie nach Auffassung der Vergabekammer angesichts des eindeutigen Wortlauts der zitierten Regelungen der Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG gleichwohl zutreffend. Sollen künftig auch dann Nebenangebote gewertet werden dürfen, wenn lediglich das Zuschlagskriterium des niedrigsten Preises festgelegt wird, so kann das europarechtskonform nur geschehen, wenn die entsprechenden Regelungen der Richtlinien selbst geändert werden. Aus dem bisherigen Umsetzungsdefizit folgt jedenfalls allenfalls, dass Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG bis auf weiteres unmittelbar anzuwenden ist. Soweit das OLG Brandenburg seine vom OLG Düsseldorf abweichende Rechtsauffassung in seinem Beschluss vom 07.12.2010 darauf gestützt hat, dass die Oberlandesgerichte Koblenz (Beschluss vom 26.07.2010 - 1 Verg 6/10) und Celle (Beschluss vom 03.06.2010 - 13 Verg 6/10) noch im Nachgang der ersten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 23.03.2010 - Verg 61/09) eine Zuschlagserteilung auf Nebenangebote auch im reinen Preiswettbewerb akzeptiert haben, ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und die in Bezug genommenen Vorschriften der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG in den dort zugrunde liegenden Nachprüfungsverfahren von den Beteiligten offenbar nicht thematisiert wurden. Jedenfalls wird die vom OLG Düsseldorf aufgeworfene Problematik in den dortigen Beschlüssen nicht erörtert.
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin sich an der Berücksichtigung von Nebenangeboten im vorliegenden Vergabeverfahren auch deshalb gehindert sieht, weil sie lediglich den Preis als einziges Zuschlagskriterium festlegt hat.
c)
Aber auch, soweit die Antragstellerin hilfsweise beantragt hat, der Auftraggeberin aufzugeben, die Ausschreibung für die Lose Innentüren und Trockenbau aufzuheben und die Leistungen neu auszuschreiben, ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 18.01.2010 - VII-Verg 39/10 -, auf den sich die Auftraggeberin vorliegend berufen hat, dem Auftraggeber, der gehindert ist, Nebenangebote zu berücksichtigen, weil er lediglich den Preis als einziges Zuschlagskriterium festgelegt und genannt hat, ausdrücklich ein Wahlrecht im Hinblick auf die Rechtsfolgen eingeräumt. Wörtlich heißt es dort unter 2.:
"Ob weitergehende Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, kann in diesem Verfahrensstadium offen bleiben. Jedenfalls ist das Nebenangebot der Beigeladenen gegenwärtig nicht wertungsfähig. Einen Zuschlag auf das Nebenangebot der Beigeladenen könnte die Antragsgegnerin nur in einem neuen oder jedenfalls weitgehend wieder aufgerollten Vergabeverfahren erteilen. Es bleibt zunächst der Entscheidung der Vergabestelle überlassen, wie sie auf diese Situation reagiert. Setzt sie das Vergabeverfahren fort, sind die Nebenangebote auszuschließen.
Die Antragsgegnerin kann diese Situation zum Anlass nehmen, das jetzige Vergabeverfahren aufzuheben oder zumindest bis in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen (wobei gegenwärtig offen bleiben kann, ob sie auf den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin oder - nach Ausschluss des Nebenangebotes der Beigeladenen - auf deren Rüge oder Nachprüfungsantrag dazu gehalten wäre). Auch dann stehen ihr mehrere Möglichkeiten offen. Sie kann es bei den gegenwärtigen Verdingungsunterlagen belassen (wobei dann allerdings die Nebenangebote nicht zugelassen werden dürfen), sie kann die Leistungsbeschreibung ändern oder die Zuschlagskriterien ändern (mit der Folge, dass Nebenangebote zulassen werden können, vorausgesetzt, es werden zudem hinreichende Mindestanforderungen festgesetzt). In jedem Fall kann die Antragstellerin dann neue Angebote einreichen. ... "
Die Auftraggeberin war und ist nach dieser Rechtsprechung also berechtigt, das Vergabeverfahren ohne Berücksichtigung der Nebenangebote fortzusetzen. Die Antragstellerin hat allerdings zurecht im Zuge des Nachprüfungsverfahrens gerügt, dass die Auftraggeberin in der Vergabeakte nicht in einer den Anforderungen des § 20 VOB/A genügenden Weise dokumentiert hat, dass sie von diesem Auswahlermessen im Hinblick auf die Rechtsfolgen überhaupt Gebrauch gemacht und warum sie sich letztlich dafür entschieden hat, das Vergabeverfahren nicht etwa in einen Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen, was ihr nach der zitierten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ausdrücklich ebenfalls offen gestanden hätte. Der von dem beauftragten Ingenieurbüro gefertigte Vergabevermerk vom 22.11.2010 enthält zu diesem Auswahlermessen überhaupt keine Ausführungen. Dort heißt es unter 2.3 auf S. 5 lediglich:
"Aus vorstehenden Gründen wird in der weiteren Prüfung nicht mehr auf die Nebenangebote eingegangen."
Gleichwohl rechtfertigt dieses Versäumnis nicht die Verpflichtung des Auftraggebers zur Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe oder gar zur Aufhebung des Vergabeverfahrens. In Betracht käme allenfalls eine Rückversetzung in die Angebotswertung mit der Verpflichtung der Auftraggeberin, ihr Auswahlermessen nachzuholen und Prüfung und Entscheidung in der Vergabeakte zu dokumentieren. Die Auftraggeberin hat jedoch im Zuge des Nachprüfungsverfahrens ihre Entscheidung mit den Schriftsätzen vom 20.12.2010 und 02.02.2011 erläutert. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie sich insbesondere aus Kostengründen und zur Vermeidung einer weiteren Verzögerung der Auftragsvergabe dazu entschlossen hat, eine Angebotswertung unter Ausschluss des Nebenangebotes der Antragstellerin vorzunehmen. Sie hat sich in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle Entscheidung des OLG Celle (Beschluss vom 13.01.2011 - 13 Verg 15/10) berufen. Dort hat das OLG Celle ausgeführt, dass eine Vergabestelle auch im Nachprüfungsverfahren in zulässiger Weise versäumte Ermessensentscheidungen nachholen kann. Dort heißt es:
"Die Antragstellerin rügt als solches zutreffend, dass die Dokumentation nicht erkennen lässt, dass auch die Interessen der Antragstellerin mit erwogen worden sind. Das ist aber unschädlich, weil die Antragsgegnerin und die entsprechenden Erwägungen im Nachprüfungsverfahren in zulässiger Weise und hinreichend dokumentiert nachgeholt hat. Auch im Vergabenachprüfungsverfahren können Gründe nachgeschoben werden, wobei der Dokumentationspflicht genügt ist, wenn dies in anwaltlichen Schriftsätzen erfolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Juli 2010, Verg 19/10, zitiert nach [...], Rdnr. 150; diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum Senatsbeschluss vom 11.02.2010, 13 Verg 16/09, zitiert nach [...], Rdnr. 34 ff.: Dort ging es allein um die nachträgliche Dokumentation, während vorliegend auch die eigentliche (Ermessens-)Entscheidung selbst nachgeholt wird). Hier hat die Antragsgegnerin in ihren anwaltlichen Schriftsätzen vom 20. Juli 2010 an die Vergabekammer und vom 6. Dezember 2010 an den Senat ausgeführt, dass und aus welchen Gründen das Gesamtbudget nicht erhöht werden konnte und dass den Interessen der Antragstellerin deshalb wenig Gewicht beizumessen sei, weil die Aufwendungen für das vorliegende Verhandlungsverfahren im Hinblick auf das vorangegangene nicht offene Verfahren gering gewesen seien. Dies ist für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung ausreichend."
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat auch die Auftraggeberin im vorliegenden Fall die versäumte Ausübung ihres Auswahlermessens nachgeholt und ihre Entscheidung für eine Fortführung des Vergabeverfahrens ohne Berücksichtigung der Nebenangebote hinreichend begründet. Auch eine "Ermessensreduzierung auf 0" zugunsten einer Rückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe, bestand vorliegend nicht.
Der Nachprüfungsantrag war daher hinsichtlich beider verfahrensgegenständlicher Lose als unbegründet zurückzuweisen.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx EUR (brutto). Dieser Wert entspricht der Summe der Angebotspreise der Antragstellerin auf die streitbefangenen Lose unter Berücksichtigung des von ihr mit dem Nebenangebot angebotenen Nachlasses und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der z. Zt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten für Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war.
Beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die insbesondere in jüngster Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, und durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist.
Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion besonderen rechtskundigen Beistandes, weil es sich im vorliegenden Fall um nicht einfach gelagerte Rechtsfragen handelt. Dies gilt vor allem für den Umgang mit der zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht bekannten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vom 18.10.2010, welche die Auftraggeberin vor das besondere Problem stellte, ein von ihr ausdrücklich zugelassenes Nebenangebot nicht mehr werten zu dürfen. Hinzu kommen weitere Schwierigkeiten durch die uneinheitliche Rechtsprechung zu Fragen der Berücksichtigung von Loskombinationen.
Kosten der Beigeladenen zu 2:
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen zu 2 folgt aus analoger Anwendung des§ 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".
Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).
Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu 2 zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx.
IV. Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden.
...
Rohn
Dierks