Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 14.04.2011, Az.: VgK-09/2011

Zulässigkeit der Aufhebung eines Vergabeverfahrens bei subjektiv zu hoch empfundenen Preis für das niedrigste Angebot; Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens bei Wechsel von Leasing zum Kauf von IT-Endgeräten; Begrenzung des Anspruchs auf Fortführung eines Vergabeverfahrens durch den fehlenden Kontrahierungszwang des öffentlichen Auftraggebers

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
14.04.2011
Aktenzeichen
VgK-09/2011
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 21524
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabeverfahren "Rahmenvertrag zum Leasing von handelsüblichen IT-Endgeräten für die Universität xxxxxx"

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Sameluck,
auf die mündliche Verhandlung vom 07.04.2011
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben vom 24.02.2011 erklärte Aufhebung der Ausschreibung vom xxxxxx.2010 rechtswidrig war und die Rechte der Antragstellerin verletzt hat.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zu 1/3 und die Auftraggeberin zu 2/3. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

Begründung

1

I.

Die Universität xxxxxx plant die Beschaffung neuer PC-Systeme. Zur Vorbereitung der Beschaffung holte sie Preisauskünfte für die zu beschaffenden Geräte ein und verglich die Wirtschaftlichkeit eines Kaufs mit Eigenfinanzierung mit einer Leasinglösung. Zur Markterkundung bat sie die Antragstellerin um ein Leasingangebot und gab hierfür Art und Anzahl der zu beschaffenden Hardware, deren Nettoeinzelpreise und als Nutzungsdauer einen Zeitraum von 48 Monaten vor. Die Antragstellerin legte daraufhin ihr freibleibendes Miet-/Leasingangebot "Beschaffung PC-Systeme" vom 03.06.2010 vor. Ausgehend von den nach den Nettoeinzelpreisen errechneten Nettoinvestitionskosten von xxxxxx EUR zuzüglich Dienstleistungen bot sie für die Mindestmietzeit von 48 Monaten einen monatlichen Miet-/Leasingpreis in Euro netto für jedes der benötigten Geräte an.

2

In ihrer Notiz vom 02.07.2010 hat die Auftraggeberin Kauf und Eigenfinanzierung der Geräte und Leasing auf der Basis des Angebotes der Antragstellerin vom 03.06.2010 für einen Vergleich zusammengestellt. Für Kauf und Eigenfinanzierung der PCs errechnete sie aus den Stückpreisen brutto, der erforderlichen Anzahl und der Nutzungsdauer von vier Jahren eine jährliche AfA auf Investition in Höhe von insgesamt xxxxxx EUR. Dazu war vermerkt "Installation, Abbau und Datenlöschung durch eigenes Personal". Für das Leasing errechnete sie nach den von der Antragstellerin angebotenen Miet-/Leasingpreisen jährliche Kosten in Höhe von insgesamt xxxxxx EUR. Dazu vermerkte sie "inklusive Installation und Abbau, exklusive Datenlöschung und Elektronikversicherung". Zum Vergleich wurde notiert: "Das neue Angebot von xxxxxx beinhaltet unsere Anforderungen an die diversen Leistungsklassen der PC und läuft über 48 Monate. Die Aufrechnung von Investition zum Leasing inkl. Installation und Abbau ergibt einen positiven Businesscase." Als wirtschaftliche Relation zwischen Leasing und Kauf ermittelte sie für das Leasingangebot vom 03.06.2010 einen Wert von 95% gegenüber 100% bei Kauf und Eigenfinanzierung.

3

In der Vergabeakte befindet sich eine Notiz über ein Gespräch mit der Antragstellerin am 30.08.2010. Als Ergebnis wurde festgehalten: "Gemeinsam mit xxxxxx wurde das Angebot und der Businesscase besprochen. Der von den IT-Diensten ermittelte Businesscase ist korrekt abgebildet. xxxxxx schlägt die Möglichkeit eines Studenten-Notebooks auf Leasingbasis vor. Unterlagen werden noch zugesandt."

4

In einem Vermerk vom 12.11.2010 stellt die Auftraggeberin fest, dass man für die Beschaffung die Unterstützung einer hierfür spezialisierten Beratungsfirma benötige und sich entschieden habe, diesbezüglich ein Angebot der Firma xxxxxx anzunehmen. Der Vergabeakte sind Rechnungen der Firma xxxxxx vom 08.11.2010 und vom 30.12.2010 für Beratungsleistungen bis zur Bekanntmachung beigefügt. Ebenfalls beigefügt ist der Vergabeakte eine Erklärung der Firma xxxxxx zu § 16 Vergabeverordnung.

5

Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 wurde schließlich das Vergabeverfahren "Rahmenvereinbarung zum Leasing von handelsüblichen IT-Endgeräten, wie Server, Speichereinheiten, Personalcomputer, Bildschirme, Notebooks, Scanner und Drucker für die Universität xxxxxx" als offenes Verfahren ausgeschrieben. Die Laufzeit der Rahmenvereinbarung soll 24 Monate betragen mit Option zur Verlängerung. Als geschätzter Gesamtwert des Auftrags über die Gesamtlaufzeit der Rahmenvereinbarung wurde ein Betrag von

6

xxxxxx EUR ohne MwSt. angegeben. Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen, Nebenangebote sind nicht zugelassen. Als Zuschlagskriterien wurden bekannt gegeben:

  1. 1.

    Abwicklung. Gewichtung 20

  2. 2.

    Logistikleistung. Gewichtung 35

  3. 3.

    Assetmanagement. Gewichtung 20

  4. 4.

    Datensicherheit/Datenlöschung. Gewichtung 25

7

Angebotsschluss war der 04.02.2011.

8

Nach den Vergabeunterlagen sind Gegenstand des Leasingrahmenvertrages Server, PCs, Notebooks, Monitore u.a., die erforderlichen Betriebssysteme sowie Garantieleistungen, Liefer- und Roll-out-Leistungen. Zugesichert wird eine Mindestabnahmemenge von xxxxxx EUR pro Jahr. Als optionale Höchstmenge werden xxxxxx EUR pro Jahr angegeben. Die geschätzte Abnahmemenge beträgt xxxxxx EUR. Beitrittsberechtigt ist die xxxxxx. Der Leasingrahmenvertrag soll für den Zeitraum von 24 Monaten, beginnend am 01.04.2011 abgeschlossen werden, mit der Option zu zweimaliger Verlängerung um jeweils 12 Monate.

9

Der Vertrag umfasst einzelne Leasingscheine mit einer Laufzeit von jeweils 36, 48 oder 60 Monaten. Er enthält keine Kaufübernahmeoption und kein Andienungsrecht. Das Restwertrisiko trägt der Leasinggeber. Art, Menge und technische Ausstattung der Leasingobjekte sowie Lieferanten werden vom Leasingnehmer (AG) ausgewählt und dem Leasinggeber benannt. Der Leasinggeber stellt Leasingscheine für Leasingobjekte zu Mindestleasingzeiten von 36, 48 oder 60 Monaten aus. Der Leasingnehmer stimmt verantwortlich die Lieferung der Leasingobjekte mit dem Lieferanten ab. Die Gefahr der Lieferung und Installation trägt der Leasingnehmer.

10

Zur Eintragung der Angebotspreise sind den Vergabeunterlagen sechs Preisblätter beigefügt. Die Preisblätter PB1, PB2 und PB3 beziehen sich auf alle IT-Standardkomponenten exklusive PCs zu Mindestleasingzeiten von 36, 48 und 60 Monaten. Sie beinhalten keine Roll-out-Leistungen. Die Preisblätter PB1a, PB2a und PB3a beziehen sich ausschließlich auf das Leasing von PCs zu Mindestleasingzeiten von 36, 48 und 60 Monaten incl. Leistung des Roll-outs.

11

Unter Ziffer 3.13 der Leistungsbeschreibung hat sich die Auftraggeberin - unter den Voraussetzungen des § 20 EG VOL/A - die Aufhebung der Ausschreibung vorbehalten.

12

Ziffer 5 der Leistungsbeschreibung präzisiert die beabsichtigte Wertung nach Maßgabe der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien. Hiernach soll die erweiterte Richtwertmethode gemäß UfAB V mit einer Schwankungsbreite von 7% angewandt werden. In die Endauswahl, bei der ausschließlich die für die Zuschlagskriterien erreichten Leistungspunkte maßgeblich sein sollen, kommen alle Angebote, deren Preis-Leistungsverhältnis innerhalb des Schwankungsbereiches von 7% liegt. Der für die Kennzahl des Preis-Leistungsverhältnisses einzusetzende Gesamtpreis wird nach den Angaben in den Preisblättern unter Zugrundelegung der dort angegebenen Investitionssummen ermittelt.

13

Die Vergabeunterlagen wurden von insgesamt 20 Wirtschaftsteilnehmern angefordert. Innerhalb der Angebotsphase gingen mehrere Bieteranfragen zu den Vergabeunterlagen ein. Von zwei Wirtschaftsteilnehmern wurde hierbei auf eine mehrheitliche Beteiligung der Antragstellerin an der beratenden xxxxxx hingewiesen und bemerkt, dass der Inhalt der Vergabeunterlagen aus anderen öffentlichen Ausschreibungen bekannt und inhaltlich auf das Geschäftsmodell der Antragstellerin zugeschnitten sei.

14

Die Anfragen wurden durch ein per E-Mail versandtes Bieterrundschreiben beantwortet. Zum Hinweis auf die Beteiligungsverhältnisse der Firma xxxxxx und ihren möglichen Verflechtungen mit der Antragstellerin teilte die Auftraggeberin mit:

"Die Ausschreibung bildet ausschließlich den Willen der ausschreibenden Stelle und nicht den eines Beratungsunternehmens ab. Die Vergabeunterlagen wurden gemeinsam mit der Beratungsfirma nach unseren Vorgaben erarbeitet und nicht von dieser "bereitgestellt". Die Beratungsleistung des Unternehmens war vor Ingangsetzung des Vergabeverfahrens bereits abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war weder der Universität xxxxxx noch dem beratenden Unternehmen bekannt, welche Firmen sich auf die ausgeschriebenen Leistungen bewerben werden. Da die Beratungsleistung bereits abgeschlossen war, ist die Hinzuziehung einer voreingenommenen Person nach § 16 VgV zu einer Entscheidung im Vergabeverfahren gar nicht möglich."

15

Nach Maßgabe des Eingangsvermerks über die Sammlung eingegangener Angebote und der Niederschrift über die Öffnung, Prüfung und Wertung von Angeboten (VOL) vom 15.02.2011 sind innerhalb der bis zum 11.02.2011 verlängerten Angebotsfrist insgesamt zwei Angebote eingegangen, hierunter das Angebot der Antragstellerin.

16

Der Vergabeakte ist ein Vermerk über die Durchführung eines technischen Klärungsgespräches am 22.02.2011 mit der Antragstellerin beigefügt. Anlass für dieses Klärungsgespräch war die Feststellung der Auftraggeberin, dass die Antragstellerin mit ihrem Angebot vom 10.02.2011 deutlich höhere Preise angeboten habe als im Angebot vom 03.06.2010. Die Antragstellerin erklärte die höheren Preise mit der Einbeziehung einer monatlichen Logistikpauschale in Höhe von xxxxxx EUR pro Arbeitsplatz und mit der Einbeziehung einer - nach dem im Angebot beschriebenen Mietmodell vorgesehenen - Installationsphase, die pauschal mit einer Quartalsleasingrate in Rechnung gestellt werden soll.

17

Für die Auftraggeberin war diese Erklärung nicht nachvollziehbar. Sie vermerkte:

"Da die von uns festgestellte Widersprüchlichkeit hinsichtlich des Inhaltes des Angebotes von Seiten des Bieters nicht ausgeräumt werden konnte, endete das Gespräch ohne Ergebnis".

18

In der Vergabeakte befindet sich die Tabelle "Kostenvergleich Kauf/Leasing von IT-technischen Anlagen" vom 15.02.2011. In dem tabellarischen Kostenvergleich wurden berücksichtigt

  • die vom Auftraggeber ermittelten Kosten für Kauf und Eigenfinanzierung,

  • zwei Leasing-Angebote anderer Bieter aus dem Jahre 2010,

  • das Angebot der Antragstellerin vom 3. Juni 2010 und

  • ihr im Rahmen der Ausschreibung vorgelegtes Angebot vom 10. Februar 2011.

19

Der Vergleich der Angebote beschränkt sich auf die jährlichen Kosten für die anzuschaffenden PC. Als Vergleichswert für Kauf und Eigenfinanzierung wurde hierbei wiederum der Betrag von xxxxxx EUR eingesetzt. Für die Angebotsvariante der Antragstellerin vom 10.02.2011 "inklusive Datenlöschung nach BSI, exklusive Installation, Abbau und Elektronikversicherung" hatte die Auftraggeberin nach den Preisangaben im Preisblatt PB 2 jährliche Kosten in Höhe von xxxxxx EUR festgestellt und hierfür im Vergleich zu Kauf und Eigenfinanzierung eine Relation von 105% ermittelt. Für die Angebotsvariante "inklusive Installation, Abbau, Datenlöschung nach BSI und Elektronikversicherung" hatte sie nach den Preisangaben im Preisblatt 2 a jährliche Kosten von xxxxxx EUR und im Vergleich zu Kauf und Eigenfinanzierung eine Relation von 136% ermittelt.

20

Im Aktenvermerk vom 21.02.2011 hat die Auftraggeberin als Ergebnis der Wertung des Vergabeverfahrens der Ausschreibung Rahmenvertrag zum Leasing handelsüblicher IT-Hardware Folgendes festgehalten:

"Nach Durchführung der Wertungsstufen formelle rechnerische Prüfung, persönliche und fachliche Eignung, Preisprüfung und Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes komme ich zu dem Ergebnis, dass das Ergebnis um mehr als 30% über dem nach vorheriger Kostenschätzung festgestellten AnSatz 1iegt. Eine Auftragserteilung würde in diesem Falle gegen § 7 Landeshaushaltsordnung (Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit) verstoßen, weil eine Vergabe höhere Kosten verursachen würde als im Haushalt dafür zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde wird von einer Vergabe abgesehen und die Ausschreibung vollständig aufgehoben werden."

21

Mit Schreiben vom 24.02.2011 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass die Ausschreibung aufgehoben wird, da sie zu keinem wirtschaftlichen Ergebnis geführt habe.

22

Mit Schreiben vom 28.02.2011 rügte die Antragstellerin die Information über die Aufhebung als unzureichend. Die rein formelhafte Angabe, dass die Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis erbracht habe, reiche nicht aus. Weiterhin rügte sie die Entscheidung zur Aufhebung der Ausschreibung wegen Unwirtschaftlichkeit. Sie habe ein Angebot vorgelegt, welches den derzeitigen Marktverhältnissen entspreche. Eine Aufhebung aufgrund von Unwirtschaftlichkeit wäre nur möglich, wenn dieses Angebot in nicht unerheblichem Maße von einer objektiv korrekten Kostenschätzung abweichen würde. Vorsorglich wies sie darauf hin, dass Fehlkalkulationen bei der Schätzung der Ausschreibungskosten nicht zulasten des Auftragnehmers gehen dürften. Sie forderte die Auftraggeberin auf, die Aufhebungsentscheidung rückgängig zu machen und das Vergabeverfahren einem geordneten Ende zuzuführen.

23

Mit Rügeantwort vom 03.03.2011 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin u.a. mit:

"Die geplante Vergabe einer Rahmenvereinbarung zum Leasing von handelsüblicher IT-Hardware erfolgte im offenen Verfahren. Vor Einleitung des Vergabeverfahrens haben wir die zu vergebende Leistung ordnungsgemäß und sorgfältig kalkuliert. Wie bekannt, wurden wir sowohl hierbei als auch bei der Erstellung der Vertragsunterlagen von der Firma xxxxxx, beraten und unterstützt. Das ermittelte Kalkulationsergebnis war dann auch Grundlage für die Wahl des Vergabeverfahrens und für die Bereitstellung der einzuplanenden Haushaltsmittel. Im Rahmen der Wertung war festzustellen, dass kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt worden ist. Das Ergebnis der Ausschreibung liegt so weit über der vorgenommenen Kostenschätzung, dass die Finanzierung dieser Maßnahme nicht mehr gesichert ist. Das Vergabeverfahren ist daher aufgehoben worden."

24

Mit Schreiben vom 04.03.2011 wiederholte und bekräftigte die Antragstellerin ihre Rüge bezüglich des Aufhebungsgrundes. Hierzu teilte sie ergänzend mit: "In der von uns durchgeführten Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß der "Empfehlung zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in der Bundesverwaltung, insbesondere beim Einsatz der IT" (WiBe Fachkonzept IT 4.1-2007), herausgegeben vom Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik, kommen wir auf Basis unseres Angebotes und den zur Wirtschaftlichkeitsberechnung heranzuziehenden Zinsen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass unser Angebot für jede der abgeforderten Laufzeiten als wirtschaftlich anzusehen ist."

25

Mit Schriftsatz vom 14.03.2011, per Post eingegangen bei der Vergabekammer am 15.03.2011, beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihre unverzügliche Rüge vom 28.02.2011 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie hält die Aufhebung für vergaberechtswidrig, weil keine der in der VOL/A aufgeführten Aufhebungsgründe vorliegen. Gemessen an den "Empfehlungen zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in der Bundesverwaltung, insbesondere beim Einsatz der IT" (WiBe Fachkonzept IT 4.1 - 2007) habe sie ein durchaus wirtschaftliches Angebot kalkuliert. Dies gelte sowohl in Betrachtung der Marktsituation als auch im Vergleich zu einer alternativen Finanzierung durch Kauf der Geräte. Zum Nachweis hierfür legte sie als Anlage 8 entsprechende Berechnungen für eine Geräte-Nutzungsdauer von 3 Jahren, 4 Jahren und 5 Jahren vor. Hiernach wäre erst bei einer Nutzungsdauer von 60 Monaten der Kauf der Geräte wirtschaftlicher als eine Beschaffung im Wege des Leasing. Die Ausschreibung habe folglich durchaus zu einem wirtschaftlichen Ergebnis geführt.

26

Die Antragstellerin beantragt

  1. 1.

    die Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin im Vergabeverfahren "Rahmenvertrag zur Beschaffung von IT-Technik auf Kauf- und Leasingbasis" aufzuheben;

  2. 2.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer mit Zuschlag zu beenden;

  3. 3.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen;

  4. 4.

    hilfsweise:

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren von Beginn der Angebotswertung an fortzusetzen und dabei die Angebote vergaberechtskonform unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu prüfen und zu werten;

  5. 5.

    festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war.

27

Die Auftraggeberin beantragt

  1. 1.

    die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.

28

Sie hält die Anträge für unbegründet. Mit ihren Anträgen könne sich die Antragstellerin bereits deshalb nicht durchsetzen, weil die Aufhebung wirksam erfolgt sei und es zudem keinen Kontrahierungszwang gebe. Ein Auftraggeber könne eine Ausschreibung auch dann aufheben, wenn die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 lit c VOL/A EG nicht vorliegen, er aber einen anderen sachlich gerechtfertigten Grund für die Aufhebung hat.

29

Für die Beschaffung von notwendiger IT-Hardware stünden Haushaltsmittel in Höhe von xxxxxx EUR zur Verfügung. Im Vorfeld der Ausschreibung haben man aufgrund des zur Markterkundung eingeholten Angebotes der Antragstellerin vom 03.06.2010 die Hoffnung gehabt, durch Leasing der benötigten Hardware Mittel einzusparen und hiermit die Leistungsfähigkeit der IT-Dienste, z.B. durch Beschaffung weiterer Hardware, zu erhöhen. Diese Erwartung gründete insbesondere auf der im Angebot der Antragstellerin vom 03.06.2010 enthaltenen Optimierung der "Roll-out-Prozesse".

30

Die Auswertung der Ausschreibung habe jedoch ergeben, dass die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für eine Bezuschlagung des - einzig wertbaren - Angebotes der Antragstellerin nicht ausreichten. Ihr Angebot inkl. Dienstleistung überschreite den Betrag um xxxxxx EUR oder 36%, die Variante ohne Dienstleistungen liege um xxxxxx EUR oder 5% über dem zur Verfügung stehenden Betrag. Ein Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin würde dazu führen, dass mit den hierzu zur Verfügung gestellten Mitteln eine Beschaffung der Geräte nicht im erforderlichen Umfang erfolgen und ein ordnungsgemäßer Dienstbetrieb nicht mehr gewährleistet werden könne.

31

Aus diesem Grunde sei die Aufhebung sachlich gerechtfertigt.

32

Sie sei auch durch § 20 Abs. 1 lit c VOL/A gedeckt.

33

Grundlage der der Ausschreibung zugrunde liegenden Kostenschätzung sei das Angebot der Antragstellerin vom 03.06.2010 gewesen. Das Angebot, der hierin abgebildete Business Case und die Kostenschätzung seien Gegenstand des Gespräches mit der Antragstellerin am 30.08.2010 gewesen. Dies schließe eine von der Antragstellerin im Klärungsgespräch am 22.02.2011 behauptete Fehlinterpretation ihres Angebotes vom 03.06.2010 aus.

34

Ihre Kostenschätzung sei ordnungsgemäß und zutreffend gewesen.

35

Das Angebot der Antragstellerin vom 10.02.2011 liege - bezogen auf PC mit einer Laufzeit von 48 Monaten einschl. Dienstleistung - 41% über der Kostenschätzung. Die Beschaffung über den angebotenen Leasingrahmenvertrag sei im Ergebnis um 23,6% teurer als bei Kauf und Eigenfinanzierung. Ein solches Ergebnis sei unwirtschaftlich.

36

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 07.04.2011 Bezug genommen.

37

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und teilweise begründet. Die Antragsgegnerin hat das Vergabeverfahren zu Unrecht aufgehoben. Ihre Feststellung, dass die Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. c VOL/A-EG gehabt hat, ist in der vorliegenden Vergabeakte nicht in einer den Anforderungen des § 24 Abs. 2 lit. g VOL/A-EG genügenden Weise fundiert belegt und dokumentiert. Die Antragsgegnerin kann vorliegend nicht feststellen, dass das Angebot der Antragstellerin über dem Marktpreis liegt, weil sie im Vorfeld der Ausschreibung keine ordnungsgemäße Kostenschätzung erstellt hat, die alle wesentlichen Faktoren des konkret ausgeschriebenen Leasingvertrages enthält. Daher ist die Antragstellerin durch die Aufhebung in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Trotz der Rechtswidrigkeit der Aufhebung kann die Antragsgegnerin jedoch nicht zur Fortführung des Vergabeverfahrens angewiesen werden, weil die Antragsgegnerin nicht mehr an ihrer Vergabeabsicht in der konkreten Form festhält. Denn die Antragsgegnerin hat endgültig von dem ursprünglich beabsichtigten Abschluss eines Leasingvertrages Abstand genommen und beabsichtigt nunmehr, die benötigten handelsüblichen IT-Endgeräte käuflich zu erwerben. In diesem Umfang ist der Nachprüfungsantrag daher unbegründet.

38

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragsgegnerin ist eine Universität in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts und damit eine juristische Person, die im allgemeinen Interesse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art erfüllt. Sie wird vom Land Niedersachsen als Gebietskörperschaft im Sinne von § 98 Nr. 1 GWB überwiegend finanziert und unterliegt daher als Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB dem Vergaberecht. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um eine Rahmenvereinbarung zum Leasing von handelsüblichen IT-Endgeräten wie Server, Speichereinheiten, Personalcomputer, Bildschirme, Notebooks, Scanner und Drucker und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gemäß § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 193.000 EUR gilt. Der von der Antragsgegnerin gemäß § 1 VgV vorab geschätzte Wert des Gesamtauftrags beträgt gemäß II.1.4 der Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 über die ausgeschriebene Gesamtlaufzeit der Rahmenvereinbarung xxxxxx EUR netto.

39

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterunternehmen im aufgehobenen Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, dass die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren zu Unrecht aufgehoben hat. Die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte Aufhebung wegen des fehlenden wirtschaftlichen Ergebnisses der Ausschreibung gemäß § 20 Abs. 1 lit. c VOL/A-EG liegen nach ihrer Auffassung nicht vor.

40

Die Antragsbefugnis entfällt nicht bereits deswegen, weil die Antragsgegnerin das streitbefangene Vergabeverfahren bereits vor Stellung des Nachprüfungsantrages gemäß § 20 Abs. 1 lit. c VOL/A-EG aufgehoben hat. Nach dem Beschluss des BGH vom 18.02.2003, Az.: X ZB 43/02 ("Jugendstrafanstalt"; vgl. VergabeR 3/2003, S. 313 ff.), kann ein Bieter auch dann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber die Ausschreibung für einen öffentlichen Auftrag bereits aufgehoben hat, noch in zulässigerweise die Vergabekammer anrufen und geltend machen, durch Nichtbeachtung der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschrift in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein. Zwar kann auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in Ausnahmefällen eine "Aufhebung der Aufhebung" erreicht werden. Eine solche Rückgängigmachung der Aufhebung kommt nur bei fortbestehendem Vergabewillen des Auftraggebers in Betracht. Diese Auffassung stützt der Bundesgerichtshof maßgeblich auf die Feststellung, dass ein Auftraggeber nach wie vor nicht zur Zuschlagserteilung gezwungen werden kann und darf, selbst wenn er im Ergebnis nach den maßgeblichen Vorschriften keinen Grund zur Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens hat (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 22.05.2003, Az.: 13 Verg 9/03; OLG Koblenz, Beschluss vom 23.12.2003, Az.: 1 Verg 8/03). Daher kann eine Vergabekammer überhaupt nur dann eine "Aufhebung der Aufhebung" anordnen, wenn der Vergabewille der Vergabestelle unverändert fortbesteht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.01.2005, Az: VII-Verg 72/04). Vorliegend bestreitet die Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin endgültig Abstand von ihrer Vergabeabsicht genommen hat. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren die Auffassung vertreten, dass die unbestrittene Tatsache, dass die Antragsgegnerin die benötigten IT-Endgeräte nunmehr nicht mehr im Rahmen eines Leasingvertrages, sondern im Rahmen eines Kaufvertrages beschaffen will, nicht als endgültiges Abstandnehmen von der Vergabeabsicht zu werten ist. Ob diese Auffassung zutrifft, ist im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrags zu entscheiden. Unabhängig davon hat die Antragstellerin eine Antragsbefugnis für den von ihr gestellten Antrag zu 5, festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03; Möllenkamp in Kulartz/Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (= BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, dass sie bei Fortführung des Vergabeverfahrens eine Chance auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass ein Antragsteller schlüssig, darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten würde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg 1/99).

41

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht aus § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragsgegnerin hatte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.02.2011 darüber informiert, dass die Ausschreibung ausgehoben wird, da sie zu keinem wirtschaftlichen Ergebnis geführt habe. Bereits mit Schreiben vom 28.02.2011 rügte die Antragstellerin daraufhin die Information über die Aufhebung als unzureichend. Die rein formelhafte Angabe, dass die Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis erbracht habe, reiche nicht aus. Die Aufhebung sei auch ungerechtfertigt. Sie habe ein Angebot vorgelegt, welches den derzeitigen Marktverhältnissen entspreche. Die Rüge erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB.

42

2.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil die Aufhebung der Ausschreibung zu Unrecht erfolgt ist. Die Antragsgegnerin kann die Aufhebung vorliegend nicht darauf stützen, dass die Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. c VOL/A-EG gehabt hat. Es ist vorliegend nicht auszuschließen, dass das Angebot der Antragstellerin den gegebenen Marktverhältnissen entspricht, denn die Antragsgegnerin hat ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte nicht belegt, dass sie die voraussichtlichen Kosten für die Ausführung der Leistung vorab ordnungsgemäß kalkuliert hat (im Folgenden a). Soweit die Antragstellerin dagegen darüber hinaus beantragt, die Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren - ggf. vom Beginn der Angebotswertung an - fortzusetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer mit Zuschlag zu beenden, ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Antragsgegnerin darf trotz Rechtswidrigkeit der Aufhebung nicht zur Fortführung des Vergabeverfahrens angewiesen werden, weil sie in ihrer Vergabeabsicht in der konkreten Form nicht mehr festhält. Sie beabsichtigt stattdessen, ihren verfahrensgegenständlichen Bedarf an handelsüblichen IT-Endgeräten nunmehr im Wege eines Kaufvertrages zu decken. Während Gegenstand des aufgehobenen Vergabeverfahrens ausdrücklich eine Rahmenvereinbarung zum Leasing von IT-Endgeräten war, bedarf es zum nunmehr beabsichtigten Kauf eines neuen Vergabeverfahrens (im Folgenden b).

43

a)

Die Ausschreibung ist vergaberechtswidrig aufgehoben worden, weil der von der Auftraggeberin zugrunde gelegte Aufhebungsgrund nach § 20 Abs. 1 lit. c VOL/A-EG nicht vorlag. Die Antragsgegnerin hat vorliegend nicht den ihr obliegenden Nachweis geführt, dass die Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass das Angebot der Antragstellerin den Marktverhältnissen entspricht, da die Auftraggeberin die Kosten für den Beschaffungsbedarf zu den konkret ausgeschriebenen Konditionen ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte vorab nicht vollständig und ordnungsgemäß kalkuliert hat. Gemäß § 20 Abs. 1 lit. c VOL/A-EG können Vergabeverfahren aufgehoben werden, wenn sie kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt haben. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ist ausschließlich und vollständig auf der Grundlage der gemäß § 17 Abs. 7 VOL/A in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zuvor festgelegten und bekannt gemachten Zuschlagskriterien durchzuführen. Nach der Erläuterung des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Leistungen (DVAL) zu § 18 Abs. 1 VOL/A ist das wirtschaftlichste Angebot dasjenige, bei dem das günstigste Verhältnis zwischen der gewünschten Leistung und dem angebotenen Preis erzielt wird. Erkennt der Auftraggeber im Rahmen der Wertung, dass keines der abgegebenen Angebote diese Voraussetzungen erfüllt und somit eine nach Haushaltsrecht (§ 7 BHO und vergleichbare Landesregelungen in den Landeshaushaltsordnungen) erforderliche wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Haushaltsmittel nicht möglich ist, kann er die Ausschreibung aufheben. Dies kann wiederum dann der Fall sein, wenn selbst das Mindestangebot als zu hoch befunden wird (vgl. Erläuterungen des DVAL zu § 17 Abs. 1 lit. c VOL/A; Fett in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 2. Auflage, 8. Los, § 17 VOL/A, Rdnr. 10). Dabei ist der Aufhebungsgrund der mangelnden Wirtschaftlichkeit jedoch nicht gegeben, wenn der Auftraggeber den Preis nur subjektiv für überhöht hält, obwohl er den gegebenen Marktverhältnissen entspricht. Voraussetzung für eine Aufhebung der Ausschreibung bei einem nicht wirtschaftlichen Ergebnis ist stets, dass der Auftraggeber die Kosten für die Ausführung der Leistung vorab ordnungsgemäß kalkuliert hat (vgl. VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2008, 1VK 39/08; VK Südbayern, Beschluss vom 21.08.2003, 32-07/03 = IBR 2004, S. 41; VK Bund, Beschluss vom 11.06.2008 - VK1-63/08). Will ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren aufheben, weil selbst das niedrigste Angebot unangemessen hoch ist, so trifft ihn insoweit die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Portz in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 17, Rdnr. 34, m.w.N.). Zwar resultiert aus der Einleitung eines Vergabeverfahrens für die öffentliche Hand kein Zwang zur Erteilung des Zuschlags bzw. zum Vertragsschluss. Grundsätzlich steht es dem Auftraggeber frei, das einmal eingeleitete Vergabeverfahren auch anders als durch eine Zuschlagserteilung zu beenden. Dies ist Ausfluss der Vertrags(abschluss)freiheit des öffentlichen Auftraggebers, also der Privatautonomie (vgl. Dieck-Bogatzke, Probleme der Aufhebung der Ausschreibung, VergabeR 2a/2008, S. 392). Grundsätzlich aber kann ein Bieter darauf vertrauen, dass ein einmal eingeleitetes Vergabeverfahren regelmäßig mit dem Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot gemäß § 21 Abs. 1 VOL/A-EG beendet wird. Die in § 20 VOL/A-EG festgelegten Voraussetzungen für die Aufhebung der Ausschreibung stellen daher die Ausnahme vom Regelfall dar. Eine Aufhebung der Ausschreibung kann letztlich nur das letzte Mittel sein, wenn weniger einschneidende Alternativen nicht zweckmäßig sind.

44

Eine Ausschreibung führt dann zu keinem wirtschaftlichen Ergebnis, wenn keines der Angebote ein günstiges Preis-Leistungsverhältnis aufweist (vgl. VK Bund, Beschluss vom 11.06.2008, VK1-63/08; VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2009, VK1-39/09, zitiert nach VERIS). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn selbst das Mindestgebot nicht unwesentlich über dem Marktpreis liegt (vgl. Lischka in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 20 VOL/A-EG, Rdnr. 51). Der Marktpreis ist durch eine ordnungsgemäße Kostenschätzung des Auftraggebers zu ermitteln (vgl. VK Bund, Beschluss vom 11.06.2008, VK1-63/08). Unterstützend können aktuelle Preise bei vergleichbaren Projekten hinzugezogen werden (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 12.09.2005 - 2 Verg 14/05). Überschreitet der im Rahmen der Ausschreibung angebotene niedrigste Preis erheblich den durch eine ordnungsgemäße Kostenschätzung des Auftraggebers ermittelten Marktpreis, so ist der Auftraggeber vor dem Hintergrund des haushaltsrechtlichen Gebots der sparsamen Mittelverwendung nicht gezwungen, den Zuschlag auf ein Angebot zu erteilen, das erheblich über seinem veranschlagten KostenanSatz 1iegt. Auch ein Bieter, der das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, kann in diesen Fällen von vornherein nicht darauf vertrauen, dass ihm der ausgeschriebene Auftrag erteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2002 - X ZR 232/00). Eine - berechtigte - Aufhebung des Vergabeverfahrens mangels wirtschaftlichen Ergebnisses scheidet jedoch aus, wenn der Auftraggeber die Kostenschätzung nicht oder nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2002 - X ZR 232/00 = VergabeR 2003, S. 163 ff. (164); Lischka, a.a.O., § 20 VOL/A-EG, Rdnr. 54).

45

Vorliegend genügt die in der Vergabeakte dokumentierte ex-ante-Kostenschätzung der Antragsgegnerin nicht den Anforderungen an eine mit der erforderlichen Sorgfalt erstellten Kostenschätzung. Die Antragsgegnerin hat zwar in nicht zu beanstandender Weise im Vorfeld der Ausschreibung eine Markterkundung durchgeführt und im Rahmen dieser Markterkundung ein freibleibendes Miet-/Leasingangebot "Beschaffung PC-Systeme" vom 03.06.2010 bei der Antragstellerin eingeholt, um insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit eines Kaufs mit Eigenfinanzierung mit einer Leasinglösung vergleichen zu können. Bereits bei diesem grundlegenden Vergleich ist der Antragsgegnerin jedoch ein erheblicher Fehler unterlaufen. Sie hat die auf Basis des freibleibenden Angebotes der Antragstellerin ermittelten Leasingkosten in Höhe von xxxxxx EUR netto pro Jahr zwar mit dem Investitionsbedarf im Falle eines Kaufs mit Eigenfinanzierung verglichen. Sie hat dem Nettoleasingpreis jedoch irrtümlicherweise den Bruttoinvestitionsbedarf in Höhe von xxxxxx EUR gegenübergestellt. Nur dadurch gelangte sie zu dem Schluss, dass die Deckung des Beschaffungsbedarfs im Wege eines Leasingvertrages wirtschaftlicher sein musste als der Kauf der IT-Endgeräte im Wege der Eigenfinanzierung mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln. Denn der Nettoinvestitionsbedarf pro Jahr betrug auf Basis der von der Auftraggeberin durchgeführten Schätzung nur xxxxxx EUR p.a. gegenüber den Leasingkosten auf Basis des freibleibenden Angebotes der Antragstellerin vom 03.06.2010 in Höhe von xxxxxx EUR netto pro Jahr. Dieser fehlerhafte Ansatz für die Vergleichberechnung war offensichtlich maßgebend für die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Beschaffung im Wege eines Rahmenvertrages auf Leasingbasis auszuschreiben.

46

Da vorliegend ausschließlich ein Leasingmodell ausgeschrieben wurde, muss der Kostenansatz der Antragsgegnerin für die Beschaffung im Wege eines Kaufs für die Frage der Wirtschaftlichkeit des Ergebnisses der Ausschreibung jedoch außer Betracht bleiben. Maßgeblich ist allein ein Vergleich zwischen dem Ergebnis der Ausschreibung und der von der Antragsgegnerin auf der Basis des im Rahmen der Marktrecherche eingeholten freibleibenden Angebotes der Antragstellerin vom 03.06.2010 ermittelten Kosten in Höhe von xxxxxx EUR netto pro Jahr. Da die Auftraggeberin auf Basis des im Rahmen der Ausschreibung gewerteten Angebotes der Antragstellerin vom 10.02.2011 in nicht zu beanstandender und unstreitiger Weise Kosten in Höhe von xxxxxx EUR netto pro Jahr ermittelt hat, beträgt die Differenz im Vergleich zum freibleibenden Angebot der Antragstellerin vom 03.06.2010 und damit zur Kostenschätzung der Antragsgegnerin 23%.

47

Ab welcher Größenordnung ein Angebotspreis als unangemessen hoch und damit wegen Fehlens eines wirtschaftlichen Ergebnisses zur berechtigten Aufhebung führen kann, ist nicht mittels eines festen Prozentsatzes der Abweichung des Angebotes vom Marktpreis zu bestimmen. Entscheidend ist vielmehr stets eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. Portz, a.a.O., § 17 VOL/A, Rdnr. 34, m.w.N.). Das OLG München, Beschluss vom 02.06.2006 - Verg 12/06, hat in einem Fall bereits eine 10%ige Überschreitung einer ordnungsgemäßen Kostenschätzung als unangemessen hohen Preis bewertet. Das OLG Frankfurt/Main (Beschluss vom 28.06.2005 - 11 Verg 21/04) ist von einem unwirtschaftlichen Ergebnis ausgegangen, weil der Preis um mehr als 23% von der Kostenschätzung des Auftraggebers abgewichen ist. In beiden Fällen war ein maßgebliches Missverhältnis zwischen Preis und Leistung auf der Grundlage einer objektiv richtigen Kostenschätzung des Auftraggebers festgestellt worden. Für sich genommen ist daher auch die von der Antragsgegnerin festgestellte Differenz in dem Angebotspreis der Antragstellerin vom 10.02.2011 und den ermittelten Kosten auf Basis des im Wege der Marktrecherche eingeholten freibleibenden Angebotes der Antragstellerin vom 03.06.2010 in Höhe von 23% als erhebliche Kostenüberschreitung zu werten.

48

Die Antragstellerin hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass beide Angebote nur eingeschränkt vergleichbar sind, weil die Antragstellerin im Rahmen des Vergabeverfahrens zum Teil andere Kalkulationsgrundlagen berücksichtigen musste als seinerzeit für das freibleibende Angebot im Rahmen der Marktrecherche.

49

Die Antragstellerin hatte in ihrem im Rahmen der Marktrecherche eingeholten freibleibenden Angebot vom 03.06.2010 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie bei ihrer Kalkulation von einem Mietmodell "Technologieaustausch" ausgegangen ist, bei dem sich an den eigentlichen Vertragszeitraum ein weiteres Quartal für eine Austauschphase anschließt, in der der Austausch der für eine Weiternutzung nicht vorgesehenen IT-Ausrüstung durchgeführt werden soll. Wörtlich heißt es im Angebot der Antragstellerin vom 03.06.2010:

"Während der Installationsphase (hier Migrationsphase) bestellt der Kunde beliebig viele Systeme. Erst am Ende dieser Phase erhält der Kunde einen Mietschein über alle im abgelaufenen Quartal installierten Systeme, ggf. gesondert nach Kostenstellen bzw. Konzerngesellschaften . Durch diese Vorgehensweise wird das Aufkommen an Einzelverträgen auf wenige Vorgänge pro Jahr verringert. Während der Installationsphase erhält der Kunde keine Mietrechnungen für die installierten Systeme. Mietbeginn für alle installierten Systeme ist der erste Kalendertag des nächsten Kalenderquartals. Während der Mindestmietzeit werden alle Systeme quartalsweise berechnet, was wiederum zur Vereinfachung der Abläufe in der Kreditorenbuchhaltung des Kunden führt.

Am Ende der Mietzeit schließt sich eine dreimonatige Austausch-/Migrationsphase für die installierten Systeme an. Der Austausch der für eine Weiternutzung nicht vorgesehenen IT-Ausrüstungen wird somit vom zeitlichen Ablaufplan - und technisch problemlos umsetzbar. ...

Ein Austauschquartal wird jeweils pauschal mit einer Quartalsmiet-/-leasingrate berechnet, so dass sich dadurch auf Basis einer Verzahnung auch für Migrationsphasen ein konstantes IT-Leasing-Budget in Höhe der Grundmietzeit ergibt (siehe vorstehende grafische Darstellung des Modells)."

50

Das Schreiben enthält eine grafische Darstellung zum Mietmodell "Technologieaustausch", in der sämtliche Phasen (Installations-, Miet- und Austauschphase) dargestellt sind. Auf die Bedeutung dieser Austausch- und Installationsphase im Anschluss an die Mietphase hat die Antragstellerin die Auftraggeberin auch im Rahmen des durchgeführten Aufklärungsgespräches am 22.02.2011 hingewiesen. Im Vermerk der Auftraggeberin vom 23.02.2011 über die Durchführung eines technischen Klärungsgesprächs am 22.02.2011 heißt es dazu:

"Hinsichtlich des von uns festgestellten Preisunterschiedes führte die Bieterseite zwei Punkte im Angebot an, die aufgrund einer Fehlinterpretation unsererseits für den Preisunterschied ursächlich seien.

Punkt 1: Im Angebot ist eine Logistikpauschale in Höhe von xxxxxx EUR pro Arbeitsplatz aufgeführt. Laut Angabe der Bieterseite sei dieser Betrag pro Monat pro Arbeitsplatz fällig.

Punkt 2: Das im Angebot beschriebene Mietmodell enthält neben der Mietphase eine sog. Installationsphase, in welcher die Geräte nach Ablauf der Mietphase ausgetauscht werden. Diese Installationsphase wird nach Angabe der Bieterseite laut Angebot pauschal mit einer Quartalsleasingrate berechnet."

51

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2011 darauf hingewiesen, dass die Auftraggeberin letztlich etwas anderes ausgeschrieben habe als damals Gegenstand des vorläufigen Angebotes vom 03.06.2010 gewesen sei. Dies gelte zum einen im Hinblick auf den zugrunde zu legenden sog. Roll-out. Im Rahmen des vorläufigen Angebotes sei sie beispielsweise von bis zu 8 PCs ausgegangen, die gleichzeitig geliefert und installiert werden könnten, während im Falle der Ausschreibung jeweils ein einzelnes Exemplar zugrunde zu legen war. Dies sei mit unterschiedlichen Kosten im Rahmen des Roll-out verbunden, die nach Auffassung der Antragstellerin auch kaufmännisch bei der Kalkulation berücksichtigt werden mussten. Ferner habe sie im Rahmen ihres vorläufigen Angebotes vom 03.06.2010 ausdrücklich ein Austauschquartal berücksichtigt, das über die Laufzeit von maximal 48 Monate hinaus geht, weil es sich an den Vertragszeitraum anschließt. In dieser Zeit könnten Investitionen getätigt werden, gleichzeitig aber würde der Vertrag für drei Monate pauschal weiterlaufen. Demgegenüber endet der nunmehr ausgeschriebene Vertrag auf Basis der Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich unmittelbar nach 48 Monaten. Die Antragsgegnerin hat eingeräumt, dass ein Austauschquartal ausdrücklich nur optional ausgeschrieben wurde. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer Kalkulation für das verbindliche Angebot in der vorliegenden Ausschreibung von der festen Vertragsdauer von 48 Monaten ausgegangen ist.

52

Angesichts dieser Unterschiede hinsichtlich einiger zumindest nicht unerheblicher Kalkulationsgrundlagen ist der Vergleich zwischen dem im Rahmen der Ausschreibung abgegebenen verbindlichen Angebot der Antragstellerin vom 10.02.2011 und dem im Rahmen der Marktrecherche eingeholten freibleibenden Angebot der Antragstellerin vom 03.06.2010 nicht geeignet zu belegen, dass das Mindestgebot im Vergabeverfahren den Marktpreis überschreitet. Die Auftraggeberin hat daher den ihr obliegenden Nachweis nicht erbracht, dass das Vergabeverfahren vorliegend kein wirtschaftliches Ergebnis im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. c VOL/A-EG gehabt hat. Hat der Auftraggeber die Kosten der ausgeschriebenen Leistung selbst bzw. durch einen beauftragten Dritten (z.B. Beratungsbüro oder Ingenieur) von vornherein fehlerhaft zu niedrig geschätzt und festgelegt, so hat er jedenfalls die Aufhebung des Vergabeverfahrens mangels wirtschaftlichen Ergebnisses selbst verschuldet (vgl. Portz, a.a.O., § 17 VOL/A, Rdnr. 35, m.w.N.; BGH, Urteil vom 08.09.1998, X ZR 99/96 = NJW 1998, S. 3640 [BGH 08.09.1998 - X ZR 99/96]). Fehler von Dritten, die der Auftraggeber mit der Kostenschätzung beauftragt hat, werden hierbei gemäß § 278 BGB zugerechnet (vgl. Lischka in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 20 VOL/A-EG, Rdnr. 54). Die Antragsgegnerin hat daher vorliegend nicht belegt, dass das Vergabeverfahren berechtigt im Sinne des § 20 VOL/A-EG aufgehoben wurde.

53

b)

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist aber gleichwohl rechtswirksam erfolgt. Soweit die Antragstellerin über die Feststellung der Rechtswidrigkeit hinaus beantragt, die Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren - ggf. vom Beginn der Angebotswertung an - fortzusetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer mit Zuschlag zu beenden, ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Der Anspruch auf Fortführung eines Vergabeverfahrens wird dadurch begrenzt, dass der öffentliche Auftraggeber keinem Kontrahierungszwang unterliegt. Niemand kann ihn dazu zwingen, einen bestimmten Vertrag mit einem Bieter abzuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.1998 - X ZR 48/97, Urteil vom 05.11.2002 - X ZR 232/00, Beschluss vom 18.02.2003 - X ZB 43/02; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.06.2005 - 11 Verg 21/04; OLG München, Beschluss vom 23.12.2010 - Verg 21/10, zitiert nach ibr-online). Dies ist Ausfluss der Vertrags(abschluss)freiheit des öffentlichen Auftraggebers und damit der Privatautonomie (vgl. Dieck-Bogatzke, Probleme der Aufhebung der Ausschreibung, VergabeR 2a/2008, S. 392). Eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Rückgängigmachung der Aufhebung und Fortführung des Vergabeverfahrens ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn der öffentliche Auftraggeber seine Absicht, die ausgeschriebene Leistung von Dritten zu beschaffen, unverändert aufrecht erhält und tatsächlich kein sachlich gerechtfertigter Grund sowie kein Aufhebungstatbestand nach § 20 VOL/A-EG (bzw. § 17 VOB/A) vorliegt. Voraussetzung für einen Anspruch auf Fortführung des Vergabeverfahrens mit erneuter Wertung der ursprünglichen Angebote, wie ihn die Antragstellerin geltend macht, ist in jedem Fall aber, dass der Auftraggeber an seiner Vergabeabsicht in der konkreten Form festgehalten hat und das Ausschreibungsverfahren mit einem Vertragsabschluss abschließen will (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.01.2005 - VII Verg 72/04 - zitiert nach VERIS).

54

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin vorliegend nicht an ihrer Vergabeabsicht in der konkreten Form festgehalten. Ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Aktenvermerks vom 21.02.2011 hat die Antragsgegnerin beschlossen, von einer Vergabe abzusehen und die Ausschreibung vollständig aufzuheben. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, die Auftragserteilung würde gegen § 7 Landeshaushaltsordnung (Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit) verstoßen, weil das durch das Vergabeverfahren erzielte Ergebnis über dem nach vorheriger Kostenschätzung festgestellten AnSatz 1iege und eine Vergabe höhere Kosten verursachen würde als dafür im Haushalt zur Verfügung stünden. Diese Aufhebung hat sie beiden am Vergabeverfahren beteiligten Bietern mit Schreiben vom 24.02.2011 mitgeteilt. Die Begründung hat die Antragsgegnerin gegenüber der Antragsstellerin vom 28.02.2011 noch einmal in einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk vom 01.03.2011 bekräftigt und die Rüge mit ausführlicherer Begründung mit Schreiben vom 03.03.2011 zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 04.04.2011 hat die Antragsgegnerin im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens unter Hinweis auf ihren Vermerk in der Vergabeakte vom 21.02.2011 darauf hingewiesen, dass sie auch in Zukunft keine Fortführung oder Neuauflage des Vergabeverfahrens beabsichtigt, weil sich herausgestellt habe, dass Leasing von IT-Hardware für sie im Verhältnis zum Kauf nicht wirtschaftlich sei. Sie hat ferner dargelegt, dass sie nach erneuter Prüfung der Vergabeakte und insbesondere der Kostenschätzung feststellt habe, dass sie bei der Berechnung der Kostenschätzung vom 02.07.2010 falsche Beschaffungspreise für den PC-Kauf eingesetzt habe. Bei Einsatz der richtigen Zahlen wäre ihr nach ihrer Darstellung schon zum damaligen Zeitpunkt deutlich gewesen, dass das Leasing im Verhältnis zum Kauf nicht wirtschaftlich gewesen wäre und deshalb nicht ausgeschrieben worden wäre. In der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2011 hat die Antragsgegnerin noch einmal bekräftigt, dass sie vom Leasingmodell Abstand nimmt und die benötigten IT-Endgeräte künftig kaufen will. Sämtliche im Rahmen der Leasingausschreibung enthaltenen Servicedienstleistungen wie Installation, Abbau und Datenlöschung will sie durch ihr eigenes Personal erbringen. Damit hat die Antragsgegnerin von ihrer konkreten Vergabeabsicht, nämlich dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung zum Leasing von handelsüblichen IT-Geräten inklusive weiterer Dienstleistungen, endgültig Abstand genommen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Abschluss eines Kaufvertrages oder von Kaufverträgen für die Deckung des nach wie vor bei der Antragsgegnerin bestehenden Bedarfs an IT-Endgeräten nicht lediglich als "andere Finanzierungsform" im Vergleich zum ursprünglich beabsichtigten Abschluss eines Leasingvertrages zu werten. Dies folgt schon daraus, dass die Antragsgegnerin im Falle des käuflichen Erwerbs Eigentümerin der IT-Endgeräte wird, was im Falle des hier konkret ausgeschriebenen Leasingvertragsverhältnisses nicht einmal nach Abschluss des Leasingvertragsverhältnisses vorgesehen ist. Darüber hinaus entscheidet sich die nunmehr von der Antragsgegnerin favorisierte Beschaffungsvariante dadurch, dass sie die oben beschriebenen Serviceleistungen durch eigenes Personal erbringen will und diese Leistungen der aufgehobenen Ausschreibung ebenfalls Vertragsgegenstand sein sollten.

55

Einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Fortführung des Vergabeverfahrens steht vorliegend darüber hinaus entgegen, dass die Aufhebung aus Gründen erfolgt ist, die zwar nicht den Anforderungen des § 20 VOL/A-EG genügen, aber als anerkennenswerter sachlicher Grund für eine Aufhebung zu bewerten ist. Denn die Antragsgegnerin hat zu Recht und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass sie sich von vornherein nicht für die Ausschreibung eines Leasingmodells, sondern für einen Kauf entschieden hätte, wenn ihr bei ihrer Vergleichsberechnung vom 02.07.2010 bei den Kosten von Kauf und Eigenfinanzierung der Geräte einerseits und Leasing auf Basis des Angebotes der Antragstellerin vom 03.06.2010 andererseits nicht der Fehler unterlaufen wäre, dass sie dem Nettoleasingpreis auf Basis des Angebots der Antragstellerin in Höhe von xxxxxx EUR pro Jahr einen Investitionsbedarf von xxxxxx EUR brutto für die Kaufvariante gegenübergestellt hat. Da der Investitionsbedarf für die Kaufvariante auf Basis dieser Berechnung der Auftraggeberin seinerzeit tatsächlich nur xxxxx EUR netto betragen hätte, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin sich bei Einsatz der richtigen Zahlen zum damaligen Zeitpunkt entschieden hätte, den Beschaffungsbedarf nicht im Wege eines Leasingvertrages zu decken - wenn sie nicht brutto und netto verwechselt hätte.

56

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war und ist die Antragsgegnerin auch nicht gehalten, einen Wirtschaftlichkeitsvergleich beider Modelle auf Basis der "Empfehlungen zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in der Bundesverwaltung, insbesondere beim Einsatz der IT" (WiBe Fachkonzept IT 4.1 - 2007) durchzuführen, was nach dem Vortrag und den Berechnungen der Antragstellerin dazu führen würde, dass die Antragsgegnerin bei gleichem Kapitaleinsatz im Rahmen des Leasingvertrages mehr Leistungen erhalten würde als im Rahmen eines Kaufvertrages. Das WiBe Fachkonzept IT 4.1 - 2007 ist für die öffentlichen Auftraggeber nicht verbindlich. Es handelt sich ausdrücklich nur um eine Empfehlung, die zudem ausschließlich für die Bundesverwaltung verfasst wurde. Die Antragsgegnerin darf und muss ihrer Beschaffung eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde legen, die die Vorgaben der Landeshaushaltsordnung (LHO) beachtet.

57

Bei den anerkennenswerten sachlichen Gründen darf es sich nach der Rechtsprechung auch um solche Gründe handeln, die für den öffentlichen Auftraggeber schon bei der Vorbereitung der Ausschreibung objektiv erkennbar und voraussehbar waren, also solche, die aus seiner eigenen Sphäre stammen, und erst nachträglich von ihm tatsächlich erkannt werden (vgl. Dieck-Bogatzke, a.a.O., S. 397, m.w.N.). Neben den Fällen, in denen der Auftraggeber vor der Ausschreibung den Bedarf nicht zutreffend ermittelt hat und erst während des Vergabeverfahrens erkennt, dass er ein Produkt oder eine Leistung ausgeschrieben hat, die seinen Anforderungen tatsächlich nicht genügt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2005 - VII-Verg 72/04) ist als ein die Aufhebung sachlich rechtfertigender Grund auch die Feststellung des Auftraggebers anzuerkennen, dass er aus haushaltsmäßigen Gründen auf die konkret ausgeschriebene Beschaffung verzichten muss, weil er entweder dafür keine Mittel (mehr) in der nötigen Höhe zur Verfügung hat oder ihm die Beschaffung schlicht zu teuer ist (vgl. VK Bund, Beschluss vom 11.06.2008 - VK1 63/08 - zitiert nach VERIS). Die Möglichkeit, aus einem zwar nicht die Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden, aber gleichwohl sachlich gerechtfertigten Grund eine Ausschreibung vorzeitig beenden zu dürfen, ist notwendige Folge davon, dass es ein Zweck des Vergaberechts ist, der öffentlichen Hand eine Bindung der ihr anvertrauten Mittel und das Gebot sparsamer Wirtschaftsführung beachtende Beschaffung zu angemessenen Preisen zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2002 - X ZR 232/00 - zitiert nach VERIS). Die Antragsgegnerin kann daher vorliegend nicht verpflichtet werden, ihren Beschaffungsbedarf im Wege eines Leasingvertrages anstelle eines Kaufs zu decken.

58

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Da die Antragsgegnerin aus den unter 2.a) erörterten Gründen nicht belegt hat, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens gemäß § 20 Abs. 1 lit. c VOL/A-EG gerechtfertigt war, war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass sie durch die Aufhebung in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 Satz 1 GWB verletzt ist. Soweit sie dagegen darüber hinaus beantragt hat, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Aufhebung rückgängig zu machen und das Vergabeverfahren mit dem Ziel der Zuschlagserteilung fortzuführen, war der Nachprüfungsantrag dagegen als unbegründet zurückzuweisen.

59

III. Kosten

60

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.

61

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

62

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx EUR (brutto). Dieser Wert entspricht dem vom Auftraggeber auf der Grundlage des Angebotes der Antragstellerin Gesamtauftragswert über die gesamte ausgeschriebene Mindestmietzeit von 48 Monaten (xxxxxx EUR netto p.a. X 4 Jahre zzgl. 19% MwSt.) und damit dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

63

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.

64

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten für Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

65

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Aufteilung der Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zwar überwiegend, aber nicht vollständig Erfolg hatte.

66

Der Auftraggeber ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung des auf ihn entfallenden Kostenanteils (2/3) gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

67

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den auf sie entfallenden Teilbetrag von xxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens

68

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

69

xxxxxx.

IV. Rechtsbehelf

70

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist gem. § 117 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.

71

...

72

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer.

Gause
Rohn
Sameluck