Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 28.07.2011, Az.: VgK-27/2011
Begriff der Freizeiteinrichtung als ein die Anwendung des materiellen Vergaberechts auslösender Auftragsgegenstand gem. § 98 Nr. 5 GWB auf die bauliche Sanierung einer Kirche; Einstufung eines Bistums als regionale Untergliederung der katholischen Kirche in Deutschland als institutioneller öffentlicher Auftraggeber
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 28.07.2011
- Aktenzeichen
- VgK-27/2011
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 23933
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 98 Nr. 1-3, 5 GWB
Verfahrensgegenstand
VOB-Verfahren, Domhof Außenanlagen
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gaus,
den hauptamtliche Beisitzer Dipl.- Ing. Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ing. Lohmöller,
im schriftlichen Verfahren
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 4.
Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für den Antragsgegner notwendig.
Gründe
I.
Mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2011 hat der Auftraggeber und Antragsgegner im Rahmen des Gesamtprojektes "Sanierung des Hxxxxxx Doms" die Arbeiten zur Umgestaltung des Domhofes als Modul 03 europaweit im offenen Verfahren gem. VOB/A ausgeschrieben. Die ausgeschriebenen Arbeiten umfassten im Wesentlichen Pflasterarbeiten. Die Herstellungskosten wurden mit xxxxxx bis xxxxxx EUR (netto) angegeben. Eine Nachprüfungsinstanz wurde in der Vergabebekanntmachung nicht benannt. Zuschlagskriterium sollte der niedrigste Preis sein. Unter Art des öffentlichen Antragsgegners und Haupttätigkeiten war dort Freizeit, Kultur und Religion angegeben.
Der Beschluss, die Domsanierung durchzuführen, wurde durch den Diözesanvermögensverwaltungsrat der Diözese Hxxxxxx auf der Sitzung am xxxxxx.2009 gefasst. Gemäß dem damaligen Kosten- und Finanzierungsplan, der auf der Sitzung vorgestellt und Grundlage des Beschlusses war, betrugen die geschätzten Kosten für die gesamte Domsanierung xxxxxx EUR (brutto). Demgegenüber gestellt waren die Zuschüsse, die zu dem Zeitpunkt des Beschlusses bereits bewilligt oder fest in Aussicht gestellt waren. Diese Zuschüsse betrugen insgesamt xxxxxx EUR. Hiervon waren Mittel in Höhe von xxxxxx EUR öffentlichen Auftraggebern i. S. des § 98 Nr. 1 bis 3 GWB zuzurechnen
(EU, Bund, Land Niedersachsen, Klosterkammer, Stiftung Niedersachsen). Der vorgenannte Beschluss bzw. der Kosten- und Finanzierungsplan wurde der Vergabekammer auf fernmündliche Anforderung am 13.07.2011 bzw. 15.07.2011 von Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners übersandt.
In Bezug auf die ausgeschriebenen Pflasterarbeiten beabsichtigte der Antragsgegner, die für den Einbau vorgesehenen Steine vorab zu beschaffen und sie dem noch auszuwählenden Unternehmen für den Einbau beizustellen. Hierzu führte der vom Antragsgegner beauftragte Projektsteuerer, das Ingenieurbüro xxxxxx, eine beschränkte Ausschreibung als Materiallieferleistung ohne Teilnahmewettbewerb als nationale Ausschreibung gemäß VOL/A durch. Diese Materiallieferung ist vorliegend streitbefangen. Die beabsichtigten Zuschlagskriterien sind weder dem Formblatt "Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes" noch den sonstigen Vergabeunterlagen zu entnehmen. Nebenangebote waren nicht zugelassen. Gemäß dem Leistungsverzeichnis vom 04.04.2011 zur Position 01 bzw. einem als solchen kenntlich gemachten Beiblatt zu den "Besonderen Vertragsbedingungen" war durch die Bieter zur Prüfung der angebotenen Lieferleistung innerhalb von 10 Tagen nach Aufforderung durch den Antragsgegner jeweils eine Musterfläche zu verlegen. Diese Fläche sollte als Referenzfläche vor Auftragsvergabe dienen und nicht gesondert vergütet werden. Die Abmessung der Fläche sollte 2,0 x 2,0 m betragen. Im Weiteren waren im Beiblatt zu den Besonderen Vertragsbedingungen die Liefertermine für die verschiedenen Positionen benannt. Eine besondere Verlegeart für die Pflasterung war dort nicht gefordert. Ohne weiteren Bezug zu den von den Bietern herzustellenden Musterflächen oder den sonstigen Ausschreibungsunterlagen war hinter dem letzten Blatt des Leistungsverzeichnisses eine Musterzeichnung einer sog. "Passe-Verlegung" ("Stein über Eck gesetzt") mit weiteren Erläuterungen beigefügt.
Vom Projektsteuerer wurden sieben Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert, vier Unternehmen gaben ein Angebot ab, die drei rechnerisch günstigsten Bieter wurden aufgefordert, eine Musterfläche gem. dem Leistungsverzeichnis bzw. dem Beiblatt zu den Besonderen Vertragsbedingungen zu verlegen. Gemäß Vergabevermerk des Projektsteuerers vom 21.06.2011 wurden alle Musterflächen als geeignet eingestuft.
Gemäß den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis vom 04.04.2011 war von den Bietern mit dem Angebot u.a. ein Zertifikat von xxxxxx oder einer gleichgestellten Organisation in Bezug auf die Einhaltung des Verbots von Kinder- oder Sklavenarbeit vorzulegen. Das Zertifikat sollte nicht älter als 12 Monate sein. Von den drei Bietern, die zur Herstellung einer Musterfläche aufgefordert wurden, enthält das Angebot der Beigeladenen ein Zertifikat von xxxxxx, datiert vom 23.10.2008. Das Angebot der Antragstellerin enthält eine E-Mail von xxxxxx vom 19.04.2011 an die Antragstellerin mit der xxxxxx bestätigt, dass man telefonisch vereinbart habe, im Falle der Auftragserteilung an die Antragstellerin mit dieser zusammenarbeiten zu wollen. Das Angebot des dritten Bieters (xxxxxx) enthält in Bezug auf Kinder- bzw. Sklavenarbeit ein Zertifikat von xxxxxx vom 24.04.2009.
Im Weiteren wurden die Angebote von einem weiteren Ingenieurbüro (xxxxxx) rechnerisch und fachtechnisch geprüft. Nach der rechnerischen Prüfung belegte die Beigeladene mit einer Angebotsendsumme von xxxxxx EUR (netto) Rang 1, die Antragstellerin mit xxxxxx EUR (netto) Rang 3 und der Bieter xxxxxx unter Berücksichtigung eines angebotenen Nachlasses von 2% mit xxxxxx EUR (netto) Rang 2. Die Angebote wurden von dem Ingenieurbüro in verschiedenen Kategorien (gestalterischer Gesamteindruck, Prüfungszeugnis, technische Werte, xxxxxx-Zertifikat gegen Kinderarbeit u.a. m.) mit Punkten bewertet. Pro Kategorie wurden 0 bis 3 Punkte vergeben. Diese Bewertung war den Bietern vorab nicht bekannt gegeben worden. So erhielt die Beigeladene z.B. in der Kategorie "xxxxxx Zertifikat gegen Kinderarbeit" xxxxxx Punkte, die Antragstellerin xxxxxx Punkte und die Firma xxxxxx xxxxxx Punkte. Insgesamt erhielt die Beigeladene xxxxxx Punkte, die Antragstellerin xxxxxx Punkte und die Firma xxxxxx xxxxxx Punkte.
Das Ingenieurbüro empfahl dem Projektsteuerer, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Der Projektsteuerer schloss sich dem Vorschlag an und empfahl dem Antragsgegner mit Schreiben vom 13.05.2011, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Dem Vorschlag beigefügt war das Auftragsschreiben an die Beigeladene, das vom Antragsgegner noch zu unterzeichnen war und die Absageschreiben an die unterlegenen Bieter als VHB-Formblatt 332 (Absageschreiben nach § 19 Abs. 1 VOB/A). Das Auftragsschreiben trägt das vom Projektsteuerer voreingetragene Datum vom 13.05.2011. Wann es letztlich vom Antragsgegner unterzeichnet und an die Beigeladene versandt wurde, ist in der Vergabeakte nicht dokumentiert. Der Eingang wurde durch die Beigeladene mit Datum vom 24.05.2011 bestätigt. Die Absageschreiben des Projektsteuerers wurden von diesem selbst per E-Mail vom 16.05.2011 an die unterlegenen Bieter übersandt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.05.2011 rügt die Antragstellerin erstmals das Vergabeverfahren.
Mit Schreiben vom 13.05.2011 sei ihr durch den Projektsteuerer des Antragsgegners mitgeteilt worden, dass sie nicht das wirtschaftlichste Angebot i. S. des § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A abgegeben habe. Zur Erläuterung sei ihr mitgeteilt worden, dass das Angebot der Beigeladenen 4,5% unter dem eigenen Angebot gelegen habe. Die Beigeladene habe jedoch kein gleichwertiges Angebot vorgelegt. Das von der Beigeladenen vorgelegte Angebot habe nicht den im Vergabeverfahren geforderten Vorgaben entsprochen, da die Beigeladene keine "Passe-Verlegung" in der Musterfläche verlegt habe. Bei einer "Passe-Verlegung" habe die Setzung Stein über Eck zu erfolgen, variable Breite. Die Steine sollten im Winkel von 45 zu den Achsen von einer Bogenhälfte zur anderen versetzt werden, die Fugen durften höchstens über drei Steine durchlaufen. Diesen Vorgaben habe die Beigeladene nicht entsprochen, dies sei anhand der von der Beigeladenen verlegten Musterfläche eindeutig nachgewiesen. Da diese Musterfläche nicht den im Vergabeverfahren geforderten Maßgaben entsprochen habe, dürfe auf das Angebot der Beigeladenen kein Zuschlag erteilt werden. Das Angebot der Beigeladenen könne auch nicht als Nebenangebot gewertet werden, da nach den Ausschreibungsunterlagen Nebenangebote ausdrücklich ausgeschlossen gewesen seien.
Nachdem die Antragstellerin auf ihre Rüge hin keine Antwort erhielt, beantragte sie mit Schriftsatz vom 27.05.2011 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. In Bezug auf die Musterfläche der Beigeladenen trägt sie vor wie in ihrem Rügeschriftsatz. Die Rüge sei auch rechtzeitig erfolgt. Die diesbezügliche E-Mail des Projektsteuerers stamme vom 16.05.2011, 20:14 Uhr. Ihre Rüge vom 24.05.2011 sei damit rechtzeitig erfolgt. Der Antrag sei auch unzulässig. Der Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB sei überschritten. Die Gesamtbaumaßnahme des Antragsgegners zur Domsanierung betrage ca. xxxxxx Mio. Euro. Die hier streitgegenständliche Ausschreibung von Materiallieferung der Außensteine liege bei ca. xxxxxx EUR netto und gehöre zu der Gesamtbaumaßnahme "Domsanierung". Damit könne in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob die Schwellenwerte für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen nach VOL/A (hiernach sei ausgeschrieben worden) greifen würden, da der Schwellenwert von 193.000,00 EUR überschritten sei oder die Schwellenwerte für die Vergabe von Bauaufträgen (das Absageschreiben sei nach Maßgabe derVOB/A erfolgt), da auch dieser Schwellenwert von 4,845 Mio. Euro überschritten sei. Der Antragsgegner sei auch öffentlicher Antragsgegner i. S. des § 98 GWB. Gemäß § 98 GWB seien öffentliche Antragsgegner nicht nur nach Nr. 1 Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen, sondern nach Nr. 2 auch alle anderen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet worden seien, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter Nr. 1 oder 3 fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über die Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung und zur Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben. Dies gelte auch dann, wenn eine Stelle nach § 98 Nr. 1 - 3 GWB, einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewähre. Der Antragsgegnerbegriff des anwendungsvorrangigen europäischen Vergaberechts sei funktionaler Natur. Es sei nicht maßgebend, ob die Rechtsform öffentlich-rechtlich oder privatrechtlicher Natur sei. So sei der Antragsgegner, der für das Bauvorhaben xxxxxx Mio. Euro aus Kirchensteuermitteln und xxxxxx Mio. Euro von öffentlichen Zuschussgebern erhalte, als Körperschaft des öffentlichen Rechts auch als öffentlicher Auftraggeber zu sehen. Die Lieferung und die Ausführung der Leistung auf dem Domhof würden nicht unter die originären kirchlichen und damit spezifisch auf die Wahrnehmung der Zwecke der Glaubensgemeinschaft bezogenen Tätigkeiten fallen. Daher würden mit Blick auf die Verwendung der Kirchensteuer die gleichen Grundsätze des europäischen Gerichtshofes wie in der Entscheidung zum Bayerischen Rundfunk gelten. Die Voraussetzungen des § 98 Nr. 2 GWB seien damit erfüllt. Der Zulässigkeit des Antrages stünde auch ein zwischenzeitlich erteilter Zuschlag nicht entgegen, denn der mit der Zuschlagserteilung geschlossene Vertrag mit der Beigeladenen wäre gem. §§ 101 a und 101 b GWB von Anfang an unwirksam.
Die Vergabekammer bat den Antragsgegner um Stellungnahme zu den Kosten für die Gesamtmaßnahme "Domsanierung", für die Teilmaßnahme "Umgestaltung Domhof" und zur Höhe der Finanzierung aus Fördermitteln von Stellen gem. § 98 Nr. 1-3 GWB. Nach Eingang der Daten teilte sie der Antragstellerin mit, dass eine Gesamtförderquote von mehr als 50% gem. § 98 Nr. 5 GWB voraussichtlich nicht erreicht werde, der Nachprüfungsantrag wegen der dann nicht gegebenen Zuständigkeit der Vergabekammer als unzulässig zurückzuweisen wäre. Daraufhin ergänzte die Antragstellerin ihren Antrag mit Schriftsätzen vom 01.07.2011 und 11.07.2011.
Die Schätzung des Auftragswertes sei in § 3 Abs. 1 VgV geregelt. Hierbei seien alle Aufträge zusammenzurechnen, die in technischer Hinsicht und im Hinblick auf die sachgerechte Nutzung für die vollständige Herstellung des Bauwerks bzw. der Baumaßnahme erteilt worden seien. Die vom Antragsgegner angesetzten Kosten für Indexsteigerung bzw. Vorfinanzierung würden nicht unter den Begriff der Aufträge fallen, weshalb diese nicht in die Kosten der Baumaßnahme einzurechnen seien. Des Weiteren sei gem. § 1 VgV der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer maßgeblich. Nach den Zahlen des Antragsgegners belaufe sich der geschätzte Auftragswert für die Baumaßnahme damit auf xxxxxx EUR.
Soweit die Vergabekammer unter Rückgriff auf haushaltsrechtliche Vorschriften von Bruttosummen ausgehe, können diese für den hier in Rede stehenden Sachverhalt nicht herangezogen werden, da sich die VKR und § 98 Nr. 5 GWB auf "Bauaufträge" bzw. "Vorhaben" beziehen würden, so dass gem. § 100 GWB die gesetzlichen Normen der §§ 97-131 GWB sowie über diesen Verweisungsweg die VgV und der zweite Abschnitt der VOB/A gelten würde. Insoweit könne es sich bei der 50% -Grenze nur um den jeweiligen Auftragswert handeln, der vergaberechtlich relevant sei. Vergaberechtlich sei der Begriff des Auftragswertes eines Bauauftrages in§ 1 VgV definiert. Maßgeblich sei hiernach der Betrag ohne Umsatzsteuer.
Nach der überreichten Aufstellung des Antragsgegners betrage die sog. Förderung von "öffentlichen Antragsgegnern" xxxxxx EUR. Damit sei bereits eine Gesamtförderquote von über 50% erreicht. Auch seien zumindest zwei der vom Antragsgegner den nicht öffentlichen Zuwendungsgebern zugeordnete Stellen, dem Bereich des § 98 Nr. 1-3 GWB zuzuordnen. Hierbei handele es sich um die Klosterkammer sowie die Stiftung Niedersachsen. Die von dort in Aussicht gestellten bzw. bewilligten Mittel in Höhe von insgesamt xxxxxx Mio. Euro seien dem Bereich "öffentliche Antragsgegner" zuzurechnen, so dass sich die gesamte Förderung auf insgesamt xxxxxx EUR erhöhe. Die Zuständigkeit der Vergabekammer sei damit vorliegend gegeben, da die Förderung mehr als 50% mit Mitteln von Antragsgegnern, die unter § 98 Nr. 1-3 GWB fallen, betrage.
Die Antragstellerin beantragt:
- 1.
Den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag nur unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragsteller zu erteilen,
- 2.
Der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren und
- 3.
Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 128 Abs. 4 GWB zu erklären und
- 4.
Dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner stellt keine Anträge.
Der Antragsgegner tritt dem Vorbringen der Antragstellerin zunächst mit Schriftsatz des beauftragten Projektsteuerungsbüros vom 06.06.2011 entgegen. Nach der rechnerischen Prüfung der Angebote seien die drei preisgünstigsten Bieter aufgefordert worden, eine Musterfläche gem. den Vergabeunterlagen "Beiblatt zu VOL - Besondere Vertragsbedingungen 634" zu erstellen. Am 06.05.2011 sei eine Bewertung der erstellten Musterfläche erfolgt. An dieser Bemusterung haben jeweils ein Vertreter des mit der Ausschreibung betrauten Ingenieurbüros, des Antragsgegners und des Projektsteuerers teilgenommen. Bei der Bemusterung sei der indische Sandstein hinsichtlich seiner farblichen Eignung bewertet worden. Alle Musterflächen seien als geeignet eingestuft worden. Die Musterflächen seien in den Verdingungsunterlagen detailliert beschrieben worden. Anhand der Musterflächen sollte die optische Wirkung des Natursteins bewertet werden. Eine "Passe-Verlegung" sei nicht zwingend gefordert worden. Da alle drei vorliegenden Musterflächen die Materialanforderungen erfüllt hätten, sei die Vergabeentscheidung auf Grund des wirtschaftlichsten Angebotes der Beigeladenen erfolgt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.06.2011 ergänzt der Antragsgegner seinen Vortrag in Bezug auf die Finanzierung des Projektes "Domsanierung xxxxxx". Der Antragsgegner sei bei der vergaberechtlichen Betrachtung des Projektes, insbesondere auf Grund der sehr differenzierten Förderstruktur, immer von einem Gesamtprojekt Domsanierung ausgegangen und habe dabei stets die Vorgaben des § 98 Nr. 5 GWB beachtet. Auch die Maßnahme M-03 ("Umgestaltung Domhof") könne vergaberechtlich nicht als Einzelmaßnahme betrachtet werden, da die bewilligten bzw. die in Aussicht gestellten Zuwendungsmittel nicht maßnahmebezogen seien. Auch rein technisch sei es nicht möglich, nur einem Fördergeber eine Maßnahme zuzuordnen. So werde die Teilmaßnahme "Domhof-Außenanlage" aus Landesmitteln für das Investitionsprogramm UNESCO-Welterbestätten gefördert. Die UNESCO-Fördermittel seien im Wesentlichen auf drei Teilmaßnahmen verteilt worden, dieses seien die Maßnahme M 01 - Renovierung und liturgische Neuordnung des Mxxxxxxdomes in xxxxxx, M 02 - Parkplätze und die Maßnahme M 03 - Domhof-Außenanlage. Eine klare Aussage über den Förderanteil für die Maßnahme M 03 könne nicht gemacht werden, da die Fördersumme für alle Maßnahmen gedeckelt sei.
Nach dem Kostenstand von Ende 2010 würden die Kosten für das Gesamtprojekt
xxxxxx EUR (netto) bzw. xxxxxx EUR (brutto) betragen. Von den Beteiligten bzw. in Aussicht gestellten Fördermitteln seien den öffentlichen Zuwendungsgebern xxxxxx EUR und den nicht öffentlichen Antragsgegnern (Klosterkammer, Stiftung Niedersachsen, Sparkasse Hxxxxxx, Vxxxxxx-Stiftung, Bxxxxxxwerk) zuzuordnen. Insgesamt seien somit xxxxxx EUR Fördermittel öffentlicher und nicht öffentlicher Zuwendungsgeber bewilligt bzw. in Aussicht gestellt worden. Der maßgebliche Fördersatz von 50% des § 98 Nr. 5 GWB sei somit in jedem Fall unterschritten. Gleichwohl habe der Antragsgegner bei der Ausschreibung die Anwendung der a-Paragraphen nach VOB/A beachtet. Bei einigen Vergaben sei aber von der "80-20"-Regelung der VgV Gebrauch gemacht worden.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unzulässig. Das Bistum Hxxxxxx ist als regionale Untergliederung der katholischen Kirche in Deutschland weder ein institutioneller öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1-3 GWB, noch hat es als funktionaler öffentlicher Auftraggeber hier einen öffentlichen Auftrag gem. § 98 Nr. 5 GWB erteilt.
Die katholische Kirche in Deutschland ist kein institutioneller öffentlicher Auftraggeber. Sie verfügt mit der historisch gewachsenen Kirchensteuer jedenfalls unter den Einschränkungen, dass sie den bürgerlichen Steuerlisten keine eigene Datensätze hinzuzufügen vermag, sowie der im Kirchenaustrittsgesetz Niedersachsen enthaltenen Befugnis des jederzeitigen Austritts, nicht über ein Finanzierungsinstrument, das rechtlich oder faktisch der einer Steuer, einer Gebühr oder einer öffentlichen Abgabe zukommenden Verbindlichkeit als Zwangsabgabe gleichkommt (siehe b).
Der Begriff der Freizeiteinrichtung als ein die Anwendung des materiellen Vergaberechts auslösender Auftragsgegenstand in § 98 Nr. 5 GWB kann im Einzelfall auch die bauliche Sanierung einer Kirche umfassen, wenn die Maßnahme neben der Religionsausübung auch in wesentlichen Teilen kulturellen Zwecken dient (siehe c) bb).
a)
Die katholische Kirche ist kein öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 1 GWB. Gemäß § 98 Nr. 1 GWB sind Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen öffentlicher Auftraggeber. Die katholische Kirche in Deutschland, zu der das Bistum Hxxxxxx als eine von 27 Diözesen gehört, ist zwar eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, jedoch keine Gebietskörperschaft i. S. des § 98 Nr. 1 GWB. Das GWB geht hier von dem verwaltungsorganisationsrechtlichen Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft aus. Dieser bezeichnet einen staatlich errichteten Verwaltungsträger, der mit Hoheitsgewalt ausgestattet, mitgliedschaftlich verfasst und unabhängig vom Wechsel der Mitglieder ist. Die katholische Kirche in Deutschland ist weder staatlich gegründet, noch mit Hoheitsrechten ausgestattet. Vielmehr bewahrt sie ihren historisch entstandenen Status als öffentlich-rechtlicher Körperschaft, weil Art. 140 des Grundgesetzes u.a. die Bestimmungen des Art. 137 der Deutschen Verfassung vom 11.08.1919 (Weimarer Verfassung) zum Bestandteil dieses Grundgesetzes erklärt. Nach § 137 Abs. 5 WRV bleiben die Religionsgemeinschaften Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie bisher (bis 1919) solche waren.
Der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland ist der Körperschaftsstatus zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich verliehen worden. Ihre Stellung als Körperschaft hat sich seit dem 18. Jahrhundert fortlaufend entwickelt und wurde schließlich vom Staat anerkannt (Korioth in Maunz/Dürig/Herzog, Art. 140, Art. 137 WRV, Rz. 63). Durch die ergänzenden Vorschriften des Art. 137 Abs. 1 und Abs. 3, wonach keine Staatskirche besteht und jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbstständig ordnet und verwaltet, unterscheiden sich die Kirchen trotz des formalen Status als öffentlich-rechtliche Körperschaft erheblich von den Körperschaften i. S. des Verwaltungsorganisationsrechtes. Sie bilden daher keine Gebietskörperschaft i. S. des § 98 Nr. 1 GWB, sondern eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sui generis (Korioth in Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Kommentar Art. 140, Art. 137 WRV, Rz. 69; Arzt-Mergemeier in Willenbruch Wieddekind Vergaberecht 15. Los § 48 HGrG Rz. 12), weil sie zwar dem öffentlichen Recht zugeordnet sind, sich aber nicht dem staatlichen Rechtskreis ein- oder unterordnen.
b)
Die katholische Kirche ist auch kein öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 2 GWB. Danach sind andere juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechtes, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, öffentliche Auftraggeber, wenn Gebietskörperschaften, deren Sondervermögen oder Verbände aus Gebietskörperschaften sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben.
Die katholische Kirche führt zwar in erheblichem Umfang Aufgaben nicht gewerblicher Art im Allgemeininteresse durch, ist jedoch nicht zu dem besonderen Zweck gegründet worden, diese Aufgaben zu übernehmen. Vielmehr resultiert die Übernahme von im Allgemeininteresse liegender Aufgaben ausschließlich aus dem christlichen Grundverständnis und den darin gegründeten Handlungsgeboten, insbesondere der Nächstenliebe. Daher kann aus dieser von Kirche und Staat parallel ausgerichteten aber nicht deckungsgleichen Aufgabenerfüllung nicht gefolgert werden, dass die Kirche öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB sei (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2004 Verg W 10/04; VK Hessen, Beschluss vom 26.04.2006, 69d VK 15/2006)
Aufgrund der Autonomiegarantie in Art. 140 Grundgesetz, Art. 137 Abs. 3 WRV, untersteht die katholische Kirche keiner staatlichen Aufsicht. Ebenso werden in ihre Leitungsorgane keine staatlich bestellten Personen berufen.
Trotz der Steuererhebungsbefugnis aus § 136 Abs. 6 WRV, wird die katholische Kirche auch nicht "von Stellen, die unter Nummer 1 oder 3 fallen, überwiegend öffentlich finanziert " im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB bzw. des Art 1 Abs. 9 der VKR 2004/18. Obwohl die katholische Kirche in Deutschland sich nach eigener Darstellung im Internet übererwiegend aus der Kirchensteuer finanziert, lässt sich aus ihrer Steuererhebungsbefugnis nicht die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 2 GWB bzw. Art 1 Abs. 9 VKR 2004/18 herleiten.
Die Befugnis zur Erhebung von Steuern oder öffentlichen Abgaben und Beiträgen ist immer von einer Gebietskörperschaft gemäß § 98 Nr. 1 GWB als Organ des Staates abgeleitet. Grundsätzlich ist die Steuererhebungsbefugnis daher ein eindeutiger Hinweis auf eine überwiegende öffentliche Finanzierung durch eine Gebietskörperschaft nach § 98 Nr. 1 GWB und somit ein geeignetes Kriterium, um die Eigenschaft als öffentlicher Auftrageber gemäß § 98 Nr. 2 GWB zu bejahen. Die VKR und das GWB haben die Aufgabe, die transparente, diskriminierungsfreie und wirtschaftliche Verwendung staatlicher Finanzmittel zu gewährleisten. Dabei darf es zu keiner unterschiedlichen Beurteilung führen, ob die Finanzmittel den öffentlichen Haushalt durchlaufen, der Staat also die Gebühr zunächst einzieht und die Einnahmen hieraus dann den Begünstigten zur Verfügung stellt, oder ob der Staat diesen das Recht einräumt, die Gebühren selbst einzuziehen (EUGH Urteil vom 13.12.2007 - Rs. C 337/06, Bayrischer Rundfunk, Rz. 47). Durch Steuern erhobene Gelder sind öffentliche Mittel im Sinne einer staatlichen Finanzierung, weil sie ohne spezifische Gegenleistung auf hoheitlicher Grundlage durch einen staatlichen Akt festgelegt werden und sich der jeweilige Steuerpflichtige nicht ohne weiteres der Steuerpflichtigkeit entziehen kann. (EUGH Urteil vom 13.12.2007 - Rs. C 337/06, Rz. 44ff, 48).
Der EUGH hat die Zuordnung von Leistungen als öffentliche Finanzierung in der obigen Entscheidung unter Rz 45 ebenfalls maßgeblich davon abhängig gemacht, dass sich der Pflichtige nicht der Leistungspflicht entziehen könne. Im konkreten Fall waren die Betroffenen allein wegen des Bereithaltens eines Empfangsgeräts zur Zahlung der Gebühr verpflichtet, selbst wenn sie die Leistungen dieser Anstalten niemals in Anspruch nahmen.
Diese faktische Zwangserhebung, die regelmäßig einer Steuer innewohnt, besteht bei der Kirchensteuer in Deutschland nicht.
Die Katholische Kirche in Deutschland erhebt gemäß Art. 137 Abs. 6 WRV ihre Steuern "aufgrund der bürgerlichen Steuerlisten" nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen. Die Kirche hat somit nur die Berechtigung, die in den bürgerlichen Steuerlisten gesammelten Daten zu verwenden, ohne diesem Datenbestand eigene Daten hinzuzufügen. Die Steuererhebung fußt somit maßgeblich auf den Angaben der Bürger in den bürgerlichen Steuerlisten. Den bürgerlichen Steuerlisten zu Zeiten der Weimarer Reichsverfassung von 1919 entsprechen heute die Daten, bei dem Bundeszentralamt für Steuern (§ 39 e EStG) aus den Daten gespeichert werden, die die Bürger dem jeweiligen Einwohnermeldeamt oder Finanzamt übermitteln.
Die landesrechtlichen Bestimmungen bestehen in Niedersachsen aus dem Kirchensteuerrahmengesetz (Nds. GVBl. 1986, S. 281) und dem Kirchenaustrittsgesetz (Nds. GVBl. 1973, S. 221). Beide Gesetze gelten für alle Konfessionen. Das Kirchenaustrittsgesetz erlaubt in § 2 den jederzeitigen Austritt durch schriftliche oder mündliche Erklärung gegenüber dem Standesbeamten. Hinzu kommt die Möglichkeit, durch fehlende Angabe der Konfession gegenüber dem Einwohnermeldeamt und Finanzamt die Datenbasis der "bürgerlichen Steuerliste" zu verändern. Somit hat es jeder sogenannte Kirchensteuerschuldner nicht nur in der Hand, einer Heranziehung zur Kirchensteuer zu entgehen (so Korioth in Maunz Dürig Herzog GG Art. 140, 137, Rz. 99), sondern er meldet sogar mit der jährlichen Steuererklärung seine Bereitschaft, die Kirchensteuer zu leisten. Damit besteht weder eine rechtliche, noch eine faktische Beitragspflicht, so dass aus der Befugnis, Kirchensteuer zu erheben, nicht die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB folgt (Wieddekind in Willenbruch Wieddekind 2.Los § 98 Rz. 64; a. A. Diehl in Müller Wrede § 98 Rz. 109). Die Berechtigung, Kirchensteuer zu erheben, ist vielmehr eine historisch tradierte, heute zudem nach dem Kirchensteuerrahmengesetz von den Kirchen dem Staat zu vergütende Dienstleistung des Staates gegenüber den Kirchen. Sie entfaltet gegenüber dem Bürger keinerlei nachhaltigen Zwang. Daher sind die Kirchen in Deutschland auch nicht in Anhang III "Verzeichnis der Einrichtungen des öffentlichen Rechts und der Kategorien von Einrichtungen des öffentlichen Rechts nach Artikel 1 Abs. 9 Unterabsatz 2" zur VKR 18/2004 aufgeführt, im Gegensatz zu den lokalen Kirchenverwaltungen z.B. in Dänemark.
Soweit Einzelmaßnahmen der katholischen Kirche in Deutschland überwiegend öffentlich finanziert werden, lässt sich daraus keine institutionelle Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 2 GWB herleiten, sondern nur die auf den Einzelfall beschränkte funktionale Auftraggeberschaft gemäß § 98 Nr. 5 GWB.
c)
Die katholische Kirche ist in diesem Einzelfall auch kein funktionaler öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 5 GWB. Danach sind im Einzelfall u.a. juristische Personen des öffentlichen Rechtes, soweit sie nicht unter Nr. 2 fallen, in den Fällen öffentliche Auftraggeber, in denen sie u.a. für Tiefbaumaßnahmen bzw. Erholungs- und Freizeiteinrichtungen oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen im Auslobungsverfahren von Stellen, die unter Nrn. 1-3 des § 98 GWB fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50% finanziert werden.
Als öffentlich-rechtliche Körperschaft sui generis ist die katholische Kirche eine juristische Person des öffentlichen Rechtes. Mit der Novelle des GWB im Jahre 2009 sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechtes ausdrücklich in den Katalog der funktionalen Auftraggeber aufgenommen worden, um Lücken im Katalog der potenziellen funktionalen Auftraggeber zu schließen (Dippel. in Hattig-Maibaum, § 98, Rz. 192; Wieddekind in Willenbruch-Wieddekind, § 98, Rd-Ziffer 102). Im Ergebnis soll jede Person oder Institution, die im Einzelfall ein Projekt zu mehr als 50% mit öffentlichen Mitteln finanziert, in diesem Einzelfall dem Begriff des öffentlichen Auftraggebers zuzuordnen sein, wenn die Maßnahme inhaltlich unter den Katalog der in § 98 Nr. 5 genannten Maßnahmen fällt.
§ 98 Nr. 5 GWB ist die nationale Umsetzung des Art. 8 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18. Danach ist der funktionale Begriff des öffentlichen Auftraggebers erst erfüllt, wenn
Stellen, die unter § 98 Nr. 1 bis 3 GWB fallen das Vorhaben (einschließlich der damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Auslobungsverfahren) überwiegend finanzieren und
der Auftrag inhaltlich entweder auf eine Tiefbaumaßnahme oder u.a. die Errichtung von Erholungs- und Freizeiteinrichtungen einschließlich der damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen und Auslobungsverfahren gerichtet ist.
aa)
Das für die vergaberechtliche Beurteilung maßgebliche Vorhaben wird zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Projekt nicht im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB überwiegend öffentlich finanziert. Der Zuschnitt des maßgeblichen Vorhabens und dessen überwiegende öffentliche Finanzierung sind vom Auftraggeber zu prüfen, bevor er über die europaweite öffentliche Bekanntmachung entscheidet (OLG München Beschluss vom 10.12.2010 Verg 19/10). Wie bei der Schätzung des Auftragswertes nach § 3 Abs. 9 VgV sind nachträgliche Veränderungen des Zuschnitts, der Kosten und der Zuwendungen nicht mehr zu berücksichtigen. Der Antragsgegner kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass infolge der von ihm nun vorgetragenen höheren Baukosten ein Kostenplan aus dem Jahr 2010 zugrunde zu legen sei.
Das hier auf eine überwiegend öffentliche Förderung zu untersuchende Vorhaben ist nicht die Sanierung des Dxxxxxxplatzes, sondern die Dxxxxxxsanierung im Ganzen. Bei jedem Projekt eines nur funktionalen also einzelfallbezogenen öffentlichen Auftraggebers ist zu prüfen, ob trennbare Abschnitte des gesamten Bauprojektes vorliegen, die es ermöglichen, den Umfang des Projektes, auf das sich die öffentliche Förderung bezieht, näher einzugrenzen. Der öffentliche Bauauftrag ist von anderen damit verbundenen Baumaßnahmen privater Natur zu trennen (OLG München Beschluss vom 10.12.2010 Verg 19/10). Das verhindert, dass durch eine künstlich vergrößerte Zuordnung der Investitionssummen zur öffentlichen Förderung die Vergabepflicht nach § 98 Nr. 5 GWB umgangen wird.
Der Antragsgegner hat hier durch seinen entscheidenden Diözesanvermögensverwaltungsrat in der Sitzung am 21. Dezember 2009 auf der Basis der bis dahin vorliegenden Zahlen einen Kosten- und Finanzierungsplan Domsanierung Hxxxxxx beschlossen. Im Kosten- und Finanzierungsplan wurde das Projekt der Domsanierung in acht Module und weitere Bausteine aufgeteilt. Die Pflasterung ist entweder Teil eines Moduls 7 "Außenanlagen" oder Teil der "weiteren Maßnahmen im Außenbereich" des Gesamtprojektes. Im Nachprüfungsverfahren hat der Antragsgegner basierend auf einem Kostenplan aus dem Jahr 2010 eine andere Aufteilung der Teilprojekte in nur 6 Module vorgetragen. Danach ist die Pflasterung Teil des Moduls M -03, Außenanlagen. Der Antragsgegner hat mehrere Zuwendungsbescheide vorgelegt, die zwischen dem 02.04.2009 und dem 03.12.2010 ergangen sind. Er hat vorgetragen, dass die Finanzierung sich nicht an den einzelnen Maßnahmen orientiere, und jede Maßnahme von mehreren Stellen gefördert werde. Daher sei eine isolierte Betrachtung des Moduls 03 nicht möglich.
Wie bereits erläutert, ist nur der Kostenplan vom Dezember 2009 maßgeblich. Aus den vorgelegten Zuwendungsbescheiden lässt sich eine Zuordnung öffentlicher Mittel zu den Modulen Stand Dezember 2009 nur unvollständig entnehmen. Andere Zuwendungen sind bisher nur angekündigt worden, lassen sich daher nicht aufgrund etwaiger Bescheide bestimmten Modulen zuordnen. Der vorgelegte Zuwendungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 03.12.2010 legt darüber hinaus auf Bl 4 eine Förderhöchstquote von 49,16% fest. Auch das spricht gegen eine überwiegend öffentliche Förderung.
Aufgrund dieser unvollständigen Aussagen lässt sich zur überwiegend öffentlichen Finanzierung des die Pflasterung des Domplatzes betreffenden Moduls keine für dieses Modul gültige tragfähige Aussage formulieren. Daher ist es der Vergabekammer unter Berücksichtigung des Prüfungsmaßstabs von § 112 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht möglich, die Tiefbaumaßnahme vergaberechtlich isoliert zu betrachten. Eine vertiefende Betrachtung etwa unter Berücksichtigung der Förderanträge ist jedoch nicht erforderlich, da selbst die addierten Bruttosummen aus dem Modul 7 (xxxxxx EUR) und der "weiteren Maßnahmen" (xxxxxx EUR) des am xxxxxx.2009 beschlossenen Kosten- und Finanzierungsplanes mit insgesamt xxxxxx EUR, erst recht aber die gemäß § 1 VgV für diese Berechnung maßgeblichen Nettowerte deutlich unter dem Schwellenwert des § 2 Nr. 3 VgV bleiben. Wollte man nur auf die Domplatzsanierung als Projektgegenstand abstellen, wäre der Nachprüfungsantrag selbst bei überwiegend öffentlicher Finanzierung unzulässig, weil die dann maßgebliche Auftragssumme den Schwellenwert gemäß § 100 GWB in Verbindung mit § 1 Nr. 3 VgV nicht erreicht.
Daher ist der Nachprüfungsantrag allenfalls zulässig, wenn die überwiegende öffentliche Förderung am Volumen der Gesamtbaumaßnahme geprüft werden muss. Dafür spricht die modulübergreifende öffentliche Förderung. Die Vergabekammer behandelt daher die Domplatzsanierung als im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB vergaberechtlich untrennbaren Teil der Renovierung und liturgischen Neuordnung des Mxxxxxxdomes einschließlich der Herrichtung des xxxxxx für Ausstellungen, mithin aller im Dezember 2009 beschlossener Module und weiteren Maßnahmen.
Der Antragsgegner hat eine Prüfung, ob er die Vorschriften des vierten Teils des GWB einzuhalten hätte, nicht dokumentiert. Aus seiner Sicht bestand hierzu kein Bedarf, weil der Antragsgegner schon aufgrund der Nebenbestimmungen der Zuwendungsbescheide zur Einhaltung des Vergaberechts verpflichtet war. Tatsächlich begründen diese Zuwendungsbescheide und deren Auflagen aber nur eine Verpflichtung zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsempfänger. Die Nebenbestimmungen eines Zuwendungsbescheides sind dagegen nicht geeignet, die gesetzlich normierte Zuständigkeit der Vergabekammer zu erweitern (Diehl in Müller Wrede § 98 Rz. 166).
Die Kostenschätzung ging von Bruttokosten in Höhe von xxxxxx EUR aus. Darin sind zumindest mit den Positionen für die Indexierung und Vorfinanzierung auch Kosten enthalten, die nicht zu den Baukosten nach DIN 276, und damit nicht zu den Ausgaben, die den Auftragswert gemäß § 3 VgV bilden gehören. Obwohl § 98 GWB weder von Baukosten, noch von Auftragswerten spricht, sondern die weiteren Begriffe des Vorhabens und der Maßnahme wählt, soll sich § 98 Nr. 5 GWB nach in der Literatur vertretener Auffassung nicht auf alle Kosten des Vorhabens, sondern auf die Kosten im Sinne des § 3 VgV beziehen (Dreher in Immenga/Mestmäker 4. Auflage 2008 § 98 Rz. 198; Dippel in Hattig Maibaum § 98 Rz. 208; Diehr in Reidt Stickler Glahs § 98 Rz. 126). Nach anderer Auffassung (Bay ObLG, Beschluss vom 29.10.2004, Verg 22/04; Eschenbruch in Kulartz/Kus/Portz § 98 Rz. 339) bezieht sich § 98 GWB auf die gesamte Projektfinanzierung. Die Vergabekammer schließt sich der letzteren Auffassung an, da§ 98 Nr. 5 GWB sich auf die Zuordnung bestimmter dort benannter Vorhaben unter das Vergaberecht beschränkt und diese Zuordnung finanziell ausschließlich an die Verwendung öffentlicher Mittel knüpft. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob der öffentliche Zuwendungsgeber die Mittel nur für den eigentlichen Auftrag im Sinne der VgV oder auch zur Finanzierung des Vorhabens zuweist. Wer überwiegend öffentliche Mittel verwendet, hat die Grundsätze der Transparenz, Diskriminierungsfreiheit und der Wirtschaftlichkeit anzuwenden. Außerdem umfasst § 98 Nr. 5 GWB auch die Finanzierung der mit dem Vorhaben in Verbindung stehenden Dienstleistungen und der Auslobungsverfahren, was gegen eine Reduzierung auf den Auftragsbegriff gemäß § 3 VgV spricht. Die Herleitung des Vorhabensbegriffes gem. § 98 Nr. 5 GWB aus dem Beihilfebegriff des Art 107 AEUV (ehemals Art 87 EGV) und der ehemaligen Baukoordinierungsrichtlinie ist daher schlüssiger, als die Gleichsetzung mit dem Auftragswert des § 3 VgV. Daher sind von der Kostenschätzung, über die die Antragsgegnerin am xxxxxx.2009 beschlossen hat, keine einzelnen Positionen abzuziehen.
Die Vergabekammer sieht aus den obigen Gründen auch keine Veranlassung, eine Umrechnung der Kostenschätzung vom xxxxxx.2009 auf Nettobeträge vorzunehmen (so auch OLG München, Beschluss vom 10.11.2010 Verg 19/10). § 98 Nr.5 GWB hat den oben beschriebenen Inhalt, der von § 3 VgV abweicht. § 1 VgV stellt bei der Schätzung der Auftragswerte gemäß § 3 VgV auf Nettobeträge ab, um im Sinne der Diskriminierungsfreiheit die unterschiedlichen nationalen Umsatzsteuersätze auszugleichen. Daher besteht keine Veranlassung, die in § 1 VgV beschriebene Festlegung auf Nettowerte auf § 98 Nr. 5 GWB zu übertragen. Mit öffentlichen Zuwendungen werden grundsätzlich auch Steuern des Vorhabens abgedeckt, so dass Zuwendungen regelmäßig auf Bruttobeträge zu beziehen sind. Die VV zu § 44 LHO Niedersachsen und die Allgemeinen VV des Bundesministeriums der Finanzen zu § 44 BHO in der Fassung vom 01.04.2010 (GMBl 2001, 307) sind im hier relevanten Bereich inhaltsgleich und schließen jeweils unter Ziffer 2.6 nur solche Umsatzsteuerbeträge von der Zuwendungsfähigkeit aus, die gemäß § 15 UStG als Vorsteuer abziehbar sind. § 15 UStG setzt für den Vorsteuerabzug eine unternehmerische Tätigkeit voraus, die gemäß § 2 Abs. 3 UStG nur in Ausnahmefällen auf juristische Personen des öffentlichen Rechts zutrifft. Ein solches unternehmerisches Handeln des Antragsgegners ist hier weder für die Vergabekammer erkennbar, noch von der Antragsstellerin vorgetragen worden. Im Umkehrschluss gehört die Umsatzsteuer zu den zuwendungsfähigen Ausgaben.
Den Ausgaben sind zur Ermittlung der überwiegenden öffentlichen Finanzierung gemäß § 98 Nr. 5 GWB die Mittel gegenüberzustellen, die der Auftraggeber von öffentlichen Stellen gemäß § 98 Nr. 1-3 GWB erhält. Der Antragsgegner hat in der Sitzung am xxxxxx.2009 Zuschüsse in Höhe von xxxxxx EUR aufgeführt. Es handelt sich inhaltlich um die Darstellung im Schriftsatz des Antragsgegners vom 22.06.2011, Blatt 3. Das entspräche einer Finanzierung von 52,62%.
Allerdings sind nur einige der vom Antragsgegner in der Sitzung vom xxxxxx.2009 als "Zuschüsse" aufgeführten Gelder tatsächlich öffentliche Mittel gemäß § 98 Nr. 5 GWB. Der Antragsgegner erhält einige der sogenannten Zuschüsse nicht von Stellen nach § 98 Nr. 1-3 GWB.
Die Zuschüsse des Bundes, des Landes Niedersachsen bzw. deren Behörden, aber auch der EU (vgl. Art 47 EUV) sind solche von Gebietskörperschaften nach § 98 Nr. 1 GWB.
Auch die Klosterkammer xxxxxx und die Stiftung Niedersachsen sind öffentliche Stellen im Sinne der Nr. 1 bzw. Nr. 2 des§ 98 GWB.
Die Klosterkammer xxxxxx ist Landesbehörde und Stiftungsorgan im Dienstbereich des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und somit als Landesbehörde Teil einer Gebietskörperschaft gemäß § 98 Nr. 1 GWB, auch wenn ihre Finanzmittel aus historischen Gründen nicht aus dem Haushalt des Landes Niedersachsen zugewiesen werden.
Die 1986 errichtete Stiftung Niedersachsen ist eine Landeskulturstiftung, deren Vermögenserträge satzungsgemäß zur Förderung von Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft einzusetzen sind. Hinzu kommen Zuwendungen des Landes aus dem Aufkommen der Glücksspielabgabe. Daher ist die Stiftung Niedersachsen eine juristische Person des bürgerlichen Rechtes, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen (§ 98 Nr. 2 GWB). Sie wird zugleich von dem Land Niedersachsen, also einer Gebietskörperschaft gemäß § 98 Nr. 1 GWB überwiegend finanziert.
Allerdings sind die Zuschüsse des Bxxxxxxwerkes und der Vxxxxxx-Stiftung Mittel von Zuwendungsgebern die privat generiertes Geld verwalten. Sie haben daher bei der Ermittlung der öffentlichen Finanzierung im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB außer Betracht zu bleiben.
Gleiches gilt für die Zuwendungen der Sparkasse Hxxxxxx bzw. Sparkassenstiftung, da die Sparkassen jedenfalls seit Abschaffung der Gewährträgerhaftung im Jahre 2005 (in Niedersachsen vgl. § 5 NSpG) die kaufmännischen Risiken ihres Handelns nicht auf den Gewährträger verlagern können (Dippel in Hattig/Maibaum, § 98, Rz. 115 f, OLG Rostock, Beschluss vom 15.06.2005, 17 Verg 3/05; Wieddekind in Willenbruch/Wieddekind, 2. Los, § 98 GWB, Rz. 52; Diehl in Reidt/Stickler/Glahs, § 98, Rz. 73.
Somit ist die am xxxxxx.2009 ermittelte Zuschusssumme von xxxxxx EUR um die Position der Sparkasse Hxxxxxx/Sparkassenstiftung, der Vxxxxxx-Stiftung und des Bxxxxxxwerkes auf xxxxxx EUR zu kürzen. Damit ergibt sich eine Förderquote von 48,27%. Das Vorhaben wird daher im Zeitpunkt der maßgeblichen Entscheidung nicht im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB überwiegend öffentlich gefördert. Soweit sich die Antragstellerin auf nicht näher belegte andere Zahlen zur überwiegend öffentlichen Förderung bezieht, oder der Antragsgegner sich auf den später erstellten Kostenplan aus dem Jahr 2010 beruft, sind diese Beträge von der Vergabekammer nicht zu berücksichtigen (vgl. OLG München, Beschluss vom 10.11.2010 Verg 19/10).
bb)
Bei dem maßgeblichen Vorhaben der Domsanierung handelt es sich vergaberechtlich im Zweifel um eine Freizeiteinrichtung im Sinne des§ 98 Nr. 5 GWB.
Bei der Herleitung der Art der Maßnahme kann die Vergabekammer nicht auf den Begriff der Tiefbaumaßnahmen i. S. des§ 98 Nr. 5 GWB zurückgreifen. Zwar ist hier eine Vergabe über die Lieferung von Pflastersteinen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens. Die Lieferung von Steinen ist grundsätzlich eine mit einer Tiefbaumaßnahme verbundene Dienstleistung. Der Art. 8 a der VKR knüpft i.V.m. Anhang I, Ziff. 45.25 (Spezialbau und sonstiger Tiefbau, diese Klasse umfasst Mauer- und Pflasterarbeiten) auch nicht an die deutsche Unterscheidung zwischen Hoch- und Tiefbau nach DIN 276 und der ehemaligen DIN 18299 an. Eine Tiefbaumaßnahme kann daher im Einzelfall z.B. bei einem vom Gesamtprojekt abweichenden Abschnitt mit öffentlicher Finanzierung vergaberechtlich selbst dann ein selbständig zu behandelnder öffentlicher Auftrag sein, wenn sie Teil einer Hochbaumaßnahme nach DIN 276 ist (Dippel in Hattig Maibaum § 98 Rz. 196, Erstellung von Fundamenten). Ob der Auftraggeber dann berechtigt war, diese Lieferung nachVOL/A zu vergeben, obwohl sie Teil einer Baumaßnahme war, ist eine Frage des zutreffend ermittelten Schwellenwertes nach § 1 VgV bzw. der Begründetheit. Hier erstreckt sich die öffentliche Finanzierung jedoch nach den obigen Ausführungen auf das Gesamtprojekt der Domsanierung.
Bei der Domsanierung handelt es sich i. S. des § 98 Nr. 5 GWB am ehesten um die Errichtung einer Erholungs- oder Freizeiteinrichtung. Es handelt sich um die umfassende bauliche technische Sanierung des Domes, die Verlagerung des Dommuseums in die xxxxxx, die als Kirchenraum aufgegeben wird, den Umbau des xxxxxx sowie den Umbau des rechten Flügels der Domschule zu einem neuen Eingang für das Dommuseum und den Kreuzgang (Rosenstock). Dort soll auch ein Besucherzentrum geschaffen werden. Das Dommuseum soll nach den Informationen im eigens geschaffenen Internetauftritt die weltweit anerkannten und einzigartigen Schätze des Dommuseums künftig entsprechend ihrer eigentlichen Bedeutung präsentieren.
In den bisher vorgelegten Zuwendungsbescheiden sind als Gründe für die Förderung angeführt die Substanzerhaltung und Restaurierung von unbeweglichen Kulturdenkmälern von nationaler Bedeutung, die Denkmalpflege, die Erhaltung des Welterbes Hxxxxxx sowie "sonstige Infrastrukturinvestitionen" (hier des Museumsbaus).
Damit ist nach Auffassung der Vergabekammer beschränkt auf die vergaberechtliche Einordnung der zur Verwendung vorgesehenen öffentlichen Mittel am ehesten die Sanierung einer Freizeiteinrichtung i. S. des § 98 Nr. 5 GWB projektiert. Die Subsumtion der unter dem besonderen Schutz des Art. 4 des Grundgesetzes stehenden Religionsausübung als Freizeiteinrichtung erscheint zunächst ungewöhnlich. Allerdings enthält § 98 Nr. 5 GWB keine Wertung, sondern ausschließlich die bundesgesetzliche Übernahme der europarechtlichen Definition von Baumaßnahmen im öffentlichen Interesse. Die Kommentierung (Willenbruch-Wieddekind, 2. Los, § 98, Rd-Ziff. 110, Dippel. in Hattig/Maibaum, § 98, Rd-Ziff. 199, Diehr in Reidt/Stickler/Glahs, § 98, Rd.Ziff. 123, Eschenbruch in Kulartz/Kus/Portz, GWB § 98, Rd-Ziff. 345) und die Rechtsprechung (OLG München, Beschluss vom 10.11.2010 Verg 19/10) gehen einvernehmlich davon aus, dass die in § 98 Nr. 5 GWB genannten Begriffe zwar einerseits abschließend sind, andererseits die Auslegung aber weit zu handhaben sei, um eine wettbewerbskonforme und den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtende Vergabe zu gewährleisten. Zu den Freizeiteinrichtungen werden übereinstimmend und ganz ausdrücklich auch kulturell bedeutsame Einrichtungen wie z.B. Museen, Bibliotheken, Theater und Opernhäuser gezählt.
Somit ist der Begriff der Freizeiteinrichtung gem. § 98 Nr. 5 GWB als wertungsfreier Sammelbegriff für alle Orte zu versehen, die von der überwiegenden Mehrzahl der Benutzer während deren Freizeit aufgesucht werden. Darunter fallen jedenfalls dann im Zweifel auch Orte der Religionsausübung, wenn sie zugleich die Funktion einer historisch oder kulturell bedeutsamen Stätte innehaben. Hier handelt es sich um ein auf der Welterbeliste der UNESCO verzeichnetes Gebäude. Außerdem werden wesentliche Anteile des zu sanierenden Gebäudes auch musealen Zwecken dienen. Gebäude oder Projekte mit einer der Religionsausübung dienenden Funktion sind nicht nur Ausdruck eines individuellen Glaubens, sondern zumindest bei relevantem historischem Bezug auch Belege der seit mehr als tausend Jahren hier gelebten Kultur und damit ein klassisches im öffentlichen Interesse von öffentlichen Auftraggebern zu bedienendes Feld.
Im Ergebnis kommt es für die von der Vergabekammer zu treffende Entscheidung jedoch nicht entscheidend auf die Zuordnung der Domkirche als Freizeiteinrichtung an, weil gemäß den obigen Ausführungen die überwiegende öffentliche Finanzierung fehlt.
d)
Mangels eines öffentlichen Auftraggebers gem. § 98 GWB liegt hier kein öffentlicher Auftrag gem. § 99 GWB vor.
e)
Der nach § 100 GWB i.V.m. § 127 GWB, § 2 VgV maßgebliche Schwellenwert ist hier überschritten. Der Schwellenwert für Bauaufträge beträgt gem. § 2 Nr. 3 VgV 4.845.000,00 EUR. Gemäß § 1 VgV handelt es sich um geschätzte Auftragswerte ohne Umsatzsteuer. Der Antragsgegner hat in der Sitzung vom xxxxxx.2009 einen Kosten- und Finanzierungsplan vorgelegt, der bereits mit den Modulen 1-8 einen Gesamtwert von xxxxxx,-- EUR netto erreicht. Es ist daher unerheblich, ob die "weiteren Maßnahmen" im Außenbereich sowie die Bauforschung als Auftragswerte hinzuzurechnen sind. Der Schwellenwert gem. § 2 Nr. 3 VgV ist durch die Gesamtmaßnahme überschritten.
Die Vergabekammer vertritt nicht die Auffassung, dass der Auftraggeber das Wahlrecht des § 2 Nr. 6 VGV wirksam ausgeübt hat. Werden Gesamtbaumaßnahmen in Losen ausgeschrieben, gilt gem. § 2 Nr. 6 VGV ein Schwellenwert von 1 Million Euro oder bei Losen unterhalb 1 Million Euro, deren addierter Wert ab 20% des Gesamtwertes aller Lose. Der Auftraggeber hat eine Entscheidung über die Anwendung des 20%-Kontingentes nicht dokumentiert. Soweit er sich im Nachprüfungsverfahren darauf beruft, hat er zusätzlich zum 20% Kontingent ein weiteres Kontingent der Maßnahmen als "ohne Anwendung der a-Paragraphen" klassifiziert. Hierzu sieht die Vergabekammer keine rechtliche Grundlage. Bei im Übrigen gegebener Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages wäre es daher entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht möglich, die Materiallieferung zusätzlich zur Anwendung des 20%-Kontingentes von der Anwendung der sog. "a-Paragraphen derVOB/A" auszuklammern.
Die Vergabekammer hält es außerdem für unzulässig, die Lieferung von Steinen, die in einem offenkundigen unmittelbaren Zusammenhang zu einer größeren Baumaßnahme steht, abweichend von Art. 1 Abs. 2 b der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18 nicht als Bauauftrag auszuschreiben, sondern als Dienstleistungsauftrag gem. § 1 Abs. 2 d der VKR 2004/18. In Art. I Abs. 2 d der VKR sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen nur solche, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind. Gemäß Art. 1 Abs. 2 b VKR sind öffentliche Bauaufträge alle Aufträge über die Ausführung eines Bauwerkes. Ein Bauwerk ist das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- oder Hochbauarbeiten, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.
Hier ist die Domsanierung einheitliches Ergebnis von Tief- und Hochbauarbeiten, so dass kein Raum verbleibt, einzelne Aufträge als Dienstleistungsaufträge zu behandeln. Die VgV ist gem. § 127 Nr. 1 GWB eine Verordnung zur Umsetzung der vergaberechtlichen Schwellenwerte der Richtlinien der europäischen Union in ihrer jeweils geltenden Fassung.
f)
Der Antragstellerin fehlt die Antragsbefugnis, da sich mögliche Rechtsverletzung gem. § 107 Abs. 2 GWB nur auf die Rechte gem. § 97 Abs. 7 GWB beziehen, die wiederum gem. § 97 Abs. 1 GWB nur öffentliche Auftraggeber verpflichten.
g)
Die Antragstellerin ist vorliegend nicht ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer alle behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Die Rügepflicht nach § 107 Abs. 3 Satz 1GWB entsteht, wenn der Bieter von den tatsächlichen Umständen, auf die er seinen Vorwurf einer Vergaberechtsverletzung stützt, volle Kenntnis hat und zumindest nach laienhafter Bewertung aus der Perspektive eines fachkundigen Unternehmens als Vergaberechtsverstoß bewertet hat (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 30.03.2009, Az.: 9 Verg 12/08).
Die auf die "Passe-Verlegung" beschränkte anwaltliche Rüge der Antragstellerin vom 24.05.2011 hat sie 8 Kalendertage nach Erhalt der Bieterinformation erhoben. Das ist grundsätzlich verspätet (VK Nordbayern, Beschluss vom 08.06.2011 - 21.VK-3194-14/11), da Rügen regelmäßig innerhalb von drei Kalendertagen, spätestens innerhalb einer Woche (vgl OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010 - WVerg 6/10) zu erheben sind. Da aber der Auftraggeber die Information über den anderweitig beabsichtigten Zuschlag am 16.05.2011 erst gegen 20:14 Uhr, also deutlich nach Geschäftsschluss per e-mail versandt hat, konnte die Antragstellerin erst am 17.05.2011 von der Information Kenntnis erlangen. Bei Annahme eines im Übrigen zulässigen Nachprüfungsantrags hätte sie diese Rüge rechtzeitig erhoben.
Die Antragstellerin hat sich erstmals im Nachprüfungsantrag darauf berufen, der Auftrag hätte wegen Überschreitung des Schwellenwertes gemäß § 2 Nr. 2 VGV europaweit ausgeschrieben werden müssen. Mit diesem Einwand ist sie präkludiert. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin musste sicher nicht erkennen, dass hier die Eigenschaft des öffentlichen Auftraggebers problematisch ist. Es ist auch vertretbar, dass sie aus der Perspektive eines Handelsgeschäfts, welches regelmäßig Auftragnehmer von öffentlichen Bauaufträgen beliefert, die Zuordnung zur VOB/A nicht erkennen musste. Außerdem durfte sie darauf vertrauen, dass der Auftraggeber ein etwaiges 20% Kontingent richtig ermittelt.
Allerdings ist ihr jedenfalls bei anwaltlicher Vertretung sicher zuzumuten, dass sie einen angeblichen Verstoß gegen § 2 Nr. 2 VgV, der sich unmittelbar aus den Vergabeunterlagen ergibt, erkennt. Sie hätte daher den etwaigen Verstoß gegen die europaweite Bekanntmachungspflicht, unverzüglich, nach Kenntnis, spätestens aber bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist rügen müssen. Die Antragstellerin durfte insoweit auch nicht die Richtigkeit und Vollständigkeit der Vergabeunterlagen vertrauen. Dieser Grundsatz entbindet sie nicht von einer Prüfung auf inhaltliche Unstimmigkeiten oder vergaberechtswidrige Forderungen (VK Schleswig Holstein, Beschluss vom 12.06.2006 VK S-H 12/06; VK Thüringen Beschluss vom 27.03.2008, 360-4003.20-641/2008).
Da es sich um einen unzulässigen Nachprüfungsantrag handelt, konnte die Vergabekammer gem. § 112 Abs. 1 S. 3 GWB über den Antrag ohne mündliche Verhandlung nach Lage der Akten entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).
Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Gebührenrahmens nach § 128 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 114 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.
GemäßZiffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Auftraggeber als Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 128 Abs. 4 GWB zu erstatten.
Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der VOL/A oder VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können, so dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes regelmäßig nicht notwendig sein wird, wenn auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10). Andererseits ist das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus sowohl nationalem Recht als auch dem Europarecht, die nicht immer im Gleichklang stehen. Soweit der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens daher hauptsächlich rechtliche Probleme des GWB sind, ist im Einzelfall die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners durchaus angemessen.
Hier handelt es sich ausschließlich um Fragen des GWB, insbesondere der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, für die es zum Teil noch keine einheitliche Rechtsprechung gibt. Die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners war daher in diesem Fall geboten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für den Auftraggeber als notwendig anzuerkennen.
Die Hinzuziehung des Rechtsanwalts ist auch ohne ausdrücklichen Antrag von Amts wegen für notwendig zu erklären, da § 128 Abs. 4 GWB nicht auf § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG verweist, nur dort aber ein Antragserfordernis normiert ist.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx.
IV. Rechtsbehelf
xxxxxx
Peter
Lohmöller