Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 18.02.2011, Az.: VgK-73/2010
Verpflichtung zur Gebäudewertermittlung aller Objekte auf eigene Kosten und zur kostenlosen Weitergabe dieser Informationen an den Versicherungsnehmer stellt einen Vergabeverstoß dar; Vergabe von Versicherungsdienstleistungen für öffentliche Gebäude; Verstoß gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot und das Gebot eindeutiger und erschöpfender Leistungsbeschreibung; Wissensvertretung und rückwirkende Zurechnung der Kenntnis des Vertreters auf den Vertretenen; Versicherungsvermittler als leistungsfähiger Bieter
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 18.02.2011
- Aktenzeichen
- VgK-73/2010
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 15493
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs.1 GWB
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 113c NGO
- § 65 NLO
- §§ 59 ff. VVG
- § 8 VOL/A-EG
Verfahrensgegenstand
VOL-Vergabeverfahren von Schadensversicherungen
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gaus,
die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Dr. Freise,
auf die mündliche Verhandlung vom 18.02.2011
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zu versetzen. Sie wird ferner verpflichtet, alle Interessenten, die ursprünglich Vergabeunterlagen angefordert haben, erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern. Dieser Aufforderung sind Vergabeunterlagen beizufügen, die unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer geändert wurden. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren im Weiteren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen und fortlaufend in einer den Anforderungen des§ 24 VOL/A-EG entsprechenden Form zu dokumentieren.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten persönlich befreit.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 4.
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2010, veröffentlicht im Amtsblatt der EU am xxxxxx.2010, schrieb die Auftraggeberin Versicherungsdienstleistungen (Gebäude- und Inhaltsversicherung) letztendlich für die Zeit vom 01.02.2011 für den Bereich des Landkreises xxxxxx bzw. 01.01.2012 für den Bereich der Stadt xxxxxx, jeweils bis zum 01.01.2014 mit jährlicher Verlängerungsoption EU-weit im offenen Verfahren aus.
Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung in Lose nicht vorgesehen ist. Nebenangebote und Änderungsvorschläge waren nicht zugelassen.
Hinsichtlich der Teilnahmebedingungen waren zur Beurteilung der persönlichen Lage des Wirtschaftsteilnehmers und dessen Leistungsfähigkeit keine Angaben und Formalitäten gefordert. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort war ausgeführt, dass der Preis das alleinige Zuschlagskriterium sein soll.
In der Änderungsbekanntmachung vom xxxxxx.2010 im Amtsblatt der EU korrigierte die Auftraggeberin noch einige Angaben.
Den Angebotsunterlagen war eine Objektliste Gebäude-, Glas- und Inhaltsversicherung, zuletzt geändert am 06.12.2010, beigefügt. Bei einigen Objekten fehlte die Angabe des derzeitigen Gebäudewertes, M Wert 1914, bei einigen Objekten fehlte für die Inhaltsversicherungen der derzeitige Gebäudewert Neuwert. Ferner stellte die Auftraggeberin eine Einzelschadenübersicht und eine zusammengestellte Schadenübersicht letztmalig mit Datum vom 08.12.2010 der letzten fünf Jahre zur Verfügung. Die Angebotsunterlagen enthielten die Sachversicherungsbedingungen für kommunale Objekte sowie Allgemeinen Bedingungen für einzelne Versicherungen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft.
Nachdem ein Versicherungsvermittler die Angebotsunterlagen mit Schreiben vom 05.11.2010 angefordert hatte, bat dieser mit Schreiben vom 19.11.2010 um Klarstellung bzw. Korrektur einzelner Punkte. Er rügte dabei einzelne Punkte der Ausschreibung, u.a. die Wertermittlung aller Objekte innerhalb einer Frist von zwei Jahren gemäß Ziffern 2.4.1 des Teil B der Sachversicherungsbedingungen und Punkt 4.1.3 der Leistungsbeschreibung. Mit Bieterinformation vom 25.11.2010 informierte die Auftraggeberin die Bieter hinsichtlich der Beantwortung der Nachfragen. Zur gerügten Wertermittlung teilte die Auftraggeberin allen Bietern mit, dass die Gebäudewertermittlung Teil der Leistungsbeschreibung sei. Eine gesonderte Antwort auf sein Rügeschreiben erhielt der Versicherungsvermittler nicht. Mit Schreiben vom 01.12.2010 beanstandete der Versicherungsvermittler, dass seine Rügen nicht individuell beantwortet worden seien. Ferner rügte er u.a., dass die Auftraggeberin seiner Rüge zur Wertermittlung nicht abgeholfen habe. Die Gebäudewertermittlung sei nicht Aufgabe des Versicherers. Eine seriöse Einbeziehung der Kosten für die Wertermittlung in den Angebotspreis sei unmöglich, da der Arbeitsaufwand nicht kalkulierbar sei. Der Versicherungsvermittler bat um Abhilfe der Rüge unter Fristsetzung. Mit Schreiben vom 07.12.2010 wies die Auftraggeberin die Rüge zurück und machte den Versicherungsvermittler auf den § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB aufmerksam. Ferner strich die Auftraggeberin mit Bieterinformation vom 15.12.2010 die Fußnote 2 zu Ziffer 4.3.1 der Leistungsbeschreibung. (Gemeint war die Ziffer 4.1.3 der Leistungsbeschreibung, die jedoch keine Fußnote hat. Eine Fußnote gibt es nur zu Ziffer 4.1.2.)
Mit anwaltlichen Rügeschreiben vom 10.12.2010 beanstandete der Versicherungsvermittler, jetzt als Vertretungsberechtigte der Antragstellerin erneut die Ausschreibung und rügte die Mängel an Transparenz sowie Defizite im Hinblick auf den Wettbewerb. Er wiederholte und begründete u.a. die Rüge hinsichtlich der Wertermittlung.
Mit Schreiben vom 15.12.2010 an den Bevollmächtigten der Antragstellerin, teilte die Auftraggeberin mit, dass sie die Fußnote 2 zu Ziffer 4.3.1 ersatzlos gestrichen habe.
Ferner erklärte sie, dass eine Wertermittlung durch die Bieter nie beabsichtigt war und fügte eine ergänzende Objektliste als Teil der Vergabeunterlagen bei. Sie erklärte, dass sie zu einer weiteren Korrektur der Ausschreibung keine Veranlassung sehe.
In einem dahinter gehefteten Vermerk hielt die Auftraggeberin u.a. zu 4.1.3 der Leistungsbeschreibung und Ziffer 2.4.1 der Sachschadenbedingungen für kommunale Objekte, Teil B Sachversicherung, fest, warum die Fußnote (zu 4.1.2) zu streichen war. Von dieser Frage zu trennen sei die geforderte Neubewertung der Objekte. Die Pflicht relativere die Kalkulationsgrundlage in keiner Weise, da sie die Richtigkeit der in der Objektliste angegebenen Werte nicht unter Vorbehalt stelle. Die "Revisionsbewertung" sei ein Teil der Leistungsbeschreibung.
Die Antragstellerin, beantragte mit Schreiben vom 21.12.2010, eingegangen bei der Vergabekammer per Telefax am gleichen Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begründet ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung der Ausführungen des jetzt bevollmächtigten Versicherungsvermittlers in den o. g. Rügeschreiben hinsichtlich des Terroreinschlusses, der Wertermittlung und der Versicherungssummen.
Sie führt aus, dass durch die Neuregelung des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB die Rügefrist erst nach Erhalt des Nichtabhilfebescheides zu laufen beginne. Da sie keinen Nichtabhilfebescheid erhalten habe, der Nichtabhilfebescheid nicht rechtsmittelfähig war bzw. in der Bekanntmachung der Hinweis auf die die Regelung des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB fehlte, gelte gemäß der Rechtssprechung des OLG Celle die Jahresfrist nach§ 58 Abs. 2 VwGO.
Ferner vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass die Auftraggeberin gegen das Transparenz- und Nichtdiskriminierungsverbot verstoßen habe, da sie den Bietern keine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellt hat. Die von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellten Gebäudewertermittlungen würden zu hypothetischen Angebotskalkulationen führen, die keinen ordnungsgemäßen Wettbewerb ermöglichen. Auch aus haushaltsrechtlicher Sicht der öffentlichen Auftraggeber sei es nicht hinzunehmen, wenn die Vorbehalte auf absehbare Veränderlichkeit der Preise/Prämien zielen, die man jetzt schon abstellen können müsste.
Nach Durchführung der sehr eingeschränkten Akteneinsicht beanstandet die Antragstellerin die mangelnde Dokumentation in der Vergabeakte hinsichtlich Vermerke mit Ausführungen und Ermessensabwägungen, die die Grundlagen für die ausgeschriebene Leistung waren. Ihrer Auffassung nach hätten sich die Dokumentationsmängel in maßgeblicher Weise auf die monierten Fehler des Vergabeverfahrens ausgewirkt. Das Vergabeverfahren sei bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht transparent und nachvollziehbar.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
ein Vergabenachprüfungsverfahren einzuleiten und der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen,
- 2.
der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,
- 3.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Gebühren und Auslagen aufzuerlegen,
- 4.
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 21.12.2010 als unzulässig und offenkundig unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält den Nachprüfungsantrag sowohl für unzulässig als auch für unbegründet. Der von der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag beanstandete Verstoß gegen Ziffer 4.1.3 der Leistungsbeschreibung liege nicht vor.
Zur Begründung führt sie aus, dass der Antragstellerin über ihren jetzt bevollmächtigten Versicherungsvermittler seit dem 19.11.2010 die vermeintlichen Vergabefehler bekannt sein müssten. Sie weist dabei darauf hin, dass nach ihren Unterlagen des Versicherungsvermittlers die Rügeschreiben vom 19.10.2010 und 01.12.2010 nicht als Vertretungsberechtigte der Antragstellerin geschrieben habe, sondern im eigenen Namen. Erst aufgrund der anwaltlichen Rüge vom 10.12.2010 habe sie, die Auftraggeberin erkannt, dass die Antragstellerin die Ausschreibung beanstandet.
Die Antragstellerin könne sich auch nicht die Rügen des jetzt von ihr vertretenen Versicherungsvermittlers zurechnen lassen. Durch die Änderung des § 107 Abs. 3 GWB bestehe jetzt eine individuelle Rügeobliegenheit der Antragstellerin, die nicht mehr außerhalb der Regeln der Stellvertretung auch durch Dritte erfüllt werden könne.
Da die Antragstellerin kein Angebot abgegeben habe, könne sie auch keinen Schaden und damit keine Rechtsverletzung geltend machen. Im Übrigen sei es der Antragstellerin möglich gewesen, ein Angebot ohne die allein gerügte Zusatzleistung der Ziffer 4.1.3 der Leistungsbeschreibung abzugeben. Da sie eine vollständige Objektliste mit Angabe der Gebäudewerte, bezogen auf das Jahr 1914 den Bietern übersandt habe, hätte die gerügte Zusatzleistung keinen Einfluss auf die Wertangaben des Angebotes. Dies zeige sich bereits daran, dass sie nicht rückwirkend auf den Angebotszeitpunkt wirke. Es sei der Antragstellerin zuzumuten, die behauptete Rechtsverletzung dadurch zu substantiieren, dass sie auf der Basis der Wertangaben in der Objektliste ein Angebot mit dem Zusatz abgegeben hätte, dass es nicht die von ihr gerügte Zusatzleistung der Ziffer 4.1.3 der Leistungsbeschreibung mit umfasse.
Sie weist darauf hin, dass die den Bietern zur Verfügung gestellten Daten zum überwiegenden Teil auf die von ihr, der Antragstellerin, geforderten Werte des Vorversicherers beruhen und insoweit belastbare Werte seien. Eine unzulässige Risikoverlagerung des Ausschreibungsinhaltes auf die Bieter finde nicht statt.
Ferner liege durch ihre Forderung nach einer Wertermittlung innerhalb einer Frist von zwei Jahren kein Verstoß gegen eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung vor, da sie allen Bietern eine vollständige Objektliste mit den Gebäudewertermittlungen ("derzeitiger Gebäudewert 1914 ...") für die Angebotsabgabe zur Verfügung gestellt habe. Die von ihr zur Verfügung gestellten Wertangaben seien endgültig und nicht "pro forma". Sie würden weder durch die Ziffer 4.1.3 der Leistungsbeschreibung relativiert noch handele es sich um eine verdeckte Preisanpassungsklausel. Eine "Korrektur" aller Werte sei lt. v. g. Ziffer der Leistungsbeschreibung ausgeschlossen.
Sie vermutet vielmehr, dass die Antragstellerin nicht erkannt hat, dass es sich bei der Forderung nach einer Wertermittlung aus Ziffer 4.1.3 um eine von der ausgeschriebenen Versicherungsleistung zu erbringende Zusatzleistung handelt. Es handele sich daher auch nicht um eine Preisanpassungsklausel. Die Funktion sei auf den Bereich des Unterversicherungseinwandes begrenzt. Diese ergäbe sich vor allem aus der in Satz 3 ausgesprochenen Rechtsfolge der Beitragsanpassung für die Zukunft, wenn im Einzelfall eine Abweichung bei der Wertermittlung festgestellt werden sollte.
Sie führt ferner aus, dass sie im Gegensatz zu dem bei der erkennenden Vergabekammer entschiedenen Verfahren VgK-52/2010 die ausgeschriebenen Gebäudewerte nicht relativiert habe, da sie nicht für bestimmte Gebäude eine Wertüberprüfung von Anfang an vorgesehen habe.
Sie fordere in Ziffer 4.1.3 Satz 2 keine bestimmte Form der Nachprüfung des Gebäudewertes, vielmehr bleibe es jedem Bieter selbst überlassen, wie intensiv er sie betreibe. Ein Bieter könne sich auch auf eine Plausibilitätskontrolle gemäß DIN 276/277, oder eine EDV gestützte Wertermittlung beschränken. Gutachten eines anerkannten Gebäudesachverständigen seien in Ziffer 4.1.3 nicht gefordert.
Soweit die Antragstellerin jetzt eine mangelnde Dokumentation des Vergabeverfahrens beanstande, weist sie darauf hin, dass Sinn und Zweck der Dokumentation es sei, Missbrauch, insbesondere durch nachträgliche Manipulationen zu verhindern. Der Umfang der Dokumentation müsse grundsätzlich im Verhältnis zur Natur der Materie stehen. Eine umfassend dokumentierte Begründung, warum man sich für eine Standardausschreibung entschieden habe, sei nicht erforderlich. Ihrem Haushaltsplan 2011 sei zu entnehmen, dass ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Da sie ferner als einziges Zuschlagskriterium den Preis gewählt habe, sei eine Begründung, warum sie den gesetzlichen Regelfall vorsehe, nicht erforderlich.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 21.01.2011 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 07.03.2011 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 18.02.2010 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig und begründet. Die Auftraggeberin hat gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot gemäß § 97 Abs.1 GWB und das Gebot eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gemäß § 100, 127 GWB, 8 VOL/A-EG verstoßen, indem sie die von ihr geforderte Leistung, innerhalb von zwei Jahren Gebäudewertermittlungen aller Objekte auf eigene Kosten durchzuführen und dem Versicherungsnehmer kostenlos zur Verfügung zu stellen, inhaltlich nicht abschließend definiert hat. Ferner wollte sie es den Bietern überlassen, ob und wie diese Pflicht erfüllt werden soll. Dadurch ist die Antragstellerin im Sinne der §§ 97 Abs.1 und Abs. 7, § 114 Abs.1 GWB in ihren Rechten verletzt.
Ein konzernunabhängiger Versicherungsvermittler ist im Gegensatz zum Versicherungsagenten aus eigenem Recht im Vergabeverfahren rügebefugt. Eine Wissensvertretung und die rückwirkende Zurechnung der Kenntnis des Vertreters auf den Vertretenen finden nicht statt.
1.
Anzuwenden ist für das vorliegende Verfahren der Abschnitt 2 der VOL/A in der Fassung vom 20. November 2009, in Kraft getreten mit der novellierten Vergabeverordnung (VgV) am 11.06.2010 (BGBl. I Nr. 30 S. 724). Das Vergabeverfahren wurde mit europaweiter Bekanntmachung des Auftraggebers vom xxxxxx.2010 eingeleitet.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts. Dieser ist das Gebäudemanagement für einen Landkreis und eine Stadt gemäß § 113 c) NGO i.V.m. § 65 NLO übertragen worden. Durch die öffentlich-rechtliche Übertragung dieser originär gemäß § 1 Abs.1 NLO kreiseigenen bzw. § 4 NGO gemeindeeigenen Aufgabe handelt es sich bei der gemeinsamen kommunalen Anstalt um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB.
Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Versicherungsleistungen und damit um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des§ 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB für die gemäß § 2 Nr. 2 VgV ein Schwellenwert von 193.000 EUR gilt. Der Gesamtwert des für drei Jahre ausgeschriebenen Auftrags ohne Umsatzsteuer beträgt nach der in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Schätzung des Auftraggebers xxxxxx EUR. Damit ist der für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgebliche Schwellenwert auf jeden Fall überschritten. Allerdings wäre zu einer genauen Berechnung des Auftragswertes nicht die vertraglich vorgesehene Dauer von mindestens drei Jahren maßgeblich, sondern wegen der gewünschten fortlaufenden Verlängerung des Vertrages gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 2 VGV wie bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit der 48 fache Monatswert.
Die Antragstellerin ist antragsbefugt gemäß §107 Abs. 2 GWB, da sie als potentielles Bieterunternehmen im vorliegenden Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Zwar hat sie bisher kein Angebot abgegeben. Sie hat aber geltend gemacht, von der Unterbreitung eines zuschlagsfähigen Angebots gerade durch die vergaberechtswidrigen Passagen der Leistungsbeschreibung abgehalten worden zu sein. Ihr Interesse am Auftrag ergibt sich aus der entsprechenden Rüge und aus dem Nachprüfungsantrag. Sie vertritt die Auffassung, die Leistungsbeschreibung enthalte mit der in Ziffer 4.1.3 der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Wertermittlung rechtswidrig eine nicht hinreichend konkretisierte offene Leistung, die nicht seriös zu kalkulieren sei. Damit würde der Antragstellerin eine Anbietungsmöglichkeit verwehrt.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstanden oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat für die Rügen zumindest schlüssig dargelegt, dass sie sich durch die geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße in ihren Chancen beeinträchtigt sieht, ein konkurrenzfähiges Angebot abzugeben und den Zuschlag zu erhalten. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten würde (vgl.OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg 1/99).
Der Nachprüfungsantrag ist aufgrund rechtzeitiger Rügen gemäß § 107 Abs. 3 GWB zulässig. Da die Antragstellerin sich vorliegend mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen Sachverhalte und Bedingungen der Ausschreibung wendet, die ihr aus der europaweiten Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 und der mit Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandten Vergabeunterlagen bekannt gemacht wurden, müssen die Rügen innerhalb der Fristen des § 107 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 GWB erhoben werden. Danach ist ein Antrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung oder erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Als Termin für die Angebotsabgabe hat die Auftraggeberin den 27.12.2010 festgelegt. Die Rügeschreiben des Versicherungsvermittlers vom 19.11.2010, und 1.12.2010 sowie die Rüge der Antragstellerin vom 10.12.2010 erfolgten daher rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB.
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch nicht § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entgegen. Nach dieser Vorschrift ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn der Antragsteller einen Verstoß im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Die Auftraggeberin unterscheidet hier zwischen den von dem Versicherungsvermittler am 19.11.2010 ohne Offenlegung einer Vollmacht erhobenen substantiierten Rügen und den am 10.12.2010 erstmals in Vollmacht für den Versicherungsvermittler und die Antragstellerin anwaltlich erhobenen Rügen, die sich inhaltlich auf den bisherigen Schriftverkehr beziehen. Die Auftraggeberin vertritt die Auffassung, die Kenntnisse der Versicherungsvermittlerin von Vergabefehlern seien der Antragstellerin bei der Bemessung des Tatbestandsmerkmals "unverzüglich" rückwirkend zuzurechnen, die Verfahrenshandlung der Rügeerhebung jedoch nicht.
Die Kenntnisse des erst später als Vertreter benannten konzernunabhängigen Versicherungsvermittlers sind im Nachprüfungsverfahren jedoch nicht isoliert von den Verfahrenshandlungen rückwirkend der Vertretenen zuzurechnen. Wollte man in den Fällen des Versicherungsvermittlers die Kenntnisse des Vertreters ohne Weiteres und rückwirkend der Vertretenen zurechnen, wie dies die Auftraggeberin vorträgt, wäre zunächst zu prüfen, ob dies dann auch nach den zu § 180 Satz 2 BGB entwickelten Grundsätzen für die Verfahrenshandlung der Rüge als einseitiger empfangsbedürftige Willenserklärung gilt. Nach diesen Grundsätzen ist eine Zurechnung für verschiedene Gruppen von Willenserklärungen zulässig (Ellenberg in Palandt, § 180 Rz. 1), wenn der Handelnde eine Vollmacht mindestens stillschweigend behauptet, und der Empfänger der Willenserklärung die scheinbare Vertretungsmacht nicht beanstandet oder mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden gewesen ist. Da der Versicherungsvermittler mangels Erlaubnis gemäß § 5 VAG hier erkennbar nicht selbst leistungsfähig ist, liegt eine dieser Möglichkeiten hier durchaus nahe. Einer abschließenden Entscheidung, ob die Rüge zu den empfangsbedürftigen Willenserklärungen gehört, welche dem Vertretenen zuzurechnen sind, und ob in der Bezugnahme auf die bereits erhobenen Rügen des Versicherungsvermittlers auch eine Genehmigung der Rügen gemäß § 184 BGB liegt, bedarf es jedoch hier nicht.
Der später im Vergabeverfahren zur Bevollmächtigten der Antragstellerin erklärte Versicherungsdienst war berechtigt, auch ohne die Offenlegung der Bevollmächtigung für einen Dritten, sogar ohne das Bestehen einer solchen Vollmacht, aus eigenem Recht Rügen im Vergabeverfahren zu erheben.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin gehört als Versicherungsvermittler i.S.d. §§ 59 ff, 61 VVG§ 34 d GewO und § 80 VAG nicht zum Kreis der leistungsfähigen Bieter. Denn gemäß Ziffer 1.1 und 1.4 der Leistungsbeschreibung war ausdrücklich eine Versicherungsleistung zu vergeben, die einheitlich bei einem Versicherer abgeschlossen werden sollte. Versicherungen dürfen nur Unternehmen anbieten, die über eine Erlaubnis nach § 5 VAG verfügen.
Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin ohne den Nachweis einer Bevollmächtigung durch ein solches Unternehmen am 19.11.2010 Rügen im Vergabeverfahren erhoben hat, verstößt er damit dennoch nicht gegen den Grundsatz des Individualrechtschutzes. Er hat seine Rügen zulässig erhoben.
Der 4. Teil des GWB enthält keine materiellen Voraussetzungen für eine Rügebefugnis. Erst der Nachprüfungsantrag ist gemäß § 107 Abs.2 GWB an die Darstellung einer Individualrechtsverletzung als Zulässigkeitsmerkmal gebunden. Die Erhebung von Rügen ohne ein vorliegendes Angebot des Rügenden ist ausweislich der zeitlichen Vorgaben des § 107 Abs.3 Nr. 2, Nr. 3 GWB ein gesetzlich gewollter Regelfall. Die Antwort auf seine Rüge soll den Rügenden erst in die Lage versetzen, sein Angebot zu kalkulieren bzw. entscheiden zu können, ob er auf diese Vergabebekanntmachung und Aufforderung zur Angebotsabgabe überhaupt ein Angebot abgeben will. Daher sieht das GWB keine Beschränkung des Kreises der Rügeberechtigten vor. Eine solche Beschränkung ergibt sich auch nicht aus § 5 VAG. Diese Erlaubnispflicht für Versicherungsunternehmen bezieht sich nur auf deren Geschäftsbetrieb selbst und erfasst nicht im Umkehrschluss Handlungen im Umfeld einer Angebotsabgabe. Die Rügebefugnis lässt sich somit nicht gesetzlich auf einen bestimmten Personenkreis persönlich zur Erbringung der Leistung qualifizierter potentieller Bieter beschränken.
Lediglich im Anwendungsbereich der VOB/A folgt aus der Begrenzung des Kreises der Empfänger der Vergabeunterlagen auf die "gewerbsmäßig mit der Ausführung von Leistungen der ausgeschriebenen Art befassten Bewerber "(§ 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A) eine indirekte Beschränkung des Kreises derjenigen, die in der Lage sind, eine Rüge zu formulieren. Mit dieser Regelung derVOB/A soll Generalunternehmern und Vermittlern von Aufträgen der Zugang zum Vergabeverfahren beschränkt werden. (Schranner in Ingenstau/Korbion § 6 VOB/A Rz. 33) Die VOB/A hält am Grundsatz der Ausführung der zu vergebenden Leistung im eigenen Betrieb fest (§ 6 Abs.1 Nr. 2 VOB/A).
Vergleichbare einschränkende Regelungen sind in der VOL/A-EG nicht zu finden. Das bedeutet, dass der Einsatz von Vermittlern und Generalunternehmen in Vergabeverfahren nach der VOL/A-EG grundsätzlich nicht beschränkt ist. Der rügebefugte Personenkreis umfasst damit neben den zur Abgabe eines Angebots Berechtigten mindestens auch die professionellen Vermittler spezifischer Dienstleistungen, deren Berufsbild gesetzlich anerkannt und geschützt ist. Damit hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin als Versicherungsvermittlerin gemäß den§§ 59 ff VVG§ 80 VAG, und § 34 d GewO eine eigene Rügebefugnis.
Die Kenntnisse, welche der jetzt von der Antragstellerin Bevollmächtigte als eigenständig rügende Person von angeblichen Vergabeverstößen der Auftraggeberin erlangt hat, sind der Vertretenen gemäß § 166 Abs. 1 BGB erst ab der Offenlegung einer Bevollmächtigung oder dem Zeitpunkt einer Abgabe des Angebots im Auftrag einer Vollmachtsgeberin, zuzurechnen.
Die Rechtsprechung hat über § 166 Abs.1 BGB hinaus die Kenntnis des Vertreters oder einer Person, die wie ein Vertreter auftritt, auch auf den Vertretenen (Wissensvertretung) ausgedehnt. Wer sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr eines Vertreters bedient, oder das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters nachträglich genehmigt, muss es im schutzwürdigen Interesse des Adressaten seines Handelns hinnehmen, dass ihm die Kenntnis des Vertreters als eigene zugerechnet wird. Er kann sich also nicht auf eigene Unkenntnis berufen (BGHZ 83, S. 293ff, 296). Diese Wissensvertretung gilt ausdrücklich für sogenannte Versicherungsagenten. Der in die Vertriebsorganisation eingebundene Versicherungsagent gemäß § 59 Abs.2 VVG ist das "Auge und Ohr" der Versicherung (BGHZ 102, 194, 198). Sie hat sich daher dessen Kenntnis zurechnen zu lassen.
Weitere gesetzliche Normierungen dieses Gedankens finden sich in besonderen Ausnahmeregelungen, z.B. in § 2 Abs. 3 VVG, § 142 BGB, in denen jeweils verhindert werden soll, dass dem redlichen Vertragspartner aus der verteilten Kenntnis von Vertreter und Vertretenem, die im übrigen einheitlich zusammenarbeiten, ein Nachteil entsteht. Das ist hier aber nicht ersichtlich.
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin ist Versicherungsvermittler, nicht Versicherungsagent. Dabei handelt es sich um ein gesetzlich anerkanntes eigenständiges Berufsbild. Es fußt auf einer Praxis, dass Versicherungen nicht selbst ein Angebot abgeben, sondern sich unabhängiger nicht konzerngebundener (Umkehrschluss aus § 34 d Abs. 4 GewO) Versicherungsvermittler bedienen. Der Versicherungsvermittler erkundet selbständig den Markt und bereitet Vergabeunterlagen für das Versicherungsunternehmen so auf, dass dieses dem Versicherungsvermittler die zur Vertragsvermittlung relevanten Daten zu geben vermag. Zu dieser Aufbereitung gehört auch die Wahrung von Verfahrensrechten, z.B. im Vergabeverfahren die Erhebung rechtzeitiger Rügen. Da der Versicherungsvermittler im Gegensatz zum Versicherungsagenten nicht in die Vertriebsorganisation der Versicherung eingebunden ist, findet die obige Zurechnung der "Wissensvertretung" nicht statt (BGH Beschluss vom 12.03.2008 IVZR 330/06 VersR 08, S. 809 f; OLG Zweibrücken Urt. v. 09.03.2005 VersR 05, S. 1373).
Die Rechtsprechung hat für § 107 GWB (alt) unter dem Gesichtspunkt der objektiven Verfahrensförderung die Möglichkeit eines späten Wechsels des Vertretenen unter Wahrung der durch Rügeerhebung erlangten Verfahrensposition zugelassen (vgl. OLG Celle Beschluss vom 15.12.2005, VergabeR 2006, S. 244[OLG Celle 15.12.2005 - 13 Verg 14/05]). Soweit § 107 GWB 2009 den Individualcharakter der Rüge stärker hervorhebt, lässt sich dieses Ergebnis ebenso aus der eigenständigen Stellung der Bevollmächtigten der Antragstellerin als nicht konzerngebundener Versicherungsvermittler herleiten, der über seine durch rechtzeitige Rüge erlangte individuelle Verfahrensposition verfügen darf.
Der Versicherungsvermittler benötigt nur aufgrund der Besonderheiten des Vergabeverfahrens die Konstruktion einer Stellvertretung. Anstelle der sonst üblichen unmittelbaren Vermittlung eines Vertragsschlusses muss der Bieter im Vergabeverfahren ein Angebot abgeben. Dies ist für einen Versicherungsvermittler, der regelmäßig im Sinne der Leistungsbeschreibung nicht leistungsfähig ist, nur möglich, indem er als Vertreter des von ihm ausgewählten Versicherungsunternehmens auftritt.
Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht wegen Verfristung gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB unzulässig. Danach ist ein Antrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Eine solche Nichtabhilfeentscheidung hat die Auftraggeberin am 7.12.2010 getroffen. Voraussetzung für die Präklusionswirkung der Bekanntgabe der Nichtabhilfe gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB ist nach der Rechtsprechung allerdings, dass der Auftraggeber in der Bekanntmachung im Amtsblatt der EU auf diese Regelung hingewiesen hat (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010, Az.: 13 Verg 1/10). Diese Voraussetzung hat die Auftraggeberin vorliegend zwar nicht erfüllt. Unabhängig davon hat die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag am 21.12.2010, also noch innerhalb von 15 Tagen nach Zugang der Nichtabhilfeentscheidung vom 7.12.2010, erhoben.
3. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend begründet. Die Auftraggeberin verstößt gegen das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 Abs. 2 GWB, das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gemäß § 8 Abs. 1 VOL/A-EG und verletzt die Antragstellerin damit in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB. Die von der Auftraggeberin verwendete Formulierung der Leistungsbeschreibung unter Ziffer 4.1.3, nach der Versicherer verpflichtet ist, innerhalb von zwei Jahren Gebäudewertermittlungen aller Objekte auf eigene Kosten durchzuführen und diese dem Versicherungsnehmer kostenlos zur Verfügung zu stellen, ist rechtswidrig (im Folgenden a).Soweit die Antragstellerin die mangelnde Dokumentation des Vergabeverfahrens rügt, kann sie sich nicht auf § 24 VOL/A-EG berufen, da sich die Mängel nicht nachteilig auf ihre Rechtsstellung im Vergabeverfahren ausgewirkt haben (im Folgenden b).
a)
Die Auftraggeberin hat gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gemäß § 8 Abs. 1 VOL/A-EG verstoß#en, in dem sie unter Ziff. 4.1.3 der Leistungsbeschreibung den Versicherer verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren nach dem jeweiligen Versicherungsbeginn Gebäudewertermittlungen aller Objekte auf eigene Kosten durchzuführen und diese dem Versicherungsnehmer spätestens zum Ende der zwei Jahre kostenlos zur Verfügung zu stellen. Denn sie hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung offengelegt, dass der jeweilige Versicherer nach ihrer Vorstellung die Wertermittlung auf einen Abgleich nach DIN 276/277 oder einer EDV-gestützten Wertermittlung beschränken oder von der Erstellung dieser Wertermittlungen für 144 Objekte auch vollständig absehen kann.
Gemäß § 8 Abs. 1 VOL/A/-EG ist die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind (Leistungsbeschreibung).
Die in § 8 VOL/A-EG geregelten Anforderungen an die Gestaltung der Leistungsbeschreibung sind sowohl für das Vergabeverfahren als auch für die spätere Vertragsdurchführung mit dem erfolgreichen Bieter sehr wichtig. Die Leistungsbeschreibung bildet das Kernstück der Vergabeunterlagen (vgl. Prieß, Die Leistungsbeschreibung - Kernstück des Vergabeverfahrens, NZBau 1/2004, S. 20 ff., und NZBau 2/2004, S. 87 ff. m.w.N.). Die Leistungsbeschreibung darf daher im Interesse vergleichbarer Ergebnisse keinen Bieter im Unklaren lassen, welche Leistung er in welcher Form und zu welchen Bedingungen anbieten soll. Sie soll auch den Vergabegegenstand umfassend beschreiben, ohne dass Restbereiche verbleiben, für die die Leistungspflichten nicht klar definiert sind. Wenn die Vergabestelle diese allgemeinen Anforderungen bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung nicht beachtet, kann nicht von einer VOL/A-gemäßen Leistungsbeschreibung als Grundlage des Vergabeverfahrens gesprochen werden. Das Vergabeverfahren leidet in diesem Fall schon von Beginn an unter einem erheblichen Mangel (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 8, Rdnr. 25). Der Grundsatz, dass der Auftraggeber die Verdingungsunterlagen so eindeutig und erschöpfend zu gestalten haben, dass sie eine einwandfreie Preisermittlung ermöglichen bzw. die Bieter die Preise exakt ermitteln können, findet seine Grenze im Prinzip der Verhältnismäßigkeit (vgl. Prieß, NZBau 2/2004, S. 87 ff, S. 90). Die Pflicht des Auftraggebers, alle kalkulationsrelevanten Parameter zu ermitteln und zusammenzustellen und damit über den genauen Leistungsgegenstand und -umfang vor Erstellung der Leistungsbeschreibung aufzuklären, unterliegt daher der Grenze des Mach- und Zumutbaren. Er ist daher einerseits verpflichtet, zumutbaren finanziellen Aufwand zu betreiben, um die kalkulationsrelevanten Grundlagen der Leistungsbeschreibung zu ermitteln (vgl. Kratzenberg in: Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Auflage A § 9, Rdnr. 21). Diese Pflicht des Auftraggeber endet erst dort, wo eine in allen Punkten eindeutige Leistungsbeschreibung nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand möglich wäre (vgl. Prieß, a.a.O., m.w.N.). Eine eindeutige Leistungsbeschreibung setzt voraus, dass Art und Umfang der geforderten Leistung mit allen dafür maßgebenden Bedingungen und etwa notwendige Regelungen zur Ermittlung des Leistungsumfangs zweifelsfrei erkennbar und keine Widersprüche in sich oder zu anderen vertraglichen Regelungen enthalten sind (vgl. Traupel in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 8 VOL/A EG, Rdnr. 26, m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser zutreffenden Feststellungen durfte die Auftraggeberin neben der klassischen Versicherungsleistung auch die künftige Wertermittlung für die Gebäude vergeben. Es ist zunächst eine Pflicht der Auftraggeberin gemäß § 8 Abs.1 VOL/A-EG, für die aktuelle Vergabe verbindliche Gebäudewerte vorzugeben (VgK Lüneburg, Beschluss vom 29.10.2010, Az: VgK-52/2010). Dem ist die Auftraggeberin hier nachgekommen. Sie hat die Gebäudewerte einschließlich der Inhaltswerte in der Objektliste verbindlich für die Vergabe vorgegeben und hat nicht von der in Ziffer 2.4.1 Teil B der "Sachversicherungsbedingungen für kommunale Objekte" als möglich dargestellte Ermittlung durch den Versicherer Gebrauch gemacht.
Die Auftraggeberin hat zusätzlich den Vertragsgegenstand der Versicherungsdienstleistungen um eine Leistung, nämlich die Gebäudewertermittlung für alle 144 Objekte auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt erweitert. Dies ist grundsätzlich zulässig. Es ist daher kein diskriminierender, bestimmte Wettbewerber ausschließender oder behindernder Eingriff in den Wettbewerb im Sinne des § 97 Abs. 2 GWB, § 2 Abs. 1 Satz 2 VOL/A-EG, wenn die Auftraggeberin zusätzlich zu der Versicherungsleistung eine auf künftige Zeiträume gerichtete Gebäudewertermittlung, die die Kalkulationsgrundlage der aktuellen Vergabe nicht berührt, vergeben möchte.
Grundsätzlich ist es das gute Recht des Auftraggebers festzulegen, welche Leistung in welchem Umfang er von den Bietern angeboten haben möchte, so lange er nicht gegen die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts verstößt. Die Wertermittlung von Objekten gehört zu den klassischen Aufgaben einzelner technischer Berufe, aber auch zu den der Immobilien- und Versicherungswirtschaft. Insoweit hätte die Auftraggeberin diese auch getrennt von der eigentlichen Versicherungsleistung als separates Fachlos ausschreiben können.
Auch aus der Neufassung des §97 Abs. 3GWB gibt es keinen Anspruch eines mittelständischen Auftragnehmers auf eine zwingende Losaufteilung, sondern ihm steht lediglich ein subjektives Recht auf angemessene Berücksichtigung seiner mittelständischen Interessen bzw. auf Beachtung des Grundsatzes der Losvergabe zu (3. VK Bund, B. v. 04.11.2009 - Az.: VK 3 - 190/09; VK Münster, B. v. 07.10.2009 - Az.: VK 18/09 ; 3. VK Saarland, B. v. 07.09.2009 - Az.: 3 VK 01/2009) Vgl. Rudolf Weyand, Vergaberecht 2009, IBR-Online, § 97 Rd. 347/1).
Unter Berücksichtigung dieser zutreffenden Ausführungen ist jedoch festzustellen, dass die Antragstellerin sich selbst nicht als mittelständige Versicherungsgesellschaft bezeichnet. Sie ist lt. ihrem Internetauftritt Teil eines Versicherungskonzerns, bei dem 3,5 Millionen Kunden versichert sind. Wörtlich wirbt die Antragstellerin:
"Mit Beitragseinnahmen von rund vier Milliarden Euro und circa 23 Milliarden Euro Kapitalanlage gehört der Konzern zu den großen deutschen Versicherungsunternehmen".
Ferner bietet die Antragstellerin ebenfalls lt. Internetauftritt unter "Service und
Assistanceleistungen gegen Honorar u.a. die Wertermittlung für Gebäude und
Betriebseinrichtungen an. Als Beispiel nennt sie die Bestimmung des Versicherungswertes von Gebäuden und Betriebseinrichtungen, um Unterversicherung zu vermeiden. Unter Beachtung ihrer eigenen Angaben, ist nicht mehr von einem Unternehmen auszugehen, deren mittelständischen Interessen zu berücksichtigen sind, da die ausgeschriebene Leistung (Wertermittlung) nicht zu ihren Aufgaben gehört. Insoweit verletzt es jedenfalls nicht die Rechte der Antragstellerin, dass die Auftraggeberin die Leistung "Wertermittlung" gemeinsam mit den Versicherungsleistungen ausgeschrieben hat.
Die Auftraggeberin hat aber den Inhalt der anzubietenden Leistung (Wertermittlung) nicht in dem gemäß § 8 Abs. 1, Abs.2 VOL/A EG erforderlichen Umfang näher präzisiert. Sie hätte diese Leistung genau beschreiben müssen. Bei der Beschreibung der Leistung hätte sie sich z.B. an die Immobilienwertermittlungsverordnung, die von der Versicherungswirtschaft entwickelten Wertermittlungsbögen oder aber an die DIN 276/277, orientieren können. Dabei hätte ihr die Möglichkeit offen gestanden, im Sinne des § 8 Abs.2 Nr. 1 c) e) VOL/A-EG auf spezifizierte Normen zurückzugreifen.
Gerade wenn die Auftraggeberin den Anspruch formuliert, dass sie künftig eine "Top-Unterlage" zum Gebäudebestand erhalten möchte, ist es ihr nicht möglich, den Be-griff der Wertermittlung trotz gesetzlicher Vorgaben in der Immobilienwertermittlungsverordnung undefiniert zu lassen. Vielmehr hätte sie in der Leistungsbeschreibung klar darstellen müssen, ob die von ihr geforderte Wertermittlung einer solchen nach der Immobilienwertverordnung sein sollte, oder ob es sich um eine Wertermittlung nach eigenen Vorgaben bzw. etwaigen von ihr in der Leistungsbeschreibung zu benennenden Vorgaben der Versicherungswirtschaft handeln soll.
Die Auftraggeberin darf erst Recht nicht von der Wertermittlung der Objekte absehen. Sie kann nicht geltend machen, ob und in welcher Qualität diese Leistung erbracht werde, sei Sache des bezuschlagten Versicherers. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2011 erklärt hat, sie habe den Inhalt dieser Leistung "Gebäudewertermittlung" bewusst nicht näher definiert, hat sie damit auch eingeräumt, dass sie keine konkreten Vorstellungen entwickelt hat, ob und wie eine solche Wertermittlung durchzuführen sei. Die Auftraggeberin verstößt gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 2 GWB, wenn sie von einer verbindlich in der Leistungsbeschreibung vorgegeben vertraglichen Leistung stillschweigend abrückt (VK Bund, Beschluss vom 15.01.2010, VK 1-224/09). Zugleich greift sie in diskriminierender Weise in dem Wettbewerb ein, weil sie denjenigen Bietern einen Preisvorteil vorenthält, die gemäß der verbindlichen Leistungsbeschreibung kalkulieren.
Auch die Annahme, dass eine Wertermittlung in die Risikosphäre der bezuschlagten Versicherung falle, und dieser daher überlassen werden könne, ob sie eine Gebäudewertermittlung gleich welcher Qualität durchführe, ist unzutreffend. Basis der jeweiligen Versicherungsleistung im Schadensfall ist die Versicherungssumme, nicht der Gebäudewert.
Stellt sich im Schadensfall heraus, dass der Gebäudewert (Versicherungswert) höher ist als die fehlerhaft ermittelte Versicherungssumme, hat der jeweilige Versicherer lediglich auf Basis der Versicherungssumme zu regulieren. Die Differenz zum Gebäudewert verbleibt als Restschaden bei der Auftraggeberin.
Ist die fehlerhaft ermittelte Versicherungssumme höher als der Gebäudewert, ist der Versicherer aufgrund der gleitenden Neuwertversicherung nur verpflichtet, im Umfang der notwendigen Kosten zur Erstellung eines gleichwertigen Neubaus zu regulieren. Die Auftraggeberin hat bis zum Schaden überhöhte Versicherungsbeiträge geleistet.
Daher liegt es nicht in der Risikosphäre des Versicherungsunternehmens, sondern ausschließlich im Interesse der Auftraggeberin, als Gegenleistung zu der geforderten Leistung zutreffend ermittelte Gebäudewerte zu erhalten. Der Aufwand für das zu erstellende Gutachten ist von den Bietern in die Kalkulation des Preises einzustellen. Für die Erstellung vergleichbarer Angebote im Sinne des§ 8 VOL/A-EG ist es daher unverzichtbar, das jeder Bieter sein Angebot auf dasselbe Angebotsprofil stützt.
Die Auftraggeberin ist daher nicht berechtigt, das ob und das wie der Erfüllung der von ihr geforderten Leistung in das selektive Ermessen des beauftragten Versicherungsunternehmens zu stellen.
b)
Soweit die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag auf eine fehlerhafte Dokumentation wesentlicher Vergabeentscheidungen stützt, ist er gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 GWB unbegründet. Ausweislich der Vergabeakte liegen mehrere Dokumentationsmängel vor, die die Auftraggeberin im weitern Vergabeverfahren zu vermeiden hat. Die Auftraggeberin ist aufgrund ihrer Dokumentationspflicht gemäß § 24 VOL/A-EG gehalten, alle wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens, zu denen auch die Entscheidung über die Bildung von Fachlosen oder Teillosen gemäß den § 97 Abs. 3 GWB, § 2 Abs. 2 VOL/A-EG gehört, fortlaufend zu dokumentieren. Es genügt nicht, nach Abschluss der Vergabeentscheidung einen Vergabevermerk zu erstellen. Die Dokumentationsmängel haben aber auf das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens keine Auswirkungen, da die Antragstellerin zwar die mangelhafte Dokumentation unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt, aber nicht zuvor rechtzeitig gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB gerügt hat, durch den aus den Vergabeunterlagen erkennbaren Verzicht auf die Bildung von Teillosen, die nicht dokumentierte Ermittlung der Versicherungssummen, Ausführungen zur Vertragslaufzeit, etc. in ihren Rechten verletzt zu sein. Ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlerhafte Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben können (OLG Celle, Beschluss vom 11.02.2010 AZ: 13 Verg 16/09; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.03.2004, Verg 1/04; VK Bund Beschluss vom 09.06.2005, VK 3-49/05, zit. nach ibr).
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.
Eine Zurückversetzung in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe ist geeignet, die Verletzung der Rechte der Antragstellerin durch die fehlerhaft erstellt Leistungsbeschreibung zu heilen. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe, um die gegenüber der Antragstellerin eingetretene Rechtsverletzung sicher zu beseitigen.
Darüber hinaus ermöglicht diese Maßnahme der Auftraggeberin, mit Hilfe einer neuen Aufforderung zur Abgabe eines Angebots auf der Basis einer geänderten Leistungsbeschreibung das Vergabeverfahren unter Beachtung der Dokumentationspflichten aus § 24 VOL/A-EG fortzusetzen.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schätzung der Auftraggeberin für die Laufzeit von 35 Monaten xxxxxx EUR netto (für die ersten 11 Monate xxxxxx EUR und für die darauf folgende Zeit xxxxxx EUR/Jahr). Für die Kostenentscheidung ist die unbestimmte Vertragsdauer gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV, zu Grunde zu legen, da sich die feste Vertragslaufzeit um jeweils ein Jahr verlängert, wenn der Vertrag nicht gekündigt wird. Für eine Vertragslaufzeit von 48 Monaten beträgt der aus der Kostenschätzung der Auftraggeberin hochgerechnete Auftragswert xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag ergibt sich aus der von der Auftraggeberin genannten Summen für das erste zweite und folgende Jahr unter Berücksichtigung der Verlängerungsoption eines Steuersatzes von 19%. Die Summe entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.
Die Auftraggeberin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 905; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Auftraggeberin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung erforderlich.
Da die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen. Die geringfügige Unzulässigkeit des Antrags hat auf die Kostenentscheidung keinen Einfluss.
IV.
Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. ...
Schulte
Dr. Freise