Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.05.2020, Az.: 9 LC 121/18

Bauprogramm; Beleuchtung; Betrachtungsweise, typisierende; Denkmalschutz; Eigentümeridentität; Erreichbarkeit; Erreichbarkeitsanforderungen; Erschließungsanlage; Erschließungsanlage, vorhandene; Grunderwerb; Grunderwerbskosten; Hinterliegergrundstück; Kirche; Kirchengrundstück; Nutzung, bestimmungsgemäße; Privatweg; Straßenausbaubeitrag; Straßenausbaubeitragsrecht; Vorteil; Vorteil, besonderer wirtschaftlicher; Wegesystem

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.05.2020
Aktenzeichen
9 LC 121/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71728
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 03.07.2018 - AZ: 1 A 134/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für eine bestimmungsgemäße Nutzung eines Kirchengrundstücks genügt grundsätzlich eine fußläufige Erreichbarkeit (Festhalten an bisherigen Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 6.4.1992 - 9 M 1742/92 -).

2. Lassen die bauplanungsrechtlichen Festsetzungen und die Denkmaleigenschaft eines Bauwerkes im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht eine andere, die bauordnungsrechtlichen Anforderungen aktualisierende Nutzung nicht zu, können diese für die Beurteilung des Vorliegens eines besonderen wirtschaftlichen Vorteils nicht maßgeblich sein. In einem solchen Fall ist es ausnahmsweise geboten, auf die tatsächliche, denkmalgeschützte Nutzung vorteilsbegründend abzustellen.

3. Ein Privatweg auf einem Hinterliegergrundstück lässt den besonderen wirtschaftlichen Vorteil des Hinterliegergrundstücks nicht entfallen, wenn er nicht als selbständige Erschließungsanlage zum Anbau bestimmt ist, weil er den an ihm anliegenden Grundstücken nicht die für deren zulässige bauliche oder gewerbliche Nutzung erforderliche Erschließung verschafft.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück – 1. Kammer – vom 3. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau der Straße „F.“ im Gebiet der Beklagten.

Sie ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung A-Stadt, Flur 7, Flurstücke 30/5, 32/4 und 27/1 (postalische Adresse: A. in A-Stadt, im Folgenden: Grundstück 1) und des Grundstücks Flurstück 32/7 (postalische Adresse: A-Straße in A-Stadt, im Folgenden: Grundstück 2). Die Grundstücke grenzen an ihrer westlichen Seite unmittelbar an die Hauptstraße an. Das Grundstück 1 wird an dessen rückwärtig gelegener, östlicher Grenze durch das Flurstück 30/4 vom F. getrennt. Auf diesem Flurstück 30/4 ist im Baulastenverzeichnis des Landkreises B-Stadt, Baulastenblatt 7142, zugunsten des Grundstücks 1 der Klägerin eine Baulast für die Nutzung von zwölf Einstellplätzen einschließlich Zufahrt eingetragen. Das Grundstück 2 wird an dessen rückwärtig gelegener, östlicher Grenze durch das Flurstück 32/2 vom F. getrennt. Es besteht zugunsten der Klägerin ein grundbuchrechtlich gesichertes Wegerecht, welches es ihr erlaubt, ihre Grundstücke auch vom F. aus über dieses Grundstück zu betreten und zu befahren.

Südlich des F. steht auf einem höher gelegenen Grundstück der Gemarkung A-Stadt, Flur 7, Flurstück160/10 der G. Dom (Pfarrkirche S.), eine im Jahr 1896 nach einem Brand wieder errichtete Kirche, die Mittelpunkt einer markanten Kirchenburg ist, deren Mauern noch in Resten erhalten ist. Der G. Dom ist gemeinsam mit dem Friedhof östlich der Kirche, den Arkaden entlang der Hauptstraße und den auf der Grenze des Flurstücks 160/10 verlaufenden Mauern gemäß § 3 Abs. 3 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes (NDSchG) als Gruppe baulicher Anlagen als Baudenkmal ausgewiesen. Es grenzt im Norden nicht unmittelbar an den F. an, sondern wird von diesem durch ein ebenfalls im Eigentum der katholischen Kirchengemeinde S. A-Stadt stehendes Buchgrundstück der Gemarkung A-Stadt, Flur 7, Flurstücke 24/1 und 23/4 (vormals: 23/2) getrennt. Von dem F. führt eine Zuwegung von den Flurstücken 24/1 und 23/4 über eine Treppe auf das Flurstück 160/10. Die zwischen den Grundstücken verlaufende Mauer ist im Übergangsbereich unterbrochen. Darüber hinaus verläuft von dem F. nach Osten ein Fußweg. Dieser mündet in den sog. H., der auf das Flurstück 160/10 führt. Eigentümerin des H. war bis zum Jahr 2018 die Gemeinde A-Stadt, seitdem steht er im Eigentum der Kirchengemeinde I..

Das Flurstück 160/10 grenzt auf westlicher und südlicher Seite unmittelbar an die Hauptstraße an. Auf der südlichen Seite zweigt von der Hauptstraße der Privatweg „J.“ in nördlicher Richtung ab. Er ist Teil des Flurstücks 160/10 und gabelt sich auf diesem nach ca. 20 m auf. Die Kirchengemeinde hat ihn als Einbahnstraße ausgewiesen. Er verläuft von dort westlich abknickend in einer raumgreifenden Kurve um das im Westen befindliche Kirchengebäude sowie die östlich hiervon liegende Gartenanlage herum. Zwischen dem Kirchengebäude und der Gartenanlage führt ein weiterer Teil des gepflasterten Wegesystems entlang. An diesem Weg liegen u. a. im Süden das Grundstück Flurstück 503/164, im Nord-Westen das Flurstück 158, im Osten das Grundstück Flurstücke 160/6 und 171 sowie im Süd-Osten das Grundstück Flurstücke 160/9 und 160/7 an. Diese sind nur über den Privatweg erreichbar und grenzen nicht an eine öffentliche Straße an.

Der Bebauungsplan Nr. 33 „Ortskern A-Stadt“ setzt für das Flurstück 160/10 Flächen für den Gemeinbedarf, für den Bereich, in dem sich der G. Dom und ein Nebengebäude befinden, überbaubare Flächen und für das übrige Grundstück nicht überbaubare Grundstücksflächen fest. Der überbaubare Bereich des Kirchengebäudes wird weiter durch die Festsetzung einer Baugrenze bestimmt, deren Verlauf identisch mit dem Grundriss des bestehenden G. Doms ist, für den die Zweckbestimmung „Kirche und kirchlichen Zwecken dienende Gebäude“ festgesetzt ist. Zugleich enthält der Bebauungsplan die nachrichtliche Übernahme, dass es sich bei weiten Teilen des Grundstücks Flurstück 160/10, einschließlich der bebaubaren Flächen, um eine Gesamtanlage handelt, die dem Denkmalschutz unterliegt. Darüber hinaus setzt der Bebauungsplan auf dem Flurstück zugunsten der Allgemeinheit mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten belastete Flächen fest. Es handelt sich dabei um eine 2 Meter breite Wegefläche, die im Süden von der Hauptstraße abzweigend nach Norden führt, sich dort aufzweigt und im Osten in die Straße „K.“, im Norden in die L. -Straße mündet. Im Einmündungsbereich zur Hauptstraße grenzt die Wegefläche unmittelbar an das Flurstück 160/9 an. Zwischen dem weiter nördlich gelegenen Grundstück Flurstücke 160/6 und 170 und der Wegefläche liegt ein Streifen, für den der Bebauungsplan eine nicht überbaubare Grundstücksfläche festsetzt.

In seiner Sitzung vom 16. Juni 2014 beschloss der Ausschuss für Planen, Bauen, Infrastruktur und Umwelt der Gemeinde A-Stadt den Ausbau des F. entsprechend den Ausbauplänen des beauftragten Planungsbüros. Diese sehen im Norden und im Süden eine Verbreiterung der Fahrbahn sowie im Süden die Anlegung eines Wendeplatzes vor. Die nördliche Fläche für die Verbreiterung der Fahrbahn erwarb die Gemeinde bereits im Jahr 2008, das Eigentum an den südlichen Flächen (Flurstücke 19/2 und 23/3) am 29. März 2018. Nach der von der Beklagten vorgelegten Baugrunduntersuchung vom 14. August 2014 war der F. vor dem Ausbau eine schmale Anliegerstraße von ca. 155 m Länge, deren Fahrbahn teilweise nur ca. 2,8 m breit war und die in einem durch Schotter befestigten Wendehammer endete. Danach war die Fahrbahn mit Betonsteinpflaster befestigt, und es waren 4 Straßenleuchten sowie eine Straßenentwässerung vorhanden. Der bestehende Straßenaufbau habe deutliche Spurvertiefungen wegen des weitgehenden Fehlens einer abgestuften, ungebundenen Tragschicht erkennen lassen.

Von Ende 2014 bis September 2015 führte die Beklagte Ausbauarbeiten an den Teileinrichtungen Fahrbahn, Straßenbeleuchtung und Straßenentwässerung des F. durch.

Die Schlussrechnung des Ingenieurbüros M. für die Bauleitplanung der Ausbaumaßnahmen ging bei der Beklagten am 28. Oktober 2015 ein. Die Leistungsbescheide des Vermessungsbüro N. für die südlichen Erweiterungsflächen des F. (Flurstücke 19/2 und 23/3) in Höhe von 3.063,42 € bzw. 519,91 € gingen bei der Beklagten am 10. bzw. 16. Dezember 2015 ein, der Leistungsbescheid des Landesamts für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen vom 20. Januar 2016 für die Eintragung der Ergebnisse der Liegenschaftsvermessung in Höhe von 532,80 € am 27. Januar 2016.

Nach Abschluss der Baumaßnahme zog die Beklagte die Klägerin mit zwei Bescheiden vom 2. Dezember 2016 zu Straßenausbaubeiträgen heran. Diese wurden für das Grundstück 1 auf 7.407,71 € und für das Grundstück 2 auf 11.417,16 € festgesetzt. Dabei legte die Beklagte beitragsfähige Ausbaukosten in Höhe von 174.314,31 € zugrunde. Hiervon zog sie einen Betrag in Höhe von 10.332,13 € aufgrund eingesparter Kosten durch den Wasserverband O. ab, den dieser durch die gemeinsame Durchführung der Kanalisationsmaßarbeiten (Regenwasser- und Schmutzwasserkanalisation) auf einer Schätzung beruhend gegenüber einer getrennten Durchführung der Maßnahmen erspart hatte. Den verbleibenden Betrag in Höhe von 163.982,18 € verminderte sie um einen Gemeindeanteil von 40 Prozent auf 98.389,31 €, die sie auf die Anlieger umlegte. Als Verteilungsfläche legte sie 20.122,25 m² zugrunde und ermittelte einen Beitragssatz von 4,889578€/m2. Für das 606 m² große Grundstück 1 sowie das 934 m² große Grundstück 2 der Klägerin sei aufgrund der Zweigeschossigkeit jeweils ein Nutzungsfaktor von 1,25 anzusetzen. Dieser sei gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 SABS mit 2,0 zu vervielfachen, weil die Grundstücke der Klägerin im Kerngebiet lägen. Das 9.858 m2 große Kirchengrundstück Flurstück 160/10 bezog sie nicht in die Verteilungsfläche mit ein.

Die Klägerin hat am 3. Januar 2017 gegen die beiden Straßenausbaubeitragsbescheide vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück Klage erhoben.

Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Das Grundstück mit der Flurstücknummer 160/10 habe von der Beklagten als beitragspflichtiges Hinterliegergrundstück mit in die Aufwandsverteilung einbezogen werden müssen, da diesem durch den Straßenausbau ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil zukomme. Aufgrund der Eigentümeridentität von Hinter- und Anliegergrundstück sei der F. auch vom Hinterliegergrundstück aus in einer Weise erreichbar, dass eine bestimmungsgemäße Grundstücksnutzung über den F. realisiert werden könne. Das Grundstück sei von diesem aus zumindest fußläufig über das ebenfalls im Eigentum der Kirchengemeinde stehende Anliegergrundstück Flurstücke 24/1 und 23/4 zu erreichen. Der Beitragssatz liege bei Einbeziehung des Kirchengrundstücks nur bei 3,281804 €/m².

Ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil des Hinterliegergrundstücks scheitere nicht daran, dass dieses über eine selbständige Erschließungsanlage verfüge. Der Privatweg „J.“ sei nicht als eine solche Erschließungsanlage anzusehen. Vielmehr handele es sich um einen unselbständigen Privatweg, der insbesondere im Bereich des angrenzenden Grundstücks Flurstücke 24/1 und 23/4 lediglich der internen Erreichbarkeit diene. Vorliegend scheitere eine Qualifizierung des Privatweges als selbständige Erschließungsanlage bereits an dessen wesentlichen Ausstattungsmerkmalen. Es handele sich lediglich um einen gepflasterten Weg ohne hinreichende Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtung oder einen separaten Fußweg. Der Weg sei zudem als Sackgasse ohne jede Verbindungsfunktion einzustufen. Er führe ausschließlich über das Hinterliegergrundstück und gewährleiste keine Verbindung zum weiteren Straßenverkehrsnetz. Dem Weg „J.“ komme im Übrigen auch keine Erschließungsfunktion für eine nennenswerte Zahl weiterer Grundstücke zu. Er sei als reine Wegeverbindung über das parkähnlich angelegte Grundstück zu betrachten. Schließlich liege der Weg vollständig auf dem Grundstück, dessen Heranziehung vorliegend streitgegenständlich sei. Es handele sich danach nicht um eine zwischen dem F. und dem Flurstück 160/10 liegende selbständige Erschließungsanlage, die den besonderen wirtschaftlichen Vorteil durch die Inanspruchnahmemöglichkeit des F. ausschließe. Das Flurstück 160/10 werde im Ergebnis mehrfach erschlossen.

Der Annahme eines besonderen wirtschaftlichen Vorteils ständen auch nicht die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze zur eingeschränkten Erschließungs- und Vorteilswirkung entgegen. Die Teilflächen seien ungefähr gleichgewichtig bebaut bzw. bebaubar und die Kirchengemeinde S. nutze diese auch vergleichbar. Das Grundstück Flurstücke 24/1 und 23/4 und das Grundstück Flurstück 160/10 seien als Anlieger- und Hinterliegergrundstück auch nicht als sog. „übergroßes Grundstück“ anzusehen, das unterschiedlich genutzt und zu verschiedenen Anlagen ausgerichtet wäre.

Die Klägerin hat beantragt,

den Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2016 für das Grundstück Gemarkung A-Stadt, Flur 7, Flurstücke 30/5, 32/4 und 27/1 aufzuheben, soweit dort ein Straßenausbaubeitrag festgesetzt wird, der einen Betrag in Höhe von 4.971,93 € überschreitet

und

den Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2016 für das Grundstück Gemarkung A-Stadt, Flur 7, Flurstück 32/7 aufzuheben, soweit dort ein Straßenausbaubeitrag festgesetzt wird, der einen Betrag in Höhe von 7.663,01 € überschreitet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert:

Das Hinterliegergrundstück der katholischen Kirchengemeinde sei zu Recht bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes nicht berücksichtigt worden, da ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil durch den Ausbau des F. nicht begründet worden sei. Ein solcher bestehe für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der jeweils nächstgelegenen selbständigen Einrichtung. Dies sei für das Flurstück 160/10 die Straße „J.“, die zwischen dem Grundstück und der abgerechneten Anlage verlaufe. Bei dem Privatweg handele es sich um eine selbständige Erschließungsanlage, die nicht nur das Flurstück 160/10, sondern auch die Grundstücke mit den Flurstücknummern 160/9, 160/6, 503/164, 664 sowie 158 erschließe. Unbeachtlich sei, dass es sich bei dieser Straße um einen Privatweg der Kirchengemeinde handele. Der Privatweg weise gegenüber der Hauptstraße, in den er münde, keine untergeordnete Funktion auf. Auch hinsichtlich seiner Ausstattungsmerkmale seien die Voraussetzungen für dessen Einstufung als selbständige Erschließungsanlage erfüllt. Da es sich um eine Einbahnstraße handele, sei eine Mindestbreite von 5 Metern zuzüglich eines Fußwegs nicht erforderlich. Auch verfüge der Privatweg über eine Straßenentwässerung sowie Beleuchtungseinrichtungen. Überdies handele es sich bei ihm nicht um eine Sackgasse, sondern er könne allenfalls als eine Ringstraße bezeichnet werden. Die grundbuchmäßige Selbständigkeit einer Privatstraße sei ferner keine Voraussetzung dafür, diese als selbständige Erschließungsanlage anzusehen. Das Flurstück 160/10 werde nicht mehrfach erschlossen, sondern lediglich über den Privatweg „J.“.

Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat der Klage nach einer Besichtigung der Örtlichkeit mit Urteil vom 3. Juli 2018, der Beklagten zugestellt am 18. Juli 2018, stattgegeben und den Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2016 für das Grundstück 1 aufgehoben, soweit darin ein Straßenausbaubeitrag festgesetzt wird, der einen Betrag in Höhe von 4.971,93 € übersteigt, sowie den Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2016 für das Grundstück 2 aufgehoben, soweit darin ein Straßenausbaubeitrag festgesetzt wird, der einen Betrag in Höhe von 7.663,01 € überschreitet.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der F. sei als öffentliche Erschließungslage erneuert bzw. verbessert worden. Es beständen keine Zweifel an der Notwendigkeit der Maßnahmen oder Bedenken im Hinblick auf die Höhe des umlagefähigen Aufwandes. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Einsparungen des Wasserverbandes O. für die im Zuge des Ausbaus des F. ersparten Kosten für die Erneuerung der Schmutzwasserkanalisation auf 10.332,13 € beziffert habe.

Die Beklagte habe allerdings den Kreis der Beitragspflichtigen nicht fehlerfrei bestimmt, da sie das im Eigentum der katholischen Kirche stehende Hinterliegergrundstück Flurstück 160/10 bei der Verteilung des Aufwandes unberücksichtigt gelassen habe. Der Ausbau des F. begründe auch hinsichtlich dieses Grundstücks einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil zugunsten der Eigentümerin. Eine besondere Vorteilswirkung ergebe sich daraus, dass das Grundstück über eine Treppe und einen Fahrstuhl auf dem ebenfalls im Eigentum der Kirche stehenden, an den F. angrenzenden Grundstück Flurstücke 24/1 und 23/4 zu erreichen und damit bestimmungsgemäß nutzbar sei. Schließlich stehe der Annahme eines besonderen wirtschaftlichen Vorteils nicht entgegen, dass der Privatweg „J.“ auch im Bereich des Übergangs zum F. verlaufe. Vielmehr kämen dem Weg verschiedene Funktionen zu: Er diene im süd-westlichen Teil bis zum Flurstück 158 und in seinem östlichen Teil der Erschließung von weiteren Grundstücken. In seinem übrigen Verlauf, insbesondere im Bereich des Übergangs zum F., komme ihm hingegen keine Erschließungsfunktion zu, sondern dort diene er lediglich der internen Erreichbarkeit des Grundstücks.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 124 Abs. 1 und 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Beklagte hat am 16. August 2018 Berufung eingelegt.

Zur Begründung ergänzt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt aus: Bei dem F. handele es sich um eine vorhandene Straße i. S. d. § 242 Abs. 1 BauGB. Die erstmalige Anlegung sei nicht zu ermitteln. Eine Fahrbahn sei auch schon vor 1961 vorhanden gewesen, es könne aber nicht nachgewiesen werden, dass zu dieser Zeit auch schon eine Straßenentwässerung und –beleuchtung vorhanden gewesen sei. Der letzte Ausbau sei im Jahr 1973 erfolgt. Dabei sei auch die Aufstellung von vier Straßenleuchten nachweisbar, eine fünfte Leuchte sei später im Bereich des Wendeplatzes errichtet worden. Der Regenwasserkanal in der Straße sei marode gewesen.

Das Flurstück 160/10 sei bei der Umlegung des beitragsfähigen Aufwandes nicht zu berücksichtigen, da es nicht in beitragsrelevanter Weise bevorteilt werde. Für eine übliche Nutzung eines Kirchengrundstücks sei erforderlich, dass auf dieses hinaufgefahren werden könne. Diese Möglichkeit sei nicht gegeben, da das Flurstück 160/10 drei Meter höher liege als das Anliegergrundstück (Flurstücke 24/ 1und 23/4).

Eine Bevorteilung setze des Weiteren voraus, dass eine barrierefreie Zugänglichkeit gegeben sei. Dies folge aus § 49 Abs. 2 Nr. 3 NBauO, wonach Anlagen für Gottesdienste in einem dem Bedarf entsprechenden Umfang barrierefrei sein müssten. Beim G. Dom handele es sich um eine solche Anlage. Es existiere kein Fahrstuhl auf dem Anliegergrundstück, der eine barrierefreie Erreichbarkeit ermöglichte. Auch sei das Grundstück nicht anderweitig über einen Weg barrierefrei erreichbar. Ein auf dem Anliegergrundstück nördlich des „Hauses P.“ verlaufender Weg führe nicht zum Anliegergrundstück, sondern zum sog. „Q.“. Bei diesem handele es sich um ein eigenständiges Grundstück, das erst seit dem Jahr 2018 und damit nach Entstehen der sachlichen Beitragspflicht im Eigentum der Kirchengemeinde stehe.

Schließlich liege das Flurstück 160/10 auch nicht als Hinterliegergrundstück an der abgerechneten Anlage „F.“ an, da es durch den Privatweg „J.“ erschlossen werde. Bei diesem ringförmig verlaufenden Weg handele es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um eine einheitliche eigenständige Erschließungsanlage. Auch funktionell zerfalle er nicht mehrere Einrichtungen. Er sei vielmehr von der Hauptstraße abzweigend als Einbahnstraße ausgeschildert und habe deshalb im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht die anliegenden Grundstücke nur in der zulässigen Fahrtrichtung erschließen können. Folgte man der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wäre danach das Grundstück Flurstück 160/6 nicht erschlossen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 3. Juli 2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und erwidert: Für eine bestimmungsgemäße Nutzung einer Kirche und damit verbunden eine Bevorteilung des Grundstücks Flurstück 160/10 genüge die fußläufige Erreichbarkeit des Grundstücks. Diese sei durch die vorhandene Treppe gegeben. Ein behindertengerechter Zugang sei gewährleistet, da Besucher die Kirche über einen Weg auf dem Anliegergrundstück (Flurstücke 24/1 und 23/4), der nördlich am „Haus R.“ vorbeiführe, ohne Überwindung einer Treppe erreichen könnten.

Der Privatweg „J.“ lasse den beitragsrechtlichen Vorteil nicht entfallen. Für die Einordnung des Wegesystems auf dem Flurstück 160/10 sei die Funktion im jeweiligen Streckenabschnitt maßgeblich. Im Bereich des Übergangs zu dem Grundstück Flurstücke 24/1 und 23/4 komme dem Wegesystem keine Erschließungsfunktion zu.

Auch sei die Argumentation der Beklagten unzutreffend, aufgrund der ringförmigen Verkehrsführung des Privatwegs als Einbahnstraße sei andernfalls das Flurstück 160/6 nicht erschlossen. Für die Erschließung des Grundstücks könne nicht allein die aktuelle Verkehrsführung maßgeblich sein, zumal für diese keine zwingenden Gründe ersichtlich seien. Ein Privatweg, der ein Grundstück vollständig umgebe, könne in straßenausbaubeitragsrechtlicher Sicht keine abschirmende Wirkung vom öffentlichen Verkehrsnetz entfalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind – wie bereits im erstinstanzlichen Klageverfahren – die Bescheide der Beklagten vom 2. Dezember 2016, zum einen für das Grundstück Gemarkung A-Stadt, Flur 7, Flurstücke 30/5, 32/4 und 27/1 (Grundstück 1), soweit der Bescheid einen Betrag in Höhe von mehr als 4.971,93 €, zum anderen für das Grundstück Gemarkung A-Stadt, Flur 7, Flurstück 32/7 (Grundstück 2), soweit der Bescheid einen Betrag in Höhe von mehr als 7.663,01 € festsetzt.

Die Berufung ist nicht begründet, weil sich die Heranziehung der Klägerin zu Straßenausbaubeiträgen in Höhe der hier allein streitgegenständlichen 2.435,78 € für das Grundstück 1 und 3.754,15 € für das Grundstück 2 als rechtswidrig erweist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide daher zu Recht in diesem Umfang aufgehoben.

Die Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage in § 6 NKAG in der vor dem 1. April 2017 gültigen Fassung i. V. m. der „Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 NKAG für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde A-Stadt (Straßenausbaubeitragssatzung – SABS)“ vom 6. Juni 2002 in der Fassung der „1. Satzung zur Änderung der Straßenausbaubeitragssatzung der Gemeinde A-Stadt vom 06.06.2002“ vom 16. Juni 2009.

Nach § 6 Abs. 1 NKAG i. V. m. § 1 Abs. 1 SABS erhebt die Beklagte zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Herstellung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (öffentliche Einrichtungen) nach Maßgabe ihrer Straßenausbaubeitragssatzung Beiträge von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet, soweit Erschließungsbeiträge nach den §§ 127 ff. BauGB nicht erhoben werden können.

Der im Norden vom Tiefen Weg abzweigende, nach Süden verlaufende und als Sackgasse ausgestaltete F. ist eine eigenständige öffentliche Einrichtung i. S. d. § 6 Abs. 1 NKAG. Vorbehaltlich der besonderen Umstände des Einzelfalls hat es das Bundesverwaltungsgericht als maßgebliche Regel bezeichnet, dass eine von einer Anbaustraße abzweigende befahrbare Sackgasse erschließungsbeitragsrechtlich als selbständig zu qualifizieren ist, wenn sie entweder länger als 100 m ist oder vor Erreichen dieser Länge (mehr oder weniger) rechtwinklig abknickt oder sich verzweigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.9.1998 – 8 C 8.97Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 109 = juris Rn. 38 m. w. N.). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat für das Straßenausbaubeitragsrecht angeschlossen (vgl. nur Senatsurteil vom 20.6.2007 – 9 LC 59/06 – juris Rn. 29 m. w. N.). Der F. hat eine Länge von ca. 160 m. Anhaltspunkte, die eine abweichende Einstufung der Straße als unselbständig rechtfertigten, liegen dem Senat nicht vor.

1.

Der F. konnte nach Maßgabe des landesrechtlichen Straßenausbaubeitragsrechts abgerechnet werden, denn er war vor Abschluss der Baumaßnahmen in den Jahren 2014/2015 aus dem Regime des Erschließungsbeitragsrechts entlassen.

Dies ist der Fall, wenn entweder am 29. Juni 1961, dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes als maßgeblichem Stichtag, eine Erschließungsanlage i. S. v. § 242 Abs. 1 BauGB vorhanden gewesen ist, oder die Anbaustraße zu einem späteren Zeitpunkt erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (für die nicht flächenmäßigen Teileinrichtungen) und dem (dieses Teileinrichtungsprogramm bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (BVerwG, Urteil vom 10.10.1995 – 8 C 13.94BVerwGE 99, 308; Senatsurteil vom 29.5.2019 – 9 LC 110/17 – juris Rn. 62 sowie Senatsbeschlüsse vom 21.5.2012 – 9 LB 100/10 – n. v. und vom 9.9.2009 – 9 ME 8/09 – juris Rn. 9).

Zwar liegen hier Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich entgegen der Auffassung der Beklagten bei dem F. nicht um eine vorhandene Erschließungsanlage i. S. v. § 242 Abs. 1 BauGB handelt. Eine vorhandene Erschließungsanlage setzt insbesondere voraus, dass bis zum 29. Juni 1961 eine ausreichende Ausleuchtung der Straße zur Ermöglichung eines ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehrs vorhanden war (vgl. Senatsurteil vom 19.2.2020 – 9 LB 132/17 – juris Rn. 119; vgl. auch Senatsbeschluss vom 21.5.2012, a. a. O., m. w. N.). Das von der Beklagten vorgelegte Schreiben vom 30. Juli 1973 und die Rechnung der Rheinisch-Westfälischen-Elektrizitätswerke vom 31. Dezember 1973 weisen darauf hin, dass der F. erstmals im Jahr 1973 auf voller Länge mit einer Straßenbeleuchtung ausgestattet wurde. Nähere Angaben konnte die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung nicht machen.

Der F. genügte aber vor Abschluss der Baumaßnahmen in den Jahren 2014/2015 den Merkmalen der erstmaligen Herstellung einer Erschließungsanlage, weil er jedenfalls die nach der „Satzung der Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Gemeinde A-Stadt (Erschließungsbeitragssatzung – EBS)“ vom 6. Juni 2002 satzungsgemäßen Teileinrichtungen aufwies. Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass er bei dem Ausbau 1973 nicht dem damaligen technischen Ausbauprogramm entsprechend hergestellt wurde.

Gemäß § 11 Abs. 1 EBS sind Straßen endgültig hergestellt, wenn 1. sie an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße angeschlossen sind, 2. die Gemeinde Eigentümerin der Flächen ist, 3. die Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen vorhanden sind und 4. die flächenmäßigen Bestandteile der Erschließungsanlage gemäß dem Bauprogramm hergestellt sind. Dabei sind gemäß § 11 Abs. 2 EBS hergestellt 1. die Fahrbahn, wenn sie einen tragfähigen Unterbau und eine Decke aus Pflaster, Asphalt, Teer, Beton oder einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise aufweisen, 2. die Fuß- und Wohnwege, wenn sie eine Befestigung mit Platten, Pflaster, Asphalt, Teer, Beton oder einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise erhalten haben, 3. die Entwässerungsanlagen, wenn die Straßenrinnen, die Straßeneinläufe oder die sonst zur Ableitung des Straßenoberflächenwasser erforderlichen Einrichtungen betriebsfertig hergestellt sind und 4. die Beleuchtungseinrichtungen, wenn eine der Größe der Anlage und den örtlichen Verhältnissen angepassten Anzahl von Beleuchtungskörpern hergestellt ist.

Die dem Senat vorliegenden Lichtbildaufnahmen belegen, dass der F. vor seinem Ausbau auf voller Länge über Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen und die Fahrbahn über eine Pflasterdecke verfügte. Die Tragfähigkeit des Unterbaus lässt sich dem Bericht zu der von der Beklagten im Jahr 2014 veranlassten Baugrunduntersuchung entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass der F. vor seinem Ausbau nicht entsprechend dem Bauprogramm der Beklagten fertiggestellt worden war, liegen nicht vor. Dies hat sie auch nicht geltend gemacht.

2.

Die von der Beklagten an der öffentlichen Einrichtung „F.“ vorgenommenen und hier abgerechneten Baumaßnahmen sind gemäß § 6 Abs. 1 NKAG i. V. m. § 1 Abs. 1 SABS der Beklagten als Erneuerung bzw. Verbesserung beitragsfähig.

a)

Der Beitragstatbestand der Erneuerung setzt voraus, dass eine nicht mehr (voll) funktionsfähige, also erneuerungsbedürftige Einrichtung bzw. Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist. Der Zustand nach dem Ausbau muss im Vergleich mit dem früheren Zustand zwar nicht gleichartig, aber gleichwertig sein (vgl. Senatsurteil vom 9.8.2016 – 9 LC 29/15 – juris Rn. 38 m. w. N.). Die Gemeinde trifft die materielle Beweislast für das Vorliegen einer beitragsfähigen Erneuerung (vgl. Senatsurteil vom 19.2.2019, a. a. O., Rn. 145; OVG NRW, Beschluss vom 12.7.2017 – 15 E 70/17 – juris Rn. 31 f. m. w. N.).

Eine beitragsfähige Verbesserung ist gegeben, wenn die Benutzbarkeit der Straße positiv beeinflusst worden, die Straße also im Blick auf ihre Funktionen besser benutzbar geworden ist. Sie kann vor allem bei einer erweiterten funktionalen Aufteilung der Verkehrsanlage, bei einer größeren räumlichen Ausdehnung und bei einer den Verkehrsbedürfnissen mehr entsprechenden und daher besseren Befestigungsart angenommen werden (vgl. Senatsurteil vom 27.3.2017 – 9 LC 180/15 – KStZ 2017, 136 = juris Rn. 36 m. w. N.). Die Beitragsfähigkeit einer Verbesserungsmaßnahme setzt – anders als die einer Erneuerungsmaßnahme – nicht voraus, dass die Einrichtung abgenutzt ist bzw. sich in einem schlechten Zustand befindet. Ziel einer Verbesserungsmaßnahme ist nicht die Beseitigung von Mängeln, sondern die Erreichung eines Ausbauzustands mit einer höheren Qualitätsstufe. Unter Umständen kann selbst ein guter Zustand noch verbessert werden (Senatsurteile vom 19.2.2019, a. a. O., Rn. 146; vom 11.6.2010 – 9 LB 157/08 – n. v.). Daher setzt die Beitragsfähigkeit einer Verbesserungsmaßnahme auch nicht voraus, dass die Gemeinde in der Vergangenheit ihrer laufenden Unterhaltungspflicht nachgekommen ist (d. h. ein sog. aufgestauter Reparaturbedarf fehlt) und sie daher einen unter Umständen schlechten Zustand der öffentlichen Einrichtung nicht zu verantworten hat (vgl. Senatsurteil vom 27.3.2017, a. a. O., Rn. 37; Senatsbeschluss vom 20.11.2006 – 9 LA 386/05 – n. v.).

Für die Beurteilung, ob und ggfs. welcher Beitragstatbestand erfüllt ist, ist regelmäßig eine teileinrichtungsbezogene Betrachtungsweise geboten (vgl. Senatsurteil vom 19.2.2020 – 9 LB 132/17 –, a. a. O., Rn. 148; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage 2018, § 32 Rn. 2, 11, 66).

b)

Ausgehend hiervon hat die Beklagte – wie vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt – die Teileinrichtung Fahrbahn erneuert bzw. verbessert.

Der Ausbau der Fahrbahn stellt sich bereits als Erneuerung dar. Der Senat geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass die übliche Nutzungsdauer für eine Pflasterdecke für Verkehrsflächen 25 Jahre beträgt (Senatsurteil vom 19.2.2020, a. a. O., Rn. 150; Senatsbeschluss vom 28.8.2015 – 9 LA 76/14 – n. v.; OVG NRW, Beschluss vom 15.7.2011 – 15 A 398/11 – juris Rn. 15). Hier war die übliche Nutzungsdauer der Fahrbahn abgelaufen. Nach den Darlegungen der Beklagten hat sie die Fahrbahn letztmalig im Jahr 1973 hergestellt, also zuletzt 41 Jahre vor dem Ausbau. Diese Angaben sind unter Zugrundelegung der vorgelegten Lichtbildaufnahmen, die den Zustand der Fahrbahn vor ihrem Ausbau im Jahr 2014 dokumentieren, nachvollziehbar. Die Fahrbahn wies vor ihrem Ausbau deutliche Verformungen auf.

Die Beklagte hat die Fahrbahn auch verbessert. Diese verfügte vor ihrem Ausbau nicht über eine abgestufte, ungebundene frostsichere Tragschicht. Durch die Baumaßnahmen im Jahr 2014 erhielt die Fahrbahn einen deutlich besseren, tragfähigen und erstmals frostsicheren Unterbau. Es wurde ein Stabilisierungsmaterial als Tragschicht aus korngestuften Gemischen aus gebrochenem Gestein nach den „Ergänzenden Bestimmungen der Niedersächsischen Straßenbauverwaltung zu den zusätzlichen technischen Vorschriften und Richtlinien für die Bemessung und Ausführung von bituminösen Fahrbahnen“ (EBA-NS) und den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Tragschichten im Straßenbau“ (ZTVT-StB) und den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau“ (ZTVE-StB) in der jeweils gültigen Fassung eingebaut und mit einer Vibrationswalze verdichtet. Die erstmalige Ausstattung einer Fahrbahn mit einem frostsicheren Unterbau stellt grundsätzlich eine Verbesserung dar (vgl. Senatsurteil vom 19.2.2020, a. a. O., Rn. 155; Senatsbeschlüsse vom 10.8.2009 – 9 ME 32/09 und 9 PA 33/09 – n. v.; vom 30.6.2006 – 9 LA 200/04 – NdsVBl. 2006, 314 = juris Rn. 4; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2020, § 8 Rn. 312 f. m. w. N.).

Die Verbreiterung der Fahrbahn unter Einbeziehung der Flächen der Flurstücke 19/2, 23/3 und 44/4 stellt ebenfalls eine Verbesserung dar. Die Vergrößerung der Fahrbahnfläche im nördlichen und südlichen Teil des F. sowie die Anlegung des Wendeplatzes haben zu einer besseren Benutzbarkeit der Fahrbahn geführt.

c)

Die Beklagte hat die Teileinrichtung Straßenentwässerung erneuert und zugleich verbessert. Die von der Beklagten vorgelegte TV-Kanal-Untersuchung aus dem Jahr 2013 zeigt, dass der alte Kanal verschlissen war. Auf seiner gesamten Strecke wies er Verformungen sowie (komplexe) Rissbildungen auf.

Die Entwässerung des F. wurde außerdem verbessert. Eine Verbesserung der Straße durch den Ausbau der Straßenentwässerungsanlage liegt vor, wenn durch die Maßnahme ein schnelleres oder sonst besseres Abfließen des Straßenoberflächenwassers bewirkt wird, als dies nach dem früheren Ausbauzustand der Fall war (vgl. Senatsurteile vom 19.2.2020, a. a. O., Rn. 198; vom 11.6.2010, a. a. O.; Senatsbeschluss vom 24.6.2008 – 9 LA 82/07 – n. v. m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 15.2.2000 – 15 A 4167/96 – NWVBl 2000, 348 = juris Rn. 6). Eine solche vorteilhafte Veränderung des Zustands der Straßenentwässerungsanlage kann insbesondere in der Verlegung eines Regenwasserkanals mit einem größeren Durchmesser liegen (vgl. Senatsurteil vom 21.5.2019 – 9 LC 110/17 – juris Rn. 97; Senatsbeschluss vom 24.6.2008, a. a. O.). Dies ist hier der Fall. Der Durchmesser des alten Regenwasserkanals betrug zwischen 150 und 250 mm. Der neue Regenwasserkanal wurde auf eine Nennweite von 300 mm und damit größer dimensioniert, um nach den nachvollziehbaren Angaben des Wasserverbandes O. die anfallenden Regenwassermengen nach heutigen Maßstäben ordnungsgemäß ableiten zu können.

d)

Die Beklagte hat die Beleuchtung des F. erneuert.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 19. Februar 2020 ausgeführt hat (a. a. O., Rn. 211), geht die Rechtsprechung von einer üblichen Nutzungsdauer der Straßenbeleuchtung von ca. 30 Jahren (SächsOVG, Urteil vom 11.12.2017 – 5 A 259/15 – juris Rn. 22; OVG Schleswig, Urteil vom 10.8.2012 – 4 LB 3/12 – juris Rn. 48) bzw. von 30 bis 50 Jahren (OVG NRW, Beschluss vom 29.11.2016 – 15 A 2693/15 – juris Rn. 11, 13) aus. Nach Ansicht der Literatur spricht nichts dagegen, die übliche Nutzungsdauer an den haushaltsrechtlichen Vorschriften zu orientieren, die bei Beleuchtungsanlagen von 20 Jahren ausgeht (vgl. Ruff in KStZ 2015, 221; Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 294). Es gilt: Je länger die übliche Nutzungsdauer abgelaufen ist, desto weniger detailliert muss der Nachweis der Verschlissenheit sein (vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.1.2002 – 15 A 2128/00 – juris Rn. 19; Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 294b). Ist eine Beleuchtungsanlage noch nicht 30 Jahre alt, so bedarf es für die Beitragsfähigkeit ihrer Erneuerung gleichwohl des konkreten Nachweises ihrer Verschlissenheit; an diesen Nachweis sind strengere Anforderungen zu stellen, wenn erkennbar ist, dass der Ausbau aus nicht beitragsrelevanten Gründen erfolgte. Kann er nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, so geht dies zu Lasten der Gemeinde (OVG NRW, Urteil vom 28.8.2001 – 15 A 465/99 – juris Rn. 30; Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 294b).

Unter Zugrundlegung einer üblichen Nutzungsdauer von ca. 30 Jahren war diese im Zeitpunkt des Ausbaus des F. im Jahr 2014 seit mehr als zehn Jahren abgelaufen. Ausweislich der Rechnung des S. - Elektrizitätswerkes vom 31. Dezember 1973 wurde die Straßenbeleuchtung im F. im Jahr 1973 um vier Standleuchten erweitert. Eines konkreten Nachweises der Verschlissenheit der Pilzkopfleuchten bedurfte es daher nicht.

Es kann daher dahinstehen, ob die Beleuchtung überdies auch verbessert wurde, weil die Standorte und die technische Ausstattung der Leuchten verändert wurden.

3.

Allerdings hat die Beklagte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der Beitragserhebung einen überhöhten beitragsfähigen Aufwand zugrunde gelegt. Sie hat den beitragsfähigen Aufwand unzutreffend bestimmt. Dieser beläuft sich nicht auf 163.982,18 €, sondern lediglich auf 159.866,05 €, da die Grunderwerbskosten für die südlichen Straßenflächen Flurstücke 19/2 und 23/4 in Höhe von 4.116,13 € nicht beitragsfähig sind.

Der beitragsfähige Aufwand umfasst grundsätzlich alle Kosten, die der Gemeinde für die Verwirklichung einer dem dafür aufgestellten Bauprogramm entsprechenden beitragsfähigen Maßnahme im Rahmen der Erforderlichkeit entstanden sind. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 NKAG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 SABS ist der beitragsfähige Aufwand nach den tatsächlichen Kosten zu ermitteln.

Zum beitragsfähigen Aufwand gehören grundsätzlich auch die Grunderwerbskosten (§ 2 Nr. 1 SABS). Allerdings hat die Beklagte die Beitragsfähigkeit der Grunderwerbskosten nicht in Höhe der von ihr angesetzten 24.536,36 €, sondern lediglich Kosten in Höhe von 20.420,23 € nachgewiesen.

Anders als die Grunderwerbskosten für das im nördlichen Teil des F. gelegene Flurstück 44/4 sind diejenigen für die im südlichen Teil gelegenen Flurstücke 19/2 und 23/3 nicht beitragsfähig, da diese erst nach dem 28. Oktober 2015, dem Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht, angefallen sind.

Grunderwerbskosten können Teil des beitragsfähigen Aufwands sein, wenn das Bauprogramm eine Festlegung dahingehend enthält, dass die erworbenen Flächen Teil der öffentlichen Einrichtung sind, und es nicht vorgibt, dass die benötigten Flächen lediglich gewidmete Privatflächen sein sollen (vgl. im Einzelnen Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 332; Arndt, Straßenausbaubeiträge, Praxishandbücher, Bd. 8, 2017, § 8 Rn. 37). Beitragsrechtlich reicht es aus, das jeweilige Bauprogramm konkludent durch den Abschluss von Verträgen oder formlos durch die Verwaltung festzulegen (Senatsbeschluss vom 29.8.2003 – 9 ME 421/02 – juris Rn. 1). Neben dem Kaufpreis für den Grund und Boden gehören zu den Grunderwerbskosten auch die sonstigen Kosten, die erforderlich waren, um den Grunderwerb zu bewirken, wie Vermessungskosten und Notarkosten (Senatsurteile vom 19.2.2020 – 9 LB 132/17 –, a. a. O., Rn. 240; vom 18.3.1986 – 9 A 237/82 – Die Gemeinde 1986, 229 (320); Arndt, a. a. O., § 8 Rn. 39). Da der Grunderwerb aber nicht bereits kraft Gesetzes Voraussetzung für die Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme ist, sind die im Zusammenhang mit einer beitragsfähigen Maßnahme entstandenen Grunderwerbskosten bei fehlender satzungsrechtlicher Regelung grundsätzlich nur beitragsfähig, wenn sie entstanden sind, bevor die Maßnahme im Rechtssinne beendet wurde und damit die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Soll der Abschluss des Grunderwerbs in Ermangelung einer entsprechenden satzungsrechtlichen Regelung Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht sein, muss sich dies aus dem Bauprogramm ergeben (Senatsurteil vom 19.2.2020 – 9 LB 132/17 –, a. a. O., Rn. 235; Senatsbeschluss vom 29.8.2003, a. a. O., Rn. 1). Lässt sich nicht klären, ob der Grunderwerb zum Bauprogramm gehört, trägt die Gemeinde die Feststellungslast mit der Folge, dass – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen hierfür – die beitragspflichtige Maßnahme unabhängig vom Grunderwerb als beendet anzusehen ist (Senatsbeschluss vom 29.8.2003, a. a. O., Rn. 1).

Die Satzung der Beklagten macht das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nicht von der Beendigung des Grunderwerbs abhängig. Vielmehr sind nach § 9 Abs. 4 SABS die beitragsfähigen Maßnahmen beendet, wenn die technischen Arbeiten entsprechend dem von der Gemeinde aufgestellten Bauprogramm fertiggestellt sind und der Aufwand berechenbar ist. Dies war vorliegend der Eingang der Schlussrechnung des Ingenieurbüros M. für die Bauleitplanung der Ausbaumaßnahmen, also der 28. Oktober 2015. Die Grunderwerbs(neben)kosten für die Flurstücke 19/2 und 23/3 sind allesamt erst nach Entstehen der sachlichen Beitragspflicht angefallen. Die Leistungsbescheide des Vermessungsbüro Alves für die südlichen Erweiterungsflächen des F. (Flurstücke 19/2 und 23/3) in Höhe von 3.063,42 € bzw. 519,91 € gingen bei der Beklagten am 10. bzw. 16. Dezember 2015 ein, der Leistungsbescheid des Landesamts für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen vom 20. Januar 2016 für die Eintragung der Ergebnisse der Liegenschaftsvermessung in Höhe von 532,80 € am 27. Januar 2016.

Soweit die Beklagte meint, aus ihrem Bauprogramm habe sich aber ergeben, dass der F. erweitert werden sollte und hierfür Flächen erworben werden sollten, führt dies nicht zur Beitragsfähigkeit der Grunderwerbskosten für die Flurstücke 19/2 und 23/3. Dem Bauprogramm lässt sich nicht entnehmen, dass von dem Erwerb der Grundstücke das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht abhängig gemacht werden sollte. Hiergegen spricht zudem, dass die Beklagte die Klägerin bereits mit Bescheiden vom 2. Dezember 2016 zu Straßenausbaubeiträgen herangezogen hat, obwohl sie erst am 29. März 2018 als Eigentümerin der Flurstücke 19/2 und 23/3 im Grundbuch eingetragen wurde. Im Zeitpunkt der Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen ging sie danach selbst davon aus, dass die sachliche Beitragspflicht bereits entstanden war.

Sind danach Grunderwerbskosten in Höhe von 4.116,13 € nicht beitragsfähig, hat die Beklagte demgegenüber die Grunderwerbskosten für das Flurstück 44/4 in Höhe von 20.420,23 € insgesamt, das heißt einschließlich der Grunderwerbsnebenkosten in Höhe von 4.420,23 €, zutreffend in den beitragsfähigen Aufwand eingestellt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Grundstück im Jahr 2007 schon auf der Grundlage eines Bauprogramms erworben wurde. Gemäß § 2 Nr. 1 SABS gehört zu den Grunderwerbskosten auch der Wert der von der Gemeinde hierfür aus ihrem Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung. Hierzu zählen auch die Bereitstellungsnebenkosten, wie z. B Vermessungs- und Grundbuchkosten (Driehaus/Raden, a. a. O., § 13 Rn. 45; OVG NRW, Urteil vom 27.9.2002 – 3 A 2259/99 – juris Rn. 37).

Der im Übrigen von der Beklagten in Ansatz gebrachte beitragsfähige Aufwand ist auch aus der Sicht des Senats in der Höhe nicht zu beanstanden.

4.

Da es sich bei dem F. um eine Straße handelt, die überwiegend dem Anliegerverkehr dient, ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 SABS teileinrichtungsübergreifend der beitragsfähige Aufwand in Höhe von 60 von Hundert auf die Beitragspflichtigen als Aufwand umzulegen.

Hieraus ergibt sich ein umlagefähiger Aufwand in Höhe von 95.919,63 € (60% von 159.866,05 €).

5.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte den Kreis der bevorteilten Grundstücke bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes nicht fehlerfrei bestimmt hat, weil sie das Kirchengrundstück Flurstück 160/10 als Hinterliegergrundstück nicht in die Verteilung mit einbezogen hat.

Der Annahme eines besonderen wirtschaftlichen Vorteils i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG für das Grundstück Flurstück 160/10 steht nicht entgegen, dass es nicht unmittelbar an den F. anliegt (a)). Gleiches gilt für den Umstand, dass auf dem Grundstück ein privates Wegesystem verläuft, welches von einer öffentlichen Straße (Hauptstraße) abzweigt (b)).

a)

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung für das landesrechtliche Ausbaubeitragsrecht auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 NKAG davon aus, dass für ein Hinterliegergrundstück bei Eigentümeridentität nur in eng begrenzten Ausnahmefällen der besondere wirtschaftliche Vorteil für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung entfällt (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 19.6.2014 – 9 LA 41/12 – n. v.; vom 16.1.2012 – 9 ME 135/11 – n. v.; vom 26.4.2007 – 9 LA 92/06 – NVwZ-RR 2008, 345 = juris Rn. 8; vom 13.6.2000 – 9 M 1349/00 – Nds. Rpfl. 2000, 296 = juris Rn. 3; hierzu kritisch Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 401 o).

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 SABS der Beklagten sind beitragspflichtig diejenigen Grundstückseigentümer, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung besondere wirtschaftliche Vorteile bietet. Maßgeblich für die Frage, ob eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit vorliegt, ist, ob von dem jeweiligen Grundstück aus die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besteht und die Straße (evtl. auch die Verbindung zu ihr) dem Eigentümer die bestimmungsgemäße Nutzung seines Grundstücks ermöglicht.

Ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil liegt ausnahmsweise nicht vor, wenn es unter wirtschaftlichen oder sonstigen tatsächlichen Gesichtspunkten oder aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist, die ausgebaute Straße vom Hinterliegergrundstück aus über das trennende Anliegergrundstück in einer die bestimmungsgemäße Nutzung des Hinterliegergrundstücks ermöglichenden Weise zu erreichen (vgl. Senatsurteil vom 9.4.2015 – 9 LC 248/13 – KStZ 2015, 113 = juris Rn. 24 m. w. N.; Senatsbeschluss vom 26.4.2007, a. a. O., Rn. 5). Im Falle der Eigentümerverschiedenheit von Hinterlieger- und Vorderliegergrundstück liegt ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil vor, wenn die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straße über das Vorderliegergrundstück hinreichend rechtlich gesichert und das Hinterliegergrundstück über das Vorderliegergrundstück im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht tatsächlich in der für seine bestimmungsgemäße Nutzung erforderlichen Weise erreichbar ist (Senatsurteil vom 11.6.2010 – 9 LB 182/08 – juris Rn. 23 m. w. N.). Demgegenüber lassen tatsächliche Hindernisse bei Eigentümeridentität – bei Nichtbestehen rechtlicher Hindernisse (vgl. Senatsbeschluss vom 18.7.2006 – 9 ME 189/06 – juris Rn. 7) – den besonderen wirtschaftlichen Vorteil nur dann entfallen, wenn sie den bestimmungsgemäßen Zugang zur Straße vom Hinterliegergrundstück ausschließen und der Eigentümer diese Verhältnisse nicht mit zumutbarem Aufwand beseitigen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 29.11.2006 – 9 LA 342/04 – juris Rn. 11).

Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für Hinterliegergrundstücke, die auf die ausgebaute Straße angewiesen sind, weil sie nicht durch eine weitere Straße erschlossen werden (sog. gefangene Hinterliegergrundstücke). Sie greift auch in den Fällen, in denen Hinterliegergrundstücke zudem an eine andere Straße grenzen, und zwar selbst dann, wenn sie ihre primäre Erschließung über diese andere Straße erhalten (Senatsurteil vom 9.4.2015, a. a. O., Rn. 24; Senatsbeschluss vom 26.4.2007, a. a. O., Rn. 8). § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG unterscheidet im Hinblick auf den beitragsrelevanten Vorteil nicht zwischen Anlieger- und Hinterliegergrundstücken oder zwischen gefangenen und anderen Hinterliegergrundstücken. Auch nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit bestehen für ein nicht gefangenes Hinterliegergrundstück im Grundsatz die gleichen Anforderungen an die vorteilsgerechte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Verkehrsanlage wie für ein gefangenes Hinterliegergrundstück.

In beiden Fällen muss aber die Zweiterschließung grundsätzlich den gesamten Verkehr bewältigen können, der angesichts der zulässigen Grundstücksnutzung – hier des Hinterliegergrundstücks – zu erwarten ist (Senatsbeschluss vom 29.11.2006, a. a. O., Rn. 8).

Voraussetzung für die bestimmungsgemäße Nutzung eines bebaubaren Anlieger- oder Hinterliegergrundstücks ist, dass irgendeine der bebauungsrechtlich zugelassenen Nutzungsformen über die ausgebaute Anlage realisiert werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19.6.2014, a. a. O., vom 9.11.2012 – 9 LA 157/11 – NVwZ-RR 2013, 157 m. w. N. = juris Rn. 4; Senatsurteil vom 23.3.2009 – 9 LC 320/07 – n. v.). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich dabei nicht auf der Grundlage der tatsächlichen Nutzung, sondern auf der Grundlage der etwaigen einschlägigen Festsetzungen im Bebauungsplan und anhand einer typisierenden Betrachtungsweise, die allerdings auch die konkreten Vorgaben in den planerischen Festsetzungen und deren Umsetzung zu berücksichtigen hat, soweit es um eine bauliche Nutzung geht (Senatsbeschluss vom 25.1.2007 – 9 LA 201/05 – juris Rn. 7).

Nach der Rechtsprechung des Senats genügt für die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit eines Grundstücks zu Wohnzwecken, dass im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten die tatsächlich und rechtlich gesicherte Möglichkeit bestand, die Ausbaustraße (zumindest) fußläufig zu erreichen (Senatsbeschlüsse vom 9.11.2012, a. a. O., Rn. 6; vom 11.9.2003 – 9 ME 117/03 – NdsVBl 2004, 24 = juris Rn. 3). Gleiches hat der Senat für Dorf- und Mischgebiete angenommen, weil in diesen bestimmungsgemäß auch eine Wohnnutzung zulässig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 9.11.2012, a. a. O., Rn. 6). Hingegen sind bei gewerblich, industriell, forst- und landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücken im Verhältnis zu Wohngrundstücken gesteigerte Anforderungen an die Erreichbarkeit zu stellen. Ein Herauffahren auf diese muss möglich sein (Senatsurteil vom 13.6.2001 – 9 L1587/00 – KStZ 2001, 211 = NSt-N 2001, 291 m. w. N. = juris Rn. 11, Senatsbeschlüsse vom 19.6.2014, a. a. O.).

Das Hinterliegergrundstück Flurstück 160/10 kann zweifellos – seine Erschließung über die Hauptstraße hinweggedacht – vom F. über das Anliegergrundstück desselben Eigentümers (Flurstücke 24/1 und 23/4) mithilfe des zwischen diesen Grundstücken angelegten Treppenaufgangs betreten werden.

Auf der Grundlage der einschlägigen Festsetzungen im Bebauungsplan und anhand einer typisierenden Betrachtungsweise ergeben sich keine gesteigerten Erreichbarkeitsanforderungen für eine bestimmungsgemäße Nutzung einer (denkmalgeschützten) Kirchenanlage.

Es handelt sich bei dem G. Dom zusammen mit dem Friedhof östlich der Kirche, den Arkaden entlang der Hauptstraße sowie den weiteren zugehörigen Mauern/Einfriedungen um eine historische Kirchenburg. Die Kirchenanlage ist aufgrund ihres Denkmalwertes in ihrem Bestand als Ensemble geschützt. Dem hat der Plangeber nicht nur durch die nachrichtliche Übernahme der Denkmaleigenschaft (§ 1 Abs. 6 BauGB) Rechnung getragen, sondern zugleich durch die Festsetzungen der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks. Nach diesen ist eine Bebaubarkeit mit einer Kirche oder kirchlichen Zwecken dienenden Gebäude und Einrichtungen nur in den Grenzen des unter Denkmalschutz stehenden G. Doms zulässig.

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 16. April 1992 (– 9 M 1742/92 – juris Rn. 1) entschieden, dass davon auszugehen ist, dass ein Kirchengrundstück über einen längeren Zeitraum gesehen bei kirchlichen Veranstaltungen, beispielsweise Gottesdiensten und Taufen, nicht intensiver genutzt wird als ein der Wohnnutzung dienendes Grundstück (vgl. auch OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 23.2.2009 – OVG 9 S 53.08 – juris Rn. 9). Hieran hält er fest. Eine Kirche ist historisch und traditionell nur fußläufig erreichbar. Es kann in aller Regel gerade nicht auf das Kirchengrundstück heraufgefahren, also quasi vor dem Eingang einer Kirche geparkt werden. Dies gilt in besonderem Maße für eine – wie vorliegend – unter Denkmalschutz stehende Kirchenanlage. Wie bereits das Wort „Kirchgang“ nahelegt, ist der Besuch einer Kirche vielmehr typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass das Kirchengrundstück zu Fuß betreten wird.

Damit setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu seiner von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung vom 25.1.2007 (– 9 LA 201/05 –), wonach für die bestimmungsgemäße Nutzung eines Grundstücks mit der Zweckbestimmung „Gemeinbedarfsfläche öffentliche Verwaltung“ für ein Amtsgericht die Erreichbarkeit über das bei Wohngrundstücken anzulegende Maß hinausgeht (Senatsbeschluss vom 25.1.2007, a. a. O., Rn. 8). Der Senat hat in seinem Beschluss zugleich ausgeführt, dass sich die Erreichbarkeitsanforderungen bei einer Festsetzung „Gemeinbedarfsfläche Öffentliche Verwaltungen“ nicht aus einer Gleichsetzung mit einer gewerblichen Nutzung ableiten lassen, sondern dass es auf die jeweilige bestimmungsgemäße Nutzung im Einzelfall ankommt. Dabei sind bei den Anforderungen an die Erreichbarkeit maßgeblich auch die durch den Bebauungsplan festgesetzten Stellplätze mit zu beachten, die im Zusammenhang mit der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Amtsgerichts stehen (Senatsbeschluss vom 25.1.2007, a. a. O., Rn. 11). Gegen die Gleichsetzung einer gewerblichen Nutzung spricht im vorliegenden Fall u. a., dass es an einer entsprechenden Festsetzung von Stellplätzen auf dem Flurstück 160/10 fehlt. Hinzu kommt, dass die Nutzung einer Kirche – wie ausgeführt – typischerweise nicht mit einem hohen Publikumsverkehr aus einem überörtlichen Einzugsbereich und einem An- und Abfahrtsverkehr durch größere Fahrzeuge, sei es aufgrund der Anlieferung von Verbrauchsmaterialen oder aufgrund der Anlieferung oder Abholung der Paketpost, verbunden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25.1.2007, a. a. O., Rn. 9).

Ergibt sich danach aus den Festsetzungen im Bebauungsplan und anhand einer typisierenden Betrachtungsweise, dass für eine bestimmungsgemäße Nutzung des Kirchengrundstücks eine fußläufige Erreichbarkeit unter Vorteilsgesichtspunkten ausreichend ist, ist in der Rechtsprechung des Senats ferner geklärt, dass die Voraussetzungen für den Zugang zu einem Baugrundstück grundsätzlich denen entsprechen, die bauordnungsrechtlich an die Zugänglichkeit eines Baugrundstücks zu stellen sind. Dies hat der Senat für die bestimmungsgemäß zu Wohnzwecken nutzbaren Grundstücke entschieden (vgl. Senatsurteil vom 9.4.2015, a. a. O., Rn. 26; Senatsbeschluss vom 9.11.2012, a. a. O., Rn. 6). Maßgeblich sind die jeweiligen Bestimmungen der Niedersächsischen Bauordnung im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (vgl. Senatsurteil vom 9.4.2015, a. a. O., Rn. 26 m. w. N.). Beitragsrechtlich kommt es danach grundsätzlich nicht auf eine (bestandsgeschützte) tatsächliche Nutzung der Hinterliegergrundstücke an (Senatsbeschluss vom 19.6.2014, a. a. O.). Darüber hinaus hat der Senat entschieden, dass das erforderliche Maß der Erreichbarkeit im Hinblick auf die bestimmungsgemäße Grundstücksnutzung auch durch die von § 49 NBauO gestellten Anforderungen an die Barrierefreiheit geprägt wird (Senatsbeschluss vom 25.1.2007, a. a. O., Rn. 9). Zur Begründung hat der Senat angeführt, dass ein Grundstück wegen der ausgebauten Straße grundsätzlich auch (weiterhin) baulich nutzbar sein muss, soll es bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes und Heranziehung als bebaubares (Wohn-)Grundstück berücksichtigt werden (vgl. Senatsurteil vom 9.4.2015, a. a. O., Rn. 26; Senatsbeschluss vom 9.11.2012, a. a. O., Rn. 11).

Lassen aber die bauplanungsrechtlichen Festsetzungen und die Denkmaleigenschaft eines Bauwerkes – wie vorliegend – im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht eine andere, die bauordnungsrechtlichen Anforderungen aktualisierende Nutzung nicht zu, können diese für die Beurteilung des Vorliegens eines besonderen wirtschaftlichen Vorteils nicht maßgeblich sein. Vielmehr ist es in einem solchen Fall ausnahmsweise geboten, auf die tatsächliche, denkmalgeschützte Nutzung vorteilsbegründend abzustellen. Aufgrund der Festsetzung in dem Bebauungsplan Nr. 33 „Ortskern A-Stadt“ einerseits und der Denkmaleigenschaft des G. Doms andererseits war es der Eigentümerin des Grundstücks Flurstück 160/10 im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht verwehrt, ihr Grundstück einer anderen als der bestehenden Nutzung zuzuführen. Eine Bebaubarkeit ist danach allein in den Grenzen des bestehenden G. Doms und nur als Kirche möglich gewesen. Dabei handelt es sich bei dem G. Dom – gemeinsam mit dem Friedhof östlich der Kirche, den Arkaden entlang der Hauptstraße sowie den weiteren zugehörigen Mauern/Einfriedungen – um ein gemäß § 3 Abs. 3 des Niedersächsisches Denkmalschutzgesetzes (NDSchG) vom 30. Mai 1978, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Mai 2011 (Nds. GVBl. S. 135) als Gruppe ausgewiesenes Baudenkmal, so dass nicht nur eine Nutzungsänderung ausscheidet, sondern der Eigentümerin gemäß § 6 Abs. 2 NDSchG zugleich die Befugnis entzogen ist, die vorhandene Kirche zu zerstören, um innerhalb der planerisch festgesetzten Baugrenze eine neue Kirche zu errichten.

Im Übrigen wäre die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks vom F. aus selbst bei Hinwegdenken der bestandsgeschützten Kirche und der Erschließung des Grundstücks über die Hauptstraße nicht ausgeschlossen. Innerhalb der Baugrenze könnte grundsätzlich ein Kirchengebäude errichtet werden. Dem stünde auch nicht § 4 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) vom 3. April 2012 (Nds. GVBl. S. 46) in der Fassung vom 23. Juli 2014 (Nds. GVBl. S. 206) i. V. mit den Bestimmungen der Allgemeinen Durchführungsverordnung zur Niedersächsischen Bauordnung (DVO-NBauO) vom 26. September 2012 (Nds. GVBl. S. 382) generell entgegen. Danach bestehen unterschiedliche Anforderungen an die brandschutzrechtliche Erreichbarkeit eines Grundstücks je nachdem, ob es sich bei der baulichen Anlage um ein Gebäude geringer Höhe – darunter fallen gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 NBauO die Gebäudeklassen 1 bis 3 – oder um ein Gebäude nicht geringer Höhe handelt – darunter fallen gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und 5 NBauO 2012 die Gebäudeklassen 4 und 5. Gebäude geringer Höhe sind dabei grundsätzlich Gebäude, bei denen sich die Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Aufenthaltsraumes weniger als 7 Meter über der Geländeoberfläche im Mittel befindet (§ 2 Abs. 3 Satz 3 NBauO 2012) sowie freistehende land- oder forstwirtschaftliche Gebäude. Ausgehend hiervon genügte die fußläufige Zuwegung über das Anliegergrundstück Flurstück 24/1 und 23/4 grundsätzlich den brandschutzrechtlichen Anforderungen an die Zugänglichkeit für eine bauliche Nutzbarkeit des Flurstücks 160/10, sofern auf diesem ein Gebäude geringer Höhe errichtet würde.

Auch stünde § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 NBauO der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks vom F. aus nicht zwingend entgegen. Danach müssen zwar Anlagen für den Gottesdienst barrierefrei sein und über eine dem Bedarf entsprechende Zahl von Einstellplätzen (u. a.) verfügen. Gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 NBauO gilt § 49 Abs. 2 NBauO aber nicht, soweit die Anforderungen wegen schwieriger Geländeverhältnisse, wegen des Einbaus eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs, wegen ungünstiger vorhandener Bebauung oder im Hinblick auf die Sicherheit der Menschen mit Behinderungen nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand erfüllt werden können. Zudem ist es nicht ausgeschlossen, dass die Eigentümerin auf ihrem Anliegergrundstück Flurstücke 24/1 und 23/4 entsprechende Einstellplätze für Menschen mit Behinderung hierfür vorhält und für die barrierefreie Erreichbarkeit einen Fahrstuhl im Übergangsbereich errichtet. Ein wirtschaftlich handelnder Eigentümer würde – bei Wegdenken der Ersterschließung – diese Kosten in Kauf nehmen, um dadurch eine bauliche Nutzbarkeit zu dem beinahe 10.000 m2 großen Grundstück herbeizuführen (vgl. Senatsbeschluss vom 29.11.2006, a. a. O., Rn. 11; vgl. auch Driehaus/Raden, a. a. O., § 35 Rn. 37).

Ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG wäre schließlich auch dann anzunehmen, wenn man für sog. nicht gefangene Hinterliegergrundstücke zusätzlich eine Bewertung der Inanspruchnahmemöglichkeit forderte (zur entsprechenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung anderer Bundesländer und in der Literatur: Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 401 i – o, m. w. N.; derselbe, KStZ 2018, 161 ff.; Driehaus/Raden, a. a. O., § 35 Rn. 35 f.). Denn es ist anzunehmen, dass im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht das Grundstück 160/10 trotz seines unmittelbaren Anliegens an die Hauptstraße in vorteilsrelevanter Weise auch tatsächlich über den Notkirchenweg in Anspruch genommen wird. Dies gilt jedenfalls für die von Norden kommenden Kirchenbesucher. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass die Kirchengemeinde ihrerseits auf dem Anliegergrundstück Flurstücke 24/1 und 23/4 eine Treppe als Zuwegung zur Kirche auf dem Hinterliegergrundstück geschaffen hat.

b)

Das auf dem Kirchengrundstück Flurstück 160/10 angelegte Wegesystem steht einer Einbeziehung des Grundstücks in das Verteilungsgebiet ebenfalls nicht entgegen.

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung bietet einem Grundstückseigentümer zwar dann keinen besonderen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG, wenn sein Grundstück nicht an diese öffentliche Einrichtung grenzt, sondern an eine zwischen ihr und dem Grundstück liegende selbständige Erschließungsanlage. Denn ein Grundstück wird grundsätzlich nur durch die nächste von ihm aus erreichbare selbständige Erschließungsanlage erschlossen, nicht aber durch eine weitere Straße im Straßennetz, in die diese nächste erreichbare selbständige Straße mündet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.8.2000 –11 B 48.00 = NVwZ-RR 2001, 180 = juris Rn. 8 m. w. N.; Senatsurteile vom 24.3.2015 – 9 LB 57/14 – juris Rn. 20; vom 23.2.2015 – 9 LC 177/13 – juris Rn. 21; vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 25.7.2006 – 15 A 2316/04 – KStZ 2006, 236 = juris Rn. 31). Dabei ist die grundbuchmäßige Selbständigkeit einer Privatstraße keine Voraussetzung dafür, sie als selbständige Erschließungsanlage anzusehen (Senatsurteil vom 24.3.2015, a. a. O. Rn. 23).

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird aber das Hinterliegergrundstück Flurstück 160/10 nicht durch eine zwischen ihm und dem Anliegergrundstück liegende selbständige Erschließungsanlage erschlossen.

Das auf dem Kirchengrundstück verlaufende Wegesystem ist nicht in seinem tatsächlich angelegten Verlauf als private Erschließungsanlage anzusehen, die im Bereich des Treppenaufgangs das Hinterliegergrundstück vom Anliegergrundstück trennt und deshalb einer Erreichbarkeit des Grundstücks Flurstück 160/10 über den Notkirchenweg entgegenstehen würde.

Zum einen grenzt das auf dem Flurstück 160/10 verlaufende gepflasterte Wegesystem nicht unmittelbar an das Anliegergrundstück (Flurstücke 24/1 und 23/4) an. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass die gesamte gepflasterte Fläche optisch den Eindruck einer Zuwegung auf dem Kirchengrundstück vermittelt. Die dem Senat vorliegenden Lichtbildaufnahmen zeigen vielmehr, dass im Übergangsbereich zum Grundstück Flurstücke 24/1 und 23/4 aufgrund des in diesem Bereich vorspringenden Flurstücks 158 die Pflasterung nicht Teil der Zuwegung ist, sondern sich lediglich als befestigte Grundstücksfläche darstellt.

Darüber hinaus reicht aber auch die gepflasterte Wegführung im Bereich des Treppenaufgangs nicht unmittelbar an das Anliegergrundstück heran. Vielmehr endet sie spätestens an der auf dem Flurstück 160/10 verlaufenden Kirchenmauer. In dem Übergangsbereich zum Anliegergrundstück, in dem die Mauer unterbrochen ist, erstreckt sich die Pflasterung nicht unmittelbar bis zur Grundstücksgrenze. Vielmehr lässt sich den dem Senat vorliegenden Lichtbildaufnahmen entnehmen, dass die Fläche, auf der früher die Kirchenmauer verlief, optisch nicht als Teil oder unmittelbare Begrenzung des angelegten Wegesystems ausgestaltet ist. Sie ermöglicht den Übergang auf das Anliegergrundstück, ohne zuvor unmittelbar das Wegesystem zu betreten.

Zum anderen hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass es sich bei dem Privatweg auf dem Flurstück 160/10 im Bereich des Übergangs nicht um eine selbständige Erschließungsanlage handelt, die einer durch den Notkirchenweg vermittelten Vorteilswirkung entgegenstände. Zwar kann ein Privatweg, der in eine öffentliche Straße einmündet, eine selbständige Erschließungsanlage sein. Dies setzt aber voraus, dass er – erstens – zum Anbau bestimmt sowie zur verkehrsmäßigen Erschließung der an ihn grenzenden Grundstücke geeignet und – zweitens – als erschließungsrechtlich selbständig zu qualifizieren ist (BVerwG, Beschluss vom 29.8.2000, a. a. O., Rn. 8 m. w. N.).

Der private Weg „An der Kirchenburg“ ist jedoch nicht zum Anbau bestimmt, jedenfalls, soweit er nach ca. 20 Meter westlich abknickend in einer raumgreifenden Kurve um das im Westen befindliche Kirchengebäude und sodann zurück nach Osten bis in Höhe der T. -Straße verläuft.

Zum Anbau bestimmt und zur Erschließung geeignet ist ein Privatweg nur dann, wenn er den ihm anliegenden baulich nutzbaren Grundstücken die wegemäßige Erschließung verschafft, die für deren zulässige bauliche oder gewerbliche Nutzung erforderlich ist (BVerwG, Beschluss vom 29.8.2000, a. a. O., Rn. 8; Senatsurteil vom 24.3.2015, a. a. O., Rn. 24). Die Bebaubarkeit richtet sich auch insoweit nach § 4 NBauO (vgl. Senatsbeschluss vom 13.2.2015 – 9 LA 73/13 – juris Rn. 7). Da es sich bei dem Wegesystem auch nach Angaben der Beklagten um einen Privatweg und nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche i. S. v. § 4 Abs. 1 NBauO handelt, richten sich die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Zugänglichkeit nach § 4 Abs. 2 NBauO. Danach muss die Zugänglichkeit durch Baulast oder Miteigentum gesichert sein; bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 genügt eine Sicherung durch Grunddienstbarkeit.

Hiervon ausgehend handelt es sich bei dem nach Westen abknickenden Teil des Wegesystems „J.“ nicht um eine selbständige Erschließungsanlage und zwar unabhängig von der von der Kirchengemeinde ausgeschilderten Wegeführung. Der Weg mag in seiner tatsächlichen Nutzung die Funktion einer Erschließungsanlage haben, rechtlich erschließt er entgegen der Ansicht der Beklagten weder das Grundstück Flurstück 503/164 im Süden noch das im Nordwesten gelegene Grundstück Flurstück 158 oder das im Süd-Osten gelegene Grundstück Flurstücke 160/6 und 171. Nach dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Baulastenverzeichnis und dem Grundbuchauszug für das Flurstück 160/10 ist zugunsten der genannten Grundstücke weder eine Baulast eingetragen noch ist die Zugänglichkeit durch Grunddienstbarkeit i. S. v. § 4 Abs. 2 NBauO gesichert. Soweit die Beklagte vorträgt, die bauliche Zugänglichkeit sei über das Notwegerecht nach § 917 BGB gesichert, steht dies den eindeutigen Anforderungen in § 4 Abs. 2 NBauO an die Zugänglichkeit eines Baugrundstücks entgegen (vgl. auch Breyer in: Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Auflage 2020, § 4 Rn. 35; anders betreffend die Vorteilslage solcher Grundstücke im Straßenausbaubeitragsrecht Senatsbeschluss vom 21.4.1992 – 9 M 114/92 – n. v.; Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 401g). Zudem würde ein zivilrechtliches Notwegerecht nicht ausreichen, um dem Privatweg die Funktion einer Erschließungsanlage in einer bestimmten Ausstattung bzw. in einer konkreten Wegeführung zu verleihen.

c)

Der Annahme einer beitragsrelevanten Bevorteilung des Flurstücks 160/10 stehen schließlich auch nicht die die Grundsätze über die eingeschränkte Erschließungs- bzw. Vorteilswirkung entgegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, denen er sich anschließt.

d)

Unter vollständiger Einbeziehung des 9.858 m2 großen Grundstücks Flurstücks 160/10 ergibt sich ein Verteilungsgebiet von 29.980,25 m2.

Das Kirchengrundstück Flurstück 160/10 ist dabei mit einem Nutzungsfaktor von 1 ohne Artzuschlag in die Verteilung einzubeziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 16.4.1992, a. a. O., Rn. 1; vgl. auch OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 23.2.2009, a. a. O., Rn. 9). Das übrige Verteilungsgebiet beträgt 20.122,25 m2.

Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die östliche Fläche des Privatwegs „J.“ auf dem Flurstück 160/10, soweit der Bebauungsplan Nr. 33 „Ortskern A-Stadt“ für diese auf einer Breite von ca. 2 Metern Geh-, Fahr- und Leitungsrechte zugunsten der Allgemeinheit festsetzt, von der Aufwandsverteilung auszunehmen ist bzw. ob diese zumindest insoweit auszunehmen ist, als sie unmittelbar anliegend dem Grundstück Flurstück 160/9 und 160/7 eine Erschließung verschafft (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13.2.2015, a. a. O., Rn. 9 f.). Denn auch die gesamte im Bebauungsplan mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten ausgewiesene Wegefläche ist selbst bei großzügiger Bemessung (3 m Breite x 233 m Länge) nicht größer als 700 m2, so dass ein Verteilungsgebiet von mindestens 29.280,25 m2 verbliebe, das zu keinem höheren Beitragssatz führen würde, als ihn das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung angenommen hat (hierzu nachfolgend).

6.

Ausgehend von einem umlagefähigen Aufwand in Höhe von lediglich 95.919,63 € liegt der Beitragssatz selbst bei einem Verteilungsgebiet von nur 29.280,25 m2 bei 3,2759157 €/m2 und damit unter dem vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Beitragssatz von 3,281804 €/m2, so dass die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.