Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.05.2020, Az.: 10 LA 319/18

Ausschlussfrist; Bestandskraft

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.05.2020
Aktenzeichen
10 LA 319/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71989
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.06.2018 - AZ: 4 A 2812/16

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 11. Juni 2018 zugelassen.

Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 10 LB 96/20 geführt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt mit ihrer verwaltungsgerichtlichen Klage eine weitere Finanzhilfe für Personalausgaben für das Kindergartenjahr 2015/2016 nach §§ 16, 16a, 18 KiTaG.

Die Klägerin ist Trägerin einer Kindertagesstätte, für deren Betrieb mit einer altersüber-greifenden Ganztagesgruppe und einer Ganztageskrippe ihr ab dem 1. März 2015 eine Erlaubnis erteilt worden war. Die Beklagte bewilligte ihr auf ihre Anträge vom 27. Juli 2015 bzw. vom 29. Dezember 2015 hin für die Kindergartenjahre 2014/2015 und 2015/2016 mit Bescheid vom 16. September 2015 bzw. vom 14. April 2016 jeweils Finanzhilfe für Personalausgaben nach §§ 16, 16a, 18 KiTaG.

Unter dem 11. Februar 2016 erteilte das Niedersächsische Kultusministerium mit Wirkung zum 1. Februar 2016 zunächst eine neue Erlaubnis zum Betrieb der Kindertagesstätte für eine altersübergreifende Ganztagesgruppe und nunmehr zwei Krippengruppen. Diese Erlaubnis wurde am 6. April 2016 durch eine Erlaubnis zum Betrieb der Kindertagesstätte für eine altersübergreifende Gruppe und drei Krippengruppen ersetzt.

Am 1. August 2016, einem Montag, beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Finanzhilfe für das Kindergartenjahr 2015/2016, nunmehr mit der Angabe einer altersübergreifenden Ganztagsgruppe und von drei Krippengruppen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. September 2016 ab. Zur Begründung führt sie in ihrem Bescheid aus, dass der Antrag nicht, wie nach § 6 Abs. 1 Satz 2 der 2. Durchführungsverordnung zum KiTaG erforderlich, bis zum Ende des Abrechnungszeitraums am 31. Juli 2016 bei ihr eingegangen sei. Zudem sei ihr Bewilligungsbescheid für das Kindergartenjahr 2015/2016 vom 14. April 2016 in Höhe von 99.001,75 Euro bestandskräftig geworden.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit der angegriffenen Entscheidung als unbegründet abgewiesen und hierzu ausgeführt: Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin seien die §§ 16, 22 Abs. 3 Nds. Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) i.V.m. der 2. Verordnung über Mindestanforderungen an besondere Tageseinrichtungen für Kinder sowie über die Durchführung der Finanzhilfe. Dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch stehe die Versäumung der Antragsfrist entgegen. In § 6 Abs. 1 Satz 1 der 2. DVO-KiTaG sei ausdrücklich vorgesehen, dass der Antrag auf Finanzhilfe spätestens bis zum Ende des Abrechnungszeitraumes, d.h. bis zum Ende des Kindergartenjahres, das am 31. Juli ende, zu stellen sei. Bei dieser Frist handele es sich nicht lediglich um eine unverbindliche Ordnungsfrist, sondern vielmehr um eine Ausschlussfrist. Diese Frist habe die Klägerin versäumt, denn sie habe ihren Antrag auf (weitere) Finanzhilfe für das Kindergartenjahr 2015/2016 erst am 1. August 2016 gestellt. Die Auslegung als Ausschlussfrist entspreche dem Sinn und Zweck der Regelung. Diese diene dazu, das Antragsverfahren zu strukturieren und zu ordnen. Die Finanzhilfe für Personalausgaben werde zur (anteiligen) Finanzierung bestimmter in Kindertageseinrichtungen beschäftigter Kräfte gewährt und entspreche damit einer Subvention, für deren Beantragung typischerweise Ausschlussfristen geregelt seien. Anhaltspunkte dafür, dass trotz Gewährung einer Zuwendung keine Ausschlussfrist vorgesehen werden sollte, ergäben sich weder aus den einschlägigen Bestimmungen noch aus sonstigen Umständen. Vielmehr sei der Zweck, im Interesse der Rechtssicherheit zu bestimmten Zeitpunkten endgültig Klarheit über die für das jeweilige Kindergartenjahr gestellten Anträge zu erhalten, um schnell zu wissen, welche (Haushalts-)Mittel benötigt werden, nur mit einer Ausschlussfrist zu erreichen. Handele es sich bei der Antragsfrist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 2. DVO-KiTaG um eine materielle Ausschlussfrist, so bedeute dies, dass sie nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen sei. Dies habe zur Folge, dass die Regelungen zur Berechnung von Fristen in § 31 VwVfG / § 26 SGB X nicht zur Anwendung kämen und sich die Klägerin nicht darauf berufen könne, dass der 31. Juli 2016 auf einen Sonntag fiel.

Gegen das der Klägerin am 27. Juni 2018 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts, hat sie hat am 23. Juli 2018 die Zulassung der Berufung beantragt und zur Begründung unter dem 30. Juli 2018 ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, deren grundsätzliche Bedeutung sowie eine Divergenz geltend gemacht.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Die die Klageabweisung tragende Auffassung des Verwaltungsgerichts, auf die Frist des § 6 Abs. 1 der Verordnung über Mindestanforderungen an besondere Tageseinrichtungen für Kinder sowie über die Durchführung der Finanzhilfe in der vom 01.01.2015 bis 31.07.2018 gültigen Fassung (im Folgenden: 2. DVO-KiTaG a.F.) finde § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG bzw. § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X keine Anwendung, ist unzutreffend und begründet daher ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Die insoweit bestehenden Zweifel hat die Klägerin auch hinreichend dargelegt. Damit kommt es auf die hinreichende Darlegung bzw. das Vorliegen der von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Zulassungsgründe nicht mehr entscheidungserheblich an.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (vgl. Beschluss vom 05.02.2020 – 10 LA 108/18 –, juris Rn. 15 m.w.N.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2013 – 8 LA 148/12 –, juris Rn. 9). Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Stattgebende Kammerbeschlüsse vom 06.06.2018 – 2 BvR 350/18 –, juris Rn. 16, und vom 16.10.2017 – 2 BvR 2615/14 –, juris Rn. 19; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 05.02.2020 – 10 LA 108/18 –, juris Rn. 15, und vom 23.01.2018 – 10 LA 21/18 –, juris Rn. 7; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13.02.2020 – 13 LA 491/18 –, juris Rn. 3). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 05.02.2020 – 10 LA 108/18 –, juris Rn. 15, und vom 23.01.2018 – 10 LA 21/18 –, juris Rn. 7; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13.02.2020 – 13 LA 491/18 –, Rn. 3 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 – 7 AV 4.03 –, juris Leitsatz und Rn. 9; vgl. dazu auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.06.2016 – 1 BvR 2453/12 –, juris Rn. 17). Zur Darlegung der ernstlichen Zweifel bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffs auseinandersetzen (ständige Rechtsprechung des Senats vgl. etwa Beschlüsse vom 05.02.2020 – 10 LA 108/18 –, juris Rn. 15, und vom 21.03.2019 – 10 LA 46/18 –, juris Rn. 2, jeweils m.w.N.; Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 13.02.2020 – 13 LA 491/18 –, juris Rn. 3).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe hat die Klägerin in einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen.

Soweit das Verwaltungsgericht die Nichtanwendbarkeit der Vorschriften pauschal damit begründet, dass es sich bei § 6 Abs. 1 Satz 1 2. DVO a.F. um eine materielle Ausschlussfrist handele, trägt dieses Argument - wie von der Klägerin in ihrer Berufungszulassungsbegründung ausgeführt - einen solchen Schluss nicht. Allein das Vorliegen einer materiellen Ausschlussfrist führt nicht zur Unanwendbarkeit von § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 10.11.2016 – 8 C 11.15 –, juris Rn. 11, 19; Hessischer VGH, Urteil vom 17.07.2019 – 6 A 753/17 –, juris Rn. 58, 61; Senatsurteil vom 18.01.2011 – 10 LB 70/09 –, juris Rn. 36, 40; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24.11.2005 – 2 NB 462/05 –, NVwZ-RR 2006, 258 [OVG Niedersachsen 05.09.2005 - 2 NB 250/05]; Michler in BeckOK, VwVfG, Stand: 01.01.2020, § 31 Rn. 44) bzw. von § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.2014 – B 6 KA 13/13 R –, juris Rn. 25; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.03.2012 – 3 L 176/09 –, juris Rn. 26, 29).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 31 Abs. 4 VwVfG bzw. § 26 Abs. 4 SGB X, wonach bei einer Leistungserbringung durch eine Behörde für einen bestimmten Zeitraum, dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages endet, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Daraus mag folgen, dass sich die Gewährung der Finanzhilfe als Leistungserbringung auch dann nur bis zum 31. Juli eines jeden Jahres erstreckt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 2. DVO-KiTaG a.F. „Abrechnungszeitraum“), wenn dieser Tag ein Samstag, Sonntag oder Feiertag ist. Hieraus ist aber nicht zugleich zu folgern, dass auch der Antrag für die Leistungserbringung - hier die Finanzhilfe - selbst dann bis zum 31. Juli gestellt werden muss, wenn dieser auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt. Mit der Begrenzung der Leistungserbringung wird offenkundig ein anderer Zweck als mit der Antragsfrist verfolgt.

Auch sofern angenommen werden kann, das Verwaltungsgericht habe mit seinen weiteren Ausführungen (zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. August 1997 – 8 C 38.95 –) seine diesbezügliche Auffassung konkretisiert und insoweit auch damit begründet, dass es sich im vorliegenden Fall um eine finanzielle Zuwendung für die Personalkosten einer Kindertagesstätte handele und gerade - und im Unterschied zu dem von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betroffenen Wohngeld - im Subventionsrecht der materielle Anspruch mit der Einhaltung der Frist stehe und falle, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts unzutreffend und bestehen weiter ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, die die Klägerin auch hinreichend dargetan hat. Das Verwaltungsgericht hat insoweit auf seine vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen („wie bereits erwähnt“), wonach nur mit einer Ausschlussfrist im Interesse der Rechtssicherheit zu bestimmten Zeitpunkten endgültig Klarheit über die für das jeweilige Kindergartenjahr gestellten Anträge gewonnen werden könne, um schnell zu wissen, welche (Haushalts-)Mittel benötigt werden.

Hiergegen hat die Klägerin vorgebracht, dass auch bei einer Anwendung von § 31 Abs. 3 VwVfG bzw. § 26 Abs. 3 SGB X für jeden ohne weiteres ermittelbar sei, wann die Frist ablaufe. Nämlich am nächsten Werktag. Damit sei die erforderliche Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vollumfänglich gegeben und es ergebe sich auch kein Gleichheits- oder Chancengleichheitsproblem.

Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin die Richtigkeit des Ansatzes des Verwaltungsgerichts nachhaltig in Frage gestellt. Das von dem Verwaltungsgericht angeführte Interesse an der Rechtssicherheit vermag zu begründen, weshalb es sich bei § 6 Abs. 1 Satz 1 2. DVO-KiTaG a.F. um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. dazu die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Niedersächsischen OVG, Beschluss vom 14.03.2007 – 4 LC 16/05 –, juris Rn. 24, 29). Soweit dieser Gesichtspunkt aber auch für die Annahme der Unanwendbarkeit von § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG bzw. § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X herangezogen werden soll, überzeugt die Argumentation nicht. Denn für jeden ist - wie von der Klägerin dargelegt - ohne weiteres ersichtlich, ob das Fristende des § 6 Abs. 1 Satz 1 2. DVO-KiTaG a.F. (31. Juli des jeweiligen Jahres) auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt und wann in diesem Fall die Frist stattdessen abläuft. Hinzu kommt, dass sich durch eine Anwendung der „Montagsregelung“ der Fristablauf lediglich um maximal wenige Tage verschiebt und so noch ausreichend frühzeitig Klarheit über den Finanzbedarf gewonnen wird, zumal die zuständigen Behörden an den das Ende der Frist verschiebenden Tagen (Samstag, Sonntag, Feiertag) wohl ohnehin keine diesbezüglichen Entscheidungen treffen dürften.

Der insoweit bestehende Fehler in den rechtlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts bezieht sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung.

Der Senat weist zudem hinsichtlich der von der Beklagten bereits in ihrem Ablehnungsbescheid vom 26. September 2016 angeführten Bestandskraft des Bewilligungsbescheides vom 14. April 2016 darauf hin, dass diese dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch dem Grunde nach nicht entgegenstehen dürfte. Denn soweit die Klägerin mit ihrem weiteren Antrag auf Finanzhilfe für Personalkosten diese auch für Kräfte begehrt, die in ihrem ersten Antrag nicht bzw. nicht so aufgeführt waren, dürfte die Beklagte hierüber mit ihrem Bewilligungsbescheid vom 14. April 2016 nicht entschieden haben.

Die Bestandskraft findet ihre Rechtfertigung und verfassungsrechtliche Grundlage in dem Bedürfnis nach Rechtsicherheit (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 43 Rn 9). Nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Bescheid wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Eine anderweitige Aufhebung ist etwa in dem Fall eines behördlichen Wiederaufgreifens oder eines Gerichtsurteils gegeben (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 43 Rn. 5, 6). Nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen erlangt ein Bescheid formelle Bestandskraft (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 43 Rn. 20).

Ein Verwaltungsakt wird nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Dieser gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnde Entscheidungsgegenstand bestimmt die im Verwaltungsakt verbindlich mit Wirkung nach außen getroffenen Regelung, die Gegenstand der materiellen Bestandskraft ist (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 43 Rn. 56). Ausgangspunkt ist der Entscheidungsausspruch des Bescheides, zur Auslegung kann auch seine Begründung heranzuziehen sein (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Auflage 2018, § 43 Rn. 58). Für die Bestimmung des Entscheidungsgegenstands können auch die der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsnormen zu berücksichtigen sein (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 43 Rn. 62, 65). Zudem kann der Inhalt eines Verwaltungsakts auch durch den Antrag beeinflusst werden (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 22 Rn. 46, § 35 Rn. 76).

Der Tenor des Bescheides vom 14. April 2016 lautet:

„auf Ihren Antrag vom 29. Dezember 2015 gewähre ich Ihnen […] eine Finanzhilfe für Personalausgaben für den Zeitraum vom 01.08.2015 bis zum 31.07.2016 in Höhe von insgesamt: 99.001,75 €“.

Weiter wird in dem Bescheid mitgeteilt, dass die Bewilligung auf der Grundlage der im Finanzhilfeantrag mitgeteilten Angaben erfolgt sei.

§ 16 Abs. 1 KiTaG gewährt einen Anspruch auf eine Finanzhilfe in Höhe von 20 vom Hundert der Personalausgaben für die in § 4 KiTaG vorgesehen Kräfte in Kindertagesstätten und Kleinen Kindertagesstätten (Nr. 1), sowie für die in § 16 Abs. 1 Nr. 2 KiTaG genannten Personen. Der Finanzhilfebetrag ergibt sich nach § 5 Abs. 1 Satz 1 2. DVO-KiTaG a.F. aus den vertraglich zu erbringenden regelmäßigen Wochenarbeitsstunden der gemäß § 4 KiTaG vorgesehenen Fach- und Betreuungskräfte während eines Jahres, multipliziert mit einer […] Finanzhilfepauschale. Für die Kräfte nach § 4 Abs. 4 Satz 1 KiTaG bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 2 2. DVO-KiTaG a.F. eine abweichende Grundlage. Stichtag für die Ermittlung der Berechnungsgrundlagen nach § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 2. DVO-KiTaG a.F. ist der 1. Oktober des jeweiligen Kindergartenjahres (§ 5 Abs. 1 Satz 3 2. DVO-KiTaG a.F.). Wird allerdings der Betrieb einer Tageseinrichtung oder einer Gruppe später aufgenommen, ist nach § 5 Abs. 1 Satz 4 2. DVO-KiTaG a.F. hiervon abweichend Stichtag der Tag des Betriebsbeginns.

Die Gewährung der Finanzhilfe ist zudem von einer Antragstellung abhängig (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 2. DVO-KiTaG a.F, § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG). Damit tritt die Dispositionsmaxime an die Stelle des Offizialprinzips (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 22 Rn. 5, 27 f.), so dass es der Träger der Einrichtung in der Hand hat, ob er überhaupt eine Finanzhilfe beantragt. Mit ihrem Antrag vom 29. Dezember 2015 bestimmte die Klägerin den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 9 VwVfG sowie den Umfang des Verfahrensgegenstandes (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 9 Rn. 24, § 22 Rn. 31; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 22 Rn. 46, § 9 Rn. 108). Aufgrund der Antragstellung erlangte die Klägerin den Anspruch, dass in einem Verwaltungsverfahren über den von ihr gestellten Antrag entschieden wird (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 22 Rn. 23).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe, Regelungen und Umstände dürfte die Bestandkraft der Entscheidung der Beklagten vom 14. April 2016 lediglich die Finanzhilfe für die aufgrund der zum Stichtag des 1. Oktober 2015 vertraglich zu erbringenden regelmäßigen Wochenarbeitsstunden (§ 5 Abs. 1 2. DVO-KiTaG a.F.) für die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Gruppen erfassen. Nur für diese hatte die Klägerin am 29. Dezember 2015 Finanzhilfe für Personalkosten nach den §§ 16 ff. KiTaG beantragt. So heißt es auf Seite 1 des Antragsformulars (Bl. 28 VV) auch ausdrücklich „Der Finanzhilfeantrag gilt für den Stichtag: 01.10.2015“. Weiter hatte sie in dem Antrag das Vorhandensein einer Ganztagsgruppe und einer Ganztagskrippe, jeweils mit Start im März 2015 sowie die Beschäftigungszeiten der entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angegeben. Für weitere, insbesondere die erst später aufgrund der weiteren Gruppen hinzugekommenen Kräfte bzw. regelmäßiger Wochenarbeitsstunden, hatte die Klägerin mit ihrem Antrag vom 29. Dezember 2015 keine Finanzhilfe beantragt. Damit dürften auch nur die Wochenarbeitsstunden für die zum Stichtag 1. Oktober 2015 vorhanden gewesenen Gruppen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens der Beklagten und ihrer Entscheidung vom 14. April 2016 gewesen sein. Dementsprechend hat die Beklagte in ihrem Bescheid auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bewilligung auf der Grundlage der von der Klägerin in ihrem Antrag mitgeteilten Angaben beruht. Nur insoweit dürfte die Beklagte damit bereits unanfechtbar und bindend über die von der Klägerin begehrte Finanzhilfe für Personalausgaben nach den §§ 16 ff. KiTaG entschieden haben.

Zwar muss nach § 6 Abs. 1 Satz 2 2. DVO-KiTaG a.F. „Der Antrag auf Finanzhilfe […] für jede Einrichtung gesondert mit den erforderlichen Angaben spätestens bis zum Ende des Abrechnungszeitraums […] eingegangen sein.“ Daraus ist zu folgern, dass sich die Finanzhilfe grundsätzlich auf die jeweilige gesamte Einrichtung bezieht, für die sie beantragt wird. Denn aus der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 KiTaG geht hervor, dass eine (Tages-)Einrichtung im Sinne des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder auch über mehrere Gruppen verfügen kann und nicht jede einzelne Gruppe eine Einrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 2. DVO-KiTaG a.F. ist. Jedoch zeigt § 5 Abs. 1 Satz 4 2. DVO-KiTaG a.F. demgegenüber, dass die Aufnahme des Betriebs weiterer Gruppen gesondert zu berücksichtigen ist. Hieraus ist zu folgern, dass eine weitere Antragstellung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 2. DVO-KiTaG a.F. möglich sein muss, auch wenn die Beklagte bereits über einen auf den Stichtag 1. Oktober bezogenen Antrag auf Finanzhilfe nach den §§ 16 ff. KiTaG entschieden hat. Denn anderenfalls ergäbe die Stichtagsregelung keinen Sinn, wenn eine neu eröffnete Gruppe nicht Gegenstand eines weiteren Antrags sein könnte. Auch wäre es einem Träger, der seinen Antrag bereits frühzeitig gestellt hat (etwa November) und über den die Beklagte dann kurzfristig entschieden hat (etwa Dezember), verwehrt, Finanzhilfe für Gruppen zu beantragen und zu erhalten, deren Betrieb erst später (im Beispielsfall Januar bis Juli) begonnen hat. Demgegenüber stünde diese Möglichkeit einem Träger, der erst spät seinen Antrag auf Finanzhilfe stellt oder über den die Behörde verzögert entscheidet, weiter offen. Sachliche Gründe, die eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere in Anbetracht dessen, dass Anträge gemäß § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 2. DVO-KiTaG a.F. ohnehin nur befristet bis zum Ende des Kindergartenjahres gestellt werden können und spätestens dann (sofern das Fristende nicht auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt) die Beklagte Klarheit über die gestellten Anträge erlangt. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der §§ 15 ff. KiTaG und der 2. DVO-KiTaG, der Sicherstellung einer lückenlosen Finanzierung (vgl. Senatsurteil vom 03.09.2019 – 10 LC 13/18 –, juris Rn. 30).

Dem Bewilligungsbescheid ist auch nicht zu entnehmen und kann auch nicht im Wege der Auslegung entnommen werden, dass die Beklagte mit ihrer Bewilligung zugleich auch eine weitere Finanzhilfe für - von der Klägerin bislang noch nicht geltend gemachte - weitere Wochenarbeitsstunden abgelehnt hat (vgl. hierzu auch Bayerischer VGH, Urteil vom 12.09.1983 – 19 B 80 A.1418 –, BayVBl. 1984, 438).

Eine andere Beurteilung hinsichtlich des Antrags der Klägerin ist auch nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil sie es - obwohl es ihr möglich gewesen wäre - unterlassen hat, die Änderungen der Wochenarbeitszeit vor dem Erlass des Bescheides vom 14. April 2016 mitzuteilen. Zwar weist die Beklagte in ihrem Bewilligungsbescheid vom 14. April 2016 darauf hin, dass die Klägerin verpflichtet sei, sie - die Beklagte - über wesentliche Änderungen in Bezug auf die Finanzhilfe unverzüglich zu unterrichten. Eine solche Pflicht ergibt sich aber lediglich nach § 6 Abs. 3 2. DVO-KiTaG a.F. für die Einstellung des Betriebs einer Einrichtung. Woraus sich eine Verpflichtung auch für die unverzügliche Mitteilung der Betriebsaufnahme einer neuen Gruppe ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Vielmehr sieht die 2. DVO-KiTaG a.F. gerade die Möglichkeit einer Antragstellung bis zum Ende des Kindergartenjahres (§ 6 Abs. 1 Satz 2) und die Berücksichtigung von nach dem Stichtag des 1. Oktober in Betrieb genommenen Gruppen (§ 5 Abs. 1 Satz 4) vor.

Aus all dem dürfte letztlich folgen, dass soweit die Beklagte am 14. April 2016 noch nicht über die Finanzhilfe für die nach dem 1. Oktober in der Einrichtung der Klägerin in Betrieb genommenen neuen Gruppen entschieden hat, die Bestandskraft des Bescheides der Beklagten vom 14. April 2016 einer weiteren Entscheidung über die nach dem Stichtag 1. Oktober 2015 aufgrund des Betriebsbeginns der neuen Gruppen hinzugekommenen Wochenarbeitsstunden nicht entgegensteht und die Klägerin insoweit einen Anspruch auf eine Entscheidung über ihren Antrag vom 1. August 2016, der auch den Stichtag 1. März 2016 benennt (Bl. 55 VV), hat (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch Bayerischer VGH, Urteil vom 12.09.1983 – 19 B 80 A.1418 –, BayVBl. 1984, 438).

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, oder in elektronischer Form nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).