Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.05.2020, Az.: 2 ME 208/20

Attest ärztliches; Beeinträchtigung gesundheitliche; Gleichheitssatz; Hausarbeit; Klausur; Modulprüfung; Nachteilsausgleich; Prüfung mündliche; Prüfungsart; Überkompensation

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.05.2020
Aktenzeichen
2 ME 208/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72016
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 03.03.2020 - AZ: 12 B 221/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Prüfung, welche Maßnahmen als Nachteilsausgleich für gesundheitliche Beeinträchtigungen eines Prüflings geeignet und erforderlich sind, hat sich an der konkreten Beeinträchtigung und der jeweiligen Prüfung zu orientieren. Dabei ist darauf zu achten, dass der Nachteilsausgleich nicht zu einer Überkompensation der Prüfungsbeeinträchtigung zulasten der übrigen Prüfungsteilnehmer führt.
2. Im Fall des Wechsels der Prüfungsform - hier: Hausarbeit statt Klausur oder mündlicher Prüfung - muss die ersetzende Prüfungsform geeignet sein, die Befähigung des Prüflings zu dokumentieren. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob eine den Prüfungscharakter weniger beeinträchtigende Ausgleichsmaßnahme wie etwa eine Schreibzeitverlängerung oder die Gewährung zusätzlicher Pausen ausreichend ist.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 12. Kammer - vom 3. März 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird unter Änderung der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin seit August 2013 als Studierender immatrikuliert und war im Wintersemester 2019/2020 in dem Studiengang Master of Education (Gymnasium) mit Politik-Wirtschaft als erstem Fach und Physik als zweitem Fach jeweils im 5. Fachsemester sowie in dem Bachelor-Studiengang mit dem Studienfach Chemie im 1. Fachsemester eingeschrieben.

Auf seinen Antrag erteilten ihm die zuständigen Prüfungsausschüsse auf der Grundlage eines Nachteilsausgleichs wegen - aufgrund eines 2011 erlittenen Unfalls - ständiger körperlicher Beschwerden bzw. seines Krankheitsbildes unter dem 19. April 2017 für das Wintersemester 2016/2017 und unter dem 10. April 2018 für das Sommersemester 2018 die Erlaubnis, die Prüfungen in den Modulen phy430-Theoretische Physik II Elektrodynamik und phy441-Theoretische Physik III Quantenmechanik statt in den vorgeschriebenen Prüfungsformen Klausur oder mündliche Prüfung jeweils in der Prüfungsform Hausarbeit abzulegen. Die von dem Antragsteller im September 2019 abgegebenen beiden Hausarbeiten wurden im Oktober 2019 wegen „praktisch nicht vorhandener Eigenleistung“ als nicht bestanden (Modulnote 5,0) bewertet.

Nachdem die Antragsgegnerin dem Antragsteller mitgeteilt hatte, dass für die erneuten Prüfungsversuche ein neuer Antrag auf Nachteilsausgleich erforderlich sei, weil die seinerzeitige Gewährung eines Nachteilsausgleichs nicht den Vorgaben der Prüfungsordnung entsprochen habe, stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 für die genannten Module „aufgrund (seiner) unveränderten gesundheitlichen Situation“ und unter Hinweis auf bereits vorliegende Nachweise über sein Krankheitsbild einen erneuten Antrag auf Nachteilsausgleich mit dem Ziel, statt der Prüfungsleistung Klausur jeweils eine Hausarbeit anfertigen zu dürfen. Auf Anforderung der Antragsgegnerin legte der Antragsteller ein ärztliches Attest des Facharztes für Innere Medizin C. vom 1. November 2019 vor. In diesem Attest wird ausgeführt, der Antragsteller befinde sich seit November 2015 in hausärztlich-internistischer Behandlung und leide an einer Medikamentenunverträglichkeit, einem hyperreaktiven Bronchialsystem, chronischer Gastritis, Refluxösophagitis, Zustand nach Unterarmverletzung links und Medianuslähmung links sowie Ulnarisläsion links. Infolgedessen sei er in seinen Bewegungsabläufen der oberen Extremitäten deutlich und dauerhaft eingeschränkt, sodass im medizinischen Sinne die Voraussetzungen für die Empfehlung zur Durchführung einer Hausarbeit anstatt von mündlichen Prüfungen oder Klausuren erfüllt seien, um das Fortschreiten der genannten Erkrankungen bei konsekutivem Termindruck zu reduzieren. In dem ebenfalls vorgelegten ärztlichen Attest des Facharztes C. vom 17. November 2019 heißt es weiter, dass die durch die mündlichen Prüfungen oder Klausuren, auch jenen mit Schreibzeitverlängerungen oder Schreibpausen, induzierten Stressepisoden als Katalysatoren für erneute Schmerzschübe fungieren und somit zu erneuter Zunahme der genannten chronischen Krankheitsbilder führten könnten. Daher sei die langfristige Form der Verarbeitung eines Studienthemas in Form einer Hausarbeit aus medizinischer Sicht sinnvoller und vorzuziehen.

Mit Bescheid vom Dezember 2019 - fälschlicherweise auf den „17.07.2019“ datiert, bei der Antragsgegnerin am 16. Dezember 2019 zur Post gegeben und beim Antragsteller am 18. Dezember 2019 eingegangen - lehnte das Prüfungsamt der Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Nachteilsausgleich ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, die Prüfungsform Hausarbeit sei ungeeignet, die in den Modulen vermittelten Kompetenzen abzuprüfen. Es sei auch unter Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Atteste nicht erkennbar, was jedenfalls gegen eine mündliche Prüfung mit Pausen spreche, die alternativ zu einer Klausur, diese gegebenenfalls mit Schreibzeitverlängerung, angeboten werde.

Daraufhin hat der Antragsteller am 6. Januar 2020 Klage (12 A 45/20) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Seinen am 24. Januar 2020 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn zu den Modulprüfungen phy430 Elektrodynamik und phy441 Quantenmechanik jeweils in Form einer Hausarbeit vorläufig zuzulassen, hilfsweise die Entscheidung, welche Verpflichtung die Antragsgegnerin bei der Abnahme der Prüfung zu wahren habe, in das Ermessen des Gerichts zu stellen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. März 2020 ab. Hiergegen führt der Antragsteller die Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und antragsgemäß zu entscheiden.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller erfülle nicht die in § 11a der Prüfungsordnung der Antragsgegnerin für den Studiengang Master of Education (Gymnasium) vom 18. September 2018 (MPO-Gym) geregelten Voraussetzungen für den begehrten Nachteilsausgleich. Der Antragsteller habe bereits nicht glaubhaft gemacht, dass er wegen einer länger dauernden Krankheit oder ständiger körperlichen Beschwerden bzw. einer Behinderung nicht in der Lage sei, Modulprüfungen ganz oder teilweise in der vorgeschriebenen Form einer Klausur zu absolvieren. Zum einen rechtfertigten die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht die Annahme, dass einzig angemessene Prüfungsform das Verfassen einer Hausarbeit sei. Insbesondere erschließe sich nicht, weshalb dem Antragsteller nicht jedenfalls das Ablegen der Prüfung in mündlicher Form mit Pausen möglich sei. Zum anderen habe der Antragsteller ungeachtet dessen nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei einer Hausarbeit um eine geeignete Ersatzleistung für die eigentlich vorgeschriebene Klausur handele. Bei einem Wechsel der Prüfungsform im Wege des Nachteilsausgleichs müsse im Verhältnis zu anderen Prüflingen der Grundsatz der Chancengleichheit gewahrt bleiben. Daher dürfe es nicht zu einer Überkompensation der Beeinträchtigung kommen. Zudem müsse gewährleistet sein, dass die ersetzende andere Prüfungsform noch geeignet sei, die Befähigung des Prüflings zu dokumentieren. Dies sei hier nicht der Fall. Nach der Stellungnahme der Modulverantwortlichen sollten die Studierenden in den beiden Modulen die Kompetenzen erwerben, jeweils eigenständig Anwendungssituationen der Elektrodynamik zu erkennen und Standardprobleme zu lösen, und nachweisen, dass sie sich in breitem Umfang die physikalischen Inhalte angeeignet hätten. Diese geforderten Kompetenzen könnten in einer Klausur oder einer mündlichen Prüfung gut überprüft werden, indem der Prüfer die Studierenden mit Beispielproblemen konfrontiere, die ähnlich zu denen seien, denen sie in der Vorlesung oder den begleitenden Übungen bereits begegnet seien. Im Rahmen einer Hausarbeit sei dies nicht möglich. Denn die Zahl möglicher Problemstellungen sei zwar groß genug, um den Studierenden in einer Klausur oder einer mündlichen Prüfung neue Aufgabenstellungen zu geben. Sie sei aber so klein, dass es keine Beispiele gebe, deren Lösungen sich nicht in der Standardliteratur oder im Internet fänden. Gerade die Zahl von Skripten und Aufgabenlösungen im Internet sei in den letzten Jahren rapide angestiegen, sodass es für den Prüfling unmöglich sei, die geforderte Eigenleistung im Rahmen einer Hausarbeit zu erbringen, und für den Prüfer sei es nicht möglich zu überprüfen, ob die in der Hausarbeit präsentierte Lösungsstrategie selbständig gewählt und entwickelt worden sei. Deshalb sei die Prüfungsordnung im Jahr 2016 dahingehend geändert worden, dass in den beiden Modulen als Prüfungsleistung nur eine Klausur oder eine mündliche Prüfung vorgesehen sei. Aus dem Umstand, dass dem Antragsteller in der Vergangenheit auch nach dieser Änderung der Prüfungsordnung zu Unrecht Nachteilsausgleiche in der gewünschten Form gewährt worden seien, folge kein Anspruch zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Hinsichtlich des Hilfsantrags obliege es dem Antragsteller, sich gegenüber der Antragsgegnerin zu äußern, die als Ausgleichsmaßnahme bereits das Ablegen der Prüfungen unter Verlängerung der Bearbeitungszeit der Klausuren oder eine mündliche Prüfung angeboten habe.

Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts werden durch die Beschwerdeeinwände des Antragstellers nicht entkräftet. Sowohl der Hauptantrag (dazu 1.) als auch der mit der Beschwerde weiter verfolgte Hilfsantrag (dazu 2.) des Antragstellers bleiben erfolglos.

1. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 MPO-Gym wird jedes Modul mit einer Prüfung abgeschlossen. Ausweislich der Anlage 16 - fachspezifische Anlage für das Fach Physik - zu dieser Prüfungsordnung ist in den genannten Modulen als Prüfungsleistung eine Klausur oder eine mündliche Prüfung vorgeschrieben. Gemäß § 11a Satz 1 MPO-Gym soll dem Studierenden als Nachteilsausgleich ermöglicht werden, die Modulprüfung mit einer Verlängerung der Bearbeitungszeit (Alt. 1) oder durch eine andere Prüfungsform (Alt. 2) abzulegen, wenn er unter anderem glaubhaft macht, dass er wegen einer länger andauernden Krankheit oder ständiger körperlicher Beschwerden bzw. einer Behinderung nicht in der Lage ist, Modulprüfungen ganz oder teilweise in der vorgeschriebenen Form zu absolvieren. Nach Satz 2 dieser Bestimmung kann die Vorlage eines ärztlichen Attestes verlangt werden. Diese Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleich in Form der gewünschten Prüfungsform Hausarbeit gemäß § 11a Satz 1 Alt. 2 MPO-Gym sind weiterhin nicht gegeben.

Der Antragsteller hat unstrittig einen Anspruch auf Maßnahmen des Nachteilsausgleichs wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Hierdurch sollen die bei ihm bestehenden Behinderungen mit Blick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ausgeglichen werden. Die Prüfung, welche Maßnahmen geeignet und erforderlich sind, hat sich an der konkreten Beeinträchtigung und der jeweiligen Prüfung zu orientieren. Der Nachteilsausgleich darf jedoch zum einen nicht in den Bereich des Prüfungsgegenstandes hineinwirken. Dies würde eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung darstellen und wäre daher mit dem Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren (vgl. Senatsbeschl. v. 24.6.2019 -2 ME 570/19 -, juris Rn. 15). Unter diesem Gesichtspunkt ist zum anderen darauf zu achten, dass der Nachteilsausgleich nicht zu einer Überkompensation der Prüfungsbehinderung führt. Er muss sich vielmehr darauf beschränken, dem beeinträchtigten Prüfling eine Leistungserbringung unter Bedingungen zu ermöglichen, die denen der Mitprüflinge möglichst gleich kommen. Deshalb muss im Fall des Wechsels der Prüfungsform die „ersetzende“ andere Prüfungsform noch geeignet sein, die Befähigung des Prüflings zu dokumentieren. Wenn dies nicht der Fall ist, scheidet ein Wechsel der Prüfungsform von vornherein aus, weil eine solche Prüfung keine gleichwertige Prüfungsleistung in einer anderen Form wäre und daher den Grundsatz der Chancengleichheit verletzen würde. Bevor auf eine andere Prüfungsform zurückgegriffen wird, ist daher vorrangig eine genaue Prüfung vorzunehmen, ob nicht eine den Prüfungscharakter weniger beeinträchtigende Maßnahme wie etwa eine Schreibzeitverlängerung oder die Gewährung zusätzlicher Pausenzeiten als angemessener Nachteilsausgleich ausreichend ist (vgl. hierzu Jeremias, in: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 259 m.w.N.).

Als eine mögliche Art der Modulprüfung ist in § 12 Abs. 1 Nr. 6 MPO-Gym neben den Prüfungsformen der Klausur (Nr. 1) und der mündlichen Prüfung (Nr. 3) zwar auch die Prüfungsform Hausarbeit aufgeführt. Der Antragsteller hat aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt zum einen nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Modulprüfungen nicht in den durch die Prüfungsordnung vorgegebenen Formen einer Klausur oder einer mündlichen Prüfung mit dem von der Antragsgegnerin angebotenen Nachteilsausgleich in Gestalt der jeweiligen Verlängerung der Bearbeitungszeit gemäß § 11a Satz 1 Alt. 1 MPO-Gym ablegen kann (dazu a). Zum anderen scheidet die Prüfungsform Hausarbeit im vorliegenden Fall von vornherein aus (dazu b).

a) Der Senat schließt sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichts an, wonach die von dem Antragsteller vorgelegten ärztlichen Atteste vom 1. November 2019 und 17. November 2019 nicht die Annahme rechtfertigen, dass die einzig angemessene Prüfungsform in den beiden Modulen das Verfassen jeweils einer Hausarbeit ist. Auch für den Senat erschließt sich aus diesen ärztlichen Attesten nicht, dass die von der Antragsgegnerin angebotenen Nachteilsausgleiche in Gestalt der Verlängerung der Bearbeitungszeit einer Klausur oder der Absolvierung einer mündlichen Prüfung unter Gewährung von Pausen gemäß § 11a Satz 1 Alt. 1 MPO-Gym nicht ausreichend sind, um den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers hinreichend Rechnung zu tragen.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem von dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 3. März 2020 nachträglich vorgelegten weiteren ärztlichen Attest des behandelnden Arztes vom 2. Februar 2020. In diesem Attest schildert der Facharzt für Innere Medizin C. erneut die aus seiner Sicht bestehende „große Gefahr von heftigen Diarrhoen bei konsekutivem Termindruck oder in Stresssituationen“, wobei „die durch die mündlichen Prüfungen oder Klausuren, auch jenen mit Schreibzeitverlängerung oder Schreibpausen, induzierten Stressepisoden als Katalysatoren für erneute Durchfallschübe mit engmaschigen Toilettengängen fungieren“ könnten. Deshalb sei aus medizinischer Sicht „die langfristige Form der Verarbeitung eines Studienthemas in Form einer Hausarbeit“ vorzuziehen. Abgesehen davon, dass auch bei der Anfertigung einer Hausarbeit Stresssymptome auftreten können, die die Anfertigung auch dieser zeitgebundenen Prüfungsarbeit gegebenenfalls beeinträchtigen, können diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers durch eine - auch großzügig gehandhabte und situationsbedingt angepasste - Verlängerung der Prüfungszeit unter gleichzeitiger Gewährung hinreichender Pausen ausgeglichen werden.

Der von dem Antragsteller mit Beschwerdeschriftsatz vom 17. März 2020 vorgetragene zwischenzeitliche stationäre Aufenthalt im D. -Hospital wegen einer zeitweisen Verminderung der Sehkraft im rechten Auge ist nicht hinreichend aussagekräftig, zumal dieser stationäre Klinikaufenthalt inzwischen nach seinem eigenen Vortrag beendet ist. In dem ärztlichen Bericht des Facharztes Dr. E. vom 31. März 2020 heißt es hierzu lediglich, dass sich die Situation des rechten Auges momentan nach einer Hornhautverätzung mit Chlor in den letzten vier Wochen verbessert habe, es aber noch eine Hornhauttrübung gebe und die Sehkraft des rechten Auges deutlich vermindert sei. Ob bleibende Schäden zu erwarten seien, sei aktuell noch nicht absehbar, diese seien möglich. Warum diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers in der von der Antragsgegnerin als Nachteilsausgleich bewilligten Prüfungsform einer mündlichen Prüfung nicht hinreichend begegnet werden kann, erschließt sich dem Senat nicht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von dem Antragsteller in Frage gestellten „räumlichen Orientierung in der Gesprächssituation“. Wenn zur Vorbereitung der mündlichen Prüfung oder während der mündlichen Prüfung schriftliche Unterlagen an den Antragsteller ausgegeben werden, kann der gegebenenfalls im Zeitpunkt der Prüfung weiterhin bestehenden Beeinträchtigung der Sehkraft hinreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm die schriftlichen Unterlagen in großer Schriftgröße zur Verfügung gestellt werden und ihm ein ausreichender Zeitraum zum Lesen eingeräumt wird. Dass der Antragsteller auch mit seiner eingeschränkten Sehkraft zum Lesen fähig ist, ergibt sich bereits aus seinem Begehren, als Ersatzleistung eine Hausarbeit anzufertigen, die im weit überwiegenden Umfang mit Lesen fremder und eigener Texte verbunden ist.

Der Beschwerdeeinwand des Antragstellers, es sei „fraglich, weshalb allein eine mündliche Prüfung durch die Antragsgegnerin angeboten werden können“ solle, geht fehl. Bei der Durchführung einer mündlichen Prüfung in den beiden streitgegenständlichen Modulen handelt es sich nicht um eine Maßnahme des Nachteilsausgleichs im Sinne des § 11a Satz 1 Alt. 2 MPO-Gym, sondern um die in der Prüfungsordnung neben einer Klausur originär vorgesehene Prüfungsform. Die Antragsgegnerin gesteht dem Antragsteller im Wege des Nachteilsausgleichs vielmehr zu, entweder die Klausur oder die mündliche Prüfung auf der Grundlage des § 11a Satz 1 Alt. 1 MPO-Gym unter gegenüber den Mitprüflingen erleichterten Bedingungen abzulegen.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers verhält sich die Antragsgegnerin nicht widersprüchlich. Auch wenn diese wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie zurzeit im laufenden Sommersemester 2020 keine Präsenzveranstaltungen durchführt, finden nach der Klarstellung der Antragsgegnerin in ihrer ergänzenden Beschwerdeerwiderung gleichwohl Prüfungen statt, wenn auch unter besonderen, den hygienischen Erfordernissen angepassten Bedingungen.

b) Ungeachtet dessen ist - selbständig tragend - mit dem Verwaltungsgericht entscheidungserheblich darauf abzustellen, dass die Prüfungsform Hausarbeit in den beiden streitgegenständlichen Modulen von vornherein ausscheidet. Nach § 12 Abs. 10 MPO-Gym ist diese Prüfungsform dadurch definiert, dass der Prüfling eine selbständige schriftliche Bearbeitung einer fachspezifischen oder fächerübergreifenden Aufgabenstellung anzufertigen hat. Die Modulverantwortliche Dr. F. hat in ihrer Stellungnahme, die die Antragsgegnerin in erster Instanz mit Schriftsatz vom 12. Februar 2020 vorgelegt hat, im Ergebnis im Wesentlichen ausgeführt, die Zahl möglicher Problemstellungen sei so klein, dass es keine Beispiele gebe, deren Lösung sich nicht in der Standardliteratur oder im Internet fänden. Im Vergleich zu früher habe sich insbesondere die Zahl der online frei verfügbaren Skripten und Aufgabenstellungen vergrößert. Dieser Umstand mache es unmöglich, die geforderte Eigenleistung im Rahmen einer Hausarbeit zu erbringen und abzuprüfen. Der Senat hat mit dem Verwaltungsgericht trotz des Umstandes, dass diese - nach Mitteilung der Antragsgegnerin unter dem 10. Februar 2020 als Datei mit E-Mail ihr intern übersandten - Stellungnahme der Modulverantwortlichen weder datiert noch handschriftlich unterschrieben ist, keine Zweifel an der Zuordnung zur Verfasserin und der Echtheit des Inhalts. Dies zeigt insbesondere anschaulich gerade die Bewertung der von dem Antragsteller zuvor angefertigten Hausarbeiten in den beiden streitgegenständlichen Modulen durch die Prüfer G. und H.. Ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin befindlichen E-Mail des Prüfers G. vom 24. Oktober 2019 sei Grund für das Nichtbestehen der Hausarbeiten die nicht zu erkennende Eigenleistung des Antragstellers gewesen. Dieser habe die Lösungen der ihm gestellten Aufgaben aus Büchern und Vorlesungsskripten abgeschrieben. In der theoretischen Physik gehe es aber gerade um die eigenständige Entwicklung von Lösungsstrategien zu physikalischen Problemen. Dazu gehöre insbesondere die Verwendung mathematischer Methoden. Beides könne durch einfaches Abschreiben und bloßes Umformulieren von Buchtexten nicht abgeprüft werden. Deshalb sei eine Hausarbeit für die theoretische Physik absolut unangebracht.

Der von dem Antragsteller postulierte Rechtssatz, dass der Prüfungszweck dem Wechsel der Prüfungsform nicht entgegenstehe, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Denn auch nach der Ansicht des von dem Antragsteller in Bezug genommenen Rechtsgutachtens von I. (Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen - Prüfungsrechtliche Bausteine einer inklusiven Hochschule, herausgegeben 2019 vom Deutschen Studentenwerk) ist - neben dem Vorliegen einer Behinderung und eines dadurch bedingten Leistungshindernisses - tatbestandliche Voraussetzung eines Nachteilsausgleichs der Umstand, dass diesem der Prüfungszweck nicht zwingend entgegenstehen darf (dort S. 99 ff.). Der Hinweis des Antragstellers auf das in den Modulhandbüchern mit Stand vom 23. April 2012 und 11. November 2014 vorgegebene Kompetenzziel, dass der Prüfling den Stoff an der Schule geeignet vermitteln können solle, rechtfertigt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Nach der Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin sind die von dem Antragsteller in Bezug genommenen Modulhandbücher durch die nunmehr geltenden Modulbeschreibungen, auf die sich die Modulverantwortliche bezogen habe, ersetzt worden. Zudem sagt das Kompetenzziel nichts darüber aus, in welcher Form die eigenständig zu erbringende Leistung in einer Prüfung abgefragt werden muss. Auch nach der von dem Antragsteller in erster Instanz vorgelegten und mit seiner ergänzenden Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Stellungnahme des Beauftragten der Antragsgegnerin für die Belange Studierender mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen vom 15. Januar 2020 ist die Hausarbeit als zunächst vorgesehene Prüfungsform in den hier maßgeblichen Modulen entfallen. Die Einschätzung des Beauftragten, dass diese Änderung nicht nachvollziehbar gewesen sei, ist nach den obigen Erwägungen nicht berechtigt.

Dem Beschwerdeeinwand des Antragstellers, eine „Prüfung in Form einer Hausarbeit vor Ort mit Computer ohne Internet-Zugang zu bewilligen“, sei die „sachgerechtere“ Lösung, kann sich der Senat nicht anschließen. Im Gegensatz zu einer Klausur oder einer mündlichen Prüfung zieht sich die Anfertigung einer Hausarbeit über einen längeren Zeitraum von mindestens mehreren Tagen bis mehreren Wochen mit zeitlicher Unterbrechung hin, sodass es dem Prüfling möglich ist, zwischen den Anwesenheiten vor Ort in Kenntnis der Aufgabenstellung externe Lösungen Dritter im Internet oder in Skripten einzusehen und diese unberechtigterweise in seine Bearbeitung einfließen zu lassen.

2. Der im Beschwerdeverfahren weiter verfolgte Hilfsantrag des Antragstellers bleibt ebenfalls erfolglos. Abgesehen davon, dass es insoweit bereits an einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Darlegung zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts fehlt, hängen die Umstände, die die Antragsgegnerin bei der Abnahme der Prüfung unter den Bedingungen eines Nachteilsausgleichs auf der Grundlage von § 11a Satz 1 Alt. 1 MPO-Gym zu wahren hat, von der Art der Prüfung (Klausur oder mündliche Prüfung) und insbesondere der im Zeitpunkt der Abnahme der Prüfung gegebenen gesundheitlichen Konstitution des Antragstellers ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2013 (NordÖR 2014,11). Danach ist der Wert des Streitgegenstandes in dem auf die vorläufige Gewährung eines Nachteilsausgleichs gerichteten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch für das erstinstanzliche Verfahren mit der Hälfte des Auffangwerts von 5.000 EUR und mithin mit 2.500 EUR zu bemessen (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 24.6.2019 - 2 ME 570/19 -, juris Rn. 18). Der Senat macht insofern von seiner Befugnis gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG Gebrauch, die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).