Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.05.2020, Az.: 13 LC 504/18
Chirurgie; Defizit; Fachabteilung; Gemeinsamer Bundesausschuss; geringer Versorgungsbedarf; Innere Medizin; Notwendige Vorhaltung; Sicherstellungszuschlag; Ursache
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.05.2020
- Aktenzeichen
- 13 LC 504/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 72011
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 23.10.2018 - AZ: 7 A 8276/17
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 2 KHEntgG
- § 17 Abs 1a Nr 6 KHG
- § 136c Abs 3 SGB 5
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Voraussetzung für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags für ein Inselkrankenhaus im Jahr 2017 war nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 24. November 2016 mangels abweichender landesrechtlicher Regelung die Vorhaltung einer Fachabteilung für Innere Medizin und einer chirurgischen Fachabteilung.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer - vom 23. Oktober 2018 geändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2017 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1. je zur Hälfte auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2. sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils festgesetzten Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Sozialleistungsträgerin und wendet sich gegen die Feststellung des Beklagten, dass mit der Beigeladenen zu 1. für das Jahr 2017 ein Sicherstellungszuschlag für das Inselkrankenhauses Borkum zu vereinbaren sei.
Die Beigeladene zu 1. ist seit Ende 2010 Trägerin des Inselkrankenhauses Borkum und Tochtergesellschaft der Klinikum Leer gGmbH. Das Inselkrankenhaus Borkum ist mit Feststellungsbescheid vom 21. Dezember 2010 mit 8 Planbetten für den Fachbereich Innere Medizin in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen aufgenommen worden, der insoweit unverändert fortgeschrieben wurde.
Die Beigeladene zu 1. beantragte mit Schreiben vom 31. März 2017 gemäß § 5 Abs. 2 Satz 5 KHEntgG die Prüfung und Feststellung, dass für das Inselkrankenhaus Borkum mit der Fachabteilung Innere Medizin für das Jahr 2017 ein Sicherstellungszuschlag gemäß § 17b Abs. 1a Nr. 6 KHG zu vereinbaren sei. Zur Begründung trug sie vor: Das Inselkrankenhaus Borkum weise für das Jahr 2016 eine negative Bilanz in Höhe von 93.483,95 € auf. Es sei zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung und der Urlaubsgäste in Bezug auf die internistische Grund- und Notfallversorgung notwendig und unverzichtbar. Wegen des geringen Versorgungsbedarfs bzw. der geringen Fallzahlen und der hohen Vorhaltekosten (u.a. 24-Stunden-Bereitschaft, Mindestbesetzung) könne das Krankenhaus mit dem Fallpauschalen-System nicht kostendeckend finanziert werden. Ohne einen Sicherstellungszuschlag müsse das Krankenhaus schließen. Die mit Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 24. November 2016 geregelten Voraussetzungen betreffend den Sicherstellungszuschlag seien erfüllt. Das Inselkrankenhaus sei basisversorgungsrelevant im Sinne des GBA-Beschlusses, weil es für die flächendeckende Versorgung notwendig sei und kein anderes Krankenhaus die Versorgung übernehmen könne. Gemäß § 4 Abs. 2 GBA-Beschluss gelte ein geringer Versorgungsbedarf für Inselkrankenhäuser als gegeben. Wegen der langen Fahrzeiten zu den nächsten Krankenhäusern sei das Krankenhaus unverzichtbar. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss seien notwendige Vorhaltungen die Fachabteilung Innere Medizin und eine chirurgische Fachabteilung. Das Inselkrankenhaus weise mit der Abteilung Innere Medizin eine notwendige Vorhaltung auf. Es sei nicht erforderlich, dass das Krankenhaus zusätzlich eine Abteilung für Chirurgie vorhalte. Mit dem Sinn und Zweck des Sicherstellungszuschlags wäre es unvereinbar, wenn die ohnehin defizitäre Krankenhausversorgung auf der Insel Borkum vollständig eingestellt werden müsste. Bereits in den Jahren 2011 bis 2016 seien zur Finanzierung des Krankenhauses zusätzliche Mindererlösausgleiche mit den Krankenkassen vereinbart worden. Ab dem Jahr 2017 solle stattdessen ein Sicherstellungszuschlag vereinbart werden. Das Defizit in der Bilanz habe sie durch das Testat eines Wirtschaftsprüfers nachgewiesen.
Die Beigeladene zu 1. fügte ihrem Antrag u.a. eine Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2016 und einen Bestätigungsvermerk nebst Erläuterungen vom 24. Februar 2017 und 27. März 2017 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft G. bei. Dort heißt es, seit 2011 seien aufgrund der besonderen Situation des Inselkrankenhauses als einziger akutstationärer Versorgungsmöglichkeit vom KHEntgG abweichende Leistungs- und Ausgleichsregelungen vereinbart worden. In den Jahren 2011 bis 2015 habe das Krankenhaus daher ohne Defizit geführt werden können. Das Geschäftsjahr 2016 schließe trotz erhöhter Mindererlösausgleiche mit einem Jahresfehlbetrag von ca. 93.000 € ab. Ohne die durch die bisherigen Ausgleichvereinbarungen zusätzlich erzielten Erlöse i.H.v. 502.000 € hätte der Jahresfehlbetrag für 2016 595.000 € betragen.
Nach Anhörung der Klägerin stellte der Beklagte mit an die Klägerin und den Verband der Ersatzkassen e.V. - vdek -, den nunmehrigen Beigeladenen zu 2., adressiertem Bescheid vom 4. Oktober 2017, zugestellt am 11. Oktober 2017, fest, dass für das Inselkrankenhaus Borkum gemäß § 17b Abs. 1a Nr. 6 KHG ein Sicherstellungszuschlag für das Jahr 2017 zu vereinbaren sei. Zur Begründung führte er aus: Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 KHEntgG seien erfüllt. Die Beigeladene zu 1. habe für das Jahr 2016 ein Defizit in der Bilanz nachgewiesen, das Inselkrankenhaus sei zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung notwendig, es weise mit der Fachabteilung Innere Medizin eine notwendige Vorhaltung auf und es bestehe ein geringer Versorgungsbedarf. Bei der Vereinbarung seien die Vorgaben des GBA zu beachten.
Mit Vereinbarung vom 30. November 2017 wurde unter Beteiligung der Klägerin, des Beigeladenen zu 2. als weiterem beteiligtem Sozialleistungsträger und der Beigeladenen zu 1. eine Entgeltvereinbarung für das Jahr 2017 für das Inselkrankenhaus Borkum geschlossen, in der unter §§ 7, 8 Abs. 7 für das Jahr 2017 ein Sicherstellungszuschlag i.H.v. 500.000,00 € aufgenommen wurde.
Die Klägerin hatte bereits zuvor am 8. November 2017 Klage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben.
Sie sei klagebefugt und könne ohne die Beteiligung anderer Sozialleistungsträger bzw. Vertragsparteien der Vereinbarung des Sicherstellungszuschlags Klage erheben. Die Sozialleistungsträger seien notwendige Streitgenossen, und die rechtzeitige Klageerhebung wirke auch zugunsten der Übrigen. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage bestehe trotz der zwischenzeitlich geschlossenen Vereinbarung über den Sicherheitszuschlag weiterhin, insbesondere weil in § 8 Abs. 7 der Vereinbarung ein Rückzahlungsvorbehalt aufgenommen worden sei. Die Voraussetzungen für den Sicherstellungszuschlag gemäß § 5 Abs. 2 KHEntgG lägen nicht vor. Es fehle an notwendigen Vorhaltungen, weil im Inselkrankenhaus Borkum nur eine Abteilung für Innere Medizin vorgehalten werde, nicht auch eine Abteilung für Chirurgie. Eine Sonderstellung nähmen Inselkrankenhäuser nach dem GBA-Beschluss insoweit nicht ein. Die Befreiungsregelungen für Inselkrankenhäuser bezögen sich nur auf konkrete Vorgaben bezüglich medizinisch-technischer Ausstattungen. Auch sei die Abteilung Innere Medizin im Inselkrankenhaus nicht hinreichend leistungsfähig i.S.d. § 5 Abs. 2 GBA-Beschluss. Den von § 136c Abs. 3 SGB V bezweckten Qualitätsvorgaben entspreche das Inselkrankenhaus nicht. Es würden nur „Bagatellfälle“ behandelt, und die Abteilung sei personell dürftig besetzt. Die generelle Versorgungsfähigkeit von Notfällen der Grund- und Regelversorgung liege nicht vor. Die Beigeladene zu 1. nehme hauptsächlich Patienten auf, die auch von einem Allgemeinmediziner behandelt werden könnten, und aufgrund der fehlenden Chirurgie würden die schwierigen Fälle auf das Festland verlegt. Die Beigeladene zu 1. weise deutlich überdurchschnittliche Verlegungsquoten auf. Auch der Kausalzusammenhang zwischen dem geringen Versorgungsbedarf und dem ermittelten Defizit des Krankenhauses sei in keiner Weise belegt. Der Beklagte habe diese Tatbestandsvoraussetzung des im Rang über dem GBA-Beschluss stehenden KHEntgG nicht geprüft. Die Ursächlichkeit sei Voraussetzung für das „Ob“ eines Sicherstellungszuschlags. Das Defizit des Krankenhauses sei maßgeblich durch Misswirtschaft und Zinsbelastungen entstanden. Die Beigeladene zu 1. habe es auch nach Fertigstellung ihres Neubaus im Jahr 2014 nicht geschafft, die notwendigen Fallzahlen zu generieren. Daher müsse die Beigeladene zu 1. ihre Leistungsmengen reduzieren. In der Vergangenheit habe sie nicht geprüft, ob das Defizit durch geringe Fallzahlen (mit-)verursacht worden sei oder etwa der überdimensionierte Neubau das Defizit begründet habe. Die Beigeladene zu 1. und der Beklagte müssten darlegen und beweisen, dass das Defizit ausschließlich auf geringen Fallzahlen basiere und nicht etwa zumindest mitursächlich durch Misswirtschaft bedingt sei. Auch könne das Defizit durch eine Nichtausschöpfung des Marktpotentials verursacht worden sein. Die Insel Borkum sei mit im Jahr 2017 über 1,5 Millionen Übernachtungen und 303.963 Gästen ein touristisches Schwergewicht. Auch der geringe Versorgungsbedarf werde daher bestritten. Durch einen Neubau, Ärzte aus Leer und weniger Verlegungen würden die Fallzahlen steigen und ein Defizit könne vermieden werden. Die Einwohnerdichte auf Borkum mit 168 Einwohnern pro Quadratkilometer (ohne Touristen) sei wesentlich höher als in anderen strukturschwachen Regionen. Auch bestünden der Höhe nach Zweifel hinsichtlich der einzelnen in der Bilanz aufgeführten Posten. Verflechtungen mit der Klinikum H. seien zu vermuten. Die Angaben zu Zinsbelastungen würden mit Nichtwissen bestritten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Zuschlag zweckentfremdet werde und das Klinikum Leer vom Sicherstellungszuschlag profitiere. Schließlich solle der Zuschlag leistungsschwache Krankenhäuser nicht vor der Schließung schützen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2017 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei bereits unzulässig, weil die Klägerin nicht ohne den weiteren Sozialleistungsträger, den Beigeladenen zu 2., klagen könne. Zudem ähnele die vorliegende Konstellation der - unstreitig von den Sozialleistungsträgern nicht anfechtbaren - Aufnahmeentscheidung in einen Krankenhausplan, weshalb die Klage auch hier unzulässig sei. Zudem sei fraglich, ob die Klägerin überhaupt noch an ihren Einwänden festhalten könne, nachdem der Sicherstellungszuschlag für das Jahr 2017 nunmehr vereinbart worden sei. Die Voraussetzungen für die Vereinbarung des Sicherstellungszuschlags seien erfüllt. Insbesondere ergebe die Auslegung des § 5 KHEntgG und des § 5 GBA-Beschluss, dass der Sicherstellungszuschlag auch gewährt werden könne, wenn neben der Fachabteilung Innere Medizin nicht auch eine Abteilung für Chirurgie vorhanden sei. Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des GBA-Beschlusses habe konkretisiert werden sollen, wo ein Anspruch auf einen Sicherstellungszuschlag bestehe. Neue Hürden hätten nicht geschaffen werden sollen. Das Krankenhaus Borkum wäre das einzige deutsche Inselkrankenhaus ohne Zuschlag. Zudem wäre die Forderung nach einer kumulativen Vorhaltung beider Abteilungen von der Ermächtigung in § 136c Abs. 3 SGB V wohl nicht gedeckt. Bereits mit der Aufnahme in den Krankenhausplan sei die Leistungsfähigkeit des Inselkrankenhauses abschließend geprüft und bestätigt worden. Auch die (übrigen) Vorgaben des § 5 Abs. 2 GBA-Beschluss seien erfüllt. Er habe auch den Kausalzusammenhang zwischen dem geringen Versorgungsbedarf und dem Defizit des Krankenhauses hinreichend geprüft. Eine Prüfung bis ins letzte Detail sei nicht erforderlich. Die Klägerin habe die in den vergangenen Jahren bestehenden Defizite durch Vereinbarungen zu Mindererlösausgleichen gedeckt, und dabei müsse sie auch Kausalitätsfragen beachtet haben. Bei der Kalkulation der Entgeltkataloge für Krankenhäuser werde von einer gewissen Leistungsmindestmenge ausgegangen. Krankenhäuser unterhalb dieser Leistungsmengen sähen sich zwangsläufig einer Kostenunterdeckung ausgesetzt. Eine geringe Leistungsmenge führe bei der Abrechnung nach dem Fallpauschalensystem zu Verlusten. Da gemäß § 4 Abs. 2 GBA-Beschluss für Inselkrankenhäuser stets ein geringer Versorgungsbedarf anzunehmen sei, dürfe er, der Beklagte, über das „Ob“ des Sicherstellungszuschlags ohne weitere Prüfung der Ursächlichkeit entscheiden. Mit dem Einwand der Nichtausschöpfung des Marktpotentials dringe die Klägerin im Hinblick auf die Neuregelungen durch den GBA nicht durch. Auch die Aufgabenzuweisung in § 7 Abs. 7 GBA-Beschluss sei zu beachten. Danach seien die örtlichen Vertragsparteien für die alljährliche Prüfung von Unwirtschaftlichkeiten zuständig, die dann auch bei der Höhe des Sicherstellungszuschlags berücksichtigt werden könnten.
Die Beigeladene zu 1. hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin nicht alleine klagen könne. Auch gegen eine Planaufnahmeentscheidung habe eine Krankenkasse nach der Rechtsprechung des BVerwG keine Klagebefugnis, obwohl die Krankenkassen durch eine solche Entscheidung weitaus mehr belastet würden. Zudem sei aufgrund der Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlages nach Klageerhebung das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfallen. Die Fragen bezüglich der Ursächlichkeit des geringen Versorgungsbedarfs für das Defizit des Krankenhauses seien bei den Entgeltvereinbarungen erschöpfend behandelt worden; einen zweiten Rechtsschutzweg gebe es nicht. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Es sei nicht erforderlich, dass das Krankenhaus neben der Abteilung für Innere Medizin eine chirurgische Abteilung vorhalte. Dafür spreche die gebotene Auslegung des Gesetzes und des GBA-Beschlusses sowie die Gesetzesbegründung. Die Vorgabe, beide Fachabteilungen kumulativ vorzuhalten, wäre rechts- und verfassungswidrig. Die Ermächtigung für den GBA in § 136c Abs. 3 SGB V beziehe sich nur auf die Konkretisierung, welche Vorhaltungen für die Versorgung unbedingt sicherzustellen seien, und zwar unter Inkaufnahme der Finanzierung durch die Krankenkassen. Der Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit sei unsubstantiiert. Bereits mit der Krankenhausplanung werde entschieden, ob ein Krankenhaus leistungsfähig für die Versorgung der Bevölkerung sei. Es bestehe auch der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem geringen Versorgungsbedarf des Insel-krankenhauses und dem nachgewiesenen Defizit. Liege ein geringer Versorgungsbedarf vor, sei dieser zumindest mitursächlich für das Defizit des Krankenhauses. Eine weitere Kausalitätsprüfung sei bei der Prüfung des „Ob“ des Sicherstellungszuschlags entbehrlich. Die Klägerin habe die Ursächlichkeit des geringen Versorgungsbedarfs für das Defizit bzw. die nicht kostendeckende Leistungserbringung auch in früheren Jahren bei der Vereinbarung von Ausgleichsregelungen zur Ermöglichung zusätzlicher Erlöse zwischen 200.000 € und 560.000 € stets anerkannt. Auch die Einwände der Klägerin betreffend eine vermeintlich unwirtschaftliche Betriebsführung seien unsubstantiiert. Die angeführten Investitionssummen bezögen sich auf das gesamte Gesundheitszentrum und nicht nur auf das Inselkrankenhaus. Ihr Angebot sei nicht überdimensioniert. Die Kapazitäten seien im Zusammenhang mit der Investitionsbewilligung für den Neubau des Krankenhauses geprüft worden. Die Zinsbelastungen seien entstanden, weil die Liquidität des Krankenhauses durch Gesellschafterdarlehen vorzufinanzieren gewesen sei und aufgrund der bisherigen Vereinbarungen die nötigen Erlöse erst jeweils zeitversetzt durch Mindererlösausgleiche von den Krankenkassen erzielt worden seien. Bei dem entstandenen Defizit i.H.v. 93.483,95 € seien die zusätzlichen Erlöse bereits berücksichtigt worden, sonst hätte das Defizit 595.374,51 € betragen. Die von der Klägerin geforderte weitergehende inhaltliche Prüfung der Bilanz sei rechtlich nicht geboten. Sofern ein Krankenhaus eine negative Bilanz auch wegen unwirtschaftlicher Betriebsführung aufweise, sei dies gemäß § 7 Abs. 7 GBA-Beschluss bei der Entgeltvereinbarung für die Höhe des Zuschlags relevant. Es sei im Hinblick auf die nur 8 Planbetten offensichtlich, dass im Inselkrankenhaus Borkum ein geringer Versorgungsbedarf bestehe, der zu einem Defizit des Krankenhauses mit beitrage.
Mit Urteil vom 23. Oktober 2018 hat das Verwaltungsgericht Oldenburg die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Insbesondere bestehe kein Zweifel an der Klagebefugnis der Klägerin, da sie Adressatin und Verpflichtete des angefochtenen belastenden Verwaltungsaktes sei. Sie habe auch allein Klage erheben können, da sie und der Beigeladene zu 2. keine materiellrechtlich, sondern bei gemeinsamer Klageerhebung allenfalls eine „uneigentliche“, d.h. prozessrechtlich notwendige Streitgenossenschaft bildeten. Der Klage fehle nicht das Rechtsschutzinteresse, und ihr stehe auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, da die am 30. November 2017 geschlossene Entgeltvereinbarung einen Rückzahlungsvorbehalt für den Fall enthalte, dass die Klägerin im vorliegenden Anfechtungsprozess obsiege.
Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen des GBA-Beschlusses für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags in der hier anwendbaren Fassung vom 24. November 2016 lägen sämtlich vor. Insbesondere sei es ausreichend, dass das Inselkrankenhaus Borkum lediglich eine Fachabteilung für Innere Medizin vorhalte. Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss lasse nicht ohne weiteres erkennen, ob in einem Krankenhaus eine Fachabteilung für Innere Medizin und eine chirurgische Fachabteilung alternativ oder kumulativ vorgehalten werden müssten, um sich für einen Sicherzustellungszuschlag zu qualifizieren. Vieles spreche für eine schlichte Aufzählung sicherstellungsfähiger Vorhaltungen. Die Gesetzesbegründung des Fallpauschalengesetzes gebe für eine kumulative Betrachtungsweise nichts her. Eine andere Auslegung widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, die häufigsten Leistungen der Inneren Medizin oder der Chirurgie - soweit möglich - flächendeckend sicherzustellen. Auch die Regelungssystematik der Sätze 1 bis 3 des § 5 Abs. 1 GBA-Beschluss stützten diese Auslegung. Von den in § 5 Abs. 1 Satz 2 GBA-Beschluss geregelten Mindestanforderungen seien bestehende Inselkrankenhäuser nach Satz 3 ausdrücklich ausgenommen. Auch die hier nicht anwendbare Neufassung des GBA-Beschlusses vom 19. April 2018 könne dahingehend interpretiert werden, dass ein kumulatives Vorhalten beider Fachabteilungen nicht Voraussetzung für die Vereinbarung des Sicherstellungszuschlags sei.
Die von der Beigeladenen zu 1. vorgehaltene Abteilung für Innere Medizin sei auch leistungsfähig im Sinne der einschlägigen Vorschriften. Das ergebe sich bereits aus der Aufnahme in den Niedersächsischen Krankenhausplan mit 8 Planbetten. Ausweislich der behandelten auch schweren Erkrankungen sei die vorhandene Abteilung für Innere Medizin jedenfalls auch zur internistischen Grund- und Regelversorgung geeignet. Dem stünden auch nicht die ca. 400 bis 500 jährlichen Krankenverlegungen mit dem Hubschrauber entgegen. Dabei handele es sich häufig um „nichtinternistische“ Notfälle, die zunächst eine Erst- bzw. Notfallversorgung erhielten, bzw. um Patienten, die auf dem Festland ein bestimmtes Krankenhaus wählen könnten. Die Abteilung erfülle auch die Anforderungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 GBA-Beschluss. Die Einhaltung weiterer planungsrelevanter Qualitätsindikatoren im Sinne des § 6 GBA-Beschluss sei zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen.
Für das Inselkrankenhaus Borkum liege zudem ein geringer Versorgungsbedarf i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG i.V.m. § 4 Abs. 1 GBA-Beschluss vor, der ursächlich dafür sei, dass die Abteilung Innere Medizin nicht kostendeckend betrieben werden könne. Für bestehende Krankenhäuser in Insellage gelte nach § 4 Abs. 2 GBA-Beschluss ein geringerer Versorgungsbedarf grundsätzlich als gegeben. Dies berechtige nach Auffassung der Kammer außerdem bei Krankenhäusern in Insellage in der Regel zu der Annahme, dass die Kostenunterdeckung wenigstens auch durch einen geringen Versorgungsbedarf mitverursacht werde. Die konkrete Höhe des zu vereinbarenden Sicherstellungszuschlags richte sich nach dem konkreten Bedarf für die kostendeckende Finanzierung der notwendigen Vorhaltungen. Defizite aufgrund etwaiger Unwirtschaftlichkeiten, Überdimensionierungen oder Ähnlichem beträfen nicht das „Ob“ eines Sicherstellungszuschlags, sondern seien im Rahmen der Vertragsverhandlungen herauszurechnen. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass das Inselkrankenhaus Borkum ohne Gesamtdefizit betrieben werden könnte, bestünden nicht. Auch die Tatsache, dass in der Vergangenheit zwar kein Sicherstellungszuschlag, aber vom KHEntgG abweichende Mindererlösausgleiche vereinbart worden seien, spreche dafür, dass eine kostendeckende Finanzierung aufgrund geografischer Besonderheiten des Inselkrankenhauses bereits in der Vergangenheit nur mit zusätzlichen finanziellen Leistungen der Krankenkassen möglich gewesen sei. Die von der Klägerin im Einzelnen gegen eine Ursächlichkeit des geringen Versorgungsbedarfs für die fehlende Kostendeckung aufgeführten Gründe griffen nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Am 19. November 2018 hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Das Verwaltungsgericht liege falsch, wenn es die Kausalität des geringen Versorgungsbedarfs für die nicht kostendeckende Finanzierbarkeit der notwendigen Leistungen nur dann verneine, wenn die Kostendeckung ausschließlich auf unwirtschaftlicher Betriebsführung beruhe. Vielmehr sei § 5 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG streng wortlautbezogen auszulegen. Das Wort „ausschließlich“ habe der Gesetzgeber dort ausdrücklich nicht verwendet. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss dürfe nicht von höherrangigem parlamentarischen Recht abweichen. Eine enge Auslegung sei auch aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes und zum Ausschluss von Wettbewerbsverzerrungen geboten. Es sei zudem falsch, wenn das Verwaltungsgericht aus § 4 Abs. 2 GBA-Beschluss herleite, eine Insellage berechtige auch zu der Vermutung, diese sei für die Kostenunterdeckung mitursächlich.
Es sei auch verfehlt, wenn das Verwaltungsgericht die Vorhaltung einzig einer Fachabteilung für Innere Medizin für ausreichend erachte. Der Dispens für Insellagen beziehe sich nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 3 GBA-Beschluss nicht auf die in Satz 1 geregelten notwendigen Vorhaltungen. Das Erfordernis der Vorhaltung von Fachabteilungen für Innere Medizin und für Chirurgie ergebe sich auch aus den Formulierungen in den tragenden Gründen zum Beschluss des GBA in der Fassung vom 24. November 2016. Wenn dort darauf hingewiesen werde, dass für bestehende Krankenhäuser in Insellagen die Anforderungen der untersten Stufe des Notfallstufensystems nicht anzuwenden seien, solle damit lediglich vermieden werden, dass beispielsweise Anforderungen an die medizinisch-technische Ausstattung zu einem Ausschluss vom Sicherstellungszuschlag führten. Auch die Formulierungen des Änderungsbeschlusses des GBA vom 19. April 2018 belegten das Erfordernis einer kumulativen Vorhaltung beider Abteilungen. Dort werde auch ersichtlich, dass der GBA durchaus in der Lage sei, zwischen „und“ und „oder“ zu unterscheiden. Diese Rechtsauffassung werde offensichtlich auch vom Beklagten geteilt, wie die Niedersächsische Verordnung über die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen nach dem Krankenhausentgeltgesetz vom 24. November 2018 belege, in deren § 1 geregelt werde, dass es für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen ausreiche, wenn nur eine der in § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss genannten Fachabteilungen bestehe. Einer entsprechenden Verordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zuträfe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer - vom 23. Oktober 2018 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Es habe die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen und entgegen der Auffassung der Klägerin weder Rechtsvorschriften noch die Grenzen richterlicher Auslegung missachtet. Unter Heranziehung von Kommentierung, Rechtsprechung und Gesetzesmaterialien komme das Verwaltungsgericht zu der zutreffenden Wertung, ein Krankenhaus könne auch dann einen Sicherstellungszuschlag vereinbaren, wenn es ein Defizit sowohl aufgrund eines geringen Versorgungsbedarfs als auch wegen unwirtschaftlicher Betriebsführung aufweise. Dies ergebe sich aus den Regelungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 und des § 7 Abs. 7 GBA-Beschluss, zu deren Erlass der GBA nach § 136c Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 4 SGB V ermächtigt sei, sowie aus den Gesetzesmaterialien.
Auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Umfang der von § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss geforderten notwendigen Vorhaltungen seien nicht zu beanstanden. Das Wort „und“ könne sowohl für kumulative Anforderungen als auch für eine schlichte Aufzählung stehen. Einen eindeutigen Wortlaut werde man nicht annehmen können. Auch die Formulierung der tragenden Gründe sei insoweit nicht eindeutig. Nach der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Rechtslage hätte ausweislich der Gesetzesmaterialien zum Fallpauschalengesetz auch bei einem Krankenhaus, das von den Fachabteilungen Innere Medizin und Chirurgie nur eine vorhalte, ein Sicherstellungszuschlag vereinbart werden können. Nach dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss sollten die Voraussetzungen für einen Sicherstellungszuschlag konkretisiert, ersichtlich aber keine neuen Hürden errichtet werden. Die Ermächtigungsgrundlage des § 136c Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB V berechtige den GBA zwar darüber zu beschließen, was eine „notwendige Vorhaltung“ sei; eine Befugnis, den Ländern bei der in ihrer Verantwortung liegenden Krankenhausplanung vorzugeben, für ein Krankenhaus bestimmte Fachrichtungen auszuweisen, lasse sich der Vorschrift aber nicht entnehmen. Die Neufassung des GBA-Beschlusses könne zur Auslegung der hier anzuwendenden Ausgangsfassung nichts beitragen. Die Niedersächsische Verordnung über die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen nach dem Krankenhausentgeltgesetz vom 24. November 2018 diene lediglich der Schaffung von Rechtssicherheit. Die daraus gezogene Schlussfolgerung der Klägerin sei einfallslos.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klage sei insoweit unzulässig, als sie sich auf die fehlende Ursächlichkeit des geringen Versorgungsbedarfs für das Defizit des Krankenhauses bzw. die nicht kosten-deckende Leistungserbringung mit den normal üblichen Entgelten und die fehlende Prüfung der Bilanz durch den Beklagten berufe. Insoweit fehle wegen des vereinbarten Sicherstellungszuschlags das erforderliche Rechtsschutzinteresse, und der Klägerin sei ein dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechendes Verhalten vorzuwerfen. Der vereinbarte Rückzahlungsvorbehalt rechtfertige lediglich das Rechtsschutzinteresse bezüglich der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob ein Krankenhaus nur dann einen Anspruch auf Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags habe, wenn es sowohl eine Fachabteilung für Innere Medizin als auch für Chirurgie vorhalte.
Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet. Weise ein Krankenhaus sowohl wegen eines geringen Versorgungsbedarf nach § 4 GBA-Beschluss als auch wegen unwirtschaftlicher Betriebsführung ein Defizit auf, sei dies keine Fragestellung bei der Entscheidung über das „Ob“ eines Sicherstellungszuschlags. Diese Frage sei vielmehr nach § 7 Abs. 7 GBA-Beschluss im Rahmen der Entgeltvereinbarung über die Höhe des Sicherstellungszuschlags zwischen dem Krankenhaus und den Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 KHG zu berücksichtigen. Liege ein geringer Versorgungsbedarf im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG i.V.m. § 4 GBA-Beschluss vor, sei dieser aufgrund der Zugrundelegung einer gewissen Leistungsmenge bei der Kalkulation der Fallpauschalen generell ursächlich bzw. mitursächlich für das Defizit des betreffenden Krankenhauses. Dies gelte aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 2 GBA-Beschluss jedenfalls bei einem Inselkrankenhaus. Eine weitergehende Kausalitätsprüfung und Ursachenforschung durch den Beklagten sei nach den gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen bei der Entscheidung über das „Ob“ eines Sicherstellungszuschlags nicht vorgesehen. Allen Verfahrensbeteiligten sei zudem seit Jahren bekannt, dass das Inselkrankenhaus Borkum aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs die Vorhaltung der Fachabteilung Innere Medizin mit den nach dem KHEntgG vorgesehenen üblichen Entgelten unter keinen Umständen leisten könne. Dies belegten die seit dem Jahr 2011 vereinbarten abweichenden Leistungs- und Ausgleichsregelungen, die dem Krankenhaus die Erwirtschaftung zusätzlicher Erlöse in einer Größenordnung von 200.000 bis 560.000 € jährlich ermöglicht hätten.
Das Inselkrankenhaus Borkum mit der Fachabteilung für Innere Medizin sei eine notwendige Vorhaltung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss. Es würden dort basisversorgungsrelevante Leistungen zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung erbracht. Das Inselkrankenhaus sei unverzichtbar im Sinne von § 3 GBA-Beschluss, da ein anderes im Sinne dieser Vorschrift geeignetes Krankenhaus nicht zur Verfügung stehe. Nach allen rechtlich zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden sei die zusätzliche Vorhaltung einer Fachabteilung für Chirurgie keine Voraussetzung für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags. Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss enthalte lediglich eine abschließende Aufzählung, für welche Leistungen die notwendige Vorhaltung für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen sei. Für das Erfordernis einer kumulativen Vorhaltung je einer Fachabteilung für Innere Medizin und für Chirurgie gebe der Wortlaut hingegen nichts her. Das gleiche Auslegungsergebnis erhalte man bei einer systematischen Auslegung. Aufgrund der Systematik der gesetzlichen und untergesetzlichen Normen sei klar, dass sowohl eine Fachabteilung für Innere Medizin als auch eine Fachabteilung für Chirurgie notwendige Vorhaltungen seien. Nach § 1 Satz 2 GBA-Beschluss sei ein Krankenhaus basisversorgungsrelevant, wenn es für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung notwendig sei, weil bei Schließung des Krankenhauses kein anderes geeignetes Krankenhaus die Versorgung übernehmen könne. Gemäß § 2 Satz 2 GBA-Beschluss seien basisversorgungsrelevante Leistungen zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung die in § 5 GBA-Beschluss bestimmten vorzuhaltenden Leistungen. Nach § 3 Satz 1 GBA-Beschluss müsse ein Krankenhaus, für das ein Sicherstellungszuschlag vereinbart werde, für die Sicherstellung unverzichtbar und im Krankenhausplan des jeweiligen Landes aufgenommen sein. In § 5 Abs. 1 Satz 1 seines Beschlusses habe der GBA sodann festgelegt, dass die Fachabteilungen für Innere Medizin und Chirurgie, die für die Versorgung von Notfällen der Grund- und Regelversorgung geeignet seien, flächendeckend bürgernah/wohnortnah vorgehalten werden sollten. Es gebe keinen systematischen Ansatz, keine Regelung und keinen Grund, dass eine Fachabteilung für Innere Medizin nur dann eine notwendige Vorhaltung sein solle, wenn das Krankenhaus nicht gleichzeitig eine Fachabteilung für Chirurgie vorhalte. Gleiches ergebe sich auch nach der historischen Auslegung. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf das DRG-Fallpauschalensystem in den Jahren 2000/2002 gesetzliche Regelungen zur Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen geschaffen, um die Sicherstellung einer für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Vorhaltung von Leistungen, die mit den normal geltenden Fallpauschalenentgelten nicht kostendeckend finanzierbar seien, zu gewährleisten. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass beispielsweise die häufigsten Leistungen der Chirurgie oder der Inneren Medizin immer bürgernah vorgehalten werden müssten. Im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes vom 10. Oktober 2015 habe der Gesetzgeber die gesetzlichen Vorgaben für die Vereinbarung des Sicherstellungszuschlags umgestaltet. Er habe insbesondere anstelle der untätig gebliebenen Selbstverwaltungspartner nunmehr nach § 136c Abs. 3 SGB V auf Bundesebene den GBA beauftragt, bundeseinheitliche Vorgaben für die Vereinbarung des Sicherstellungszuschlags zu bestimmen. Zudem sei in jedem Fall zunächst immer von der zuständigen Landebehörde zu entscheiden, ob ein Sicherstellungszuschlag zu vereinbaren sei. In § 5 Abs. 1 Satz 1 seines Beschlusses habe der GBA auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners aller Beteiligten beschlossen, dass die Fachabteilungen für Innere Medizin und für Chirurgie, die für die Versorgung von Notfällen der Grund- und Regelversorgung geeignet seien, flächendeckend bürgernah/wohnortnah vorgehalten werden sollten. Für sie sei bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen erforderlichenfalls ein Sicherstellungszuschlag zu vereinbaren. Zudem enthielten die Tragenden Gründe zum Beschluss des GBA unter Punkt 2.5, 3. Absatz, den klaren Hinweis, dass für bestehende Krankenhäuser in Insellagen die Anforderungen der untersten Stufe des Notfallstufensystems nicht gälten. Damit solle vermieden werden, dass z.B. Anforderungen an die medizinisch-technische Ausstattung zu einem Ausschluss dieser Krankenhäuser von der Gewährung eines Sicherstellungszuschlags führten. Die Begründung zeige, dass es dem GBA insoweit spezifisch um die Sicherstellung der Krankenhausversorgung für die Inselbevölkerung und um einen Bestandsschutz der bestehenden Inselkrankenhäuser gehe, die anderenfalls in ihrem Fortbestand gefährdet wären. Auch der aus der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 2 KHEntgG zu entnehmende Sinn und Zweck der Regelung bestätige dieses Auslegungsergebnis. Sinn und Zweck der gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen des Sicherstellungszuschlags sei, die Vorhaltung von Leistungen, die aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs mit den Fallpauschalen nicht kostendeckend finanzierbar und zur flächendeckenden Sicherstellung der Krankenhausversorgung der Bevölkerung notwendig seien, zu gewährleisten . Der Änderungsbeschluss des GBA vom 19. April 2018 sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zwar sei der Wortlaut weiterhin unklar, die Tragenden Gründe zu § 5 Abs. 1 des Änderungsbeschlusses bestätigten aber die zum Ursprungsbeschluss gefundene Auslegung. Die Niedersächsische Verordnung über die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen nach dem Krankenhausentgeltgesetz vom 24. November 2018 finde erst für das Jahr 2019 Anwendung und sei hier vorsorglich für das kleine Inselkrankenhaus Borkum erlassen worden, damit dieses nicht über Jahre und alle Instanzen hinweg in einen Rechtsstreit mit der Klägerin gezwungen werde.
Eine andere Auslegung von § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss sei zudem wegen einer fehlenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage rechts- und verfassungswidrig. § 136c Abs. 3 SGB V enthalte keine Ermächtigung, Leistungen ganzer Fachbereiche derart miteinander zu verknüpfen, dass bestimmte Fachabteilungen zwingend kumulativ vorgehalten werden müssten, um überhaupt einen Sicherstellungszuschlag beanspruchen zu können. Eine derartige krankenhausplanerische Entscheidung gehöre nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes in die Zuständigkeit der Länder. Selbst diese könnten eine entsprechende Entscheidung nur treffen, wenn das Vorhalten nur einer der beiden Fachabteilungen dem Kriterium der Geeignetheit/Leistungsfähigkeit nicht entspreche. Dies sei beim Inselkrankenhaus Borkum nicht der Fall, das lediglich mit einer Fachabteilung Innere Medizin in den Niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommen sei und seit jeher versorgungsauftragsgemäß entsprechend seiner Leistungsfähigkeit Krankenhausleistungen der Grund- und Notfallversorgung der Fachabteilung Innere Medizin erbringe. Ohnehin sei die demokratische Legitimation des GBA umstritten. Jedenfalls für einen derart massiven Eingriff in Grundrechte, wie sie die Auslegung der Klägerin bewirke, fehle es dem GBA an der erforderlichen Legitimation. Der GBA-Beschluss sei in diesem Falle rechtswidrig und nichtig.
Der mit Beschluss des Senats vom 22. Januar 2019 beigeladene I. als Beigeladener zu 2. hat keinen Antrag gestellt und sich den Ausführungen der Klägerin angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (BA 002-003) und der Klägerin (BA 001) Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
I. Die Klage ist zulässig. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf den Seiten 8 bis 10 des angefochtenen Urteils verwiesen werden, denen auch die Beigeladene zu 1. im Berufungsverfahren zugestimmt hat. Insbesondere konnte die Klägerin allein, d.h. ohne den Beigeladenen zu 2., Klage erheben. Eine aus materiell-rechtlichen Gründen notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 64 VwGO i.V.m. 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO liegt nicht vor. Die Klägerin und der Beigeladene zu 2. können im Hinblick auf die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags unabhängig voneinander agieren. Das wird auch durch die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 KHEntgG bestätigt, wonach die Vereinbarung durch Einigung zwischen den Vertragsparteien zustande kommt, die an der Verhandlung teilgenommen haben. Allein der Umstand, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 2. Adressaten des angefochtenen Bescheids vom 4. Oktober 2017 sind, mit dem die Erfüllung der Vorgaben für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags festgestellt worden ist, führt nicht zu einer lediglich gemeinsam bestehenden Prozessführungsbefugnis aus materiell-rechtlichen Gründen. Der Umstand, dass die vorliegende Entscheidung gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2. nur einheitlich ergehen kann, hat lediglich dessen notwendige Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO zur Folge, nicht aber das Erfordernis einer gemeinsamen Klageerhebung.
Der von der Beigeladenen zu 1. vertretenen Auffassung, die Klage sei aber insoweit unzulässig, als sich die Klägerin auf die fehlende Ursächlichkeit des geringen Versorgungsbedarfs für das Defizit des Krankenhauses bzw. die nicht kostendeckende Leistungserbringung mit den normal üblichen Entgelten und die fehlende Prüfung der Bilanz durch den Beklagten berufe, vermag der Senat nicht zu folgen. Bei den genannten Streitpunkten handelt es sich um einzelne Gesichtspunkte im Streit um die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags. Sie bilden keinen eigenständigen Streitgegenstand. Dieser wird charakterisiert durch die Rechtsbehauptung der Klägerin, der Bescheid vom 4. Oktober 2017 sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten (vgl. zur Bestimmung des Streitgegenstands im Einzelnen: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 90 Rn. 8 mit Nachweisen zum Meinungsstand). Einzelne rechtliche Aspekte, die den damit verbundenen Aufhebungsanspruch begründen oder ihm entgegenstehen, führen kein prozessuales Eigenleben. Sie teilen vielmehr das prozessuale Schicksal des insgesamt geltend gemachten Aufhebungsanspruchs. Eine Abweisung einzelner unselbständiger rechtlicher Streitfragen als unzulässig ist nicht möglich. Soweit die Beigeladene zu 1. den genannten Gesichtspunkten im Hinblick auf die geschlossene Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags den Einwand widersprüchlichen Klagevorbringens (venire contra factum proprium) entgegenhält, ist dies daher keine Frage des Rechtsschutzinteresses und damit der Zulässigkeit, sondern allenfalls im Hinblick auf den Rechtsgedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Frage der Begründetheit der Klage.
II. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2017, mit dem dieser die Erfüllung der Vorgaben für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags aufgrund geringen Versorgungsbedarfs nach § 5 Abs. 2 KHEntgG für das Inselkrankenhaus Borkum für das Jahr 2017 festgestellt hat, ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen für die auf § 5 Abs. 2 Satz 5 KHEntgG gestützte Feststellung sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
1. Es fehlt bereits an sicherungsfähigen notwendigen Vorhaltungen im Sinne des § 5 Abs. 2 KHEntgG.
Nach § 17b Abs. 1a Nr. 6 KHG in der hier anzuwendenden seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung sind bundeseinheitliche Regelungen für Zu- oder Abschläge zu vereinbaren, soweit allgemeine Krankenhausleistungen nicht oder noch nicht in die Entgelte gemäß § 17b Abs. 1 KHG einbezogen werden können, weil der Finanzierungstatbestand nicht in allen Krankenhäusern vorliegt, insbesondere für die Finanzierung der Sicherstellung einer für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Vorhaltung von Leistungen.
§ 5 Abs. 2 Sätze 1 bis 5 KHEntgG in ihrer hier anzuwendenden ebenfalls seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung lautet:
„Zur Sicherstellung einer für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Vorhaltung von Leistungen, die auf Grund des geringen Versorgungsbedarfs mit den auf Bundesebene vereinbarten Fallpauschalen und Zusatzentgelten nicht kostendeckend finanzierbar ist, vereinbaren die Vertragsparteien nach § 11 bei Erfüllung der Vorgaben nach den Sätzen 2, 4 und 5 sowie der Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 136c Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Sicherstellungszuschläge nach § 17b Absatz 1a Nummer 6 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung ergänzende oder abweichende Vorgaben zu erlassen, insbesondere um regionalen Besonderheiten bei der Vorhaltung der für die Versorgung notwendigen Leistungseinheiten Rechnung zu tragen; dabei sind die Interessen anderer Krankenhäuser zu berücksichtigen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen. Voraussetzung für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags ist zudem, dass das Krankenhaus für das Kalenderjahr vor der Vereinbarung ein Defizit in der Bilanz ausweist. Die zuständige Landesbehörde prüft auf Antrag einer Vertragspartei nach § 11, ob die Vorgaben für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags nach Satz 1 erfüllt sind, und entscheidet, ob ein Sicherstellungszuschlag zu vereinbaren ist; sie hat dabei auch zu prüfen, ob die Leistung durch ein anderes geeignetes Krankenhaus, das diese Leistungsart bereits erbringt, ohne Zuschlag erbracht werden kann.“
Der mit Wirkung vom 1. Januar 2016 eingefügte § 136c Abs. 3 SGB V lautet:
„Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt erstmals bis zum 31. Dezember 2016 bundeseinheitliche Vorgaben für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen nach § 17b Absatz 1a Nummer 6 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes in Verbindung mit § 5 Absatz 2 des Krankenhausentgeltgesetzes. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat insbesondere Vorgaben zu beschließen
1. zur Erreichbarkeit (Minutenwerte) für die Prüfung, ob die Leistungen durch ein anderes geeignetes Krankenhaus, das die Leistungsart erbringt, ohne Zuschlag erbracht werden können,
2. zur Frage, wann ein geringer Versorgungsbedarf besteht, und
3. zur Frage, für welche Leistungen die notwendige Vorhaltung für die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist.
Bei dem Beschluss sind die planungsrelevanten Qualitätsindikatoren nach Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in dem Beschluss auch das Nähere über die Prüfung der Einhaltung der Vorgaben durch die zuständige Landesbehörde nach § 5 Absatz 2 Satz 5 des Krankenhausentgeltgesetzes fest. Den betroffenen medizinischen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind bei der Beschlussfassung zu berücksichtigen.“
Auf dieser Grundlage hat der Gemeinsame Bundesausschuss am 24. November 2016 mit Wirkung vom 1. Januar 2017 die hier anzuwendende Erstfassung der Regelungen für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen beschlossen (BAnz AT v. 21.12.2016, B3). § 5 Abs. 1 dieses Beschlusses lautet:
„Notwendige Vorhaltungen sind die Fachabteilung Innere Medizin und eine chirurgische Fachabteilung, die zur Versorgung von Notfällen der Grund- und Regelversorgung geeignet sind. Der G-BA beschließt über die erforderliche Ergänzung der notwendigen Vorhaltungen um Vorgaben zu der untersten Stufe des Notfallstufensystems, sobald er einen wirksamen Beschluss zum gestuften System von Notfallstrukturen gemäß § 136c Absatz 4 SGB V gefasst hat. Die nach Satz 2 zu beschließenden Ergänzungen gelten nicht für bestehende Krankenhäuser in Insellagen. Vorhaltungen, die nicht von den Regelungen nach Satz 1 und 2 umfasst sind, können bei der Vereinbarung des Sicherstellungszuschlags nicht berücksichtigt werden.“
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht bereits der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss für das Erfordernis der Vorhaltung sowohl einer Fachabteilung für Innere Medizin als auch einer solchen für Chirurgie. Nur in diesem Falle sind die Vorhaltungen eines Krankenhauses sicherstellungsfähig. Die Annahme einer schlichten Aufzählung anstelle kumulativ zu erfüllender Voraussetzungen liegt eher fern. Wäre der Gemeinsame Bundesausschuss von lediglich alternativ vorzuhaltenden Fachabteilungen ausgegangen, hätte sich die Verwendung der Formulierung „oder“ angeboten. Die Neuregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 durch den hier nicht anwendbaren Änderungsbeschluss des GBA vom 19. April 2018 (BAnz AT v. 22.5.2018, B1) belegt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss durchaus deutlich zwischen den Begriffen „und“ und „oder“ unterscheidet. Die Bestimmung lautet nunmehr:
„Notwendige Vorhaltungen sind
1. die Fachabteilung Innere Medizin und eine chirurgische Fachabteilung, die zur Versorgung von Notfällen der Grund- und Regelversorgung geeignet sind, und/oder
2. die Fachabteilung Geburtshilfe oder Gynäkologie und Geburtshilfe.“
Die Ziffer 1. gibt dabei die insoweit unverändert gebliebene Ausgangsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss vom 24. November 2016 wieder. Die komplexe Verwendung der Konjunktionen „und“ und „oder“ in der Änderungsfassung lässt nach Auffassung des Senats keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass die Verwendung der Konjunktion „und“ in dem unverändert gebliebenen Teil der Regelung von Beginn an nicht als schlichte Aufzählung im Sinne einer alternativen Sicherstellungsfähigkeit anzusehen war. Dafür spricht auch, dass der im Plural abgefasste Relativsatz, „die zur Versorgung von Notfällen der Grund- und Regelversorgung geeignet sind“, die aufgezählten Fachabteilungen zu einer Sinneinheit verklammert.
Die systematische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 2 Satz 1 Nr. 2 GBA-Beschluss ist u.a. die Festlegung von basisversorgungsrelevanten Leistungen zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung Gegenstand der Regelungen dieses Beschlusses. In § 5 Abs. 1 Satz 1 des Beschlusses werden die dazu notwendigen Vorhaltungen bestimmt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss über die erforderliche Ergänzung der notwendigen Vorhaltungen um Vorgaben der untersten Stufe des Notfallstufensystems, sobald er einen wirksamen Beschluss zum gestuften System von Notfallstrukturen gemäß § 136a Abs. 4 SGB V gefasst hat. Das ist erst - gleichzeitig mit dem oben erwähnten Änderungsbeschluss - mit Beschluss vom 19. April 2018 (BAnz AT v. 18.05.2018, B4) geschehen. Lediglich von den dortigen ergänzenden Anforderungen, die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch nicht in Kraft waren, und die über die Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss vom 24. November 2016 (auch in der Änderungsfassung vom 19.4.2018) hinausgehen (vgl. GBA-Beschl. v. 19.4.2018, unter III.), sind bestehende Krankenhäuser in Insellagen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GBA-Beschluss vom 24. November 2016 freigestellt. Aus dem Umstand, dass § 8 GBA-Beschluss vom 19. April 2018 bestimmt, dass Krankenhäuser der Basisnotfallversorgung mindestens über die Fachabteilungen Chirurgie oder Unfallchirurgie und Innere Medizin verfügen müssen, § 5 Abs. 1 Satz 3 des hier anzuwendenden GBA-Beschlusses vom 24. November 2016 bestehende Inselkrankenhäuser aber von den Anforderungen dieses Beschlusses ausnimmt, folgt nicht, dass diese auch von den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 des GBA-Beschlusses vom 24. November 2016 befreit sind. Auch wenn die Anforderungen des § 8 GBA-Beschluss vom 19. April 2018 und des § 5 Abs. 1 Satz 1 des hier anzuwendenden GBA-Beschlusses vom 24. November 2016 weitgehend identisch sind, enthält § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss vom 24. November 2016 doch eine eigenständige Regelung, von der § 5 Abs. 1 Satz 3 dieses Beschlusses Inselkrankenhäuser nicht dispensiert.. Dies gilt für den hier in den Blick zu nehmenden Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2017 ohnehin, da der GBA-Beschluss vom 19. April 2018 zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten war, ergänzende Anforderungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 GBA-Beschluss also noch nicht bestanden.
Die historische Auslegung, die am Willen des Normgebers orientiert ist, gelangt, ebenso wie die am Normzweck ausgerichtete teleologische Auslegung, zum selben Ergebnis.
Bereits mit der Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf das DRG-Fallpauschalensystem hat der Gesetzgeber Regelungen zur Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen geschaffen, um die Sicherstellung einer für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Vorhaltung von Leistungen, die aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs mit den normal geltenden Fallpauschalenentgelten nicht kostendeckend finanzierbar sind, zu gewährleisten. In der Gesetzesbegründung zu dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Krankenhausentgeltgesetz heißt es zu § 5 Abs. 2 des Gesetzes (BT-Drs. 14/6893, S. 43):
„In Folge der Einführung des DRG-Fallpauschalensystems wird das Leistungsangebot sowohl der einzelnen Krankenhäuser als auch in der Region transparenter werden. Veränderungs-und Optimierungsbedarf wird deutlich werden. Bestimmte Leistungsangebote werden sich für einzelne Krankenhäuser wirtschaftlich nicht mehr lohnen. Entsprechende Veränderungen der Leistungsstrukturen sind notwendig und erwünscht. Gleichwohl muss an dem Grundsatz der flächendeckenden Versorgung festgehalten werden. Die Frage, ob ein bestimmtes Versorgungsangebot auch bei geringer Nachfrage in einem bürgernahen Krankenhaus vorgehalten werden soll, wird sich nicht mehr auf ganze Abteilungen richten, sondern für einzelne Leistungen oder Leistungspakete gestellt werden. Leistungen der Notfallversorgung sowie beispielsweise die häufigsten Leistungen der Chirurgie oder Inneren Medizin werden immer bürgernah vorgehalten werden müssen. […] Nach § 17b Abs. 1 Satz 4 KHG sind für Leistungen, die in einem Krankenhaus auf Grund geringer Fallzahlen mit den DRG-Fallpauschalen nicht wirtschaftlich erbracht werden können, Zuschläge für die Vorhaltung dieser Leistungen zu zahlen, soweit dies zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung notwendig ist. Die für das DRG-System zuständigen Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene vereinbaren Maßstäbe, in welchen Fällen solche Zuschläge gezahlt werden sollten und wie die Höhe der Zuschläge grundsätzlich bemessen werden sollte. Die Prüfung, ob ein entsprechender Tatbestand vorliegt und welche Zuschlagshöhe zu zahlen ist, ist Aufgabe der Vertragsparteien „vor Ort“.“
Aufgrund der Untätigkeit der Selbstverwaltungspartner hat der Gesetzgeber im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes vom 10. Dezember 2015 mit Wirkung vom 1. Januar 2016 u.a. die Zuständigkeit für die Beschließung von Vorgaben zur Frage, für welche Leistungen die notwendige Vorhaltung für die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist, auf den Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen (§ 136c Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB V; vgl. zur Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses nach neuer Rechtslage: BVerwG, Beschl. v. 12.4.2019 - BVerwG 3 B 33.17 -, juris Rn. 8 ff. sowie Beschl. v. 28.8.2018 - BVerwG 3 B 28.17 -, juris Rn. 11). In der Gesetzesbegründung heißt es (BT-Drs. 18/5372, S. 91):
„Daneben hat der G-BA eine Vorgabe zu der Frage zu beschließen, für welche Leistungen die notwendige Vorhaltung für die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist, da nur hierfür Sicherstellungszuschläge vereinbart werden dürfen. Bei der Festlegung, welche Leistungen für die Versorgung der Bevölkerung notwendig vorzuhalten sind, ist ein enger Maßstab anzuwenden. Neben Leistungen der Notfallversorgung (im Sinne der rettungsdienstlichen Definition) können Leistungen einbezogen werden, bei denen unmittelbare diagnostische oder therapeutische Versorgung erforderlich ist“.
Auf der Grundlage des § 136c Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB V hat der Gemeinsame Bundesausschuss am 24. November 2016 sodann die im vorliegenden Fall anzuwendende Erstfassung der Regelungen für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen beschlossen. Zweck dieser Regelungen ist es nach § 1 Satz 1 des Beschlusses, bundeseinheitliche Voraussetzungen für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen für basisversorgungsrelevante und im Krankenhausplan des jeweiligen Landes aufgenommene Krankenhäuser festzulegen, die aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs die Vorhaltung von basisversorgungsrelevanten Leistungen nicht aus den Mitteln des Entgeltsystems für Krankenhäuser (Fallpauschalen und Zusatzentgelte) kostendeckend finanzieren können.
Die Entstehungsgeschichte, der gesetzgeberische Zweck der in § 5 Abs. 1 Satz 1 GBA-Beschluss getroffenen Regelung und die gebotene Anlegung eines engen Maßstabs rechtfertigen eine Beschränkung auf diejenigen Krankenhäuser, die sowohl eine Fachabteilung der Inneren Medizin als auch eine solche der Chirurgie vorhalten. Es sollen im Interesse einer wohnortnahen Versorgung nur diejenigen Krankenhäuser wirtschaftlich abgesichert werden, deren Vorhaltungen sicherstellungswürdig sind. Das entspricht dem in § 1 KHG verankerten Zweck der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten. Dabei sind Mindestanforderungen an die Krankenhäuser zu stellen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in Ziffer 2.5 seiner Tragenden Gründe zum Beschluss vom 24. November 2016 in einer Orientierung an der untersten Stufe des nach § 136c Abs. 4 SGB V (zum damaligen Zeitpunkt noch) zu beschließenden Notfallstufensystems (Basisstufe) sieht. Diese Basisstufe der Notfallversorgung setzt ausweislich der Tragenden Gründe die Vorhaltung einer Fachabteilung für Innere Medizin und einer chirurgischen Fachabteilung voraus. Auch wenn die Anforderungen des Notfallstufensystems zum hier entscheidenden Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides noch nicht festgelegt waren, so hat der Gemeinsame Bundesausschuss gleichsam im Vorgriff auf die noch zu treffende Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 seines Beschlusses vom 24. November 2016 bestimmt, dass notwendige Vorhaltungen, die die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags rechtfertigen, die kumulative Vorhaltung einer Fachabteilung für Innere Medizin und einer chirurgischen Fachabteilung sind. Bestehende Krankenhäuser in Insellagen sind nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GBA-Beschluss nur insoweit privilegiert, als sie von den Ergänzungen der notwendigen Vorhaltungen freigestellt sind, die im Zuge der Festlegung der Vorgaben zur untersten Stufe des Notfallstufensystems gefordert werden (vgl. dazu den entsprechenden GBA-Beschluss vom 19.4.2018 unter III.). Diese Ergänzungen treffen nach
§ 5 Abs. 1 Satz 2 GBA-Beschluss lediglich die Krankenhäuser, die einen Sicherstellungszuschlag vereinbaren wollen, ohne sich in einer nach Satz 3 privilegierten Insellage zu befinden. Mit dieser Ausnahmeregelung soll ausweislich der Tragenden Gründe vermieden werden, dass beispielsweise Anforderungen an die medizinisch-technische Ausstattung zu einem Ausschluss dieser Krankenhäuser vom Sicherstellungszuschlag führen. Eine weitergehende Privilegierung bestehender Inselkrankenhäuser im Hinblick auf die für die notwendigen Vorhaltungen geltenden Mindestanforderungen sieht der GBA-Beschluss vom 24. November 2016 hingegen nicht vor.
Die so gefundene Auslegung begegnet auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Beschluss des GBA vom 24. November 2016 verstößt zunächst nicht gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Pflegesätze. In diesem Rahmen hat der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 136c Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB V zur Festlegung von Vorgaben ermächtigt, für welche Leistungen die notwendige Vorhaltung für die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist. Diese Ermächtigung beinhaltet die Kompetenz festzulegen, unter welchen Voraussetzungen eine Vorhaltung sicherstellungsfähig ist, und damit die Bestimmung von Mindestanforderungen. Diese Mindestanforderungen können auch darin liegen, dass bestimmte Fachabteilungen kumulativ vorgehalten werden müssen. Das stellt keinen Übergriff in die Krankenhausplanung der Länder dar. Den Ländern bleibt es unbenommen, in ihren Krankenhausplänen Krankenhäuser auszuweisen, die die festgesetzten Mindestanforderungen nicht erfüllen. Lediglich einen Anspruch auf Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags hat ein solches Krankenhaus nicht. Die Aufnahme in den Krankenhausplan ist keine hinreichende Bedingung für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags. Überdies sind die Landesregierungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 KHEntgG ermächtigt, durch Rechtsverordnung ergänzende oder abweichende Vorgaben zu erlassen, insbesondere um regionale Besonderheiten bei der Vorhaltung der für die Versorgung notwendigen Leistungseinheiten Rechnung zu tragen. Diese Regelung bezweckt, den Ländern ausreichend Möglichkeiten zu geben, die Besonderheiten ihrer Krankenhausplanung zur Geltung zu bringen sowie im Einzelfall sachgerechte Entscheidungen zu treffen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.10.2016 - BVerwG 3 B 66.15 -, juris Rn. 6). Von dieser Kompetenz hat die Niedersächsische Landesregierung erst mit der Niedersächsischen Verordnung über die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen nach dem Krankenhausentgeltgesetz vom 24. Oktober 2018 (Nds. GVBl. 2018, 227) Gebrauch gemacht. Sie hat darin bestimmt, dass notwendige Vorhaltungen bei bestehenden Krankenhäusern in Insellage auch dann vorliegen, wenn nur eine der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GBA-Beschluss vom 24. November 2016 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 19. April 2018 genannten Fachabteilungen besteht. Diese Regelung, die sich keine Rückwirkung beimisst, findet im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides vom 4. Oktober 2017 jedoch keine Anwendung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss ist zur Regelung von Vorgaben, für welche Leistungen die notwendige Vorhaltung für die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist, durch § 136a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB V auch hinreichend demokratisch legitimiert.
Die Erledigung öffentlicher Aufgaben darf für abgegrenzte Bereiche besonderen Organisationsformen der Selbstverwaltung übertragen werden, um ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen zu schaffen, um verwaltungsexternen Sachverstand zu aktivieren sowie um einen sachgerechten Interessenausgleich zu erleichtern und um auf diese Weise dazu beizutragen, dass die vom Gesetzgeber beschlossenen Zwecke und Ziele effektiv erreicht werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002 - 2 BvL 5, 6/98 -, juris Rn. 144). Voraussetzung einer solchen Normsetzungsbefugnis ist eine durch das Gesetz vorgegebene hinreichend dichte Anleitung, in der die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Selbstverwaltungsorgane, die der Aufsicht demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegen, ausreichend bestimmt festgelegt sind. Auf dem Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Normsetzung durch die Gremien der gemeinsamen sozialen Selbstverwaltung eine lange Tradition und wird verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich in Frage gestellt (vgl. nur BSG, Urt. v. 8.8.2019 - B 3 KR 16/18 R -, juris, Rn. 43 m.w.N). Die demokratische Legitimation verbindlicher Vorgaben durch den Gemeinsamen Bundesausschuss hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn diese nur an der Regelsetzung Beteiligte mit geringer Intensität treffen, während eine hinreichende Legitimation fehlen kann, wenn die Regelung mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der Gemeinsame Bundesausschuss für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist (BVerfG, Beschl. v. 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 -, juris Rn. 22).
§ 136c Abs. 3 SGB V weist eine hinreichende Normdichte auf. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat nur Vorgaben zu einzelnen genau definierten Fragen der Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags zu erarbeiten. Dazu ist er aufgrund seiner Sachkunde und Zusammensetzung in besonderer Weise geeignet. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird der Gemeinsame Bundesausschuss durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildet. Damit waren sowohl der Spitzenverband der Klägerin und des Beigeladenen zu 2. als auch der Spitzenverband, der die Interessen der Beigeladenen zu 1. vertritt, an der Entstehung der Regelung jedenfalls mittelbar beteiligt. Die Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags betreffen zudem lediglich einen Ausnahmefall der Krankenhausfinanzierung und regeln nicht deren Kernbereich. Verpflichtet zur Gewährung eines Sicherstellungszuschlags sind überdies die Sozialleistungsträger, nicht die Krankenhausträger. Diese profitieren demgegenüber von der Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags. Lediglich die Voraussetzungen für die Pflicht zur Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags werden durch die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses festgelegt. Die tatsächliche Betroffenheit der Beigeladenen zu 1. von diesen Regelungen ist allerdings hoch, da sie möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen ohne Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags ihr Krankenhaus wird schließen müssen. Aus der von ihr ins Feld geführten Berufsfreiheit des Art. 12 GG folgt jedoch kein verfassungsmäßig gewährleistetes Recht auf Subventionierung eines wirtschaftlich nicht lebensfähigen Krankenhauses, dessen Erhalt für die Bevölkerung nicht notwendig ist. Aus diesen Gründen ist auch nicht von einem intensiven Eingriff in das Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) der Bevölkerung der Insel Borkum und der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung auszugehen. Aufgrund des Bestehens lediglich einer kleinen Abteilung für Innere Medizin war die Versorgung der Einwohner und der Besucher der Insel Borkum auch bislang nur zu einem kleinen und damit nicht sicherungswürdigen Teil von der Existenz des Inselkrankenhauses abhängig.
2. Da es im Hinblick auf einen für das Jahr 2017 zu vereinbarenden Sicherstellungszuschlag bereits an sicherungsfähigen notwendigen Vorhaltungen im Sinne des § 5 Abs. 2 KHEntgG fehlt, bedarf es keines Eingehens auf die weiteren Streitfragen mehr. Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten weist der Senat jedoch auf Folgendes hin:
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Sicherstellungszuschlag nur dann nicht vereinbart werden kann, wenn die Kostenunterdeckung ausschließlich auf anderen Ursachen beruht .§ 7 Abs. 7 GBA-Beschluss vom 24. November 2016, der in § 136c Abs. 3 Satz 4 SGB V seine Grundlage findet, lautet:
„Weist ein Krankenhaus sowohl wegen eines geringen Versorgungsbedarfs nach § 4 als auch wegen unwirtschaftlicher Betriebsführung ein Defizit auf, kann ein Sicherstellungszuschlag vereinbart werden, sofern das Krankenhaus detailliert darlegt, welcher Anteil des Defizits auf den geringen Versorgungsbedarf zurückzuführen ist und welche Maßnahmen zur Beseitigung der Unwirtschaftlichkeit innerhalb der nächsten 12 Monate ergriffen werden. Maßgeblich für die Gewährung eines Sicherstellungszuschlags sind ausschließlich der geringe Versorgungsbedarf und das daraus resultierende Defizit. Der Nachweis nach Satz 1 ist jährlich gegenüber den Pflegesatzparteien nach § 18 Absatz 2 Nummer 1 und 2 KHG zu erbringen.“
Diese Regelung ist sowohl hinsichtlich der Möglichkeit der Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags bei mehreren Ursachen für das entstandene Defizit als auch hinsichtlich der insoweit bestehenden Darlegungslast des betroffenen Krankenhauses eindeutig. Sie entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Denn in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/5372, S. 91) heißt es:
„Eine weitere obligatorische Vorgabe betrifft die Frage, wann ein geringer Versorgungsbedarf besteht. Eine entsprechende Festlegung ist notwendig, um einen geringen Versorgungsbedarf von Unwirtschaftlichkeiten als mögliche Ursache von Defiziten in einem Krankenhaus unterscheiden zu können. Mit dem Sicherstellungszuschlag sollen nur Defizite auf Grund eines geringen Versorgungsbedarfs, nicht jedoch Defizite auf Grund von Unwirtschaftlichkeiten ausgeglichen werden. Dabei kann es vorkommen, dass ein Krankenhaus sowohl wegen eines geringen Versorgungsbedarfs als auch wegen unwirtschaftlicher Betriebsführung ein Defizit erzielt. In einem solchen Fall kann das Krankenhaus einerseits einen Sicherstellungszuschlag vereinbaren, weil es sich definitionsgemäß um ein für die Versorgung notwendiges und damit unverzichtbares Krankenhaus handelt. Andererseits ist das Krankenhaus anzuhalten, die bestehenden Unwirtschaftlichkeiten abzubauen. Eine entsprechende Berücksichtigung hat durch die Vertragsparteien vor Ort bzw. im Rahmen der Prüfung durch die Länder zu erfolgen. Ein geringer Versorgungsbedarf kann z. B. anhand von Einwohnerzahlen und Krankheitshäufigkeiten bemessen werden.“
Die zuständige Landesbehörde entscheidet auf Antrag nach § 5 Abs. 2 Satz 5 KHEntgG nur, ob die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags gegeben sind, und entscheidet, ob ein Sicherstellungszuschlag zu vereinbaren ist. Im Hinblick auf das Defizit kann dies nur abgelehnt werden, wenn dieses erkennbar ausschließlich auf anderen Gründen als einem geringen Versorgungsbedarf beruht. Beruht das Defizit hingegen nur zum Teil auf einem geringen Versorgungsbedarf, so steht das der Verpflichtung zur Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlags nicht entgegen. Die Ursachen des Defizits sind jedoch von den Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 KHG bei der nach § 11 KHEntgG zu vereinbarenden Höhe des Sicherstellungszuschlags zu berücksichtigen. So ist nach den Tragenden Gründen zum GBA-Beschluss vom 24. November 2016 (dort Ziffer III.2.7, S. 6) die krankenhausindividuell zu vereinbarende Höhe des Zuschlags nach dem Bedarf für eine kostendeckende Finanzierung der notwendigen Vorhaltungen nach § 5 GBA-Beschluss zu bemessen und nicht nach dem Gesamtdefizit. Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine zielgenaue finanzielle Förderung von basisversorgungsrelevanten Leistungen erfolgen, und Sicherstellungszuschläge sollen auf echte Notsituationen begrenzt bleiben. Es sind nur solche Defizite durch den Sicherstellungszuschlag auszugleichen, die auf einem geringen Versorgungsbedarf gemäß der Definition in § 4 GBA-Beschluss vom 24. November 2016 beruhen. Für bestehende Krankenhäuser in Insellage gilt nach § 4 Abs. 2 GBA-Beschluss allerdings ein geringer Versorgungsbedarf grundsätzlich als gegeben. Davon zu unterschieden sind Defizite aufgrund unwirtschaftlicher Betriebsführung. Ein Krankenhaus, dessen Defizit sowohl auf einem geringen Versorgungsbedarf als auch auf Unwirtschaftlichkeiten beruht, kann zwar einen Sicherstellungszuschlag vereinbaren, es hat jedoch in der Budgetverhandlung einen Maßnahmenplan zum Abbau der bestehenden Unwirtschaftlichkeiten vorzulegen. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so entscheidet nach § 13 KHEntgG i.V.m. § 18a KHG die Schiedsstelle. Diese Entscheidung unterliegt ebenfalls gerichtlicher Überprüfung. Erst in einem solchen Verfahren, nicht bereits in dem gegen die Entscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 5 Abs. 2 Satz 5 KHEntgG über „das Ob“ eines Sicherstellungszuschlags gerichteten Prozess, ist über die Höhe des Sicherstellungszuschlags zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2. für erstattungsfähig zu erklären, da er mangels Antragstellung kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).