Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.07.2013, Az.: 8 ME 110/13

Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.07.2013
Aktenzeichen
8 ME 110/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 41820
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0718.8ME110.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 04.06.2013 - AZ: 12 B 3154/13

Amtlicher Leitsatz

Antragsänderungen sind im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO grundsätzlich unzulässig, soweit sich die Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich geändert hat oder andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen ist.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Dessen Antrag vom 1. November 2012 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25. März 2013 - dem Antragsteller am 8. April 2013 bekanntgegeben - ab und sie drohte ihm die Abschiebung nach Kosovo an. Die Antragsgegnerin führte zur Begründung aus: Der Antragsteller sei nach eigenen Angaben im April 2009 mit einem ausländischen Schengen-/Besuchsvisum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Im Jahr 2012 sei der Antragsteller ein weiteres Mal ohne das erforderliche Visum eingereist. Dem Antragsteller könne eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werden, weil er die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (Einreise mit dem erforderlichen Visum) nicht erfülle. Es lägen auch keine besonderen Umstände vor, die die Nachholung des Visumverfahrens für den Antragsteller unzumutbar machten. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor.

Der Antragsteller hat am 8. Mai 2013 Klage erhoben mit dem Begehren, die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. März 2013 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zugleich hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den genannten Bescheid anzuordnen.

Das Verwaltungsgericht hat in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diesen Antrag abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei schon nicht statthaft, soweit er sich gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis richte. Der erst nach 3 1/2 Jahren unerlaubten Aufenthalts im November 2012 gestellte Antrag habe die Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 AufenthG nicht ausgelöst, so dass die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (des Antragstellers) durch die Ablehnung seines Antrags nicht entfallen sei. Das Gericht habe davon abgesehen, dem Antragsteller einen entsprechenden Hinweis zu geben, weil auch ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO keinen Erfolg gehabt hätte. Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller habe keinen sicherungsfähigen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Einziger Anknüpfungspunkt für eine Aufenthaltserlaubnis wäre der vierjährige Sohn des Antragstellers. Da er zu diesem jedoch derzeit keinerlei Kontakt habe und lediglich beabsichtige, beim Familiengericht eigene Anträge zu stellen, dies aber bisher weder konkretisiert noch glaubhaft gemacht habe, bestünden zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn zurzeit keine derartigen schutzwürdigen Bindungen, welche einen Verbleib im Bundesgebiet erforderlich machten. Soweit der Antragsteller sich gegen die Abschiebungsandrohung wende, sei der Antrag statthaft, jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei insoweit offensichtlich rechtmäßig.

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen,

hilfsweise

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, ihn vor dem rechtskräftigen Abschluss seines Klageverfahrens sowie der näher bezeichneten, bei dem Amtsgericht Hannover - Familiengericht - anhängigen Verfahren abzuschieben.

II.

1.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses es abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. März 2013 anzuordnen, ist zu verwerfen. Die Beschwerde ist bereits unzulässig.

a.

Die Beschwerde ist im Hauptantrag als unzulässig zu verwerfen, weil sie den Darlegungsanforderungen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügt. Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123 VwGO) die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zugeschnittene Verfahrensgestaltung verlangt von diesem eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses (vgl. Senatsbeschl. v. 4.5.2012 - 8 ME 218/12 -, [...] Rn. 2; Bay. VGH, Beschl. v. 26.1.2012 - 11 CS 11.3028 -, [...] Rn. 3; Nds. OVG, Beschl. v. 23.12.2008 - 2 NB 293/08 -, [...] Rn. 3; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., 2010, § 146 Rn. 22; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., 2010, § 146 Rn. 71 f. Bader, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., 2010, § 146 Rn. 30 jeweils m.w.N.).

Bezogen auf die vom Verwaltungsgericht angenommene Unstatthaftigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, soweit er sich gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis richtet, und Unbegründetheit des entsprechenden Antrags, soweit er sich gegen die im angefochtenen Bescheid verfügte Abschiebungsandrohung wendet, genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht. Mit seiner Beschwerdebegründung geht der Antragsteller auf die vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe nicht ansatzweise ein. Es fehlen Ausführungen zu Statthaftigkeit seines Antrags mit Blick auf die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis. Ebenso wenig tritt er der Annahme des Verwaltungsgerichts entgegen, die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung lägen offensichtlich vor.

b.

Die Beschwerde ist auch hinsichtlich des Hilfsantrags als unzulässig zu verwerfen.

Denn Antragsänderungen, zu denen auch die hier maßgebliche Antragserweiterung zählt, sind im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO grundsätzlich unzulässig, soweit sich die Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich geändert hat oder andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen ist (vgl. Senatsbeschl. v. 19.3.2013 - 8 ME 44/13 -, [...] Rn. 2; Nds. OVG, Beschl. v. 15.3.2011 - 11 ME 59/11, [...] Rn. 7; Beschl. v. 4.8.10 - 11 ME 279/10 -, NVwZ-RR 2010, 902; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 ME 307/09 -, [...] Rn. 28; Hess. VGH, Beschl. v. 12.7.2011 - 1 B 1046/11 -, [...] Rn. 32; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.5.2009 - OVG 11 S 24.09 -, [...] Rn. 5).

Der Antragsteller hat im erstinstanzlichen Verfahren allein unter Berufung auf § 80 Abs. 5 VwGO den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin gestellt. Er hat nicht - auch nicht als Hilfsantrag - beantragt, der Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu untersagen, ihn vor dem rechtskräftigen Abschluss seiner beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage sowie der näher bezeichneten, beim Amtsgericht Hannover - Familiengericht - anhängigen Verfahren abzuschieben. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht allein über den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage entschieden. Es hat das Begehren des Antragstellers auch nicht dahin umgedeutet, dass dieser den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO beantragt.

Die Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren ist nicht ausnahmsweise zulässig. Keine der angeführten Ausnahmen ist hier gegeben. Die Sach- und Rechtslage ist seit Antragstellung im Wesentlichen unverändert und der Antragsteller ist auch nicht gehindert, den in erster Instanz nicht gestellten, nicht fristgebundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht zu stellen.

2.

Die gegen die Ablehnung seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hier fehlt der Rechtsverfolgung des Antragstellers die erforderliche Erfolgsaussicht. Denn nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362) hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. März 2013 aus den im angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts angeführten Gründen, denen der Senat in Anwendung des § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO folgt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt. Dem ist der Antragsteller mit seiner Beschwerde auch nicht entgegengetreten.

3.

Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren nicht bewilligt werden. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass auch insoweit eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO fehlt. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann auch deshalb nicht entsprochen werden, weil der Antragsteller entgegen seiner Ankündigung seine Bedürftigkeit entsprechend den Anforderungen nach § 117 Abs. 1, 4 ZPO nicht dargelegt hat.