Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.07.2013, Az.: 5 LB 99/13

Rechtmäßigkeit der Versetzung eines Polizebeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung und bei einer fehlenden Fähigkeit zur Ausübung eines Innendienstes auf Grund dieser Erkrankung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.07.2013
Aktenzeichen
5 LB 99/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 41780
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0709.5LB99.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 19.07.2011 - AZ: 2 A 4108/09

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Es bedarf gemäß § 110 NBG sowohl der Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit als auch der allgemeinen Dienstunfähigkeit, um einen niedersächsischen Polizeivollzugsbeamten in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen (wie BVerwG, Urteil vom 3.3.2005 - BVerwG 2 C 4.04 -, [...] Rn. 12, zum Landesrecht Nordrhein-Westfalens).

  2. 2.

    Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG zu suchen, wenn das Restleistungsvermögen des Beamten eine solche anderweitige Verwendung offensichtlich nicht zulässt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.

Der im Jahr 19... geborene Kläger steht als Polizeihauptmeister im Dienst der Beklagten. Seit dem Jahr 2004 leidet er unter verschiedenen körperlichen und psychischen Erkrankungen, insbesondere einer Hautkrebserkrankung sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer depressiven Erkrankung sowie einer Angststörung. Aufgrund seiner Erkrankung war er von Ende April 2005 bis Mitte März 2007 dienstunfähig erkrankt, wobei eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Winter 2005/2006 nicht zu einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit führte. Beginnend im September 2006 durchlief er während seiner noch andauernden Erkrankung eine mit leichter Bürotätigkeit verbundene Wiedereingliederungsmaßnahme, die in der Zeit von Ende April 2007 bis Ende Oktober 2007 aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustands unterbrochen werden musste.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine polizeiärztliche Untersuchung. In dem Gutachten vom 28. Juni 2007 heißt es, der Kläger sei gesundheitlich eingeschränkt geeignet für den Polizeivollzugsdienst. Eine Tätigkeit im Innendienst mit vorwiegender Bürotätigkeit, aber auch mit eventuellen Außendiensttätigkeiten, sei möglich. Seine Dienstpflichten könne er in der vollen regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen. Mit einer Wiederherstellung der uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit sei zu rechnen.

Zum 1. November 2007 wurde der Kläger in den Arbeitsbereich DNA umgesetzt und dort ausschließlich mit leichten Büroarbeiten betraut. Gleichwohl war er mindestens in der Zeit vom 4. Februar bis zum 8. Februar 2008, vom 3. März bis zum 5. März 2008, vom 21. Mai bis zum 30. Mai 2008 und vom 10. Juli bis zum 23. Juli 2008 dienstunfähig erkrankt. In der Zeit vom 18. März bis zum 20. Mai 2008 durchlief er eine weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der F.. Anfang September 2008 erschien er letztmalig zum Dienst; anschließend wurde er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand durch den Polizeiarzt krankgeschrieben.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute polizeiärztliche Untersuchung. Das Gutachten vom 9. Juli 2009, das unter Einbeziehung eines neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens vom 30. Juni 2009 erstellt wurde, gelangt zu dem Ergebnis, dass der Kläger sowohl in Bezug auf den Polizeivollzugsdienst als auch in Bezug auf den allgemeinen Verwaltungsdienst als dienstunfähig anzusehen sei. Aus dem Zusatzgutachten ergebe sich, dass der Kläger keinen Polizeivollzugsdienst mehr verrichten könne. Auch eine Tätigkeit im Innendienst sei aufgrund der damit verbundenen Gefahr von Flashbacks nicht möglich. Eine Tätigkeit im allgemeinen Verwaltungsdienst komme ebenfalls nicht in Betracht. In dem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten heiße es dazu, dem Kläger sei es gesundheitlich nicht möglich, eine entsprechende Ausbildungsmaßnahme in Form eines dreieinhalbjährigen Fachhochschulstudiums zu absolvieren. Auch sonst komme eine Tätigkeit im allgemeinen Verwaltungsdienst nicht in Betracht. Aufgrund der vielfältigen Erkrankungen und nach den Erfahrungen in der Vergangenheit sei mit Überlastungssituationen sowie mit häufigen Fehlzeiten zu rechnen. Beides stehe einer Verwendungsfähigkeit entgegen. In einer ergänzenden Stellungnahme des Polizeiarztes vom 13. August 2009 heißt es weiter, es sei absehbar, dass der Kläger innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten die volle Verwaltungsdienstfähigkeit nicht wieder erlangen werde. Im Gegenteil sei er auf nicht absehbare Zeit dienstunfähig.

Nach Anhörung des Klägers unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Beteiligung des Personalrates stellte die Beklagte mit Bescheid vom 28. August 2009 die Polizeidienstunfähigkeit sowie die allgemeine Dienstunfähigkeit des Klägers fest und versetzte ihn in den vorzeitigen Ruhestand. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei nach dem Ergebnis der polizeiärztlichen Begutachtung weder den Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes noch den Anforderungen des allgemeinen Verwaltungsdienstes gewachsen. Zudem sei absehbar, dass er innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren die volle polizeidienstliche Verwendungsfähigkeit und innerhalb von sechs Monaten die volle Verwaltungsdienstfähigkeit nicht wieder erlangen werde.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 25. September 2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er könne - wie auch in der Vergangenheit - weiterhin Bürotätigkeiten verrichten. Rückfälle seien nicht zu verzeichnen gewesen; es habe lediglich eine "Mobbing-Problematik" gegeben. Das polizeiärztliche Gutachten sei insofern widersprüchlich und treffe keine ausreichenden Feststellungen. Zudem werde unzureichend begründet, warum eine Verwendung im allgemeinen Verwaltungsdienst nicht möglich sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 28. August 2009 aufzuheben, soweit in ihm seine allgemeine Dienstunfähigkeit festgestellt und er mit Ablauf des Monats August 2009 in den Ruhestand versetzt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Bezugnahme auf das polizeiärztliche Gutachten vorgetragen, der Kläger sei sowohl polizeidienstunfähig als auch allgemein dienstunfähig. Seine Annahme, er könne weiterhin Büroarbeit verrichten, entbehre jeder Grundlage. Seit April 2005 sei er ausschließlich auf Dienstposten mit überwiegender Büroarbeit eingesetzt gewesen. Gleichwohl habe er gravierende Ausfallzeiten aufgewiesen; eine Besserung des Gesundheitszustands habe sich nicht eingestellt. Zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung Ende August 2009 sei der Kläger nahezu ein Jahr dienstunfähig erkrankt gewesen. All das zeige, dass er als insgesamt dienstunfähig anzusehen sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 19. Juli 2011 stattgegeben und den Bescheid vom 28. August 2009 antragsgemäß teilweise aufgehoben. Für die Feststellung der allgemeinen Dienstunfähigkeit eines Polizeivollzugsbeamten fehle die erforderliche Rechtsgrundlage. § 110 NBG lege abschließend fest, wann ein Polizeivollzugsbeamter als dienstunfähig anzusehen sei. Für die Anwendung der allgemeinen Regeln sei daneben kein Raum. Die Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand sei rechtswidrig, weil sich die Beklagte nicht ausreichend um eine anderweitige Verwendung bemüht habe. Aufgrund des polizeiärztlichen Gutachtens habe sie eine entsprechende Prüfung überhaupt nicht angestellt, sondern sei davon ausgegangen, dass der Kläger den Anforderungen des Verwaltungsdienstes nicht genüge. Das gehe aus den in dem ärztlichen Gutachten zitierten Quellen jedoch nicht hervor. Die Prognose, es werde weiterhin zu häufigen Fehlzeiten kommen, sei nicht belastbar. Zudem sei es denkbar, dass es Dienstposten gebe, auf denen der Kläger trotz seiner Einschränkungen eingesetzt werden könne.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 25. März 2013 (5 LA 338/11) die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, die Möglichkeit, einen Polizeivollzugsbeamten gemäß § 110 2. Halbsatz NBG anderweitig zu verwenden, erfordere die Feststellung der allgemeinen Dienstfähigkeit. Diese Feststellung trete neben die Feststellung zur Polizeidienstfähigkeit. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung nicht ausreichend geprüft worden seien. Eine anderweitige Verwendung komme dann nicht in Betracht, wenn ärztlicherseits festgestellt worden sei, dass der Beamte überhaupt keinen Dienst mehr leisten könne. Eine solche Feststellung treffe das polizeiärztliche Gutachten vom 9. Juli 2009. Danach leide der Kläger unter anderem unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich trotz umfangreicher Therapien nicht durchgreifend gebessert habe. Deshalb sei weiterhin von häufigen Fehlzeiten auszugehen, wie dies auch bereits in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Wiedereingliederungsmaßnahmen, der Einsatz auf Dienstposten mit sehr eingeschränkten Tätigkeitsbereichen und auch mehrfache Klinikaufenthalte hätten seine Einsatzfähigkeit nicht wiederhergestellt. In der Zeit von April 2005 bis November 2008 sei er - die Zeiten der Wiedereingliederung eingeschlossen - an 816 Tagen erkrankt gewesen. In der nachfolgenden Zeit bis zum vorzeitigen Ruhestand sei er durchgehend erkrankt gewesen. Selbst eine leichte Büro- und Verwaltungsdiensttätigkeit sei daher nicht möglich. Auf derartigen Dienstposten sei der Kläger eingesetzt worden; dies habe ihn aber derart belastet, dass sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert habe und gravierende Ausfallzeiten aufgetreten seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und meint, er sei weiterhin allgemein dienstfähig. Dies habe er im Zeitraum von 2005 bis 2008 gezeigt, als er zunächst bei der Polizeiinspektion Ost für vereinfachte Ermittlungsverfahren und anschließend beim Zentralen Kriminaldienst im Arbeitsbereich DNA tätig gewesen sei. Zu Unrecht gehe die Beklagte davon aus, dass er 816 Fehltage aufweise. Davon abzuziehen seien die Zeiten der Wiedereingliederung, während derer er tatsächlich gearbeitet habe. Zudem habe er in den Jahren 2007 und 2008 eine große Anzahl von Akten bearbeitet. Die Ursache für die auf dem letzten Dienstposten aufgetretenen Schwierigkeiten sei allein in der Auseinandersetzung mit der damaligen Abteilungsleiterin zu sehen. Die Tätigkeit selbst habe er ordnungsgemäß ausgeübt und könne er auch weiterhin ausüben. Auch der Polizeiarzt habe in einer Bescheinigung vom 21. August 2008 einen weiteren Einsatz im Arbeitsbereich DNA befürwortet. Die weitere polizeiärztliche Bewertung stehe im Widerspruch zu dieser und weiteren Stellungnahmen aus den Jahren 2007 und 2008 und auch im Widerspruch zu einer Bescheinigung der F. vom 24. Mai 2013. Eine anderweitige Verwendung habe die Beklagte zu Unrecht nicht geprüft. Auch seine Behinderung sei unberücksichtigt geblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Bescheid vom 28. August 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher zu ändern und die Klage abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der allgemeinen Dienstunfähigkeit eines Polizeivollzugsbeamten ist § 26 BeamtStG i. V. m. den landesrechtlichen Vorschriften der §§ 43, 110 NBG. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Über diese allgemeine Regelung hinaus trifft § 110 NBG, zu dessen Erlass § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG ermächtigt, für Polizeivollzugsbeamte eine besondere Regelung. Ein Polizeivollzugsbeamter ist schon dann dienstunfähig (§ 26 Abs. 1 BeamtStG), wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die ausgeübte oder die künftig auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt.

Aus den vorgenannten Vorschriften ergibt sich, dass der Dienstherr auf der ersten Stufe seiner Prüfung feststellen muss, ob der Polizeivollzugsbeamte noch den besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes genügt, mithin polizeidienstfähig ist. Polizeidienstfähig ist ein Beamter, wenn er die besonderen gesundheitlichen Anforderungen für sämtliche Funktionen der Laufbahnen der Fachrichtung Polizei erfüllt und demzufolge zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung auf allen entsprechenden Dienstposten einsetzbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2005 - BVerwG 2 C 4.04 -, [...] Rn. 9 f.). Wie § 110 NBG in seinem Wortlaut zum Ausdruck bringt, kommt es auf die volle Verwendungsfähigkeit, und zwar bezogen auf die gesamte Breite der Tätigkeit eines Polizeivollzugsbeamten, an.

Gelangt der Dienstherr - wie in diesem Fall - zu dem Ergebnis, dass ein Polizeivollzugsbeamter polizeidienstunfähig ist, muss er in einem zweiten Schritt prüfen, ob die von dem Beamten ausgeübte oder künftig auszuübende Funktion die besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt erfordert und der Beamte deshalb zwar als polizeidienstunfähig, nicht aber zugleich als allgemein dienstunfähig i. S. v. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG anzusehen ist. Die Bedeutung des § 110 2. Halbsatz NBG liegt darin, dass die Vorschrift den Maßstab verschiebt. Es kommt nicht mehr darauf an, ob der Beamte den Anforderungen aller Funktionen seiner Laufbahn in vollem Umfang genügt, sondern es ist maßgeblich, ob der Beamte auf Dauer weiterhin innerhalb seiner Laufbahn auf einem Dienstposten, der keine besonderen Anforderungen an die Gesundheit des Dienstposteninhabers stellt, verwendet werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2005, a. a. O., Rn. 10 ff., zu der vergleichbaren Regelung des § 194 Abs. 1 LBG NRW a. F.; ebenso Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 8.9.1997, LT-Drs. 13/3220, S. 59, zu der Vorgängerfassung des § 226 NBG a. F.). Die volle Verwendungsfähigkeit des Beamten ist mithin nicht erforderlich, sofern eine eingeschränkte Verwendungsfähigkeit verbleibt und ein entsprechender Dienstposten tatsächlich zur Verfügung steht. Dies entspricht im Grundsatz dem allgemeinen Maßstab für die Feststellung der Dienstunfähigkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtStG. Dienstunfähigkeit setzt danach voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist. Reicht die Leistungsfähigkeit des Beamten für einen Teil der amtsangemessenen Dienstposten aus, sind diese aber besetzt, so hängt die Dienstunfähigkeit von den personellen und organisatorischen Gegebenheiten bei der Beschäftigungsbehörde ab. Der Beamte ist weiterhin dienstfähig, wenn ein geeigneter Dienstposten entweder für ihn freigemacht oder durch organisatorische Änderungen eingerichtet werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.3.2009 - BVerwG 2 C 73.08 -, [...] Rn. 14 f.). Im Unterschied zu dem allgemeinen Maßstab belässt § 110 2. Halbsatz NBG dem Dienstherrn allerdings einen erweiterten Spielraum, ob er eine entsprechende Verwendungsentscheidung trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2005, a. a. O., Rn. 13).

Aus dieser gesetzlichen Systematik und insbesondere den unterschiedlichen Maßstäben - der vollen Verwendungsfähigkeit im Polizeivollzugsdienst einerseits und der eingeschränkten Verwendungsfähigkeit bezogen auf einen einzelnen dem Amt zugeordneten Dienstposten andererseits - ergibt sich zugleich, dass der Dienstherr gehalten ist, mindestens implizit Feststellungen sowohl zur Polizeidienstfähigkeit als auch zur allgemeinen Dienstfähigkeit zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2005, a. a. O., Rn. 12; Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 C 7.11 -, [...] Rn. 12, 25; Plog/Wiedow, BBG, Band 6, § 110 NBG Rn. 11 <Stand der Bearbeitung: April 2012>; ebenso zu der Vorgängerfassung des § 226 NBG a. F. H. Sommer, in: Sommer/Konert/Sommer, NBG, 2001, § 226 Rn. 2; zu der vergleichbaren Vorschrift des § 116 LBG NRW auch Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 116 LBG NRW Rn. 37 <Stand der Bearbeitung: Januar 2013>). Nur dies versetzt ihn in die Lage, über die gemäß § 110 2. Halbsatz NBG eröffnete weitere Verwendungsmöglichkeit sachgerecht zu entscheiden.

Die Feststellung der Beklagten, der Kläger sei allgemein dienstunfähig, erweist sich auch sonst als frei von Rechtsfehlern.

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist ein Beamter dienstunfähig, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Als dienstunfähig kann gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i. V. m. § 43 Abs. 2 NBG auch angesehen werden, wer infolge einer Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist von sechs Monaten die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.

Die Entscheidung über die Feststellung der Dienstunfähigkeit trifft der Dienstherr gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 45 NBG aufgrund eines ärztlichen Gutachtens (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3.8.2012 - 5 LB 234/10 -, [...] Rn. 41). Stützt sich dieser bei der Beantwortung der Frage, ob eine Störung mit Krankheitswert die Dienstfähigkeit des Beamten beeinträchtigt, auf die Erkenntnisse eines Amtsarztes, kommt dem Amtsarzt aufgrund seiner besseren Kenntnisse hinsichtlich der Belange der öffentlichen Verwaltung und der von dem Beamten zu verrichtenden Tätigkeiten sowie seiner größeren Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit ein Vorrang zu, es sei denn, es liegen privatärztliche detaillierte gegenteilige Feststellungen zur Frage der Dienstfähigkeit vor (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9.3.2007 - 5 LA 258/06 -, [...] Rn. 13).

Nach diesen Maßgaben war der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten als dienstunfähig anzusehen. Der von der Beklagten mit der Untersuchung des Klägers betraute Polizeiarzt kommt in seinem Gutachten vom 9. Juli 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 13. August 2009 zu dem Schluss, dass jeder weitere Einsatz des Klägers im Polizeivollzugsdienst ausscheidet. Insbesondere komme auch eine Tätigkeit im Innendienst mit vorwiegender Büroarbeit nicht in Betracht, weil diese möglicherweise mit Flashbacks sowie mit Überlastungssituationen verbunden wäre. Damit sei der Kläger nicht mehr in der Lage, den Anforderungen des Polizei- und des Verwaltungsdienstes zu genügen.

Anders als der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ist das Gutachten des Polizeiarztes in vollem Umfang verwertbar. Insbesondere war der Polizeiarzt nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wegen Besorgnis der Befangenheit von der Mitwirkung im Verwaltungsverfahren ausgeschlossen (vgl. zur Anwendbarkeit der Befangenheitsvorschriften auf behördlich beauftragte Sachverständige Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 26 Rn. 27 und 31). Ein Grund, der bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Polizeiarztes zu begründen, liegt nicht vor. Selbst wenn es entgegen der Darstellung im Verwaltungsvorgang zutreffen sollte, dass die Dienstvorgesetzte des Klägers diesen Anfang September 2008 persönlich zum Polizeiarzt gebracht und ein längeres Gespräch mit dem Arzt geführt hat, ist weder dem Verhalten des Polizeiarztes noch dem Gutachten selbst ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass dieser den Kläger nicht unparteiisch und objektiv beurteilt hat. Im Gegenteil spricht die sehr umfangreiche, gerade auch die behandelnden Ärzte des Klägers einbeziehende Ermittlung der Tatsachengrundlage des Gutachtens ebenso wie die Beauftragung einer Zusatzgutachterin für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet für eine neutrale und sachbezogene Herangehensweise. Zudem hat der Polizeiarzt den Kläger zu einem späteren Zeitpunkt im September 2008, also nicht etwa unmittelbar im Anschluss an das vorgenannte Gespräch, zwecks Erstellung des Gutachtens persönlich untersucht und gerade auch die in diesem Rahmen getätigten eigenen Aussagen und Einschätzungen des Klägers in seinem Gutachten ausführlich gewürdigt.

Der Senat sieht auch keinen Anlass, die Validität der polizeiärztlichen Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Die Feststellungen, die unter anderem auf dem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten vom 30. Juni 2009 beruhen, werden sorgfältig und in jeder Hinsicht schlüssig begründet. Soweit sich das neurologisch-psychiatrische Zusatzgutachten zu der Frage einer Tätigkeit im Verwaltungsdienst ohne weitere Fachhochschulausbildung nicht geäußert hat, hat der Polizeiarzt eine eigene überzeugend begründete Einschätzung vorgenommen. Diese Einschätzung wird durch die berufliche Situation des Klägers in der Vergangenheit bestätigt. Obwohl dieser seit dem Jahr 2005 auf Dienstposten eingesetzt war, die überwiegend leichte Bürotätigkeiten zum Gegenstand hatten und die nur geringe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Beamten stellten, hat er seine gesundheitliche Situation nicht stabilisieren können. Im Gegenteil waren auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der von der Beklagten genannten Zahl von 816 Tagen die umfangreichen Zeiten der Wiedereingliederung enthalten sind, erhebliche Krankheitszeiten zu verzeichnen. Seit September 2008 war der Kläger durchgehend dienstunfähig erkrankt. Nach Auffassung aller behandelnden Ärzte hatten zudem die bisherigen ambulanten und stationären Therapiemaßnahmen nicht zu einer durchgreifenden Besserung der posttraumatischen Belastungsstörung geführt; eine Verbesserung des Zustands in absehbarer Zeit war aus ärztlicher Sicht nicht wahrscheinlich. All das zeigt, dass das Leistungsvermögen des Klägers einen Einsatz innerhalb seiner Laufbahn auch auf einem Dienstposten, der keine besonderen Anforderungen an die Gesundheit des Dienstposteninhabers stellt (§ 110 2. Halbsatz NBG), nicht zuließ und er deshalb als allgemein dienstunfähig anzusehen war. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, die der Kläger in seiner Berufungserwiderung angeregt hat, war vor diesem Hintergrund nicht veranlasst.

Zu Unrecht stützt sich das Verwaltungsgericht auf den in dem polizeiärztlichen Gutachten zitierten Entlassungsbericht der F. vom 29. Januar 2009. In dem Bericht heißt es zwar abschließend, der Kläger werde bedingt dienstfähig aus der Therapie entlassen und könne leichte Büro- und Verwaltungstätigkeiten ausüben. Diesen Ausführungen folgt der Polizeiarzt, dessen zentrale Kompetenzen gerade im Bereich der Beurteilung der Dienstfähigkeit liegen, indes nicht. Die Begründung, aufgrund der bisherigen Erfahrungen müsse weiterhin mit erheblichen Ausfallzeiten gerechnet werden, ist nach den obigen Ausführungen plausibel, zumal der Kläger in der Vergangenheit - ohne Erfolg - mit derartigen Tätigkeiten betraut war und er selbst nicht vorgetragen hat, dass sich sein Gesundheitszustand in den Jahren 2008/2009 nachhaltig verbessert habe.

Die Feststellungen des polizeiärztlichen Gutachtens werden auch nicht durch die polizeiärztliche Bescheinigung vom 21. August 2008 in Frage gestellt. In dieser Bescheinigung äußert der Polizeiarzt zwar die Einschätzung, der Kläger solle in Anbetracht des bisherigen Krankheitsverlaufs an seinem derzeitigen Arbeitsplatz im Arbeitsbereich DNA weiter eingesetzt werden. Dieses Schreiben war jedoch auf eine beabsichtigte Umsetzung des Klägers bezogen und beruhte nicht auf einer aktuellen Untersuchung. Vielmehr lag das letzte polizeiärztliche Gutachten vom 28. Juni 2007 bereits mehr als ein Jahr zurück. Vor diesem Hintergrund kann dem Schreiben nicht entnommen werden, dass der Polizeiarzt dem Kläger im August 2008 die Dienstfähigkeit bescheinigen wollte. Vielmehr hat die den Kläger behandelnde Therapeutin in einem von dem Polizeiarzt zitierten Befundbericht vom 10. September 2008 eine umfassende Dienstunfähigkeit attestiert. Diese Feststellung deckt sich mit den weiteren Feststellungen des Polizeiarztes und der von ihm beauftragten Zusatzgutachterin.

Der Senat vermag auch - im Gegensatz zu der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen eigenen Einschätzung des Klägers - nicht davon auszugehen, dass die psychischen Erkrankungen zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand bereits ausgeheilt waren und lediglich die Krebserkrankung zu Einschränkungen führte. Abgesehen davon, dass die vorgenannten Gutachten auch auf der Grundlage der eigenen Einschätzung des Klägers in den Jahren 2008/2009 zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangen, ist dem anlässlich eines weiteren stationären Aufenthaltes erstellten Befundbericht der F. vom 25. Mai 2013 zu entnehmen, dass die psychischen Erkrankungen in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie rezidivierender depressiver Episoden selbst vier Jahre nach der Zurruhesetzung noch andauerten, Einschränkungen der Dienstfähigkeit bestanden und eine ambulante Psychotherapie weiterhin empfehlenswert erschien. Von einem Ausheilen der psychischen Erkrankungen kann mithin bis in das Jahr 2013 hinein keine Rede sein.

Soweit der Kläger überdies einer weiteren Bescheinigung der F. vom 24. Mai 2013 seine Dienstfähigkeit im Jahr 2009 entnehmen möchte, ist diese Bescheinigung keine Grundlage für eine ihm günstige Feststellung zu seinem damaligen Gesundheitszustand. Selbst wenn sich der Gesundheitszustand im Jahr 2013 günstiger darstellen sollte, erlaubte dies keinen Rückschluss auf den Zustand im Jahr 2009. Hinzu kommt, dass die Bescheinigung zwar eine Dienstfähigkeit bejaht, gleichwohl aber in Widerspruch zu dieser Feststellung eine erneute Aufnahme des Dienstes erst ab August 2013 befürwortet. Die weitere Bescheinigung der F. vom 25. Mai 2013 geht schließlich - ebenfalls in Widerspruch zur Feststellung der Dienstfähigkeit nur einen Tag zuvor - von einer aktuellen Dienstunfähigkeit aus.

Anders als der Kläger meint, musste die Beklagte auch die Behinderung des Klägers nicht berücksichtigen. Maßstab für die Frage der Dienstfähigkeit ist bei behinderten ebenso wie bei nicht behinderten Beamten, ob sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig sind. Das war bei dem Kläger nach den obigen Ausführungen der Fall.

Hinzu kommt schließlich, dass sich die Beklagte zu Recht auf § 26 Abs. 1 Satz 2 NBG i. V. mit § 43 Abs. 2 NBG berufen hat. Zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung war der Kläger seit nahezu einem Jahr dienstunfähig erkrankt. Die Möglichkeit einer Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit binnen sechs Monaten war nach der übereinstimmenden Ansicht aller mit dem Fall betrauten Ärzte ausgeschlossen.

Die Beklagte war auch nicht gehalten, von der Versetzung in den Ruhestand gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG abzusehen. Von der Versetzung in den Ruhestand soll danach abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Eine anderweitige Verwendung ist gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG möglich, wenn dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Dies setzt allerdings - ebenso wie die weiteren in § 26 Abs. 3, § 27 BeamtStG vorgesehenen Verwendungen - voraus, dass der Beamte über ein Restleistungsvermögen verfügt, das die Übertragung eines anderen Amtes bzw. Dienstpostens ermöglicht. Die Prüfung einer anderweitigen Verwendung ist deshalb nur dann erforderlich, wenn der Beamte im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand tatsächlich anderweitig verwendbar ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.1.2013 - 5 LA 228/12 -, [...] Rn. 10).

Eine solche anderweitige Verwendungsfähigkeit bestand bei dem Kläger ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 9. Juli 2009 nicht. Dieser war nach den obigen Ausführungen nicht in der Lage, selbst leichte Büro- und Verwaltungstätigkeiten auszuüben, zumal er - anders als er selbst meint - gerade eine solche Tätigkeit in der Vergangenheit nicht erfolgreich verrichten konnte. Auch im Arbeitsbereich DNA kam es zu Überlastungssituationen und zu ganz erheblichen Fehlzeiten, die insgesamt unter Berücksichtigung der Zeiten der Wiedereingliederung die Zeiten der vollen Dienstverrichtung seit Beginn der Erkrankung im April 2005 bei weitem übersteigen. Auch ein weiterer Einsatz im Innendienst der allgemeinen Verwaltung war damit ausgeschlossen. Ein Dienstposten, der noch geringere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Beamten stellt, ist nicht ersichtlich.