Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.03.2023, Az.: 14 ME 16/23

Abwehranspruch; Höchstgehaltsüberschreitung; Lebensmittelpranger; Verhältnismäßigkeit; Veröffentlichung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.03.2023
Aktenzeichen
14 ME 16/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 14396
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0324.14ME16.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 07.02.2023 - AZ: 15 B 1080/23

Fundstelle

  • GRUR-Prax 2023, 282 ""Lebensmittelpranger""

Amtlicher Leitsatz

Eine Veröffentlichung auf der Grundlage des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB ist unverhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung der dieser Regelung zugrundeliegenden gesetzlichen Zwecke allenfalls (noch) so wenig geeignet ist, dass das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung hinter dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an deren Unterbleiben zurücktritt.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 15. Kammer - vom 7. Februar 2023 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die zuletzt mit ihrem Mitteilungsschreiben vom 10. Februar 2023 (Az. 53.31/04-03-Dir HREG-CE-0001-2023) angekündigte Veröffentlichung auf der Internetseite www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de vorzunehmen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin wehrt sich gegen eine von der Antragsgegnerin beabsichtigte und auf § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB gestützte Veröffentlichung einer (zwischen den Beteiligten streitigen) Höchstgehaltsüberschreitung in einem bis vor einiger Zeit von der Antragstellerin in Verkehr gebrachten Lebensmittel ("E." mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 21. Januar 2023) auf der Internetseite www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de. Ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss mit der allein tragenden Begründung abgelehnt, es fehle an einem Anordnungsgrund.

Die hiergegen gerichtete zulässige Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin hat in ihrer Beschwerdebegründung dargelegt, dass der vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss verneinte Anordnungsgrund vorliegt (dazu unter 1.). Der Senat sieht - auf der Grundlage der danach vorzunehmenden Vollprüfung - auch die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch als gegeben an (dazu unter 2.).

1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, es fehle an einem Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO. Die Sache sei nicht mehr eilbedürftig, weil die Antragsgegnerin von der mit Mitteilungsschreiben vom 18. Januar 2023 angekündigten und hier gegenständlichen Veröffentlichung Abstand genommen habe (Schreiben der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2023). Soweit die Antragstellerin vortrage, die Antragsgegnerin halte an ihrer Veröffentlichungsabsicht dem Grunde nach fest, da sie die Antragstellerin mit Schreiben vom 31. Januar 2023 erneut zu einer beabsichtigten Veröffentlichung der gefundenen Mängel angehört habe und sie aus diesem Grund weiterhin eine Sicherungsanordnung nach § 123 VwGO für erforderlich halte, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Ausweislich des Anhörungsschreibens sowie auch der Erläuterung der Antragsgegnerin habe die Antragstellerin zunächst bis zum heutigen Tag (mithin bis zu dem Tag der erstinstanzlichen Entscheidung, 7. Februar 2023) Zeit für eine Stellungnahme. Erst nach deren Prüfung durch die Antragsgegnerin werde eine abschließende Entscheidung über eine Veröffentlichung getroffen. Demnach sei jedenfalls derzeit keine Veröffentlichung der lebensmittelrechtlichen Mängel vorgesehen. Sollte die Antragsgegnerin nach erfolgter Anhörung erneut eine Veröffentlichung vorsehen, so sei gegen diese zu gegebener Zeit ein neues Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz statthaft. Für ein Zuwarten im Rahmen des laufenden Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz, bis es zu der angekündigten erneuten Entscheidung über eine Veröffentlichung komme, bestehe hingegen kein Rechtsschutzbedürfnis.

Die Antragstellerin hat in ihrer Beschwerdebegründung dargelegt, dass jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ein Anordnungsgrund vorliegt (vgl. hierzu Dombert, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 431). Denn die Antragsgegnerin hat mit an die Antragstellerin gerichtetem Mitteilungsschreiben vom 10. Februar 2023 (erneut) erklärt, dass sie die Veröffentlichung zu der Höchstgehaltsüberschreitung bezogen auf die Gehalte an Benzo(a)pyren, Benzo(a)anthracen, Benzo(b)fluotanthen und Chrysen (PAK) in dem Lebensmittel "E." mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 21. Januar 2023 sieben Tage nach Bekanntgabe dieses Schreibens vornehmen werde.

Die Auffassung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin verbleibe ausschließlich die Möglichkeit, ihre Einwände gegen die nunmehr beabsichtigte Veröffentlichung in einem neuen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen, teilt der Senat nicht. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob dadurch, dass die Antragsgegnerin von der konkreten Veröffentlichung vorerst Abstand genommen und das Mitteilungsschreiben vom 18. Januar 2023 zurückgezogen hatte, eine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten war und sich der nunmehr zur Entscheidung des Senats gestellte - das Mitteilungsschreiben vom 10. Februar 2023 betreffende - Antrag auf einen geänderten Streitgegenstand bezieht. Selbst wenn man hiervon ausginge, läge nämlich in diesem Einzelfall eine zulässige Antragsänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO vor. Zwar sind Antragsänderungen im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen können aber in Betracht kommen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich geändert hat oder andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen ist (vgl. Senatsbeschl. v. 19.1.2022 - 14 ME 58/22 -, juris Rn. 23 u. v. 27.1.2022 - 14 ME 55/22 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Beschl. v. 18.7.2013 - 8 ME 110/13 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 19.3.2013 - 8 ME 44/13 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 15.3.2011 - 11 ME 59/11, juris Rn. 7; Beschl. v. 4.8.10 - 11 ME 279/10 -, NVwZ-RR 2010, 902; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 ME 307/09 -, juris Rn. 28; Hess. VGH, Beschl. v. 12.7.2011 - 1 B 1046/11 -, juris Rn. 32; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 11.5.2009 - OVG 11 S 24.09 -, juris Rn. 5). Ein solcher Ausnahmefall läge hier, bejahte man eine Änderung des Streitgegenstandes, vor. Denn die Sachlage hätte sich aufgrund des - sogar noch innerhalb der Frist zur Einlegung der Beschwerde ergangenen - Mitteilungsschreibens vom 10. Februar 2023 entscheidend geändert. Auch die Voraussetzungen für eine zulässige Antragsänderung entsprechend § 91 Abs. 1 VwGO liegen in diesem Einzelfall vor. Der Senat hält eine solche Änderung für sachdienlich, weil trotz der Änderung der Sachlage gleichwohl der entscheidungserhebliche Sachverhalt im Wesentlichen identisch geblieben ist. Nach wie vor streiten die Beteiligten um die auf § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB gestützte Veröffentlichung der (zwischen den Beteiligten streitigen) Höchstgehaltsüberschreitung derselben Stoffe in dem bis vor einiger Zeit von der Antragstellerin in Verkehr gebrachten Lebensmittel "E." mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 21. Januar 2023 auf der Internetseite www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de. Dabei soll der Inhalt der Veröffentlichung ausschließlich um die zusätzliche Anmerkung "Die Untersuchungen weiterer Chargen auf die Summe der Gehalte an Benzo(apyren, Benzo(a)anthracen,Benzo(b)fluoranthen und Chrysen waren unauffällig." ergänzt werden. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin lediglich weitere Erläuterungen zum Sachverhalt gegeben und ihre Rechtsauffassung argumentativ weiter untermauert.

2. Die Antragstellerin hat auch glaubhaft gemacht, dass ein Anordnungsanspruch besteht.

Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in der durch Art. 12 Abs. 1 GG (hier i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) geschützten Berufsfreiheit der Antragstellerin. Der Anspruch setzt voraus, dass sich die Veröffentlichung als rechtswidriger Eingriff in dieses Grundrecht darstellt (vgl. Senatsbeschl. v. 22.2.2023 - 14 ME 357/22 -, juris Rn. 11; NdsOVG, Beschl. v. 20.10.2022 - 14 ME 304/22 -, juris Rn. 13; VGH BW, Beschl. v. 12.4.2021 - 9 S 661/21 -, juris Rn. 13 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 -, juris Rn. 22).

Als den Eingriff rechtfertigende Befugnisnorm kommt allein § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. September 2021 (BGBl. I S. 4253) in Betracht, auf die die Antragsgegnerin die beabsichtigte Veröffentlichung auch stützt. Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden.

Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Veröffentlichung als rechtswidrig, sie würde die Antragstellerin in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) verletzen. Unabhängig davon, ob bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen eines "durch Tatsachen hinreichend begründeten Verdachts" und der "Unverzüglichkeit" zu verneinen sind (dazu unter a) wäre die Veröffentlichung in diesem Einzelfall auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes bei Würdigung aller Umstände voraussichtlich unverhältnismäßig (dazu unter b).

a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob es - so die Antragstellerin - hinsichtlich der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Höchstgehaltsüberschreitung in dem Lebensmittel "E." mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 21. Januar 2023 bereits an einem durch Tatsachen hinreichend begründeten Verdacht fehlt. Die Antragstellerin beanstandet in diesem Zusammenhang zum einen die Validität der Untersuchungsergebnisse, auf die die Antragsgegnerin ihre Annahme stützt. Zum anderen verweist die Antragstellerin auf die Untersuchungsergebnisse des akkreditierten Labors F., G.. Daraus ergebe sich, dass der Höchstgehalt der fraglichen Stoffe in den Produkten der betroffenen Charge mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 21. Januar 2023 nicht überschritten worden sei.

Der Senat lässt offen, ob der letztgenannte Umstand Anlass zu weiteren Ermittlungen hätte geben müssen. Der Wortlaut des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB steht dem nicht entgegen, da er für den Fall von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625 fordert. Es ist danach nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall noch weitere Untersuchungen erforderlich sein können. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass eine Veröffentlichung wegen ihrer potentiell erheblichen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Betätigung der Lebensmittelunternehmen zumindest eine auf einem ausermittelten Sachverhalt mit dokumentierten Überwachungsergebnissen fußende Annahme eines Verstoßes erfordert; ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht der Behörde genügt nicht. § 40 Abs. 4 Satz 1 LFGB, welcher bei nachträglichem Offenbarwerden einer Unrichtigkeit der veröffentlichten Informationen oder der zugrundeliegenden Umstände die Pflicht der veröffentlichenden Behörde zu deren Korrektur auslöst, entbindet die Behörde deshalb nicht von der Anforderung, bereits von Anfang an nur solche Informationen zu veröffentlichen und Umstände zugrunde zu legen, die sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung aufgrund abschließender Ermittlungen für wahr hielt und halten durfte (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 30.9.2020 - 13 ME 377/19 -, juris Rn. 29). Die Antragsgegnerin hat trotz des von der Antragstellerin beigebrachten abweichenden Untersuchungsergebnisses keinen Anlass gesehen, die von ihr eingeholten Untersuchungsergebnisse in Frage zu stellen. Zur Begründung verweist sie darauf, dass auch nach den von der Antragstellerin eingeholten Untersuchungsergebnissen die Höchstgehalte - was allerdings zutrifft - nur knapp unterschritten würden.

Ebenfalls offenbleiben kann, ob die Veröffentlichung noch "unverzüglich" im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB wäre. Zu diesem Begriff hat der Senat in seinem Beschluss vom 20. Oktober 2022 (14 ME 304/22, juris) darauf abgestellt, dass in Anlehnung an die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB ein Handeln "ohne schuldhaftes Zögern" erforderlich sei. Der Senat hat außerdem hervorgehoben, dass mit dem tatbestandlichen Merkmal der Unverzüglichkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 58) und der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/8349, S. 19) "ein möglichst geringer zeitlicher Abstand der zu veröffentlichenden Information zu dem die Informationspflicht auslösenden Rechtsverstoß und dadurch eine hohe Aktualität gewährleistet werden (soll). Mit sinkender Aktualität der Information reduziert sich auch der Wert dieser Information für die Verbraucherinnen und Verbraucher und umso weniger ist den hiervon Betroffenen die Veröffentlichung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zuzumuten (VGH BW, Beschl. v. 9.11.2020 - 9 S 2421/20 -, juris Rn. 21; VG München, Beschl. v. 19.5.2020 - M 26 E 20.1579 -, juris Rn. 44; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist keine starre zeitliche Grenze, sondern eine Beurteilung der konkreten Umstände des Einzelfalles, wobei der zuständigen Behörde eine nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen ist."

Ob hiervon ausgehend ein "schuldhaftes Zögern" der Antragsgegnerin damit begründet werden kann, dass die Untersuchung der Proben beim Lebensmittel- und Veterinärinstitut H. /C-Stadt (LVI) einen erheblichen Zeitraum in Anspruch genommen hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Probenziehung erfolgte am 11. Oktober 2022. Der Prüfbericht des LVI wurde erst am 14. Dezember 2022 erstellt und der Antragsgegnerin erst am 30. Dezember 2022 übermittelt. Die (erste) Anhörung der Antragstellerin erfolgte unter dem 6. Januar 2022. Aufgrund der Rücknahme des ersten Mitteilungsschreibens vom 18. Januar 2023 war die Veröffentlichung letztlich erst nach einer Wartefrist von sieben Tagen nach Zustellung des (neuen) Mitteilungsschreibens vom 10. Februar 2023, also Mitte Februar, vorgesehen. Somit lagen zwischen Probenziehung und Veröffentlichung insgesamt mehr als vier Monate; zu dem avisierten Zeitpunkt der Veröffentlichung war zudem das Mindesthaltbarkeitsdatum der betroffenen Charge bereits beinahe einen Monat lang abgelaufen. Die Antragsgegnerin beruft sich darauf, dass maßgeblich für den Beginn des in Rechnung zu stellenden Zeitraums nicht der Tag der Probenziehung, sondern derjenige der Feststellung des Verstoßes (14. Dezember 2022) sei und sie selbst das Verfahren sodann zügig vorangetrieben habe.

Sowohl diese zeitliche Komponente wie auch der Umstand, dass die Antragstellerin für das betroffene Produkt Untersuchungsergebnisse eines akkreditierten Labors vorgelegt hat, nach denen die Höchstgehaltsgrenze der in Rede stehenden Stoffe nicht überschritten war, führen allerdings - wie nachfolgend dargestellt - in einer Gesamtschau mit weiteren Umständen dazu, dass eine Veröffentlichung nicht mehr als verhältnismäßig angesehen werden kann.

b) Die Veröffentlichung wäre unverhältnismäßig, weil sie zur Erreichung der § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB zugrundeliegenden gesetzlichen Zwecke allenfalls (noch) so wenig geeignet ist, dass das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung hinter dem Interesse der Antragstellerin an deren Unterbleiben zurücktritt (vgl. zu einer solchen Sachlage auch OVG NRW, Beschl. v. 15.1.2019 - 13 B 1587/18 -, juris Rn. 44 ff.).

Die Information nach § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB dient nicht der Abwehr einer konkreten Gesundheitsgefährdung der Verbraucher. Ihr Sinn und Zweck ist - anders als bei der Information nach § 40 Abs. 1 Satz 1 LFGB - nicht unmittelbar auf die Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lebensmittel oder Futtermittel gerichtet. Vielmehr soll die Information in erster Linie eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen sowie - nachrangig - quasi erzieherisch - zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beitragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Bestimmungen zu betreiben. Die Information zielt also direkt auf eine Veränderung der Marktbedingungen konkret adressierter Unternehmen. Diese Veränderungen sind für die betroffenen Unternehmen damit nicht bloßer Reflex einer nicht auf sie ausgerichteten gesetzlichen Regelung. Die informationellen Grundlagen von Konsumentscheidungen zu verändern, ist vielmehr der originäre Zweck der Regelung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris, Rn. 29 u. 32 unter Verweis auf BT-Drs. 17/7374, S. 2; OVG NRW, Beschl. v. 15.1. 2019 - 13 B 1587/18 -, juris Rn. 20 ff., m.w.N.).

§ 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB ist verfassungskonform auszulegen und anzuwenden, um die Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung im Einzelfall zu gewährleisten. So ist nur die Verbreitung richtiger Informationen zur Erreichung des Informationszwecks geeignet. Die zuständigen Behörden haben bei der Rechtsanwendung von Verfassungs wegen Vorkehrungen zu treffen, um die Richtigkeit der Information zu sichern und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden. Sie müssen etwa die Mitteilung mit der Information verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben wurde. Inwieweit Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB im Übrigen praktisch zu einer gehaltvollen Information der Öffentlichkeit taugen, hängt maßgeblich davon ab, wie die Behörden die Informationen aufbereiten und darstellen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 30.9.2020 - 13 ME 377/19 -, juris Rn. 29; OVG NRW, Beschl. v. 14.3.2019 - 13 B 67/19 -, juris Rn. 18 m.w.N.). Die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Veröffentlichung genügt diesen Maßgaben nicht. Die vorgesehenen Informationen sind nicht geeignet, die Erfüllung des gesetzlichen Informationszwecks zu gewährleisten und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden.

Bezogen auf die konkret betroffene Charge des Produkts mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 21. Januar 2023 kann aufgrund des Zeitablaufs eine eigenverantwortliche Konsumentenentscheidung der Verbraucher nicht mehr gefördert werden. Die Antragstellerin bringt Produkte dieser Charge bereits seit längerem nicht mehr in den Verkehr. Aufgrund des - auch zum ursprünglich nach dem Mitteilungsschreiben vom 10. Februar 2023 avisierten Zeitpunkt der Veröffentlichung - schon lange abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums ist außerdem nicht davon auszugehen, dass bereits erworbene Produkte dieser Charge noch in einer relevanten Größenordnung konsumiert werden.

Das Gesetzesziel, eine eigenverantwortliche Konsumentenentscheidung der Verbraucher zu fördern, kann also von vorneherein nur in Bezug auf weitere, aktuellere Chargen des Produkts in Betracht kommen, nämlich in dem Sinne, dass Verbraucher auf der Grundlage der Information möglicherweise davon Abstand nehmen, das Produkt "E." zu erwerben, weil sie vergleichbare Höchstgehaltsüberschreitungen auch in aktuelleren Chargen befürchten. Die Antragstellerin hat jedoch gerade in Bezug auf sämtliche weiteren Chargen, die von ihr in Verkehr gebracht werden, Untersuchungsergebnisse eines unabhängigen Labors vorgelegt, nach denen eine solche Überschreitung nicht gegeben ist. Dies betrifft jedenfalls sämtliche Chargen bis zu einem Mindesthaltbarkeitsdatum 20. September 2023; dieser Zeitpunkt lag - ausgehend von der nach dem Mitteilungsschreiben vom 10. Februar 2023 avisierten Veröffentlichung - sogar nach Ablauf der Löschungsfrist des § 40 Abs. 4a LFGB. Diese Untersuchungsergebnisse werden von der Antragsgegnerin nicht angezweifelt. Anhaltspunkte für etwaige Zweifel sieht auch der Senat nicht. Welcher Gehalt einer Information der Öffentlichkeit vor diesem Hintergrund noch zukommen soll, ist nicht ersichtlich. Überdies wäre die von der Antragsgegnerin zur Veröffentlichung vorgesehene Information jedenfalls nicht vollständig und damit auch nicht richtig. Um Fehlvorstellungen beim Verbraucher zu vermeiden, bedürfte es aufgrund der zuvor geschilderten Umstände nämlich eines unmissverständlichen Hinweises, dass die Untersuchung sämtlicher von der Antragstellerin aktuell in Verkehr gebrachten Chargen (bis zu einem Mindesthaltbarkeitsdatum von ...) keine Auffälligkeiten in Bezug auf die beanstandete Höchstgehaltsüberschreitung ergeben haben. Der tatsächlich vorgesehene Hinweis der Antragsgegnerin "Die Untersuchungen weiterer Chargen auf die Summe der Gehalte an Benzo(a)pyren, Benzo(a)anthracen, Benzo(b)fluoranthen und Chrysen waren unauffällig." verschweigt demgegenüber gerade den für eine potentielle Verbraucherentscheidung überaus wesentlichen Aspekt, dass es sich dabei nicht um Chargen mit ebenfalls abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum handelte, sondern um sämtliche aktuell im Verkehr befindliche Chargen.

Dass die Information der Öffentlichkeit im vorliegenden Fall auch für Konsumentenentscheidungen bedeutsam sein könnte, die nicht das betroffene Produkt "E.", sondern hiervon unabhängig generell den Einkauf in Filialen der Antragstellerin betreffen, hält der Senat angesichts der Art des hier in Rede stehenden Verstoßes für fernliegend.

Auch das nachrangige Ziel des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB, (quasi erzieherisch) zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beizutragen, vermag die streitgegenständliche Veröffentlichung nicht zu rechtfertigen. Dabei stellt der Senat auch in Rechnung, dass die Überschreitung der Höchstgehaltsgrenze zwischen den Beteiligten nicht unstreitig ist. Einer solchen Unwägbarkeit kommt im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung durchaus ein gewisses Gewicht zu. Abgesehen davon hat die Antragstellerin in Bezug auf das betroffene Produkt - wie beschrieben - umfangreiche Maßnahmen ergriffen und damit auf den (aus ihrer Sicht: vermeintlichen) Verstoß denkbar umfassend reagiert. Eine darüberhinausgehende erzieherische Wirkung durch die Veröffentlichung wäre allenfalls als gering anzusehen. Überdies erscheint das "Erziehungsbedürfnis" der Antragstellerin als Inverkehrbringerin eines Fertigproduktes im vorliegenden Fall vergleichsweise geringer als etwa dasjenige des Herstellers, der konkrete Einwirkungsmöglichkeiten auf die Zusammensetzung des Produktes hat.

Lassen sich die gesetzgeberischen Zwecke mit der beabsichtigten Veröffentlichung damit nicht bzw. allenfalls - und das nur bei Änderung des Wortlauts - noch in einem zu vernachlässigenden Maße erreichen, ist der der Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin nicht zu rechtfertigen. Der für die Antragstellerin mit der Veröffentlichung verbundene Eingriff wiegt schwer. Die weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung der Höchstgehaltsüberschreitung im Internet kann zu einem erheblichen Reputationsverlust ihres Unternehmens und zu Umsatzeinbußen führen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 25.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Beilage 2/2013 zu NVwZ-Heft 23/2013, S. 57 ff.). In Anbetracht der mit dem Antrag begehrten Vorwegnahme der Hauptsache sieht der Senat von einer Reduzierung des Streitwertes ab.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).