Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.07.2013, Az.: 2 NB 224/13

Abhängigmachung der Zulassung für ein höheres Semester in Niedersachsen (hier: Studienfachwechsel zum 2. Semester eines Zwei-Fächer-Bachelor-Studiums) von hinreichenden Leistungsnachweisen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.07.2013
Aktenzeichen
2 NB 224/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 41758
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0711.2NB224.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 30.04.2013 - AZ: 12 C 2581/13

Amtlicher Leitsatz

Die Zulassung für ein höheres Semester (hier: Studienfachwechsel zum 2. Semester eines Zwei-Fächer-Bachelor-Studiums) kann auch in Niedersachsen von hinreichenden Leistungsnachweisen abhängig gemacht werden, selbst wenn dies in § 6 NHZG nicht mehr ausdrücklich geregelt ist.

[Gründe]

Die Antragstellerin, die bei der Antragsgegnerin bereits seit dem Wintersemester 2012/2013 in den Studiengängen Materielle Kultur und Philosophie (Zwei-Fächer-Bachelor) eingeschrieben war, begehrt für das Sommersemester 2013 die Zulassung im Studienfach Germanistik (2. Fachsemester) anstelle des Studienfaches Philosophie.

Nach den Angaben des Ablehnungsbescheides der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2013 ergab sich in Anwendung der Zulassungszahlenverordnung für dieses Fachsemester nur ein freier Platz bei 74 Bewerbungen; bei der auf § 15 Hochschul-Vergabeverordnung gestützten Auswahl habe der Antragstellerin kein Studienplatz zugewiesen werden können.

Das Verwaltungsgericht hat vorläufigen Rechtsschutz versagt, weil die Antragstellerin keinen der in § 6 Abs. 1 NHZG genannten Gründe für eine bevorzugte Berücksichtigung geltend gemacht habe. Daran scheitere auch eine außerkapazitäre Zulassung. Eine bescheinigte Anerkennung darüber, dass sie den für ein Studium in einem höheren Fachsemester erforderlichen Leistungsstand erfülle, habe sie nicht vorgelegt.

Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass § 6 NHZG auf außerkapazitäre Zulassungsverfahren keine Anwendung finde. Der Nachweis des erforderlichen Leistungsstandes für ein Studium in einem höheren Fachsemester sei nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens, sondern der Zugangsentscheidung; er müsse deshalb erst bei der Einschreibung vorliegen.

Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen und weist darauf hin, dass die Antragstellerin bislang weder einen Antrag auf Anrechnung von Studienleistungen gestellt noch hinreichende Leistungsnachweise für die Zulassung in einem höheren Fachsemester vorgelegt habe.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Änderung des angegriffenen Beschlusses.

1.1 Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf innerkapazitäre Zulassung zu einem höheren Studiensemester, weil sie nicht substantiiert geltend macht, sie habe - bei nach den Angaben im Ablehnungsbescheid 74 Bewerbern für einen freien Platz - nach §§ 6 NHZG, 15 Hochschul-Vergabeverordnung Anspruch auf einen besseren Rangplatz in einer danach zu bildenden Reihung gehabt. Ein "Quereinstieg" rangiert nach der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Bestimmungen (Drucksache 13/3210, S. 14) erst an letzter Stelle unter den "sonstigen Gründen" des § 6 Abs. 1 Nr. 3 NHZG. Auch der Senat geht davon aus, dass dies die hier maßgebliche Bestimmung ist. Dass die vorangehende Nr. 2 d) einen unmittelbaren Quereinstieg generell ausschließen sollte, indem sie eine Einstufung in ein höheres Semester nach Zulassung im ersten Semester regelt, an sich also den Prätendenten für die Zulassung in einem höheren Semester zunächst auf das normale Zulassungsverfahren für Eingangssemester verweist, ist angesichts der seinerzeit bekannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Quereinstieg (Beschl. v. 13.10.1976 - 1 BvR 135/75 -, BVerfGE 43, 34 = NJW 1976, 2339) nicht anzunehmen.

1.2 Für die innerkapazitäre Zulassung kommt es unter diesen Umständen nicht mehr entscheidend darauf an, ob § 6 NHZG einen dem höheren Semester entsprechenden Leistungsstand voraussetzt. Dies war nach einer früheren Gesetzesfassung (dem damaligen § 7 Abs. 1 Satz 2 NHZG 1986, GVBl. 1986, 29) explizit der Fall. Danach mussten die Bewerber für das angestrebte höhere Semester entsprechend der jeweiligen Prüfungsordnung entweder die erforderlichen Studienleistungen und Studienzeiten oder die erforderlichen Studienzeiten nachgewiesen haben. Diese Passage ist mit der Gesetzesänderung von 1998 (GVBl. 1998, 51) ohne besondere Erwähnung in den Gesetzesmaterialien (insbesondere Drucksachen 13/3210, 13/3580 und 13/3765) entfallen, während andere Bundesländer noch über vergleichbare Vorschriften verfügen (vgl. z.B. § 9 Abs. 3 BerlHZG, § 19 Abs. 1 HVVO BW; Übersicht bei Selbmann/Drescher, DÖV 2010, 961).

2.1 Auch außerkapazitär besteht - bei der im Eilverfahren angemessenen Prüfungstiefe - kein Anspruch auf Zulassung. Insoweit ist der Antragstellerin allerdings einzuräumen, dass der Senat die Reihungsregelungen des § 6 NHZG auf die außerkapazitäre Studienplatzvergabe bislang nicht angewandt hat. Gerade für die im Hochschulzulassungsgesetz 1998 entfallene Anknüpfung an die entsprechenden Studienleistungen zieht allerdings die Rechtsprechung anderer Länder die vergleichbaren dortigen Vorschriften für außerkapazitäre Zulassungsansprüche entsprechend heran (vgl. zuletzt VG Freiburg, Beschl. v. 17.5.2013 - NC 6 K 538/13 - und VG Berlin, Beschluss v. 27.2.2012 - 30 L 1664/11 -, jeweils mit Nachweisen, beide [...]). In ähnlicher Weise hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 18. Dezember 1995 (- Bs III 56/95 -, [...], Rdnr. 18) im Zusammenhang mit der in der damaligen Universitäts-Zulassungsverordnung festgelegten Obergrenze von mehr als acht Semestern in dem betreffenden Studiengang argumentiert:

"Die Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl hängt nicht allein von der Verfügbarkeit eines nicht besetzten Studienplatzes ab. Allerdings finden die Vorschriften der Vergabeverordnung und der Universitäts-Zulassungsverordnung, nach denen die Zulassung Einschränkungen auch aus anderen als Kapazitätsgründen unterworfen ist, auf die Vergabe von Restkapazität keine unmittelbare Anwendung. Das Vergaberecht setzt voraus, daß sämtliche Studienplätze pflichtgemäß erfaßt und in das zentrale bzw. das hochschuleigene Vergabeverfahren einbezogen werden; eine Vorsorge für den Fall, daß erst in einem Rechtsstreit eine unausgeschöpfte Ausbildungskapazität festgestellt wird, trifft es nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.4.1990, NJW 1990, 2899, 2900 [BVerwG 20.04.1990 - 7 C 59/87]). Dies kann indes nicht bedeuten, daß zulassungsrechtliche Bestimmungen, die ihrem Sinngehalt nach gleichermaßen für jeden Fall der Zulassung gelten, unbeachtet bleiben müssen. Voraussetzungen, die ein Studienbewerber für die Zulassung erfüllen müßte, wenn die verfügbare Ausbildungskapazität dem Verfassungsgebot gemäß vollständig durch die festgesetzte Zahl von Studienplätzen ausgeschöpft wird, können nicht allein deshalb entfallen, weil eine Restkapazität erst im gerichtlichen Verfahren festgestellt wird. Das Gericht schließt, indem es weitere Ausbildungskapazitäten als die in der Verordnung über die Zulassungszahlen ausgewiesene feststellt, nur die Lücke dieser Regelung, die infolge Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gebot, die Ausbildungskapazität der Hochschule erschöpfend zu nutzen, besteht. An Regelungen durch Gesetz oder Verordnung dagegen, die verfassungsgemäß und daher wirksam sind, ist das Gericht gebunden. Die Rechtslage ist danach wegen Studienplätzen, die erst im gerichtlichen Verfahren festgestellt werden, mit Bezug auf diese Ausbildungskapazität so zu beurteilen, wie wenn schon der Verordnunggeber dieselbe Kapazität, so wie es ihm gemäß Art. 12 GG oblag, festgestellt hätte."

Auch der Senat geht davon aus, dass die allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für das Studium in einem höheren Semester - unbeschadet der Frage der Anwendbarkeit der auf der Rechtsfolgenseite anzusiedelnden Reihungsregelungen - bereits für die Zulassung gegeben sein müssen, nicht erst bei Einschreibung. Anderenfalls würden Studienbewerber, die den Nachweis des Vorliegens dieser Voraussetzungen letztlich nicht führen können, die Chancen derjenigen Studienbewerber im Zulassungsverfahren schmälern, bei denen alle Voraussetzungen ohne Weiteres gegeben sind. Dafür ist keine Rechtfertigung ersichtlich.

2.2 Der Senat geht in der Sache auch davon aus, dass der Wegfall der oben wiedergegebenen Bestimmung im Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetz nicht bewirken sollte, dass sich jeder Studierwillige in jedem beliebigen höheren Semester solle einschreiben können. Es liegt auf der Hand, dass eine Einschreibung in ein höheres Semester ohne entsprechende Vorkenntnisse sowohl für die Studierenden als auch für die Universität eine bloße Vergeudung von Ressourcen darstellen würde. Auch der Gesamtzusammenhang der eigentlich nur die Reihung betreffenden Nummern 2 a) bis d) des § 6 Abs. 1 NHZG lässt darauf schließen, dass es jeweils nur um eine Fortsetzung des Studiums in einem "passenden" Semester geht. Offenbar hat der Gesetzgeber dies bei der Gesetzesänderung von 1998 schon für so selbstverständlich gehalten, dass ihm die früher ausdrückliche Regelung dieses Umstands nunmehr entbehrlich erschien, zumal auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von vornherein davon ausgegangen war, dass die "Quereinsteiger" die für das angestrebte Studium anrechenbaren Leistungen nachzuweisen hätten (BVerfG, a.a.O.; vgl. auch OVG Bautzen, Beschl. v. 30.4.2009 - 2 B 309/09 -, NVwZ-RR 2009, 683).

3. Die Antragsgegnerin hat deshalb zu Recht bereits im Zulassungsverfahren zur Voraussetzung gemacht, dass im Sinne des § 8 der hier einschlägigen Prüfungsordnung die Gleichwertigkeit bisheriger Studienzeiten in demselben oder einem anderen Studiengang festgestellt worden ist. Dabei bedarf keiner weiteren Erörterung, ob solche Regelungen möglicherweise einen besseren Standort in einer Immatrikulationsordnung (hier in § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 3 der Immatrikulationsordnung vom 8. Dezember 2006 nicht angesprochen) oder einer Studienordnung hätten; auch die Prüfungsordnung kann Regelungen enthalten, die sich bereits bei der Aufnahme des Studiums auswirken.

Die danach erforderlichen Nachweise entsprechender Leistungen hat die Antragstellerin nach dem Stand der Beschwerdeerwiderung auch während des Beschwerdeverfahrens bislang nicht erbracht.