Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.07.2013, Az.: 4 MN 155/13
Grundsätze zur Interessenabwägung i.R. eines Normenkontrollantrags gegen den Erlass einer Verordnung zur Beschränkung der Schonzeit von Rabenkrähen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.07.2013
- Aktenzeichen
- 4 MN 155/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 44567
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:0709.4MN155.13.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG
- § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG
- § 47 Abs. 6 VwGO
- Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen
Fundstellen
- AUR 2013, 482-484
- DÖV 2013, 950
- NVwZ-RR 2014, 178-180
- NuR 2013, 752-754
- ZUR 2013, 693
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Bei der Entscheidung nach § 47 Abs. 6 VwGO haben die Gründe, welche der Antragsteller für die Nichtigkeit der angegriffenen Norm im Hauptsacheverfahren anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der Normenkontrollantrag erweist sich hiernach als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet.
- 2.
Nach der im Rahmen des § 47 Abs. 6 VwGO gebotenen summarischen Prüfung spricht Vieles dafür, dass das Mitwirkungsrecht einer nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes anerkannten Vereinigung bei der Vorbereitung einer Verordnung oder anderen im Rang unter dem Naturschutzgesetz stehenden Rechtsvorschrift nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG nur dann gegeben ist, wenn die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde bei Erlass der Rechtsvorschrift auf der Grundlage des BNatSchG oder des NAGBNatSchG handelt und nicht bereits dann, wenn eine Verordnung "auch auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege angesiedelt" ist. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift ist mit Blick auf Art. 8 Satz 1 und Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens indes nicht offensichtlich ausgeschlossen.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers,
die von dem Kreistag des Antragsgegners in seiner Sitzung am 6. Juni 2013 beschlossene Verordnung, mit der zur Vermeidung von übermäßigen Schäden in der Landwirtschaft die Schonzeit für Rabenkrähen für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Juli 2013 vorübergehend aufgehoben worden ist (§ 1 der Verordnung), einstweilen außer Vollzug zu setzen,
hat Erfolg.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht die vom Antragsteller erstrebte einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Da sich der Wortlaut des § 47 Abs. 6 VwGO an § 32 Abs. 1 BVerfGG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anlehnt, sind die von dem Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze auch bei der Anwendung des § 47 Abs. 6 VwGO heranzuziehen. Danach ist bei der Prüfung, ob eine einstweilige Anordnung auf Aussetzung einer bereits in Kraft gesetzten Norm geboten ist, ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Bei der Entscheidung nach § 47 Abs. 6 VwGO haben die Gründe, welche der Antragsteller für die Nichtigkeit der angegriffenen Norm im Hauptsacheverfahren anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der Normenkontrollantrag erweist sich hiernach als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Ist dies nicht der Fall, so sind die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe (Senatsbeschl. v. 30.10.2009 - 4 MN 346/08 - m. w. N.; vgl. ferner Bay. VGH, Beschl. v. 7.5.2013 - 10 NE 13.226 -; Gisberts, in Posser/Wolff, VwGO, § 47 Rn 92).
Der Antrag des Antragstellers ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet (1.). Nach der danach vorzunehmenden Folgenabwägung ist die vom Antragsteller beantragte einstweilige Anordnung dringend geboten (2.).
(1.) Der Antrag des Antragstellers ist nicht von vornherein unzulässig.
Der Antrag ist statthaft, weil die Verordnung des Antragsgegners gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 7 Nds. AG VwGO der Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht unterliegt.
Der Antragsteller ist auch antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Insofern ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die zur Prüfung gestellte Rechtsnorm in einem subjektiven Recht verletzt wird (Senatsbeschl. v. 2.11.2010 - 4 KN 230/09 - m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Mitwirkungsrecht nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG, dessen Verletzung der Antragsteller rügt, stellt ein selbständig durchsetzbares, subjektiv-öffentliches Recht auf Beteiligung der nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes von einem Land anerkannten Naturschutzvereinigung dar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.8.1995 - 4 NB 43.94 - zu § 29 BNatSchG a. F.; ferner Gellermann, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, § 63 Rn 3 m. w. N.). Da der Antragsteller, eine nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz durch das Land Niedersachsen anerkannte Vereinigung, bei der Vorbereitung der streitgegenständlichen Verordnung nicht nach § 63 Abs. 2 und 3 BNatSchG i. V. m. § 38 NAGBNatSchG beteiligt worden ist, ein Beteiligungsrecht aber bestanden haben könnte, scheint eine Verletzung von Rechten des Antragstellers möglich.
Der Antrag ist auch nicht offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG ist einer nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes von einem Land anerkannten Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen im Rang unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften der für den Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden der Länder Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden im Sinne dieses Gesetzes sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden. Der Antragsgegner nimmt zwar gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 NAGBNatSchG die Aufgaben der unteren Naturschutzbehörden wahr und ist damit nach Landesrecht die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde. Indes hat der Antragsgegner hier nicht als untere Naturschutzbehörde auf der Grundlage von Vorschriften des BNatSchG oder des NAGBNatSchG gehandelt, sondern als Jagdbehörde (§ 36 Abs. 1 Satz 1 NJagdG) auf der Grundlage der Ermächtigungsvorschrift des § 26 Abs. 2 NJagdG. Nach dieser Vorschrift wird die Jagdbehörde ermächtigt, zum Erlegen von krankem oder kümmerndem Wild, zur Wildseuchenbekämpfung, aus Gründen der Wildhege, des Artenschutzes oder zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden Schonzeiten durch Verordnung aufzuheben.
Nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht Vieles dafür, dass das Mitwirkungsrecht bei der Vorbereitung einer Verordnung oder anderen im Rang unter dem Naturschutzgesetz stehenden Rechtsvorschrift nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG nur dann gegeben ist, wenn die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde bei Erlass der Rechtsvorschrift auf der Grundlage des BNatSchG oder des NAGBNatSchG handelt und nicht bereits dann, wenn - wie der Antragsteller geltend gemacht hat - eine Verordnung "auch auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege angesiedelt" ist. Aus dem von dem Antragsteller in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 1998 - 11 MG 3290/98 - ergibt sich nichts anderes, da nach der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 1 des seinerzeit gültigen Hessischen Naturschutzgesetzes ein nach § 29 Abs. 2 BNatSchG a. F. anerkannter Verband zu beteiligen gewesen war bei der "Vorbereitung von Vorschriften des Landesrechts durch die Landesregierung, deren Erlass die Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege oder der Landnutzung wesentlich berührt". Auch in Niedersachsen nach dem bis zum Inkrafttreten des NAGBNatSchG am 1. März 2010 gültigen NNatG bestand gemäß § 60a Abs. 1 Nr. 1 NNatG "über die in § 60 Abs. 2 Nrn. 1, 5 und 6 des Bundesnaturschutzgesetzes geregelte Mitwirkung hinaus" nach Maßgabe der Beschränkungen in § 60a Abs. 2 NNatG ein Mitwirkungsrecht anerkannter Naturschutzvereine bei der Vorbereitung von Verordnungen, "deren Durchführung erhebliche Beeinträchtigungen der Belange von Naturschutz und Landschaftspflege erwarten läßt". Eine gleichlautende Formulierung findet sich hingegen weder in § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG noch in § 38 NAGBNatSchG.
Allerdings ist nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG hier erweiternd auszulegen ist und ein Mitwirkungsrecht des Antragstellers verletzt worden ist. Nach Art. 8 Satz 1 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) bemüht sich jede Vertragspartei, zu einem passenden Zeitpunkt und solange Optionen noch offen sind eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung während der durch Behörden erfolgenden Vorbereitung exekutiver Vorschriften und sonstiger allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher Bestimmungen, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können, zu fördern. Ob sich hieraus das Erfordernis einer erweiternder Auslegung des § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG ergibt, ist mit Blick auf den Wortlaut ("bemüht") fraglich, aber vorliegend nicht offensichtlich ausgeschlossen. Im Rahmen dieses Verfahrens kann auch die Möglichkeit einer erheblichen Auswirkung der streitgegenständlichen Verordnung auf die Umwelt im Sinne der vorgenannten Bestimmung nicht von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise verneint werden.
Im Übrigen hat nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens jede Vertragspartei zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren sicherzustellen, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 8. März 2011 - C-240/09 - zu dieser Vorschrift zwar festgestellt, dass die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens keine klare und präzise Verpflichtung enthalten, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte. Aus diesem Grund dürfte Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens keine von der Geltendmachung einer subjektiven Rechtsverletzung unabhängige Klage- bzw. Antragsbefugnis begründen (vgl. 8. Senat des OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 27.2.2013 - 8 B 10254/13 -; a. A. 1. Senat des OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 6.2.2013 - 1 B 11266/12 -). Der Europäische Gerichtshof hat in seiner vorgenannten Entscheidung zugleich aber auch festgestellt, dass der nationale Richter dann, wenn eine mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Habitatsrichtlinie geschützte Art betroffen ist, sein nationales Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in den vom Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so auszulegen hat, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den in Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens festgelegten Zielen steht. Das Gericht hat daher das Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten. Ob vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Mitwirkungsvorschrift des § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG hier erweiternd auszulegen ist oder ob dem Antragsteller unabhängig von einer möglichen Verletzung des Mitwirkungsrechts nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG ein eigenständiges Antragsrecht gemäß Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens zusteht, um es ihm zu ermöglichen, die Rechtsverordnung des Antragsgegners, die möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union bzw. nach innerstaatlichem Recht steht, vor Gericht anzufechten und einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten und ist daher einer abschließenden Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
(2.) Da sich der Normenkontrollantrag demnach weder als offensichtlich unzulässig noch als offensichtlich unbegründet erweist, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag später aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber in der Sache erfolglos bliebe, abzuwägen. Die hier vorzunehmende Folgenabwägung führt zu einer einstweiligen Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Verordnung.
Erginge die begehrte einstweilige Anordnung nicht, wäre auf der Grundlage der vom Antragsgegner erlassenen Verordnung die Schonzeit von Rabenkrähen in dem gesamten Gebiet seines Zuständigkeitsbereichs für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Juli 2013 aufgehoben mit der Folge, dass die Bejagung der Rabenkrähe in Abweichung von § 1 Nr. 1 DVO-NJagdG bereits vor dem 1. August erfolgen könnte. Die Aufhebung der Schonzeit für die Rabenkrähe (Corvus Corona) für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 31. Juli 2013 durch die streitgegenständliche Rechtsverordnung auf der Grundlage des § 26 Abs. 2 NJagdG betrifft eine wildlebende Vogelart, die dem Schutz der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 S. 7), die die Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103 S. 1) kodifiziert hat, unterliegt. Bei Erlass dieser Verordnung sind gemäß § 41a NJagdG die Maßgaben des Art. 7 Abs. 4 und der Art. 8 und 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (ABl. EG Nr. L 103 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung sowie der Art. 12 bis 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. EG Nr. L 206 S. 7) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten gewesen. Die Rabenkrähe darf danach gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2009/147/EG als in Anhang II Teil B dieser Richtlinie aufgeführte Art in Deutschland bejagt werden. Gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2009/147/EG ist allerdings dafür Sorge zu tragen, dass die Arten, auf die die Jagdvorschriften Anwendung finden, nicht während der Nistzeit oder während der einzelnen Phasen der Brut- und Aufzuchtzeit bejagt werden. Gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) 2. Spiegelstrich der Richtlinie 2009/147/EG können die Mitgliedstaaten, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt, zur Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischereigebieten und Gewässern von den Art. 5 bis 8 abweichen. Die Aufhebung der Schonzeit für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. Juli 2013 führt - was zwischen den Beteiligten insoweit auch unstreitig sein dürfte - dazu, dass die Rabenkrähe auch während der Phase der Aufzuchtzeit von Jungtieren bejagt werden kann. Nach der Stellungnahme des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung vom 12. Februar 2013 sei es wissenschaftlich belegt, dass die Rabenkrähe mit dem Nestbau Anfang März beginne und die Nestlingszeit spätestens in der ersten Juliwoche, größtenteils aber bereits Ende Juni beendet sei. Auch die allgemeine Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit liegt gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1b) NWaldLG in der Zeit vom 1. April bis zum 15. Juli. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Bejagung der Rabenkrähe in der Aufzuchtzeit zu erheblich nachteiligen Auswirkungen für den Bestand führen kann. Es liegt auf der Hand, dass diese Folgen nicht reparabel sind, wenn der Normenkontrollantrag in der Hauptsache später erfolgt hat. Die vom Antragsteller verfolgten Belange des Naturschutzes wären dann unwiderruflich verletzt.
Dem sind die Folgen bei einstweiliger Aussetzung des Vollzugs der streitgegenständlichen Verordnung und nachträglicher Erfolglosigkeit des Hauptsacheverfahrens gegenüberzustellen. Die Schonzeit für Rabenkrähen ist gemäß § 1 der Verordnung zur Vermeidung von übermäßigen Schäden in der Landwirtschaft aufgehoben worden. Bei einstweiliger Aussetzung der Verordnung können Schäden, die durch Rabenkrähen in dem fraglichen Zeitraum entstehen, nicht durch Bejagung vermieden werden. Ausweislich der Beschlussvorlage Nr. FB 3/0125/2013 zu der streitgegenständlichen Verordnung sollen nach einer Erhebung des Kreisjägermeisters betroffenen Landwirten durch die Rabenkrähe Schäden in Höhe von ca. 235.000 EUR entstanden sein. Im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners findet sich hierzu eine "Zusammenstellung der Schäden durch Rabenkrähen in der Landwirtschaft 2012", aus der sich der vorgenannte Schadensbetrag ergibt. Der Schadensbetrag von 235.000,- EUR bezieht sich somit auf das gesamte Jahr, so dass auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen nicht ersichtlich ist, in welcher Höhe ein Schaden vermieden werden kann, wenn die Rabenkrähe über die allgemein zulässige Jagdzeit hinaus auch im der Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Juli 2013 bejagt wird. Der Betrag dürfte jedenfalls ganz erheblich unter dem festgestellten Betrag von 235.000,- EUR liegen, da sich dieser auf Gesamtschäden über einen längeren Zeitraum von einem Jahr bezieht. Die Schäden für die jeweils betroffenen Landwirte bezogen auf den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. Juli 2013 dürften daher nicht gravierend sein. Im Übrigen wird in der Beschlussvorlage ausgeführt, dass noch nicht überall mögliche Schutzmaßnahmen bzw. Abwehrmaßnahmen seitens der geschädigten Landwirte ergriffen worden seien. Der Antragsteller hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass zum Schutz von Silagen als wirtschaftlich vernünftige Maßnahme der Einsatz von Kunststoff-Gitterfolien in Betracht kommt, ohne dass der Antragsgegner hiergegen Einwände erhoben hat. Darüber hinaus verbleiben zur Schadensminimierung auch bei Aussetzung des Vollzugs weiterhin Möglichkeiten von Vergrämungsmaßnahmen, auch wenn diese gegebenenfalls nur kurzfristige Wirkung erzielen. Schließlich ist im Rahmen der Folgenabschätzung zu berücksichtigen, dass die Rabenkrähe jedenfalls ab dem 1. August 2013 wieder bejagt werden kann, so dass eine (intensivere) Bejagung im zulässigen Zeitraum (1. August bis 20. Februar) möglich ist, um die durch Rabenkrähen verursachten Schäden zu reduzieren. Damit wiegen die negativen Folgen für die Landwirtschaft bei vorläufiger Aussetzung des Vollzugs der Rechtsverordnung in dem Fall, dass der Normenkontrollantrag später keinen Erfolg hat, deutlich weniger schwer als die negativen und irreparablen Folgen für die von dem Antragsteller verfolgten Belange des Naturschutzes bei Unterbleiben der einstweiligen Anordnung und späterem Erfolg in der Hauptsache.
Da effektiver Rechtsschutz des Antragstellers gegen die bis zum 31. Juli 2013 befristete Verordnung des Antragsgegners durch eine spätere Hauptsacheentscheidung offensichtlich nicht gewährleistet ist und auch nicht in anderer Weise sichergestellt werden kann, steht das grundsätzliche Verbot der (faktischen) Vorwegnahme der Hauptsache der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnungen auch nicht entgegen.