Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.11.2014, Az.: 13 ME 187/14
Antragsänderung; Beschwerdeverfahren; Geschäftsführungsbefugnis; Hauptverwaltungsbeamter; Kreisausschuss; Kreistag; Kündigung; Landrat; Vertrag; Vertretungsmacht; Willenserklärung; Wirksamkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.11.2014
- Aktenzeichen
- 13 ME 187/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 42570
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 25.09.2014 - AZ: 11 B 2643/14
Rechtsgrundlagen
- § 86 Abs 1 S 2 KomVerfG ND
- § 136 KomVerfG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Auf die Wirksamkeit der Kündigung eines Beauftragungsvertrages nach § 5 NRettDG durch den Landrat hat es grundsätzlich keinen Einfluss, ob zuvor das zuständige Organ des Landkreises über die Kündigung entschieden hat.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 11. Kammer - vom 25. September 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist vom Antragsgegner als Träger des Rettungsdienstes nach § 5 NRettDG durch öffentlich-rechtlichen Vertrag in einem Teilbereich des Kreisgebietes mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragt worden. Diesen Vertrag hat der Landrat des Antragsgegners entsprechend einem vorangegangenen Beschluss des Kreisausschusses zum 31. Dezember 2014 gekündigt. Den Antrag des Antragstellers, eine Fortsetzung des Beauftragungsverhältnisses über diesen Zeitraum hinaus einstweilig anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 25. September 2014 hat keinen Erfolg.
Der Hauptantrag, mit dem der Antragsteller unter Berufung auf § 123 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO begehrt, einstweilen anzuordnen, dass das Beauftragungsverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner entsprechend dem Vertrag vom 27. Oktober 2008 über den 31. Dezember 2014 hinaus bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache fortgesetzt wird, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller keinen Anspruch auf den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung hat. Der Senat macht sich insoweit die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zu Eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht das Bestehen eines Anordnungsanspruchs verneint. Der zwischen den Beteiligten geschlossene Beauftragungsvertrag vom 27. Oktober 2008 ist mit der vom Landrat des Antragsgegners ausgesprochenen Kündigungserklärung vom 4. Dezember 2012 gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages wirksam zum Ablauf des 31. Dezember 2014 gekündigt worden. Ein Anspruch auf eine Beauftragung des Antragstellers über diesen Zeitpunkt hinaus besteht nicht.
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht die Frage offen gelassen hat, ob der Kreisausschuss in seiner Sitzung vom 29. November 2012 über die Kündigung entscheiden durfte oder ob nach § 58 NKomVG eine Befassung des Kreistages mit dieser Frage erforderlich war. Während die §§ 58, 76 und 85 NKomVG die Geschäftsführungsbefugnis der Kommunalorgane im Innenverhältnis regeln, betrifft § 86 Abs. 1 Satz 2 NKomVG die Vertretungsmacht des Hauptverwaltungsbeamten - hier des Landrats - für Rechtsgeschäfte jeder Art im Außenverhältnis.
Diese Vertretungsmacht ist umfassend und lediglich für Verpflichtungsgeschäfte durch das Formerfordernis des § 86 Abs. 2 NKomVG beschränkt. Fehlt der willensbildende Beschluss des intern sachlich zuständigen Organs oder ist dieser rechtswidrig, so bleibt die Erklärung des Hauptverwaltungsbeamten dennoch nach außen wirksam, sofern sie nicht selbst nichtig ist. Eine intern rechtswidrige Vertretungshandlung des Hauptverwaltungsbeamten kann lediglich disziplinarrechtlich geahndet werden und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, die Wirksamkeit im Außenverhältnis berührt dies nicht (vgl. BGH, Urt. v. 20.04.1966 - V ZR 50/65 -, juris, Rdnr. 13; Urt. v. 18.12.2000 - II ZR 384/98 -, juris, Rdnr. 24; OVG LSA, Urt. v. 24.02.2000 - A 2 S 208/98 -, juris, Rdnr. 36; Mielke in Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, § 86 NKomVG, Rdnr. 7, 9, Loseblatt, Stand März 2012; Thiele, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2011, § 86, Anm. 1; jew. m.w.N.). Dem steht auch nicht entgegen, dass ein unter Verstoß gegen die interne Kompetenzordnung vom Hauptverwaltungsbeamten erlassener Verwaltungsakt aufgrund dieses Verstoßes als rechtswidrig und anfechtbar angesehen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 31.01.2013 - 7 LA 160/11 -, juris, Rdnr. 8 ff.; OVG MV, Urt. v. 21.03.2007 - 3 L 159/03 -, juris, Rdnr. 27 ff.; Bay. VGH, Urt. v. 31.03.2003 - 4 B 00.2823 -, juris, Rdnr. 34), da eine Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, anders als ein Verwaltungsakt, nicht der prozessualen Anfechtbarkeit im Verwaltungsprozess unterliegt und es alleine auf ihre Wirksamkeit ankommt (vgl. dazu auch OVG MV, a.a.O., Rdnr. 32). Die Anknüpfung an die Wirksamkeit einer auf unmittelbare Rechtswirkung gerichteten Erklärung des Hauptverwaltungsbeamten ist ein Gebot der Rechtssicherheit und des angemessenen Schutzes außenstehender Dritter. Aus diesem Grunde schlägt die mögliche Fehlerhaftigkeit der internen Willensbildung nicht auf die Wirksamkeit der einem Außenstehenden gegenüber abgegebenen Willenserklärung durch. Dieser Rechtsgedanke liegt im Übrigen auch der Regelung des § 44 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG zugrunde, wonach die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes - anders als dessen Rechtswidrigkeit - nicht dadurch herbeigeführt wird, dass ein zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat bzw. nicht beschlussfähig war oder die vorgeschriebene Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
Ein offensichtlicher Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Landrat kann den Darlegungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht entnommen werden. Mit der unter dem 4. Dezember 2012 ausgesprochenen Kündigung ist der Landrat dem Beschluss des Kreisausschusses vom 29. November 2012 nachgekommen. Anhaltspunkte dafür, dass der Landrat eine Entscheidung des Kreistags - dessen Zuständigkeit unterstellt - in Kenntnis dieser Zuständigkeit bewusst nicht herbeigeführt hat, sind nicht einmal ansatzweise vorgetragen und glaubhaft gemacht worden. Der Verweis auf § 180 BGB führt in diesem Zusammenhang nicht weiter, da der Landrat nach dem oben Ausgeführten beim Ausspruch der Kündigungserklärung im Rahmen der ihm durch § 86 Abs. 1 Satz 2 NKomVG verliehenen Vertretungsmacht gehandelt hat.
Die Kündigung des Beauftragungsvertrages verstößt auch nicht gegen § 136 NKomVG. Mit der Kündigung als solcher wird nicht darüber entschieden, auf welche Weise der Rettungsdienst in Zukunft fortgeführt werden soll. Sie ist daher auch nicht an der Vorschrift des § 136 Abs. 4 Satz 4 NKomVG zu messen, der die Führung einer „anderen“ Einrichtung im Sinne des § 136 Abs. 3 NKomVG, wozu auch der Rettungsdienst gehört, in der Form des privaten Rechts an enge Voraussetzungen knüpft. Allein die Absicht des Antragsgegners, nach Auslaufen des Beauftragungsvertrages den Rettungsdienst auch im bislang vom Antragsteller betreuten Bereich mittels seiner in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH geführten Eigengesellschaft durchzuführen, steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Die Kündigung des alten Vertrages und die Frage der zulässigen Rechtsform, in der der Rettungsdienst in dem von dem Beauftragungsvertrag bislang abgedeckten Bereich weitergeführt werden kann, sind vielmehr strikt zu trennen. Mit der Kündigung des Vertrages wird über die Rechtsform des vom Antragsgegner auch in diesem Bereich weiterhin sicherzustellenden Rettungsdienstes nicht entschieden.
Für einen Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Art. 3 GG, lässt die Beschwerdebegründung jeden inhaltlichen Vortrag vermissen. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner nicht sämtliche Beauftragungsverträge in seinem Verantwortungsbereich gekündigt hat, begründet keinen Gleichheitsverstoß, zumal aus der Sitzungsniederschrift der Sitzung des Kreisausschusses vom 29. November 2012 hervorgeht, dass die Kündigung wegen der fehlenden Aussicht auf eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Antragsteller erfolgt ist.
Ein Verstoß gegen Art. 12 GG und Art. 14 GG scheidet schon deshalb aus, weil sich aus diesen Grundrechten kein unmittelbarer Anspruch auf Fortführung der vertraglichen Beziehungen zum Antragsgegner herleiten lässt. Der Antragsteller hat sich auf den kurzfristigen Vertragslauf sowie die in dieser Vereinbarung enthaltenen Kündigungsfristen eingelassen. Mithin oblag es ihm, sich bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen auf diese Gegebenheiten einzustellen. Durch die Kündigung des Vertrages bereits Ende des Jahres 2012 hat der Antragsgegner zudem für einen zweijährigen Übergangszeitraum gesorgt, den der Antragsteller zur Einleitung der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen nutzen konnte.
Hinsichtlich des Hilfsantrages ist die Beschwerde unzulässig.
Antragsänderungen, zu denen auch die hier maßgebliche Antragserweiterung zählt, sind im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO unzulässig, soweit sich die Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich geändert hat oder anderenfalls effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen ist (vgl. Nds OVG, Beschl. v. 18.07.2013 - 8 ME 110/13 -, juris, Rdnr. 10, m.w.N.).
Der Antragsteller hat erstinstanzlich unter Berufung auf § 123 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO ausschließlich beantragt, einstweilig anzuordnen, dass das Beauftragungsverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner entsprechend dem Vertrag vom 27. Oktober 2008 über den 31. Dezember 2014 hinaus fortgesetzt wird. Er hat hingegen nicht - auch nicht hilfsweise - beantragt, nach § 123 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO einstweilen anzuordnen, dass die in der Rechtsform einer GmbH geführte Eigengesellschaft des Antragsgegners die bisher vom Antragsteller übernommenen Aufgaben bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache respektive einem Beschluss des Kreistages nicht fortsetzen darf.
Die Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren ist auch nicht ausnahmsweise zulässig. Keine der angeführten Ausnahmen ist hier gegeben. Die Sach- und Rechtslage ist seit Antragstellung im Wesentlichen unverändert und der Antragsteller ist mangels Fristgebundenheit zudem nicht gehindert, den in der Beschwerdeinstanz erstmals als Hilfsantrag gestellten Antrag nunmehr beim Verwaltungsgericht zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 16.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).