Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.07.2013, Az.: 12 ME 110/13

Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund von 18 Punkten im Verkehrszentralregister ohne Löschung wegen Ungeeignetheit zum Führen von Kfz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.07.2013
Aktenzeichen
12 ME 110/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 56549
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0709.12ME110.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 25.04.2013 - AZ: 7 B 4716/13

Fundstelle

  • DAR 2013, 596

Redaktioneller Leitsatz

Das Tatbestandsmerkmal "Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung" im Sinne des § 29 Abs. 5 S. 1 StVG erfasst nicht nur den Fall, in dem ein Fahrerlaubnisinhaber gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG wegen des Erreichens von 18 Punkten unwiderleglich als "ungeeignet gilt", sondern auch die Sachverhalte, in denen sich für ihn 14 und mehr Punkte ergeben und er zusätzlich der von ihm geforderten Mitwirkungshandlung (Teilnahme an einem Aufbauseminar) nicht nachkommt.

In der Verwaltungsrechtssache
...
Antragstellers und Beschwerdeführers,
Proz.-Bev.: ...
gegen
...
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Streitgegenstand: Entziehung der Fahrerlaubnis
- Beschwerde im Verfahren des vorl. Rechtsschutzes -
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 12. Senat - am 9. Juli 2013
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer (Einzelrichter) - vom 25. April 2013 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch Bescheid des Antragsgegners vom 4. März 2013. Der Entziehungsbescheid wurde darauf gestützt, dass sich für den Antragsteller im Verkehrszentralregister 18 Punkte ergeben hätten und er deshalb als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sei.

Das Verwaltungsgericht hat den dagegen gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 25. April 2013 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei unbegründet, weil die Entziehung der. Fahrerlaubnis im Hauptsacheverfahren voraussichtlich Bestand haben werde. Der angefochtene Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Der Antragsteller habe nach der unstreitigen Geschwindigkeitsüberschreitung vom 26. September 2012, die u.a. mit der Eintragung eines Punktes im Verkehrszentralregister geahndet worden ist, 18 Punkte erreicht. Die zuvor eingetragenen 17 Punkte seien entgegen der Auffassung des Antragstellers bei der Entziehung vom 16. Juni 2008 auch nicht zu löschen gewesen. Zwar würden grundsätzlich bei Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG die Punkte für die vor der Entziehung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht. Dies gelte gemäß § 4 Abs. 2 Satz 4 StVG jedoch nicht, wenn die Entziehung (wie hier) darauf beruhe, dass der Betroffene "nicht an einem angeordneten Aufbauseminar (Absatz 7 Satz 1, § 2a Abs. 3) teilgenommen hat". Dies sei hier der Fall. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht auf einen Beschluss des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs München vom 27. Februar 2007 (- 11 CS 06.1269 -) verwiesen, in dem ausgeführt ist, dass die inhaltliche Reichweite des § 29 Abs. 1 Satz 3 StVG aus systematischen und teleologischen Gründen zumindest so weit zu reduzieren ist, dass sie eine auf § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG gestützte Fahrerlaubnisentziehung nicht erfasst.

Begründet wird dies damit, dass eine Eintragung über Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG zwar durch eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG, nicht hingegen durch eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG an Bedeutung verliert.

II.

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwG0 allein zu prüfen hat, geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.

Der Antragsteller macht geltend, seine Taten aus dem Jahr 2007 seien wegen der 5-Jahresfrist des § 29 Abs. 6 Satz 4 StVG nach fünf Jahren absolut zu tilgen gewesen. § 29 Abs. 5 StVG stehe dem nicht entgegen. Dieser setze nämlich eine Entziehung wegen mangelnder Eignung voraus. Vorliegend sei aber eine Entziehung nicht wegen mangelnder Eignung erfolgt, sondern nur weil er die Bescheinigung der Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht beigebracht habe.

Dieser Einwand beruht nach Auffassung des Senats auf einem zu engen Verständnis der "Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung". Dieses Tatbestandsmerkmal des § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG erfasst nicht nur den Fall, in dem ein Fahrerlaubnisinhaber gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG wegen des Erreichens von 18 Punkten unwiderleglich als "ungeeignet gilt", sondern auch die Sachverhalte, in denen sich für ihn 14 und mehr Punkte ergeben und er zusätzlich der von ihm geforderten Mitwirkungshandlung (Teilnahme an einem Aufbauseminar) nicht nachkommt (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG). Es handelt sich in beiden Fällen, die als Rechtsfolge auch jeweils die zwingende Entziehung der Fahrerlaubnis vorsehen, um Konkretisierungen der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen hat, sofern sich jemand als ungeeignet erweist. Der Unterschied zwischen den beiden die Annahme der Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers bedingenden Regelungen in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StVG liegt mithin nur darin, dass bei Nr. 3 allein an die Anzahl der erreichten Punkte angeknüpft wird, während die Anwendung der Nr. 2 neben der (geringeren) Anzahl an Punkten noch die Nichtteilnahme an einem angeordneten Aufbauseminar voraussetzt.

Diese Auslegung des § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG steht auch im Einklang mit Sinn und Zweck der Regelung. Ihr liegt nämlich erkennbar der Gedanke zugrunde, dass der Fahrerlaubnisinhaber sich in der Zeit, in der ihm die Fahrerlaubnis entzogen ist, durch eine Teilnahme am Straßenverkehr nicht bewähren kann (vgl. Gesetzesbegründung zur Neufassung durch Änderungsgesetz v. 24.4.1998 zu § 29 Abs. 5, zitiert nach Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 29 Rn. 1b). Insoweit macht es aber keinen Unterschied, ob eine Entziehung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StVG erfolgt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, §66 Abs.3 Satz 3 GKG).