Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.07.2013, Az.: 4 PA 158/13
Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen von den Verboten einer Baumschutzsatzung nur auf Antrag der Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten der mit geschützten Bäumen versehenen Grundstücke
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.07.2013
- Aktenzeichen
- 4 PA 158/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 46806
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:0730.4PA158.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 03.06.2013 - AZ: 5 A 4346/12
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 2 VwGO
- § 4 Baumschutzsatzung
Amtlicher Leitsatz
Dass Ausnahmen und Befreiungen von den Verboten einer Baumschutzsatzung nur Eigentümern oder sonstigen Nutzungsberechtigten der Grundstücke, auf denen die geschützten Bäume stehen, auf Antrag erteilt werden können, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den erstinstanzlichen Beschluss ist unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Erteilung einer "Genehmigung" zum Fällen von zwei Birken auf dem Nachbargrundstück und einer entsprechenden Befreiung von den Festsetzungen im Bebauungsplan zu Recht abgelehnt, weil der beabsichtigten Rechtsverfolgung in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags die nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht gefehlt hat.
Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht darin überein, dass die beabsichtigte Verpflichtungsklage sich bei der im Prozesskostenhilfeverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich unzulässig erweist, weil die Antragsteller die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis nicht vorweisen können. Denn da sie nicht Eigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte des Grundstücks, auf dem die zu fällenden Bäume stehen, sind, kann ihnen der behauptete Anspruch gegen die Stadt Delmenhorst auf Erteilung einer "Genehmigung" zur Entfernung der Bäume nach der Satzung der Stadt Delmenhorst über den Schutz des Baumbestandes (Baumschutzsatzung) vom 16. Dezember 2003 und einer entsprechenden Befreiung von den Festsetzungen im Bebauungsplan offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen. Ausnahmen und Befreiungen von den Verboten des § 4 der Baumschutzsatzung und Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans können nämlich allein den Eigentümern oder sonstigen Nutzungsberechtigten der Grundstücke, auf denen die Bäume stehen, erteilt werden. Außerdem ist eine gewillkürte Prozessstandschaft bei Verpflichtungsklagen unzulässig. Die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts geben die Rechtslage zutreffend wieder.
Die Antragsteller können im Übrigen auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Baumschutzsatzung der Stadt Delmenhorst unwirksam sei, weil sie "jegliche Verteidigungs- oder Eingriffsmöglichkeiten gegen gesundheitsgefährdende Beeinträchtigungen" durch Bäume, die nicht im Eigentum "des Geschädigten" stehen, "vereitelt". Dass Ausnahmen und Befreiungen von den Verboten der Baumschutzsatzung nur den Eigentümern oder sonstigen Nutzungsberechtigten der Grundstücke, auf denen die geschützten Bäume stehen, auf deren Antrag hin erteilt werden können, begegnet nämlich keinen rechtlichen Bedenken. Denn zum einen sind Grundstückseigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zivilrechtlich grundsätzlich nicht berechtigt, Bäume auf benachbarten Grundstücken zu beseitigen; sie benötigen daher auch keine Ausnahmen oder Befreiungen von den Verboten der Baumschutzsatzung. Zum anderen ist es Grundstückseigentümern oder sonstigen Nutzungsberechtigten, die durch Bäume auf benachbarten Grundstücken beeinträchtigt werden, unbenommen, von den Eigentümern oder sonstigen Nutzungsberechtigten der Grundstücke, auf denen die Bäume stehen, im Zivilrechtsweg die Beseitigung der Bäume zu verlangen; sollte eine solche Klage erfolgreich sein, wäre der beklagte Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigte verpflichtet, die Erteilung der zur Beseitigung der Bäume erforderlichen Ausnahmen oder Befreiungen von den Verboten der Baumschutzsatzung selbst zu beantragen.
Dass die Antragsteller nunmehr erwägen, die beabsichtigte Klage um die Feststellungsanträge zu erweitern, dass die Baumschutzsatzung der Stadt Delmenhorst rechtsunwirksam ist und dass sowohl die Verweigerung einer Fällgenehmigung für die auf dem Nachbargrundstück stehenden Birken als auch die Versagung einer Befreiung von den Festsetzungen im Bebauungsplan rechtswidrig ist, verhilft ihrer Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss ebenfalls nicht zum Erfolg. Bei der Prüfung, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten hat, ist nämlich auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, die spätestens Ende November 2012 vorlag, abzustellen. Eine spätere Erweiterung der beabsichtigten Klage muss daher im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt bleiben.